Kitabı oku: «Compliance und interne Ermittlungen, eBook», sayfa 6

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dd) Rechtsmittelverfahren (§§ 296 ff. StPO)

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Endet die Hauptverhandlung nicht mit einer Einstellung, sondern einem Urteil und hält ein Beteiligter dieses für falsch, so stehen ihm grundsätzlich verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. Hierzu gehören vor allem die Berufung (§§ 312 ff. StPO) und die Revision (§§ 333 ff. StPO). Mit der Berufung wird das gesamte Verfahren in die nächste Instanz gebracht. Hier wird die Hauptverhandlung inklusive der Beweisaufnahme vor dem nächsthöheren Gericht wiederholt. Das Rechtsmittel der Revision führt nicht zu einer Wiederholung der Hauptverhandlung/der Beweisaufnahme. Hier geht es lediglich darum, das Urteil und das Protokoll der vorherigen Hauptverhandlung auf Rechtsfehler zu überprüfen. Zuständig hierfür sind die Oberlandesgerichte (OLG; § 121 Abs. 1 Nr. 1 GVG) bzw. für das Land Berlin das Kammergericht (KG) und der Bundesgerichtshof (BGH; § 153 Abs. 1 GVG, § 335 Abs. 2 StPO).

ee) Vollstreckungsverfahren

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Das Vollstreckungsverfahren dient der Umsetzung des gesprochenen Urteils. Die Zuständigkeit liegt bei der Staatsanwaltschaft, die über die Zahlung von Geldstrafen, die Verbüßung von Freiheitsstrafen und etwaige Nebenfolgen wacht.

c) Die wichtigsten Straftatbestände des Wirtschaftsstrafrechts

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Im Rahmen seiner Compliance-Bemühungen sollte ein Unternehmen Überlegungen dazu anstellen, wie es den häufigsten strafrechtlichen Problemstellungen begegnen kann. Dabei kann das jeweilige Unternehmen selbst Opfer strafrechtlicher Handlungen werden; möglicherweise begehen aber auch Mitarbeiter des Unternehmens bei oder anlässlich der Ausführung ihres Berufes Straftaten. Weiß ein Unternehmen dies nicht zu verhindern, besteht die Gefahr der zivilrechtlichen/gesellschaftsrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung.[61]

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Im Folgenden sollen nicht alle denkbaren Rechtsverstöße diskutiert werden, die zu einer strafrechtlichen Haftung führen können, sondern nur diejenigen, die in der Praxis die bedeutendste Rolle spielen und dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sind. Hierzu gehören unbestritten die Korruptionstatbestände (§§ 299 ff., §§ 331 ff. StGB) und der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Regelmäßig spielen aber auch Delikte wie Betrug (§ 263 StGB) oder der Verrat von Geschäftsgeheimnissen (§ 23 GeschGehG) eine Rolle. Auch das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) ist zu beachten. Ein weiteres, in der Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnendes, Feld ist außerdem die Geldwäsche (§ 261 StGB, GwG)

aa) Die Korruptionstatbestände

(1) Grundlagen

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Der Gesetzgeber hat den Begriff der Korruption nicht definiert. Dem Wortsinne nach leitet er sich vom lateinischen „corrumpere“ ab, was übersetzt „verderben, vernichten“ bedeutet. Der Duden fasst unter Korruption außerdem Bestechlichkeit, Bestechung und Sittenverfall. Üblicherweise geht es um Handlungsweisen, in denen Inhaber eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats sich in der Ausübung ihrer Aufgaben von durch Dritte gewährten Vorteilen leiten lassen. Letztlich kann unter Korruption also grundsätzlich alles verstanden werden, was den Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil bedeutet.[62] In der Praxis läuft es zumeist auf die Beeinflussung eines bestimmten Entscheidungsprozesses durch eine Geldzahlung oder großzügige Geschenke hinaus.

Merke:

Korruption bedeutet Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil.

