Kitabı oku: «Doomscroll», sayfa 5
„Wärst du auch bereit, für die Gemeinschaft einzustehen? Würdest du sie verteidigen, sie schützen? Wie lange bist du jetzt hier - vier oder fünf Tage? Ich weiß, das ist eindeutig zu viel verlangt. Aber versteh mich nicht falsch. Überall geht es um Sicherheiten. Ich kann mich nicht rein auf mein Gefühl verlassen. Die Zeiten sind mehr als unsicher und streben somit vermehrt nach Absicherung. Und bisher hast du dich bevorzugt am Rand aufgehalten.“
Das musste ja kommen. Nur war es eindeutig zu früh, sich diesem voreiligen Initiationsritus zu unterwerfen. Ich wich aus, indem ich das Gespräch auf meine pazifistische Orientierung hinlenkte, worauf er sofort unter einer schnittigen Handbewegung, eine Art gestikulierter Kung Fu-Schlag, abblockte. Diesen Blödsinn habe er von jedem anderen Mitglied auch gehört. Von mir habe er das nun wirklich nicht erwartet, schloss er und schüttelte theatralisch untermalt den Kopf, was mich wohl zu einem schlechten Gewissen bewegen sollte, wobei sowohl sein langes, zu einem Dutt gebundenes Haar als auch sein ungestümer Bart lustig mit wippte.
„Du würdest also weder Partei ergreifen noch zur Tat überschreiten?“ Umzingelte er mich nach einer nur vom Knacken des brennenden Holzes und den Gesprächen der Mitglieder übertönten Schweigeminute.
„Ich würde dem Geschehen mit meiner ganzen Aufmerksamkeit beiwohnen und bei Bedarf einschreiten.“ entgegnete ich wahrheitsgemäß und ohne weitere Umschweife.
„Das lässt sich hören. Nur, bist du dir da sicher? Nochmal - ich brauche Sicherheiten. Tut mir leid. Ich weiß dass das nervt. Aber das reicht mir nicht. Ich muss mich voll und ganz auf dich verlassen können. Verstehst du das?“ Sein Blick war durchdringend. Allmählich kam ich mir bedrängt vor. Sein Anliegen war allzu verständlich und doch konnte ich ihm nicht geben, was er von mir einforderte und geradezu erwartete und mir somit regelrecht abverlangte. Voreilige Loyalität und Treue.
„Als Sicherheit muss dir dein Vertrauen in mich genügen. Mehr kann ich dir derzeit nicht anbieten,“ vertröstete ich ihn kühn. „Meine Reaktion ist und bleibt abhängig von dem was kommt. Da lass ich mich nicht festnageln,“ untermauerte ich meine Haltung.
„Ja...“, seine Stimme klang versonnen. Sein Blick fixierte wohl irgendeinen Punkt im Dunkel des uns umgebenden Waldes, „...ja, Ich glaube das reicht mir.“
Die Initiation ist der Ritus, der ausbleibt. Mehr Sicherheit kann man in unsicheren Zeiten sicher nicht erwarten.
Meterhoch türmten sich da draußen in den angeschlagenen Haushalten die Sorgen um das Morgen. Wie würde es ihr und ihrer Tochter ergehen, fragte er sich. Hatte sie mittlerweile die Scheidung eingereicht? Der Termin musste gestern gewesen sein.
Und wie ging es eigentlich seinen eigenen Kindern? Was würde seine Ehemalige in diesem Moment mit ihnen unternehmen und würden sie auch hin und wieder miteinander über ihn reden? Was dachte sie eigentlich über die jüngsten Entwicklungen? Wie würde es seiner Tochter, seinem Sohn ergehen? Dem Gedanken wollte eine Reaktion, gleich einem Reflex, erfolgen. Sein Mobiltelefon jedoch lag im Auto.
