Kitabı oku: «Tod des Helden», sayfa 5

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„Kein Aber!“, brüllte Olivia und versenkte den Dolch in Botharogas‘ Brust.

Doch sie war nicht schnell genug, denn er packte ihr Handgelenk und zog sie zu sich.

„Da ist noch eine Kleinigkeit…“, stöhnte er.

Das Floß trieb in der Mitte des Flusses, als der befestigte Wachposten in Sicht kam. In der Morgendämmerung war es zwar kaum zu sehen, aber irgendjemand hatte es wohl doch entdeckt. Ein Horn erschallte.

Hoch aufgerichtet stand Botharogas in der Mitte des Floßes. Er hatte einen Arm um einen provisorischen Mast geschlungen, und eine Hand ruhte an seinem Schwertgriff. Er stand auch noch, als sich die ersten beiden Pfeile in seinen Brustkorb bohrten. Erst der dritte, der ihn seitlich in den Hals traf, fällte ihn und ließ ihn auf einen der braunen Leinensäcke stürzen, der auf der Ladefläche lag.

Niemand sah, wie der Sack dadurch ins Rutschen kam und ins Wasser stürzte. Wie etwas im Sack zappelte, als dieser versank. Und wie sich etwas in einem anderen Sack kurz aufbäumte, als ein schlecht gezielter Pfeil ihn durchbohrte.

Lori streifte den Leinensack ab. Man konnte nicht einfach über die Grenze spazieren, hatte Botharogas gesagt. Und ihnen seinen Plan verraten.

Drei Pfeile steckten in seinem Körper.

Er hatte Recht behalten. Niemand hatte sich weiter um das Floß gekümmert, nachdem er gestürzt war. Sie erhob sich. Längst war der Wachposten außer Sicht.

Ihr gegenüber erhob sich der Minister und warf den Sack naserümpfend von sich.

„Wo ist Max?“, fragte Lori.

„Keine Ahnung“, erwiderte Minister Ludwig. „Aber das hier sieht nicht gut aus.“

Er deutete auf einen Pfeil, der in einem anderen Sack steckte und um dessen Eintrittstelle Blut zu sehen war. Viel Blut.

„Oh nein“, stieß Lori aus und zerrte an dem Pfeil. Er löste sich mit einem Ruck. Die Spitze war rot. Sie sah in den Sack und blickte in Olivias gebrochene Augen. Der Pfeil hatte sich in ihren Hals gebohrt.

Doch Lori hatte nicht lange Zeit, sie entsetzt anzustarren, denn Minister Ludwig versetzte ihr einen Tritt, der Olivia ins Wasser schlittern ließ.

„Ausgleichende Gerechtigkeit“, meinte Ludwig und zuckte mit den Schultern. „Sie hat Botharogas‘ Tod zu verantworten.“

„Er hat uns trotz allem noch beschützt“, sagte Lori, die den toten Kämpen auf den Rücken drehte.

„Ja. Das war seine letzte Heldentat“, stimmte Ludwig zu. „So werden wir es den Leuten erzählen. Er starb, um uns zu retten. Und zum Glück wird er nie erfahren, dass das mit dem Geld nur ein Gerücht war. Ich habe es gestreut, damit man uns am Leben lässt. Dass man uns befreit hat, das war gewissermaßen ein Bonus.“

Lori blickte Ludwig verblüfft an, der sich bereits abgewandt hatte und das Wasser vor ihnen betrachtete. In wenigen Stunden würden sie in Ediala ankommen, Botharogas Heimatstadt. Würde der ehemalige Minister damit davonkommen?

Eine gute Zofe war ein Statussymbol. Und Lori hatte für einen König gearbeitet. Dementsprechend hatte sie schnell eine neue Anstellung gefunden. Jemanden wie sie konnte man brauchen – im Gegensatz zu einem Alphons Ludwig, der letztendlich für Meineid und Pflichtvergessenheit gehenkt worden war.

Lori blickte auf die Statue, die man zu Ehren von Botharogas errichtet hatte. Sie war noch da, auch zwei Jahre nach seinem Tod, und zeigte den Helden überlebensgroß, auf einem gewaltigen Streitross. Vermutlich war das jenes Ross, dass man ihm gemeinsam mit dem Schwert mit Goldgriff und dem Adelstitel geschenkt hatte. Nachdem seine Krypta zum dritten Mal geplündert worden war, hatte man seinen Leichnam eingeäschert und die Asche in die Königsgruft gebracht. Es wurden kleine Figuren von ihm verkauft, und man sprach in den höchsten Tönen von seinem Edelmut, seinem galanten Umgang mit Frauen und von seinem Kampfgeschick, das ihm letztendlich gegen drei Pfeile nichts genutzt hatte. Nur manchmal fluchte der eine oder andere Händler, dass ihm der große Held Botharogas noch Geld geschuldet habe.

