Kitabı oku: «Compliance und interne Ermittlungen, eBook», sayfa 4

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c) Anforderungen an die Sorgfalt des Vorstands in Compliance-Fragen

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Klare Anhaltspunkte, woran sich der Vorstand orientieren kann, um seinen Pflichten nachzukommen, gab es in der Vergangenheit nur wenige. Inzwischen gibt es aber eine ganze Reihe von Entscheidungen und Empfehlungen, die zur Definition der Pflichten des Vorstandes herangezogen werden können.

aa) Die „Neubürger-Entscheidung“ des LG München I

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Wegweisend für die Definition der Pflichten eines Vorstands im Compliance-Bereich war und ist die „Neubürger-Entscheidung“ des Landgerichts (LG) München I (Entscheidung v. 10.12.2013, 5 HKO 1387/10).

Diese Entscheidung ist im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des sogenannten „Siemens-Skandals“ ergangen. Herr Neubürger war Finanzvorstand des Siemens-Konzerns. Der Konzern machte in den frühen 2000er Jahren durch einen beachtlichen Korruptionsskandal von sich Reden. In gleich mehreren Geschäftsbereichen konnte festgestellt werden, dass sich – beginnend in den 80er Jahren – ein System „schwarzer Kassen“ entwickelt hatte. In großem Stile wurden verdeckte Kassen mit Bargeld gespeist, um hieraus dann bei Bedarf Korruptionszahlungen leisten zu können (sog. „Kriegskasse“). Diese Bargeldzahlungen wurden über mehrere Jahre durchgeführt und schließlich durch ein breit angelegtes System von Scheinberaterverträgen und Scheinrechnungen zu Lasten von Siemens ergänzt. Die „Erlöse“ aus den Scheinverträgen und anschließenden Scheinrechnungen gelangten wiederum in die schwarzen Kassen und ermöglichten Schmiergeldzahlungen zur Optimierung von Auftragsvergaben.

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Innerhalb der Siemens AG wurde die Notwendigkeit eines funktionierenden Compliance-Systems angesichts verschiedener Hinweise auf möglicherweise rechtswidriges Verhalten mehrfach diskutiert, ohne dass es aber zu maßgeblichen Veränderungen gekommen wäre. Herrn Neubürger warf man konkret vor, er habe seine Vorstandspflichten zur Sicherstellung eines rechtmäßigen Verhaltens der Gesellschaft und ihrer Mitarbeiter verletzt. Er habe nicht dafür gesorgt, dass die Gesellschaft ein effizientes Compliance-System erhalte, das auch tatsächlich angewandt und kontrolliert werde. Zudem habe er trotz wiederholter, ihm zur Kenntnis gebrachter Hinweise auf ernsthafte Verstöße gegen Compliance-Vorschriften keine bzw. keine ausreichenden Maßnahmen zur Aufklärung und Untersuchung sowie zur Abstellung der Verstöße und zur Bestrafung von betroffenen Mitarbeitern ergriffen. Zwar seien teilweise interne Ermittlungen eingeleitet worden, ihre Ergebnisse indes ohne Konsequenzen geblieben.

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Siemens machte daher geltend, eine konsequente Aufklärung und Abhilfe hätte das System „schwarzer Kassen“ bereits viel früher beenden können. Der Gesellschaft sei insoweit ein erheblicher Schaden, insbesondere durch die Kosten der beauftragten, amerikanischen Rechtsanwaltskanzleien (17.748.228,04 US-Dollar von März bis September 2007) sowie weiterer Zahlungen in die schwarzen Kassen entstanden.

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Das LG München I verurteilte Herrn Neubürger zur Zahlung von 15 Mio. Euro nebst Zinsen an Siemens. In dem dazugehörigen und seither als richtungsweisend zu begreifenden Leitsatz heißt es:

„Im Rahmen seiner Legalitätspflicht hat ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße wie Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates oder an ausländische Privatpersonen erfolgen. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. Entscheidend für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geographische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit.

Die Einhaltung des Legalitätsprinzips und demgemäß die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehört zur Gesamtverantwortung des Vorstandes.“[14]

Die Parteien verglichen sich schließlich auf einen geringeren Betrag. Zu einer weiteren Auseinandersetzung höherer Instanzen mit der Entscheidung des LG München I kam es nicht, da Herr Neubürger sich schließlich das Leben nahm.