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Korruption im Wirtschaftsleben galt über lange Zeit als „Kavaliersdelikt“. Bis zum Anfang der 90er Jahre gab es sogar die Praxis, landläufig als „nützliche Aufwendungen“ bezeichnete Zahlungen (häufig ins Ausland) steuerlich als Betriebsausgaben geltend zu machen. Manche Unternehmen hielten sog. „NA-Beauftragte“ vor, die über Zahlungen im In- und Ausland Buch führten und über deren steuerliche Behandlung entschieden. Diese Praxis wurde schließlich durch ein schärferes Vorgehen der Finanzbehörden und die Einführung des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG beendet. Diese Norm regelt ausdrücklich, dass Bestechungszahlungen nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Auch die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionstaten hat stark zugenommen. Dabei genügt – wie Sie nun bereits wissen – schon der äußere Anschein einer korruptiven Handlung für die Einleitung eines Strafverfahrens. Wie wir im Rahmen der weiteren Ausführungen noch sehen werden, hat dies zu einer mitunter übertrieben strengen Praxis geführt, die große Unsicherheit der Unternehmen und teilweise skurrile Ergebnisse nach sich zieht.[63]

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Die Korruptionsdelikte sind im StGB in §§ 299 ff. bzw. §§ 331 ff. geregelt. Grob unterscheiden kann man die gesetzlichen Regelungen danach, ob Amtsträger oder „normale“ Angestellte im geschäftlichen Verkehr in Bezug genommen werden. Für Amtsträger gelten generell strengere Regelungen als für „Normalbürger“, da sie Repräsentanten des Staates und demgemäß angehalten sind, frei von äußeren Einflüssen den Willen des Staates nach außen zu tragen.

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Zudem ist zwischen aktiver und passiver Korruption zu unterscheiden. Aktive Korruption bedeutet das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils unter der Erwartung einer Gegenleistung.[64] Die passive Korruption verwirklicht, wer einen solchen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.[65]

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Allen Korruptionsstraftatbeständen ist gemein, dass ihnen eine zwischen den Parteien geschlossene Unrechtsvereinbarung – oder zumindest der Wille einer Partei, eine solche abzuschließen – zugrunde liegen muss.

Merke:

Unter einer Unrechtsvereinbarung versteht man den gesetzlich missbilligten Austausch von Leistung und Gegenleistung.

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Eine solche Unrechtsvereinbarung muss nicht schriftlich abgeschlossen oder gar vertraglich geregelt werden. Es genügt, wenn sich beide Parteien über Leistung und Gegenleistung einig sind. Unabhängig von ihrer Form ist das Vorliegen einer solchen Vereinbarung aber zwingende Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach den Korruptionsdelikten.[66]

Wichtig ist, dass es für eine Strafbarkeit auch genügt, wenn nur eine Partei eine Unrechtsvereinbarung beabsichtigt, die andere den Leistungsaustausch aber ablehnt. Die Bestechungsdelikte sind zwar spiegelbildlich ausgestaltet, hängen aber nicht zusammen. Der Vorteilsgeber kann sich also auch dann strafbar machen, wenn der potentielle Vorteilsnehmer das Geschenk ablehnt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt nämlich schon das bloße „Anbieten“ eines Vorteils mit dem Ziel, eine unlautere Beeinflussung des Beschenkten herbeizuführen, für eine Strafbarkeit.[67]

Beispiel „Steuererklärung“

Ein Bürger (B) verspricht dem für ihn zuständigen Finanzbeamten 50% des Erlöses, wenn dieser einige Posten seiner Steuererklärung, die eigentlich nicht abzugsfähig sind, anerkennt und dadurch die Steuerrückzahlung des Bürgers beachtlich vergrößert. Der Finanzbeamte lehnt dieses Angebot jedoch ab und entscheidet über die Steuererklärung, wie das Gesetz es vorsieht. Trotzdem hat sich B wegen Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Er hat einem Amtsträger einen Vorteil dafür angeboten, dass dieser durch die falsche Entscheidung im Rahmen der Steuererklärung seine Dienstpflichten verletze. Dies stellt nicht nur den Versuch einer Bestechung, sondern einen vollendeten, eigenen Tatbestand dar.

Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: B gibt seine Steuererklärung in der Überzeugung ab, alles richtig gemacht zu haben. Der Finanzbeamte erklärt ihm, gegen ein kleines „Trinkgeld“ von 2.000 Euro sei er bereit, in diesem Falle besonders großzügig zu sein, so dass B einen stattlichen Betrag zurück erhalten werde. B lehnt dies als guter Bürger natürlich ab. In diesem Falle würde B straffrei ausgehen, der Finanzbeamte hätte sich aber einer Bestechlichkeit gem. § 332 Abs. 1 StGB schuldig gemacht, da er von B einen Vorteil als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Entscheidung über dessen Steuererklärung gefordert hat.