Nachkommenschaft
Da Gandalf es vermied, bei den abendlichen Gesprächen seine Familie zu erwähnen, drängte sich mir - wie bereits erwähnt - die Vermutung auf, dass er bei der Planung des Projekts die Ansprüche seiner Söhne nicht ausreichend berücksichtigt habe mochte und mit ihnen deshalb im Argen lag. Den wenigen Worten zufolge, die er über seine Familie verlor, waren auch sie längst übergelaufen in das Lager der Hetze. Die EU finanzierte derzeit einige fragwürdige Projekte, obenan soma - die EU-Beobachtungsstelle gegen Desinformation. Bei vielen älteren Kindern und Jugendlichen hatte diese Aufklärungsoffensive in kürzester Zeit ganze Arbeit geleistet. Ohnehin war man nur noch von separaten Lagern umgeben. Wohin auch sollten die Kinder übersiedeln, wenn nicht in feindlich abgesonderte Lager. Die Aufteilung der Welt in Gesinnungslager, Stämme, Interessenverbände, bestenfalls in Gemeinschaften - so sah sie aus, die Zukunft. Und die Interessen der Kinder waren der Konformität untergeordnet, da deren industrialisierte und digitalisierte Begierden lauter einforderten und schlichtweg stärker waren als das Wehklagen der ewig Gestrigen, mochten sich jene auch noch so auf die sogenannte Zukunft wie in eine neue Offenbarung stürzen. Sie blieben den Kindern rückwärtsgewandte, ewig gestrige Spaßbremsen. Algorithmen bestimmten wer der Herr im eigenen Hause war. Nicht die Eltern.
Man kann sich nicht der eigens geschaffenen Realität entreißen. Eine Brücke braucht man zu Zeiten der Veränderung und diese haben unsere Kinder bereits errichtet. Durch das Drücken von Knöpfen, durch das Streichen und scrollen ihrer zarten Finger über Touchscreens. Sie haben bereits über die Zukunft entschieden. Egal, welche Stämme sich in welche Wälder auch immer zurückziehen, welche Ballungszentren von Morgen auch immer sie erobern werden. Die Geschichte wird sich wiederholen. Man braucht ihren Anfang nicht künstlich empor imaginieren. Die Nachkommenschaft hat bereits über die Zukunft entschieden. Wie die Erwachsenen so sind auch sie dem Triumphzug des eingebrannten Modells verfallen, im Konsum haben sie sich ganzheitlich eingerichtet. Es ist zu spät. Unsere geliebte Brut wird uns Fressen, uns das aufgesetzte Ideal wie die Wilden das Herz des Feindes ausreißen und roh pochend verspeisen. Unsere Kinder haben verinnerlicht, was wir im Eifer des Gefechts erschaffen und übersehen, wieder und wieder verdrängt haben. Nun sind unsere Kinder an der Reihe. Sie fressen uns mit Haut und Haar, tilgen uns mit unseren eigenen Waffen. Ja, sie bekämpfen Gleiches mit Gleichem. Sie sind die Zukunft, nicht wir. Und am Ende werden ihre Kindeskinder dann unsere Reliquien ausbuddeln und unsere späte Kehrtwende und Besinnung wie eine schräge knöcherne Naturreligion ehren und huldigen. Und immer so weiter und sofort. Gandalf wusste das, ich wusste es, die Mitglieder wussten es. Vielleicht auch Harry. Doch das mit dem Wissen war so eine Sache. Sicherheit durch Wissen. Sicherheit, die der Fürst auch aus mir zu pressen gedachte. Oh, wie sicher unsere Welt doch wäre, würde uns unser Wissen gleichsam Sicherheit spenden.
Schon Platon wusste, dass die Einsicht konträr dem Handeln angesiedelt ist. Dass die humanspezifische Aggression hinzukommend uns schließlich wieder und wieder die Suppe versalzt. Das geringe Empörungspotential sowie unsere Zustimmungserhöhung weisen uns durch mannigfaltige Gesinnungskorridore hindurch letztlich doch in Schranken. Die Duldungsstarre löst sich nur langsam mit dem materiellen Zerfall und dem Schwund an Sicherheit, die gespielte Empörung weicht innerster Aufruhr. Und dann sind da unsere Kinder mit ihren federleichten Smartphones, den Blick mehr aufs Display als in die Zukunft gerichtet.