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In der Praxis hat die Entscheidung enorme Aufmerksamkeit erfahren[15], da hier erstmals ein Gericht ausdrücklich Stellung zu dem Erfordernis eines Compliance-Systems nahm und dieses direkt mit der Haftung eines Vorstands verknüpfte. Inzwischen ist anerkannt, dass die Frage, ob ein Unternehmen ein Compliance-System benötigt, stets mit „ja“ zu beantworten ist. Wie dieses auszugestalten ist, ist indes abhängig von Art, Größe und Risikobereich des jeweiligen Unternehmens.[16]

bb) Der (Deutsche) Corporate Governance Kodex

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Empfehlungen für das richtige Verhalten von Gesellschaften und ihren Vorständen enthielt schon recht früh der (Deutsche) Corporate Governance Kodex[17]. In der aktuellen Version heißt es unter Grundsatz 5:

Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der internen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung im Unternehmen hin (Compliance).

Unter „Empfehlungen und Anregungen“ heißt es weiter:

„Der Vorstand soll für ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System sorgen und dessen Grundzüge offenlegen. Beschäftigten soll auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße um Unternehmen zu geben; auch Dritten sollte diese Möglichkeit eingeräumt werden“.

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Der Corporate Governance Kodex[18] stellt eine Selbstregulierungseinrichtung der Wirtschaft (also kein Gesetz im klassischen Sinne) dar und wird gemäß seiner Präambel in der Regel einmal jährlich vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Entwicklungen überprüft und bei Bedarf angepasst. Er wird für den Vorstand der AG verbindlich, wenn er im Anstellungsvertrag mit einbezogen wird. Entsprechendes gilt für die GmbH durch eine Weisung im Gesellschaftsvertrag. Er enthält die Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung und verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seiner nachhaltigen Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse). Diese Prinzipien verlangen nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten (Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns). Dabei richtet sich der Kodex in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang. Die Beachtung des Kodex wird aber ausdrücklich auch nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften empfohlen.

cc) Anforderungen ausländischer Rechtsordnungen

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Außerhalb Deutschlands spielt die Auseinandersetzung mit Compliance-Themen teilweise schon seit vielen Jahren eine prominente Rolle. Für Unternehmen mit Auslandsbezug sind insbesondere der UK Bribery Act[19] und der amerikanische Foreign Corruption Practices Act (FCPA[20]) von Bedeutung. Denn neben dem deutschen Recht, hat ein deutsches Unternehmen im Ausland auch das jeweilige ausländische Recht zu beachten.

Beide Regelwerke erklären ein funktionierendes und umfangreiches Compliance-System in einem Unternehmen für unabdingbar. Zudem werden zahlreiche weitere Anforderungen an ein den Regelungen unterfallendes Unternehmen gestellt. In unserem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein Verstoß gegen diese (ausländischen (!) Regelungen) nicht automatisch zu einer Pflichtwidrigkeit eines deutschen Vorstands führen kann; wenn das betroffene Unternehmen aber Auslandsbezug hat und die Regelwerke auch für das deutsche Unternehmen gelten (was sowohl der UK Bribery Act wie auch der FCPA ausdrücklich vorsehen), so hat ein entsprechender Verstoß durchaus Auswirkungen auf den Pflichtenkanon eines deutschen Vorstands.

Zudem enthalten die Kodizes mitunter wertvolle Hinweise zu Standards und Best Practices, die auch für deutsche Unternehmen ohne Auslandsbezug sinnvoll sein können (s. Rn. 245 ff.).