Seine letzte Heldentat war zu einer Legende geworden.

Lori schüttelte den Kopf.

Es war nicht leicht, in der echten Welt ein Held zu sein.

Anna Eichinger Der Seher

Der erste kühle Herbstwind fuhr über die Blätter des Waldes und spielte mit dem Mantel meines Bruders wie der Wind mit einer Unheil verkündenden Fahne. Elevin stand aufrecht am Gipfel des Hügels, sah über das buntgefärbte Tal und lauschte dem Rascheln der Blätter. Sein Gesicht war angespannt, als würde ihm die Zukunft Unheilvolles zuflüstern.

„Läufst du wieder deinem Bruder hinterher? Lass ihn zufrieden!“ Meine Großmutter stand neben mir. Ich hatte keine Ahnung, wie sie in ihrem Alter immer noch so wendig und vor allem so lautlos sein konnte. Mich hatte man vermutlich bis in den Nachbarort gehört, als ich hier herauf keuchte.

„Was er wohl sieht?“ Großmutter erwartete wie üblich keine Antwort von mir.

„Bunte Blätter?“ Probierte ich es trotzdem mit einer Antwort. Ich wich einen Schritt zur Seite, um dem Hieb meiner Großmutter zu entgehen.

„Sei nicht immer so kindisch. Deinem Bruder steht Großes bevor. Der Seher hat den Clan um jeden Preis zu beschützen. Auch unter Einsatz seines Lebens.“

Ich wusste nicht, wie oft Elevin und ich diesen Satz schon gehört hatten. Zum besseren Schlafen trug er jedenfalls nicht bei.

„Ist Elevin deshalb in letzter Zeit so angespannt? Kann er seinen Tod sehen?“ Ich schluckte. Es gab wahrlich Angenehmeres, als sein eigenes Hinscheiden vorherzusehen.

„Halte dich da heraus und freue dich, dass du die Gabe nicht hast. Unterstütze deinen Bruder einfach. Mehr musst du nicht tun.“ Großmutter sah Elevin an und dann über das Blättermeer vor uns. Sie drehte sich um und ging.

***

Das dunkle Monster starrte Elevin an und grinste. Sein Arm hob sich. Das Schwert würde jede Sekunde niedersausen und meinen Bruder treffen. Mein Herz raste, und in meinen Ohren dröhnte mein Herzschlag so laut, dass ich nicht hörte, was Elevin mir zurief. Das Monster sah spöttisch herab.

„Du weißt, du hast keine Chance, Seher! Du wirst hier sterben.“

Der Stahl über seinem Haupt fing die Herbstsonne ein und spiegelte das letzte Licht wider, dass mein Bruder je sehen würde. Dann sauste das Schwert mit Wucht herab.

Ich sprang dazwischen und parierte, wie ich es so oft am Übungsplatz gelernt hatte. Aber ich war zu schwach. Das Schwert fuhr weiter, als würde ich nicht einmal existieren. Es traf Elevin. Es fuhr durch ihn hindurch und blieb in seinem Rückgrat stecken.

Ich erwachte durch das Geräusch berstender Knochen und zerreißenden Fleisches. Schweiß rann mir über den Rücken.

„Atme“ redete ich mir selbst zu. Ich kroch unter der Bettdecke hervor und zog mich an. Dann warf ich einen Blick auf meinen Bruder. Er warf sich unruhig von einer Seite seines Bettes auf die andere. Mit meinem Schwert in der Hand schlich ich mich zur Tür hinaus.

Ich mochte weder frühes Aufstehen noch Schwertkampfübungen. Doch die Albträume verfolgten mich. Mit noch wild klopfendem Herzen marschierte ich auf die Lichtung und versuchte, mein Schwert zu schwingen. Es musste eine Lösung geben, um ein riesiges Monster zu stoppen.

Ein Ast brach. Ich fuhr herum.

Garas lächelte, falls man seine Mimik als Lächeln bezeichnen konnte. Es sah eher aus, als würde er mich zum Frühstück verspeisen wollen.

„Hüpfst Du wieder in der Gegend herum?“

„Ich wünsche Dir ebenfalls einen schönen guten Morgen!“ Brummte ich.

Ohne jegliche Probleme sprang Garas über Stock und Stein und eilte in Richtung Talausgang. Vermutlich hatte er irgendwelche Rehe in seiner Ahnenreihe.

„Ab zur Grenze, um Monster zu hüten?“

„Übe lieber, richtig zu parieren. Sonst kann dich jede Maus umbringen!“ Garas rannte weiter und sah sich nicht einmal um.