Ein Zivilisatorisches Gegenmittel, ein Aufwind an Menschlichkeit kann nur von Unten kommen. Egalitäre Prozeduren zur Vermeidung von institutionalisierter Macht und Gewalt. Ob das sogenannte Volk nun endlich dieser Selbstverantwortlichkeit ihre langersehnte Ehre erweist? Die Kosten für Repression waren nie so gering wie im Gefolge der Digitalisierung. Die Platonische Regulierung des uneinheitlichen Geistes, der Affekt-, der Triebseele sowie der Vernunft, also das Ideal der heutigen Demokratie, ist nicht aufgegangen. Machtinteressen haben selbst die Philosophie Platons untergraben und sie sich zu eigen gemacht. Es kratzt der Mensch an der Wand der Höhle.
Die Bündelung von wirtschaftlicher Macht wird als Faschismus definiert. Diese Bündelung von materiellem Wohlstand und der national orientierte Erhalt von wirtschaftlichen Machteinfluss kommt nicht umhin, sich der antifaschistischen Kritik zu unterziehen. Die steil-viral gehende Handlungsunfähigkeit der Massen hält das Unrechtssystem am Laufen. Wir alle müssen uns gegenseitig schützen. In diesem konfusen Selbstschutz findet schließlich der Faschismus Schutz und Deckung. Wer nicht erkennen möchte, dass auch er ein Teil dieser zugemuteten Kollektiv-Verdrängung ist, der nährt Bestehendes und vermeidet Kommendes. Gandalf erkannte in dem pandemischen Wahn Tendenzen des unüberwundenen, tiefgreifenden Faschismus, der das alte Wirtschaftssystem weiterhin stütze und dabei gleichzeitig in ein neues Betriebssystem überführe, somit festige und weiter ausbaue, wodurch demokratische Prozesse immer weiter zurückgedrängt und folglich in unerreichbar nostalgische Ferne entrücken würden. Und wir alle nahmen stillschweigend daran Teil. Nutzen verschaffe das nur Wenigen.
Was sich während eines langen emanzipatorischen Prozess aus der Mangel des Zentralismus gelöst hatte, folgte nun wieder dem Aufschrei nach bundeseinheitlichen Regelungen der Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Selbst Föderalismus und Pluralismus schienen in Anbetracht der Erwartung nach vereinfachten Regelungen nichts als leidtragende Auslaufmodelle zu sein. Das Verlangen nach einer starken einheitlichen Schaltzentrale wurde deutlich formuliert. Zentrale Einheiten für zerfaserte Wertvorstellungen. Neue Brüderlichkeit, neue Währung, eine Schalte, neue Herausforderungen.
Worin lag für Gandalf die neue Herausforderung? Setzte er insgeheim auf den einzuleitenden Zusammenbruch des Bestehenden, auf den beschleunigten Zerfall und Niedergang kulturindustrieller Machtstrukturen, oder sah er es tatsächlich als seine Pflicht, den Menschen eine Brücke zu errichten, den Übergang in ein neues Zeitlalter in Milde einzuleiten, indem er eine Stätte der Genesung und Besinnung erschuf, die aufzusuchen und zu unterstützen vielen Menschen Hoffnung und Glauben spenden würde ohne den Zusammensturz, den Bürgerkrieg und somit den Bruch mit der Geschichte durch fehlgeleitete Energien zu riskieren. War es denn nötig, die Zerstörung der zivilisatorischen Errungenschaften einzuleiten, um Neues Denken zu können. Musste nahezu jeder subtilen Technik abgeschworen werden, um schließlich einem rückwärts gewandten Primitivismus zu frönen, indem jeder Gegenstand, der nicht aus eigener Herstellung stammte, für des Teufels Werkzeug erklärt wurde. War es fürs Erste nicht ausreichend, am Rande zu experimentieren und dabei den alten Bestand weiterhin als sichere Basis zu nützen. Und letztlich war die allesentscheidende Frage doch, was unsere Kinder vom plötzlich eingeforderten Verzicht auf das neue I-Phone, das neue Trampolin, den E-Roller halten würden. Sicher würde es ihnen als ein beachtlicher Mangel erscheinen, würde das allmorgendliche Blubbern des aus der Garage rollenden SUV aufgrund einer sich bei den Eltern manifestierenden Bewusstwerdung für immer verstummen.