3. Haftungsrisiken für die Aufsichtsratsmitglieder

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Wie der Name schon sagt, hat der Aufsichtsrat die Aufgabe, die Geschäftsleitung des Unternehmens (namentlich also die Vorstände) zu überwachen (§ 111 AktG). Die gewählten Aufsichtsratsmitglieder müssen ihre Aufgaben der Kontrolle und Überwachung mit der erforderlichen Sorgfalt wahrnehmen. Gemäß § 116 AktG gilt für sie der Haftungstatbestand des § 93 AktG entsprechend. Der Aufsichtsrat darf sich also nicht blind auf Bewertungen und Entscheidungen des Vorstands verlassen, sondern muss die möglicherweise bestehenden Risiken selbst und mit eigener Fachkunde bewerten. Hierzu hat das OLG Stuttgart (AG 2012, 298) ausdrücklich geurteilt:

„Bei Geschäften, die wegen ihres Umfangs, der mit ihnen verbundenen Risiken oder ihrer strategischen Funktion für die Gesellschaft besonders bedeutsam sind, muss jedes Aufsichtsratsmitglied den relevanten Sachverhalt erfassen und sich ein eigenes Urteil bilden; dies umfasst regelmäßig auch eine eigene Risikoanalyse.“

Merke:

Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsleitung des Unternehmens und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den Vorstandsmitgliedern.

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Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat die Pflicht, eventuell bestehende Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand durchzusetzen. Wir haben in diesem Kapitel bereits gelernt, dass es Situationen geben kann, in denen die Gesellschaft gegen ihren eigenen Vorstand (bzw. Ex-Vorstand) vorgehen und Schadensersatzansprüche geltend machen will. Gemäß § 112 S. 1 AktG ist für die Geltendmachung solcher Ansprüche ausdrücklich der Aufsichtsrat zuständig.

In § 112 S. 1 AktG heißt es:

„Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich“.

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So klar diese Regelung auch sein mag, so zögerlich wurde sie in der Vergangenheit teilweise angewendet. In der Praxis war zu beobachten, dass der Aufsichtsrat es häufig vermied, bestehende Ansprüche gegen den Vorstand tatsächlich durchzusetzen. Hierfür wurden mehrere Gründe ausgemacht: Mitunter gab es ein sehr enges Verhältnis zwischen dem Vorstand und (einzelnen) Aufsichtsratsmitgliedern. Unter Umständen spielten auch verwandtschaftliche Verhältnisse eine Rolle. Teilweise sind ehemalige Vorstände in Aufsichtsräte gewechselt und haben schon aus diesem Grunde kein Interesse, mögliche Verfehlungen der Vergangenheit aufzuarbeiten. Schließlich birgt jedes gerichtliche Verfahren – je nach Größe und Wichtigkeit des Unternehmens – das Risiko negativer Öffentlichkeit und damit eines Imageschadens, der sich auch wirtschaftlich auswirken kann. All das hat dazu geführt, dass die Motivation des Aufsichtsrats, tatsächlich Ansprüche gegen (Ex-)Vorstände geltend zu machen, eher gering war.

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So lag der Fall auch in der so genannten ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1997 (BGHZ 135, 244, 252). Hier urteilte das Gericht:

„Der Aufsichtsrat hat aufgrund seiner Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstandes zu überwachen und zu kontrollieren, die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen.

Dabei hat er zu berücksichtigen, dass dem Vorstand für die Leitung der Geschäfte der AG ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den unternehmerisches Handeln schlechterdings nicht denkbar ist. (…)

Kommt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht hat, muss er aufgrund einer sorgfältigen und sachgerecht durchzuführenden Risikoanalyse abschätzen, ob und in welchem Umfang die gerichtliche Geltendmachung zu einem Ausgleich des entstandenen Schadens führt. Gewissheit, dass die Schadensersatzklage zum Erfolg führen wird, kann nicht verlangt werden.

Stehen der AG nach dem Ergebnis dieser Prüfung durchsetzbare Schadensersatzansprüche zu, hat der Aufsichtsrat diese Ansprüche grundsätzlich zu verfolgen. Davon darf er nur dann ausnahmsweise absehen, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprechen und diese Umstände die Gründe, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind.

Anderen außerhalb des Unternehmenswohls liegenden, die Vorstandsmitglieder persönlich betreffenden Gesichtspunkten darf der Aufsichtsrat nur in Ausnahmefällen Raum geben.“

Der BGH hat damit klargestellt, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder selbst der Gefahr einer Haftung aussetzen, sollten sie ihren Aufgaben nicht nachkommen. Zu diesen Aufgaben gehört ausdrücklich die Prüfung und Durchsetzung von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand.[21] Diese Regelung dient dem Schutz der Aktionäre. Deswegen ist ein Verzicht nur mit Zustimmung der Hauptversammlung der AG möglich.