Merke:

Die Korruptionsdelikte setzen nicht voraus, dass beide Seiten an einer Unrechtsvereinbarung beteiligt sind und diese tatsächlich abgeschlossen wird. Es genügt, wenn eine Partei in der Vorstellung, mit der anderen Partei eine Unrechtsvereinbarung abschließen zu wollen, den Vorteil anbietet oder fordert.

(2) Die einzelnen Delikte im Überblick

(a) Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB)

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§ 299 StGB lautet:

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens


1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens


1. einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.“

(aa) Normzweck

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§ 299 StGB dient (zumindest auch) dem Schutz des freien Wettbewerbs.[68] Die Konkurrenten am Markt sollen sich in Preis und Qualität unterscheiden, gewinnen soll derjenige, der das beste und günstigste Produkt anbietet. Kein Kriterium für die Vergabe eines Auftrages soll sein, wer dem Einkäufer des ausschreibenden Unternehmens das größte Geschenk macht. Nach aktueller Gesetzgebung soll die Vorschrift ausdrücklich auch die individuellen Interessen des Dienstherrn schützen; ob auch die Vermögensinteressen des Dienstherrn vom Schutzzweck erfasst sind, ist streitig[69] Dieser soll sich also nicht in seinen Einkaufsregelungen unterwandert sehen, nur weil einer seiner Einkäufer durch eine unlautere Vergabepraxis seine Einkünfte aufbessert.

Beispiel „Motivationsspritze“

Das Unternehmen U ist auf der Suche nach einem Bauunternehmen, das die neue Werkshalle bauen soll. Dem für die Vergabe des Auftrages zuständigen Mitarbeiter M liegen zwei Angebote vor. Das Bauunternehmen B bietet an, die Halle für 150.000 Euro zu bauen. Das Bauunternehmen C gibt ein Angebot über 110.000 Euro ab. Inhaltlich sind beide Angebote völlig gleichwertig. B hat seinem Angebot jedoch als kleine „Motivationsspritze“ einen Umschlag beigelegt, der einen Betrag von 10.000 Euro und einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende im Fünf-Sterne-Hotel enthält. M entscheidet sich nach intensiver „Prüfung“ der Angebote für das Bauunternehmen B. B gewinnt den Auftrag, obwohl er eigentlich das teurere Angebot abgegeben hatte.

(bb) Täterkreis

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§ 299 StGB verlangt die Bestechung oder Bestechlichkeit eines Angestellten oder Beauftragten im geschäftlichen Betrieb. Angestellter i.S.d. § 299 StGB ist, wer in einem (zumindest faktischen) Dienstverhältnis zum Geschäftsherrn steht und weisungsgebunden ist.[70] Eine dauerhafte oder entgeltliche Beschäftigung ist dabei nicht erforderlich, der Angestellte muss aber im Rahmen seiner Tätigkeit Einfluss auf die geschäftliche Betätigung des Betriebes haben.[71] Eine Stellung als untergeordnete Hilfskraft genügt also nicht, um als Angestellter qualifiziert zu werden. Das Paradebeispiel für einen Angestellten, der gefährdet ist, sich einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig zu machen, ist der Einkäufer eines Unternehmens. Dieser ist befugt, Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen und ein beliebtes Ziel für Bestechungsversuche von Marktteilnehmern, die ihre Waren und/oder Dienstleistungen an den Mann bringen wollen.

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Beauftragter ist, wer befugt ist, für einen Geschäftsbetrieb tätig zu werden, jedoch nicht Angestellter ist.[72] Aufgrund der Beauftragung muss er aber berechtigt und verpflichtet sein, auf Entscheidungen, die den Waren- und Leistungsaustausch des Betriebes betreffen, Einfluss zu nehmen. Auch hier scheiden untergeordnete Hilfskräfte aus.[73] Der Begriff des Beauftragten hat Auffang-Funktion und soll vor allem außenstehende Personen erfassen, die aufgrund der ihnen eingeräumten Position in der Lage sind, Entscheidungen für den Betrieb zu treffen. Dies gilt beispielsweise für Unternehmensberater, Architekten oder faktische Geschäftsführer.[74]