Nur durch spirituelle Übung sowie Disziplin gelingt es führenden Persönlichkeiten, ihrem wenngleich eingeforderten Charisma nicht in Gänze zu unterliegen. Durch Achtsamkeit gelingt es ihnen zuletzt, der eigenen Willkür in Wort und Tat Einhalt zu gewähren. Gandalf bevorzugte deshalb das Modell des transaktionsfreien Wirtschaftens. Auch setzte er auf äußerste Transparenz aller direkt abgestimmten Regelungen für ein soziales Miteinander. Subsistenzwirtschaft, die sich, unbeachtet des regulären Marktes, an den Bedürfnissen der Mitglieder orientiert. Folglich war auch das Prinzip der Akkumulation des ökonomischen Potentials durch Arbeitsteilung strikt abzulehnen. Aus Fehlern musste man doch irgendwann einmal lernen.
War nicht der Föderalismus ein installiertes Zwangsprogramm der alliierten Mächte zur präventiven Eindämmung diktatorischer Tendenzen? Verhindert eine buntgemischte, prächtig aufgestellte Farbpalette Einseitigkeit und Eintönigkeit des Malers? Kann Vielfalt die Einfältigkeit alter Machtstrukturen überwinden? Ist das Bunt wirklich das, was wir wollen, schreien wir doch gleichsam nach bundeseinheitlichen Regelungen im Umgang mit der Krise.
Gandalf ist der Überzeugung, dass der tief in national geprägten Staaten verwurzelte Faschismus nur durch einen Kunstgriff zu überwinden sei. Und zwar einzig und allein durch die Kraft gelebter Kunst. Nur durch künstlerisches Reflektieren gelange der Mensch auf den lichtdurchfluteten Posten der Erkenntnis, dem Vorhof mitzugestaltender Zukunft. Allein in der Schöpfernatur eines jeden Einzelnen liege die Möglichkeit, der Manipulation und Willkür zu entrinnen. Nur die Kunst - ob nun technisch ausgefeiltes Schaffen oder rein intuitive Lebenskunst - verfüge über die lebensbejahende Energie, die zur Entschlüsselung des ökonomischen Regelwerks und schließlich zu innerer Einkehr und Frieden führen würde. Das klang sehr optimistisch und doch hatte die Kunst jede Krise überlebt. Bestenfalls wurde die Kunst durch die Krise wachgerüttelt, solange sie nicht unmittelbar unterbunden wurde. Die Kunst aber lässt sich nicht gänzlich ausradieren, weder tilgen noch vollständig instrumentalisieren. Durch feinste Kanäle findet sie ihren Weg aus dem Untergrund hinaus in die Welt. Löst sich von der Seele ihres Schöpfers und umspielt mit Leichtigkeit das träge Weltgeschehen. Allein in ihrer spielerisch angelegten Lebensfreude sei der uns ureigene Faschismus zu bezwingen. Im Spiel will er gezähmt, transformiert, in edlere Ströme geleitet und in reinere Sphären gehoben werden. Nur die Kunst erhebe den Mensch aus dem Moloch faschistoidem Eifers. Und sofern man ihr durch Zensur und Benachteiligung die Grundlage entzieht, wird sie sich neu formieren.