4. Haftungsrisiken für den GmbH-Geschäftsführer

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Auch der GmbH-Geschäftsführer ist gegenüber seiner Gesellschaft verpflichtet und kann von dieser für etwaige Pflichtverletzungen haftbar gemacht werden. Anspruchsgrundlage ist § 43 GmbHG:

„(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

[…]“

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Wie dem mit § 93 AktG vergleichbaren Wortlaut zu entnehmen ist, gelten für den Geschäftsführer der GmbH im Wesentlichen dieselben Haftungsregeln wie für den Vorstand einer AG.[22] Insoweit gelten die Ausführungen zu den Pflichten des Vorstandes[23] hier entsprechend. In der juristischen Auseinandersetzung besteht außerdem weitgehend Einigkeit darüber, dass auch die Grundsätze der ausführlich besprochenen Neubürger-Entscheidung[24] für die GmbH gelten. Zudem empfiehlt sich natürlich die Einhaltung des Corporate Governance Kodex.

Auch die Geschäftsführer einer GmbH haben demnach dafür zu sorgen, dass ihr Unternehmen mit einer Compliance-Struktur ausgestattet und so organisiert ist, dass Straftaten und andere Gesetzesverstöße vermieden werden.[25]

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Auch der Grundgedanke der Business-Judgement-Rule ist sinngemäß auf die GmbH anzuwenden.[26] Der GmbH-Geschäftsführer ist demnach frei, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, wenn diese auf der Basis angemessener Informationen zu Stande gekommen sind und dem Wohle der Gesellschaft dienen.[27]

5. Haftungsrisiken bei weiteren Gesellschaftsformen

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Die Pflicht zur Compliance (also die allgemeine Pflicht zur Rechtstreue) resultiert – wie Sie den vorstehenden Ausführungen bereits entnehmen konnten – dogmatisch aus der in allen Gesellschaften bestehenden Sorgfaltspflicht der Geschäftsleitung oder aufgrund einer Vereinbarung im Geschäftsführungsvertrag. Demnach besteht die Compliance-Pflicht grundsätzlich unabhängig von der Größe der Gesellschaft, der Gesellschafterstruktur (börsennotiert, geschlossen oder in Familienbesitz) und der Frage der Gewinnerzielungsabsicht. Sie gilt also auch für die Gesellschaftsformen abseits der am häufigsten gewählten Strukturen (AG und GmbH), also beispielsweise für die oHG, KG, GmbH & Co. KG, KGaA, im Verein, in der Stiftung oder in der Genossenschaft.[28] Anspruchsgrundlage ist dann § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag.

§ 280 Abs. 1 BGB regelt:

„Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“

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Wie die jeweilige Geschäftsleitung ihre Pflichten in der Gesellschaft auszugestalten hat, hängt wiederum von ihrem Geschäftsbereich (hat die Gesellschaft viel Auslandsbezug oder ist sie in „schwierigen“ Ländern tätig), ihrer Größe, ihren Mitarbeitern und dem allgemeinen Risikoprofil ab.[29] Dies zu bestimmen ist Aufgabe der Risikoanalyse[30], die jeder Einrichtung eines Compliance-Systems vorausgeht.

Zusammenfassung:

Die Geschäftsleitung eines jeden Unternehmens unterliegt, unabhängig von der Gesellschaftsform, einer allgemeinen Pflicht zur Rechtstreue (= Legalitätspflicht). Daneben besteht die Pflicht, ein Unternehmen so zu organisieren, dass Rechtsverstöße vermieden werden (= Organisationspflicht). Verstößt die Geschäftsleitung in einer Weise gegen diese Pflichten, die nicht mehr von der Business-Judgement-Rule gedeckt ist und entsteht der Gesellschaft dadurch ein Schaden, so kann die Gesellschaft diesen Schaden von der Geschäftsleitung ersetzt verlangen. Im Falle der AG ist sogar höchstrichterlich entschieden, dass der Aufsichtsrat solche Ansprüche gegen einen mutmaßlich pflichtwidrig handelnden Vorstand prüfen und durchsetzen muss („ARAG/Garmenbeck-Entscheidung“). Daneben kann die Geschäftsleitung von ihrem Posten abberufen werden, wenn es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Wegweisend in diesem Bereich war das sog. „Neubürger-Urteil“ des LG München I. Hierin hat das Gericht entschieden, dass eine Gesellschaft ein ihrer Art und Größe und ihrem Risikoprofil angepasstes Compliance-System zu installieren hat und regelmäßig überprüfen muss, ob dieses funktioniert und den Bedürfnissen der Gesellschaft noch entspricht.