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Nach h.M. nicht bestochen werden kann der Betriebsinhaber[75], da dieser nicht Angestellter oder Beauftragter seines Betriebes und daher nicht weisungsgebunden ist. Der bewussten Ausklammerung aus dem Tatbestand des § 299 StGB liegt die Überlegung zugrunde, dass der Geschäftsinhaber innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit nach Belieben verfahren kann. Er kann Verträge schließen, mit wem er will und dabei einzelne Anbieter anderen Bewerbern vorziehen. Von welchen Erwägungen er sich dabei leiten lässt, ist nicht von Belang. Ziel des § 299 StGB kann es nämlich nicht sein, den Geschäftsinhaber vor sich selbst zu schützen. Vielmehr soll er selbst vor Entscheidungen seiner Angestellten bewahrt werden, die korruptionsbedingt auf sachfremden Erwägungen beruhen und daher dem Betriebsinhaber bzw. dem Unternehmen Schaden zufügen können. In diesem Vermögensschutz zugunsten des Geschäftsherrn erkennt die h.M. ein weiteres Rechtsgut neben der Verteidigung des freien Wettbewerbs, dessen Schutz gerade Intention des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des § 299 StGB war.

Wenn der Betriebsinhaber nach dieser Ansicht also selbst Teil des durch § 299 StGB geschützten Personenkreises ist, kann er nicht zugleich Täter sein.[76]

Dies gilt natürlich nur dann, wenn es sich um den Alleininhaber bzw. um den geschäftsführenden Alleingesellschafter[77] eines Betriebes handelt, beispielsweise den Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH.[78] Vorsicht: Geschäftsführer einer GmbH mit weiteren Gesellschaftern, Vorstände einer AG oder eines Vereins sind sehr wohl (weisungsgebundene) Angestellte ihrer Betriebe und kommen daher als Täter in Betracht!

(cc) Tathandlungen

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Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr setzt das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils voraus (aktive Korruption). Spiegelbildlich erfordert die Bestechlichkeit das Fordern, Versprechen lassen oder Annehmen eines solchen Vorteils (passive Korruption).

Merke:

Unter einem Vorteil ist jede Leistung des Zuwendenden zu verstehen, auf die der Empfänger keinen Anspruch hat und die ihn (oder einen Dritten) materiell oder immateriell besser stellt.

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Der Begriff des Vorteils ist weit zu fassen. Er erfasst alle Geld-und Sachzuwendungen, aber auch nicht materielle Vorteile wie Beförderungen, Auszeichnungen oder sexuelle Leistungen.[79] Für die Erfüllung des Tatbestandes ist es außerdem nicht notwendig, dass der Vorteil dem Angestellten oder Beauftragten des geschäftlichen Betriebes selbst zugutekommt. Es genügt vielmehr, wenn der Vorteil einem Dritten (z.B. der Ehefrau, einem dem Angestellten nahestehenden Verein oder einer Partei) zugewendet wird.[80] Ausschlaggebend ist letztlich, ob der Vorteil grundsätzlich geeignet erscheint, die Entscheidung des Angestellten oder Beauftragten über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu beeinflussen (Nr. 1) bzw. ihn dazu zu motivieren, seine Dienstpflichten gegenüber seinem Unternehmen zu verletzen (Nr. 2).

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Vor diesem Hintergrund hat sich die allgemeine Meinung herausgebildet, dass sozialadäquate Vorteile vom Tatbestand auszunehmen sind.[81] Bei sozialadäquaten Vorteilen geht man davon aus, dass diese nicht geeignet sind, den Empfänger zu einer bestimmten Handlung zu motivieren. Darunter fallen (geringwertige) Höflichkeitszuwendungen wie beispielsweise die Verpflegung mit Brötchen und Getränken während einer Besprechung, die Übergabe kleinerer Werbegeschenke (z.B. bedruckte Kugelschreiber, Tassen o.Ä.) oder Aufmerksamkeiten anlässlich von Feiertagen oder Jubiläen. Es gibt keine feste Regel, was als sozialadäquat einzuordnen und damit aus dem Tatbestand auszunehmen ist. Demnach ist für jede Zuwendung eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Regelmäßig sollten folgende Überlegungen angestellt werden:[82]


- Wert der Zuwendung (je geringer der Wert, desto eher kann eine Sozialadäquanz bejaht werden).
- Stellung und Lebensumstände des Empfängers (für den Vorstand eines Dax-30-Unternehmens mag ein Essen in einem tollen Restaurant weit weniger beeindruckend sein, als für den Einkäufer einer kleinen GmbH am Ort).
- soziale Üblichkeit (Getränke bei einer Besprechung oder ein paar Plätzchen zu Weihnachten sind in Deutschland sozial üblich).
- Höflichkeit (bei einer längeren Besprechung nicht wenigstens Wasser anzubieten, würde als unhöflich verstanden werden).