Was sich einst bereits in rüden Durchhalteparolen militanter Patrioten manifestiert hatte, stellen heute die Handlungsunfähigkeitsmantren der neoliberalen Gewinner zur Schau. Sie emigrieren ins geistige Exil ewiger Wellness, den unabhängigsten aller Beauty-Ranch Spa-Bereiche. Sie haben sich alles genommen, indem sie alles nahmen, was andere unter mehr oder weniger rational begründeter Ehrfurcht unberührt gelassen hatten. Ein Tabu nach dem anderen wurde zugunsten der Marktregulation gebrochen und die Zukunft durch das Bemühen jahrzehnte langer Zukunftsforschung noch der Zukunft beraubt. Die Regularien waren ihres Erachtens nach fix. Ihre zulässigen Transparenzen reichen gerade noch heran an die Erkenntnis, das selbst Transparenz ihre Grenzen hat und an den Rändern fasert wie ein alter Pilz. Sie waren gute Verkäufer und Designer, (gar künstlerisch beseelte Schöpfer, daher ihr durchdringender Erfolg in ganzer Linie) die Produkten eine Seele überstülpten, welche sie anderorts ersteigert hatten. Und weiterhin halten sie ihre Pop-up-Philosophien hoch wie einst die 68er ihre Mao-Bibel, kokettieren mit der buddhistischen Leere gleichsam wie mit ihren achieved identities. Selbstbestimmt kapern sie noch die letzten Asselviertel, den letzten Baggerseekiosk und Streichelzoo. Bahnhofskneipe, der Frühschoppen und auch das verruchte Bordell weichen ihrem wertsteigernden Nipes.
Schauspielerei
Keiner kannte mich näher. Niemand wusste wer ich war. Weder kannten sie meinen Alltag noch die geringsten Auszüge aus meiner Vita. Da ich stets unterwegs, unsichtbar, überall und nirgendwo gleichzeitig war, die Taktik der Tarnung und des Pirschens, des Ein- sowie Abtauchens, des sich Auflösens und des flexiblen Schauspiels unter jeder mir nur erdenklichen Beeinflussung und Beobachtung beherrschte, fiel es mir nicht sonderlich schwer, ihnen das Bild zu bieten, dass sie von mir brauchten, um sich nicht näher um mich zu scheren. Jedenfalls ging die Taktik auf. Ich galt ihnen wohl unbewusst als Unberührbarer. Zwar jederzeit angreifbar und doch immun, für Tratsch zu wenig Inhalt und Angriffsfläche bietend, dem Dorf zu entfernt um präsent zu sein, tilgte mich die Flur wie ein Gemälde, an dessen Rand sich ein unscheinbarer Fleck festgesetzt hatte. Kurz: Meine Hütte lag außen vor und so gestattete mir dieses abseitige Lebensumfeld in unmerklichem Geschick dem Urteil der Außenwirkung zu entrinnen. Demnach sollte auch niemand mein Verschwinden bemerkt haben. Sicher, mein Auto stand oben am Parkplatz, nicht vor meinem bescheidenen kleinen Miethüttchen. Ein Durchreisender war ich geworden, immer schon gewesen, ein innerer Nomade, der sich hier und da zuweilen festgesetzt, verrannt und durchgeatmet hatte, bevor er wieder weiter zog. Und während ein digitaler Finanzkomplex das Land ausquetschte, trieb ich weiter von Nische zu Nische. Ziellos. Und doch hatte ich mich bis vor kurzem noch der Erwerbswirtschaft angebiedert und rein ideell mit der Subsistenzwirtschaft geliebäugelt.