II. (Wirtschafts-) Strafrecht

1. Grundsätzliches zum Strafrecht

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Das Strafrecht wird häufig als „die schärfste Waffe des Rechts“ bezeichnet.[31] Diese Formulierung drückt vor allem die Wahrnehmung der Betroffenen aus. Wenn der Staatsanwalt auf den Plan gerufen ist, geht es um persönliche Vorwerfbarkeit und die Gefahr von Geld- oder sogar Freiheitsstrafen. In der Literatur heißt es: Die Wurzeln des Strafrechts liegen in den sozialethischen Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft.[32] Es beschäftigt sich nur mit solchen Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber als inadäquat und damit schädlich für ein gedeihliches Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft ansieht und für deren Unterbindung er die sonstigen Mittel des Rechts für nicht ausreichend hält (Ultima- Ratio-Funktion des Strafrechts). Mit der Befugnis zu Durchsuchungen, Inhaftierungen und Bestrafungen steht dem Staat auf dem Terrain des Strafrechts und des dazugehörigen Strafprozessrechts die größtmögliche Eingriffsbefugnis in das Leben seiner Bürger zu.

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Dabei ist zu beachten, dass das Strafrecht ausdrücklich nicht dazu da ist, die Privatinteressen Einzelner zu schützen. Stattdessen geht es um die Durchsetzung eines staatlichen Strafanspruchs zur Sicherstellung der Sozialordnung. Selbst wenn das Verfahren durch die Strafanzeige eines Bürgers in Gang gesetzt wurde, wird es von der Staatsanwaltschaft geführt. Nur die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen, insbesondere die Polizei, sowie die mit Einzelfragen befassten Gerichte sind befugt, Entscheidungen im Strafverfahren zu treffen. Wünscht ein Bürger eine Auseinandersetzung mit einem anderen Bürger (z.B. weil er einen Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme geltend machen will), so steht es ihm frei, hierfür den Privatrechtsweg zu beschreiten und Zivilklage zu erheben. Ein strafrechtliches Verfahren kann er lediglich durch eine Strafanzeige in Gang setzen, aber nicht führen. Auch wenn der Strafprozess mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe endet, kommt diese nicht etwa automatisch dem Anzeigenerstatter zugute, sondern üblicherweise der Staatskasse oder einer karitativen Einrichtung. Für Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche, steht – wie dargelegt – der Zivilrechtsweg offen.[33]

Merke:

Das Strafrecht sichert das gedeihliche Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft und regelt einen staatlichen Strafanspruch zur Erhaltung der Sozialordnung. Für Streitigkeiten zwischen den Bürgern ist hingegen der Privatrechtsweg eröffnet. Aufgrund der empfindlichen Konsequenzen eines Verstoßes gegen Strafvorschriften wird das Strafrecht auch als „schärfste Waffe des Rechts“ bezeichnet und darf nur dann Anwendung finden, wenn das einer bestimmten Handlung zugeschriebene Unwerturteil so hoch ist, dass der Gesetzgeber entschieden hat, dass weniger einschneidende Mittel nicht ausreichen (Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts).