Achtung:

die Grenzen der Sozialadäquanz bei Amtsträgern sind weit niedriger als im geschäftlichen Verkehr![83] Was im geschäftlichen Verkehr im Verhältnis zu einem Kunden in Ordnung ist, kann in Bezug auf einen Amtsträger also schon unzulässig sein.


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Da das Gesetz nicht regelt, welche Zuwendungen sozialadäquat sind und welche nicht, besteht hier auch für die Strafverfolgungsbehörden ein erheblicher Ermessensspielraum. Dies kann dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Bewertung eines konkreten Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis kommt als der Mitarbeiter/das Unternehmen, das den Vorteil angenommen/gewährt hat.

Beispiel „Nussknacker“

Das Unternehmerehepaar U hat sich zu Weihnachten eine besondere Überraschung für bestehende und potentielle Kunden ausgedacht: Über ein Werbeunternehmen bestellt es mit Nüssen gefüllte Gläser und lässt diese mit dem Firmenlogo bedrucken. Dazu gibt es einen Holz-Nussknacker in den Farben der Firma. Jedes der „Pakete“, bestehend aus einem Nuss-Glas und dem Nussknacker in hübscher Verpackung, hat einen Wert von 49 €. Bei der jährlichen Betriebsprüfung fällt dem Betriebsprüfer auf, dass das Unternehmen hohe Kosten für Geschenke angesetzt hat. Der Betriebsprüfer kennt sich mit den Bestechungsdelikten aus und vermutet unlautere Zuwendungen. Er macht eine Meldung an die Staatsanwaltschaft. Diese ist der Auffassung, 49 € für ein Weihnachtsgeschenk seien nicht mehr sozialadäquat und leitet Strafverfahren gegen das Unternehmerehepaar sowie sämtliche Empfänger der Weihnachtspräsente ein.

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Natürlich genügt das bloße Vorhandensein bzw. die Weitergabe/Annahme eines Vorteils nicht für eine Strafbarkeit. Vielmehr muss der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen (sog. Wettbewerbsvariante, § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1) oder für die Verletzung der Dienstpflichten bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen (sog. Pflichtverletzungsvariante, § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2) gedacht sein. Dieses Austauschverhältnis wird – das hatten wir bereits gelernt – als Unrechtsvereinbarung bezeichnet und ist unbedingte Voraussetzung für eine Strafbarkeit.

Merke:

Der Tatbestand des § 299 StGB setzt – wie alle Korruptionstatbestände – eine Unrechtsvereinbarung voraus. Diese kann entweder darauf abzielen, dass ein bestimmter Anbieter bei einer Einkaufsentscheidung bevorzugt wird (Wettbewerbsvariante), oder dass der bestochene Angestellte/Beauftragte bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Pflichtverletzung gegenüber seinem Unternehmen begeht (Pflichtverletzungsvariante/Geschäftsherrenmodell).[84]

Im Beispielsfall „Motivationsspritze“ (Rn. 79) haben sich sowohl der Mitarbeiter M wie auch die für das Bauunternehmen B handelnde Person gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 StGB (Wettbewerbsvariante) strafbar gemacht. M hat einen Vorteil (die Zahlung von 10.000 Euro und das Wellness-Wochenende) dafür angenommen, dass er B im Wettbewerb dem C vorgezogen hat, obwohl dieser das günstigere Angebot abgegeben hatte (strafbar gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Spiegelbildlich hat die für das Bauunternehmen B handelnde Person § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, indem sie dem M einen Vorteil dafür gewährt hat, dass dieser ihn gegenüber dem C unlauter bevorzugt. Angesichts des Umstandes, dass es sich jeweils um „Mitarbeiter“ handelt, ist davon auszugehen, dass wir die handelnden Personen als „Angestellte“ i.S.d. § 299 StGB qualifizieren können.