Jedes Geschehen verfolgte ich und fand doch stets Kritikpunkte, die mein Fernbleiben rechtfertigten. In direkte Aktion zu treten war fast unmöglich geworden. Ich bleibe verstreut, vereinzelt, tätig auf theoretischen Umwegen. Das zu erkennen ist schmerzlich und diesen Schmerz will der Mensch nicht auf sich nehmen. Den Schmerz, den eine stillschweigende Mittäterschaft in der Seele hervorzurufen vermag. Und unter dem derzeitigen Coronaszenario hatte sich dieser Schmerz in mir zugespitzt, ja er schrie förmlich nach Gewissensbereinigung, nach der Tat, nach dem Umschwung, dem Umbruch. Muss also erst - laut den radikalen Vertretern des gelebten Primitivismus - alles in sich zusammen brechen, also dessen Sturz beschleunigt und begünstigt werden oder aber ist ein Neuwerden bereits im Prozess des Schwindens, naturgemäß als eine Art evolutionärem Ausgleichs angeboten? Wie auch immer - sollte nicht ein jeder seine Scheinempörung in einen kreativen Akt inneren Aufschwungs transformieren? Was richtet diese chronische Gesellschafts-Ambivalenz für Schäden an der Seele eines jeden Einzelnen an, eines Volkes, einer Nation, einer Gemeinschaft. Steigert und stählt sie die kollektive Frustrationsgrenze, etabliert sie kollektive Ohnmacht? Was wenn nicht das beuyssche Kunstverständnis der sozialen Plastik, kühn aus dem Innern eines jeden einzelnen in die Welt tretend, sollte die gerissenen Wunden noch heilen können, um letztlich die kollektive Seele einer an sich selbst erkrankten Gesellschaft zu balsamieren.
Handlungsunfähigkeit. Gebe dich ihr hin. Sie nährt die Agenda der Entscheidungsträger. Nehme Corona dankbar an wie einen letzten Rettungsschirm. Vertraue deinem Herzen. Der freie Flug bietet optimale Voraussetzungen für wahre innere Einkehr. Besinne dich auf das Wesentliche. Werde unabhängig. Autark. Sei ganz du selbst. Bei Dir, individuell, mit Herz, Intellekt, Seele und Verstand. Lausche deiner inneren Stimme. Sei unabhängig. Nachhaltig. Ergiebig. Wo auch immer du bist. Jetzt.
War inneres sowie äußeres Wachstum allein durch Verschuldung möglich? Sollte ein Unvermögen des Geistes das politische sowie spirituelle Prinzip unseres gemeinschaftlichen Beisammenseins stellen und die gegenwärtige Verschuldung tatsächlich über die Abhängigkeiten zukünftiger Generationen entscheiden?
Kunst und Kultur bewarb sich masketragend um Hilfsfonds, ausgebreitete Rettungsschirme und ausgeschüttete Töpfe. Die Asozialen und sprachlich Verwahrlosten ätzten sich in Rage, worauf ihre Energien im Sumpf berauschender Gefühle erloschen. Und auch die Akzeptanz gegenüber des freien Diskurses stand auf der Kippe, das Ertragen der Meinung des Anderen, die Kerngrundlage demokratischer Anteilnahme und Souveränität - all das führte seinen Krieg gegen den gesunden Menschenverstand, brachte Massen junger Menschen zum Erliegen wie Coronamaßnahmen die Nation unter dem Lockdown. Wo waren nur die wahren Altruisten, Ärzte, die den hippokratischen Eid über die Moral der Gesinnungs- und Gesundheitskontrolle stellten? Füge vorerst keinen Schaden zu, solange die Diagnose unklar ist. Immerhin geht es hier um nichts weniger als um unser aller Gesundheit. Was sollten sie also tun? Was außer den Maßnahmen hatte die Epidemiologie zu bieten? Glaubt an den starken Retter. Er tut alles für eure Gesundheit, Sicherheit, euer Wohl. Er wird alles tun um euch zu retten. Auf Amazon werdet ihr bestellen, denn die Fahrt in die Innenstadt wird zu teuer und kompliziert sein. Und Schwarzfahren ist nicht drin. Bargeldlos korrekt wird es ablaufen. Und auch die Liebe zur Natur wird den obsessiven Freizeitkolonnen noch - etwa durch Trekking-Klimaschutz-Apps - abtrainiert werden. Das Parken wird zu teuer, gar unmöglich sein. Parkplätze werden renaturiert, virtuelles Wandern nachhaltig gefördert und letztlich, als klimaschonende Alternative zur zerstörerischen Echt-Tat - wie etwa ein Badeverbot im Bereich eines Brutgebietes oder schützenswerten Schilfgürtels - auf allgemeine Akzeptanz stoßen.