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Das Strafrecht richtet sich ausschließlich gegen natürliche Personen. Ein Unternehmensstrafrecht gibt es in Deutschland (jedenfalls derzeit noch) nicht.[34] Dies hängt damit zusammen, dass das Strafrecht für eine Verurteilung eine persönliche Schuld des Täters voraussetzt (sog. Schuldprinzip).[35]

§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB regelt ausdrücklich:

„Die Schuld des Täters ist die Grundlage für die Zumessung der Strafe.“

Da ein Unternehmen – auch wenn es juristisch gesehen unter Umständen eine Rechtspersönlichkeit besitzt – keine persönliche Schuld auf sich laden kann, scheidet dieser Anknüpfungspunkt für die Verhängung einer Strafe aus. Strafbar machen kann sich also nur ein Unternehmensmitglied (Vorstand, Geschäftsführung, Mitarbeiter), nicht aber das Unternehmen selbst. Dies bedeutet aber nicht, dass das Unternehmen nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte; hierfür sieht das Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 30 OWiG) die Möglichkeit der Bebußung des Unternehmens vor.[36]

Merke:

Dem Strafrecht liegt das Schuldprinzip zu Grunde. Bestraft werden kann nur, wer persönliche Schuld auf sich geladen hat. Bestraft werden können daher nur natürliche Personen, nicht das Unternehmen selbst. Das Unternehmen kann aber gem. § 30 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden.

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Strafbar machen kann man sich im Übrigen nicht nur durch ein eigenes Handeln, sondern auch durch ein Unterlassen.[37] Erkennt also ein verantwortliches Unternehmensmitglied (Vorstand, Geschäftsführung, Führungskraft), dass ein Mitarbeiter sich strafrechtlich relevant verhält und schreitet nicht ein, kann sich hieraus unter bestimmten Umständen ebenfalls eine Strafbarkeit ergeben (§ 13 StGB). Eine Strafbarkeit kommt außerdem auch bei gemeinschaftlichem Handeln (§ 25 StGB), Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) in Betracht.

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Zu unterscheiden ist zwischen dem materiellen und dem formellen Strafrecht. Jedem dürfte bewusst sein, dass es bei Strafe verboten ist, andere zu töten oder zu verletzen. Zudem sind Diebstahl, Vergewaltigung und Betrug sowie viele andere Verhaltensweisen verboten, die das gedeihliche Zusammenleben gefährden und als grenzüberschreitend wahrgenommen werden. Die strafrechtlich relevanten Tatbestände regelt vor allem das Strafgesetzbuch (StGB). Hier sind Delikte wie Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB) oder Betrug (§ 263 StGB) aufgeführt. Darüber hinaus gibt es das so genannte „Nebenstrafrecht“. Hierzu gehören Strafvorschriften, die aufgrund der größeren Sachnähe nicht im Strafgesetzbuch, sondern in Spezialgesetzen geregelt sind (so hat beispielsweise der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung in § 15a InsO Niederschlag gefunden). Weitere prominente Beispiele für Spezialgesetze, die Strafvorschriften aufweisen, sind etwa das Betäubungsmittelgesetz [BtMG], das Waffengesetz [WaffG] und die Abgabenordnung [AO], die unter anderem den Tatbestand der Steuerhinterziehung [§ 370 AO] enthält. Alle diese Tatbestände geben Auskunft darüber, welche Verhaltensweisen der Gesetzgeber bei Strafe verboten hat und werden in ihrer Gesamtheit als das „materielle Strafrecht“ bezeichnet. Das materielle Strafrecht regelt auch, mit welcher Strafe ein Täter zu rechnen hat, wenn er ein bestimmtes Delikt begeht.

Merke:

Das materielle Strafrecht umfasst alle Normen, die die Voraussetzungen der Strafbarkeit und deren Rechtsfolgen festlegen.

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Demgegenüber behandelt das formelle Strafrecht den Ablauf der Strafverfolgung, regelt also die Befugnisse der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und beschäftigt sich mit den Voraussetzungen der Hauptverhandlung. Auch Haftfragen sind im formellen Strafrecht angesiedelt. Hauptrechtsquelle für das formelle Strafrecht ist die Strafprozessordnung (StPO). In dieser ist beispielsweise geregelt, wann eine Durchsuchung durchgeführt oder jemand in Untersuchungshaft genommen werden darf.

Merke:

Das formelle Strafrecht widmet sich dem Strafverfahren und der Frage, wie und mit welchen Mitteln Straftaten zu verfolgen sind. Hier sind auch die Befugnisse der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden geregelt.

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