Beispielsvariante „Motivationsspritze“:

Das Unternehmen U ist auf der Suche nach einem Bauunternehmen, das die neue Werkshalle errichten soll. Dem für die Vergabe des Auftrages zuständigen Mitarbeiter M liegen zwei Angebote vor: Das Bauunternehmen B bietet an, die Halle für 150.000 Euro zu bauen. Das Bauunternehmen C gibt ein Angebot über 110.000 Euro ab. Inhaltlich sind beide Angebote völlig gleichwertig. B hat seinem Angebot jedoch als kleine „Motivationsspritze“ einen Umschlag beigelegt, der einen Betrag von 10.000 Euro und einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende im Fünf-Sterne-Hotel enthält. M ist ein integrer und außerdem Compliance-geschulter Mitarbeiter und nimmt daher den Umschlag mit dem Geld nicht an. Er entscheidet sich außerdem richtigerweise für das Angebot des Bauunternehmens C.

In diesem Falle hat sich M nicht strafbar gemacht, da er das angebotene Geld weder angenommen, noch gefordert oder sich versprechen lassen hat. Der Mitarbeiter des Bauunternehmens B hingegen hat weiterhin § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, da er dem M Geld dafür angeboten hat, dass dieser ihn im Wettbewerb mit C bevorzuge.

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Umgekehrt folgt aus dem Erfordernis der Unrechtsvereinbarung allerdings auch, dass ein Vorteil, der nicht in Zusammenhang mit einer (konkreten) Bevorzugung oder einer Verletzung der Dienstpflichten zu bringen ist, strafrechtlich nicht relevant ist. So ist es im Geschäftsleben beispielsweise üblich, das allgemeine Wohlwollen von Geschäftspartnern dadurch zu erhalten, dass man ihnen gelegentlich kleinere Geschenke zukommen lässt (beispielsweise eine Flasche Wein zu Weihnachten oder zum Geburtstag). Dieses Verhalten strebt keine konkrete Bevorzugung an, sondern dient der sog. „Klimapflege“. Auch solche Zuwendungen sind aus dem Anwendungsbereich des § 299 StGB auszunehmen.[85] Für den Fall, dass kein Zusammenhang mit einer bestimmten Auftragsvergabe oder Einkaufsentscheidung besteht, kann in Bezug auf die Klimapflege sogar festgehalten werden, dass der Wert des Vorteils keine Rolle spielt. Auch größere Zuwendungen wären, solange sie lediglich der Klimapflege dienen, vom Tatbestand auszunehmen. Das Risiko, dass eine mit dem Sachverhalt befasste Staatsanwaltschaft bei größeren und wertvollen Geschenken dennoch ein Verfahren einleitet, ist jedoch groß. Schließlich lässt sich schwer glauben, dass ein Einkäufer von einem Lieferanten beispielsweise teure Gartengeräte oder sogar Autos nur zur Klimapflege erhalten haben will.

Im Beispiel „Nussknacker“ (Rn. 86) könnte das Unternehmerehepaar argumentieren, unabhängig von ihrem Wert seien die „Nuss-Pakete“ nicht in Bezug auf die Vergabe eines bestimmten Auftrages, sondern zur Erhaltung des allgemeinen Wohlwollens der Kundschaft anlässlich des Weihnachtsfestes gewährt worden. Sie sind daher der Klimapflege zuzurechnen und nicht tatbestandsmäßig. Die Staatsanwaltschaft wird daraufhin überprüfen, ob tatsächlich keine zeitliche Nähe zu einer konkreten Auftragsvergabe bestand. Dies gilt vor allem für die potentiellen Neukunden. In keinem Fall sind Zuwendungen an Amtsträger zur Aufrechterhaltung eines „guten Miteinanders“ gestattet. Amtsträgern gegenüber ist eine Klimapflege nämlich ausdrücklich nicht erlaubt.