Ich atmete tief aus und übte weiter. Vermutlich mit der Eleganz eines verendenden Frosches. Die Hoffnung blieb, dass niemand mehr mit dem Stammbaum eines Rehs vorbeihüpfen würde. Der Knoten in meinem Magen löste sich ebenfalls nur langsam auf. Es musste eine Lösung geben. Wie hielt ich ein Riesenmonster auf, das kam, um meinen Bruder zu töten?

„Los, los. Beil dich. Wir sollten schon längst beim Training sein.“ Elevin scheuchte mich aus unserer Hütte, die ich gerade erst wieder betreten hatte. Meine Vorfreude hielt sich in Grenzen. Allein der Gedanke, jemandem ein Schwert in seinen Körper zu bohren, das Geräusch von zerreißendem Fleisch und das Brechen von Knochen zu hören, bereitete mir Übelkeit. Ich würde einen schönen Helden abgeben, wenn ich bei jedem Kampf eine Lache meines Mageninhalts hinterlassen würde.

„Seher!“ Die versammelten Einwohner unseres Dorfes, von „gerade der Kinderstube entwachsen“ bis „wie stehe ich noch aufrecht“, standen auf dem Hauptplatz und grüßten ehrerbietig meinen Bruder.

„Hey, kämpfen wir heute miteinander?“ Danas zog mich zu sich. Bei den Übungskämpfen war ich unglaublich beliebt. Nicht nur, dass ich leicht zu besiegen war, vielleicht gab es auch die neueste Weissagung des Tages von meinem Bruder.

Wir sprangen also durch die Gegend, fuchtelten mit unseren Schwertern, hieben aufeinander ein und sahen in Kürze schlimmer aus, als seien wir von Schlammlawinen überrollt worden.

Ich hasste mein Leben mit Übungskampf 275 inklusive Niederlage 275. Immer die gleichen Bewegungen, immer hätte mich eine Maus besiegen können.

„Schwesterchen, streng dich mehr an.“ Elevin war neben mir aufgetaucht. Es lag wohl in unserer Familie, dass sich jeder leise und anmutig bewegen konnte. Nur einen hatte dieses Talent übersprungen. Sonst wäre ich schon ganz woanders gewesen.

„Aber wirklich, streng dich an!“ Meine Großmutter tauchte neben mir auf. War das ein spontanes Anschleich-Familien-Treffen?

In dem Moment schlug mir Danas das Schwert aus der Hand. Es segelte quer über Großmutters Kopf und fiel in den Schlamm. Ich versuchte, gelassen zu wirken und die Demütigung zu ignorieren, während mein Gesicht die Farbe eines bezaubernden Sonnenuntergangs annahm.

„Ich gebe mein Bestes. Aus mir wird eben nie eine Kriegerin“. Das Schwert lag hinter Großmutter, die sich wie ein unüberwindliches Hindernis vor mir auftürmte.

„Du musst Elevin unterstützen. Er muss sich auf dich verlassen können. Ihm steht Großes bevor!“

Langsam brachte meinen Magen nicht nur der Gedanke an zerhauene Körper in Aufruhr.

„So wie du aussiehst, glaubt dir jeder, dass du dein Bestes gibst.“ Mit einem Schritt war Elevin bei meinem Schwert, hob es auf, wischte den Schlamm mit seinem Mantel ab und gab es mir zurück. Mit seiner Pranke klopfte er mir wohlwollend auf die Schulter und murmelte: „Lass dich nicht von Oma unterkriegen. Gemeinsam können wir sogar Drachen besiegen.“

Ich versuchte, tapfer zu lächeln, doch es sah wohl eher aus, als hätte ich auf einen Stein gebissen. Ich blinzelte meine Tränen der Scham weg und wünschte mir, mehr wie mein Bruder zu sein. Weiter ging es mit Ich-hasse-mein-Leben-mit-Übungskämpfen, Teil 276. Als mein Magen schon lauter knurrte als jeder hungrige Grizzlybär, durften wir nach Hause gehen.

„Danke für die Rettung vorhin.“

„Kein Problem. Dazu sind große Brüder ja da.“ Elevin grinste auf mich herunter. Es tat so gut, ihn wieder lachen zu sehen. „Hey, so groß bist du nun auch wieder nicht, Bruderherz.“ Ich versuchte auf den Zehenspitzen zu gehen und wirkte trotzdem wie ein geschrumpfter Zwerg.

Plötzlich legte er einen Arm um mich und zog mich an sich. „Ich bin froh, dass es dich gibt.“ Seine Wärme umschloss mich wie ein schützender Mantel der Geborgenheit.

„Und ich erst, dass es dich gibt. Einen Bruder, den Großes erwartet, hat nicht jeder. Und bei deiner Größe sollte das was heißen.“

Elevin ließ mich los, und wir trabten in Richtung Hütte zum Mittagessen.