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Die Pflichtverletzungsvariante des § 299 StGB wurde durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz (KorrBekG) vom 20.11.2015 eingeführt. Der Gesetzgeber wollte dadurch auch die wirtschaftlichen Interessen des Geschäftsherrn und nicht nur den Wettbewerb schützen.[86] Bisher gibt es noch keine nennenswerten Fälle in der Rechtsprechung, die den Anwendungsbereich der neuen Vorschrift konkretisieren würden. In der Literatur werden zahlreiche Beispiele für Anwendungsfälle diskutiert, bisher wurde jedoch wenig Einigkeit erzielt.[87]

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Die Kernfrage der Auseinandersetzung ist, welche Art von Pflichten der jeweilige Angestellte/Beauftragte verletzt haben muss, um sich strafbar zu machen. Hier nimmt das Gesetz schon eine erste Eingrenzung vor: danach muss der Angestellte/Beauftragte sein pflichtverletzendes Verhalten bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen vollziehen. Hierdurch wird allerdings lediglich deutlich, dass rein innerbetriebliche Störungen nicht zur Strafbarkeit führen.[88] Eine darüber hinausgehende Einschränkung entfaltet das Tatbestandsmerkmal nicht, insbesondere ergibt sich eine solche nicht durch den auslegungsbedürftigen Begriff „Bezug“. Hierunter soll nämlich nicht ausschließlich die Entgegennahme einer Ware oder Dienstleistung verstanden werden. Vielmehr ist bereits der Vertragsschluss zwischen den Parteien und darüber hinaus alles, was mit dem Erhalt und der Abwicklung der Lieferung zusammenhängt, umfasst.[89] „Bezug“ wird also ausgesprochen weit verstanden.

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Eine Klarstellung bezüglich der Pflichten, deren Verletzung zu einer Strafbarkeit führen kann, ergibt sich allerdings aus der entsprechenden Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 299 StGB. Hier wird betont, dass die bloße Annahme eines Vorteils oder das bloße Verschweigen der Zuwendung gegenüber dem Geschäftsherrn für eine strafbare Pflichtverletzung nicht ausreicht. Das gelte selbst dann, wenn hierdurch gegen Compliance-Vorschriften verstoßen werden sollte. Dies fußt auf dem Gedanken, dass zentrales Element auch im Rahmen der Pflichtverletzungsvariante eine Unrechtsvereinbarung zwischen den Parteien ist, der Vorteil also gerade als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung gefordert, angeboten, versprochen oder angenommen werden muss.[90]

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Welche Pflichtverletzungen nun aber genau Teil einer solchen Unrechtsvereinbarung sein können, bleibt letztlich offen. Der Gesetzesbegründung lässt sich zwar entnehmen, dass sich das einschlägige Pflichtenprogramm insbesondere aus Gesetz und Vertrag ergeben soll.[91] Ob allerdings auch Compliance-Regelungen, die mehr als nur die bloße Annahme eines Vorteils bzw. das Verschweigen der Zuwendung gegenüber dem Geschäftsherrn untersagen, ausreichend sind, bleibt unklar. Eine derartige Ausweitung darf aber jedenfalls bezweifelt werden. Schließlich hat sich die CDU/CSU- Fraktion während des Gesetzgebungsverfahrens dagegen ausgesprochen und dies vorrangig damit begründet, dass dem jeweiligen Unternehmen nicht die Macht gegeben werden soll, durch den Erlass von internen Vorschriften über die Strafbarkeit seiner Mitarbeiter zu bestimmen.[92]

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Ein Vorschlag, um den Pflichtenkatalog zumindest etwas klarer zu fassen und einer uferlosen Ausweitung des Tatbestandes zu entgehen, findet sich jedoch in der rechtswissenschaftlichen Literatur. So wird teilweise überzeugend gefordert, dass den Pflichten auch wirtschaftliche Bedeutung zukommt, sie also Wettbewerbsbezug haben müssen.[93]

Beispiel „Sofagarnitur“

A ist Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens, das zur Verschönerung seines Hauptsitzes eine neue Sofagarnitur für den Eingangsbereich bei einem Möbelhaus bestellt. Für die gesamte Abwicklung des Kaufs, den Kontakt zum Möbelhaus, die Entgegennahme der Sofas etc. ist A zuständig. Am Tag der Lieferung fällt ihm auf, dass eines der Sofas Mängel aufweist: Der Stoff ist an mehreren Stellen verfärbt. Um sich etwas dazu zu verdienen, schlägt er M, dem Betreiber des Möbelhauses, einen Deal vor: A sagt der Unternehmensleitung von den Verfärbungen nichts, nimmt sämtliche Sofas ab, verzichtet auf die Geltendmachung von Mängelgewährleistungsrechten und veranlasst die Zahlung des vollen Kaufpreises. Dafür solle ihm M, den eine Nachlieferung oder Nachbesserung 100 Euro kosten würde, 50 Euro zahlen.

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