„Weißt du, nur weil Großmutter das immer sagt, muss es nicht so sein. Wenn ich in die Zukunft schaue, ist da immer so ein Nebel. Ich sehe dieses Monster vor mir. Es ist zu groß und zu schnell. Ich kann es nicht besiegen. Ich kann aber auch nicht weg. Ihr seid hinter mir. Ich muss euch beschützen. Dann holt es aus. Plötzlich ist dieser Nebel ganz nah. Der Schlag kommt. Aber ich sehe ihn nicht genau. Der Nebel nimmt mir die Sicht. Ich spüre Schmerzen. Etwas Schreckliches passiert. Und dann herrscht reine Dunkelheit.“

Elevin ließ den Kopf hängen. Plötzlich richtete er sich wieder auf und lächelte mir zu. „Lass uns zuerst über das Essen herfallen. Monster und Nebel können ruhig noch warten.“ Ich hätte so gerne etwas erwidert, über das er hätte lachen können. Ich hätte so gerne offenbart, was ich mit mir herumtrug. Ich hätte so gerne gesagt, dass ich da sein würde, wenn er mich brauchte. Egal, wie schlecht ich kämpfen konnte. Aber Worte fielen mir noch schwerer als Schwertkämpfe. In meinem Kopf wuselte es von Gedanken, aber heraus kam lediglich ein lächerlicher Satz.

„Los, stürzen wir uns aufs Essen!“ Aber ans Essen zu kommen war auch nicht so leicht. Großmutter scheuchte uns in den Hinterhof. Sie wollte nicht den Staub des Dorfplatzes, der auf uns klebte, im Haus haben.

Endlich saß ich vor der Suppenschüssel und hielt mich am Löffel fest.

„Eure Eltern wären stolz auf dich, Elevin. Du hast die Monsterhorde schon vor über einem Jahr kommen sehen. Du hast uns darauf vorbereitet. Wie üblich kämpfst du präzise, und deine Vorhersagen treten genauestens ein. Zu meiner Zeit war ich auch so. Ein Vorbild. Bis ich meine Gabe an Eure Mutter weitergegeben habe. Dann habe ich natürlich sehr fleißig als Kämpferin weiter trainiert. Es gab keine bessere zu meiner Zeit.“

Ich löffelte die Suppe in meinen Mund. So war ich auch sicher, dass ich nichts sagen würde. Der Seitenblick meiner Oma gefiel mir gar nicht. Konnten nicht plötzlich ein Wirbelsturm oder eine Gratislieferung Mehl eintreffen?

„Aber du strengst dich nicht einmal an. Du hast kein Talent. Nicht einmal dein Bruder kann deine Zukunft sehen. Als würdest du nicht existieren! Das geht gar nicht für eine berühmte Seherfamilie!“.

Ich löffelte weiter Suppe in mich hinein. Was konnte ich dazu auch schon sagen? Ich war mir sicher, dass ich existierte. Besonders mein Gehör, auf das ich im Moment gut verzichten konnte.

„Elli ist das große Unbekannte in unserer Zukunft. Ich finde das gut. Sie verkörpert das Unerwartete. Wenn ich sie nicht sehen kann, dann kann unser Feind sie auch nicht sehen.“

Ich lächelte Elevin dankbar zu und schlürfte weiter Suppe in mich hinein. Waren die Karotten schon jemals so köstlich gewesen?

Ich wünschte, es wäre die Gratislieferung Mehl gewesen, die in unsere Hütte geschneit wäre, aber die Tür flog auf, und Garas platzte herein.

„Der Feind ist im Anmarsch! Ich habe eine Horde Monster gesehen. Sie kommen!“ Schon war Garas wieder draußen und alarmierte jeden Dorfbewohner, der sich noch rühren konnte, bevor ich mir noch eine weitere Karotte in den Mund zu schieben vermochte.

Sogar Haferschleimsuppe hätte mir heute geschmeckt. Elevin sah zu mir herüber. Ruhig und blass. Ich nickte ihm zu. Warf einen letzten Blick auf die Suppe und verabschiedete mich von den restlichen Karotten.

Großmutter half Elevin in de sperrige Rüstung. Ich zwängte mich ebenfalls irgendwie in meine. Wenn das Riesenmonster, das Elevin beschrieben hatte, auftauchen würde, wäre eine Schnalle mehr oder weniger ohnehin egal.

„Passt auf euch auf. Und, Elevin - ich erwarte Großes von Dir.“ Großmutter blieb an der Haustür stehen, während wir zum Hauptplatz liefen. Mein Magen rebellierte schon jetzt und krampfte sich zusammen. Überall sonst wollte ich lieber hin als auf ein Schlachtfeld. Elevin marschierte tapfer und heldenhaft auf den Platz, und alle scharten sich um ihn, als hätte er das Monster und dessen Hiebe nie vorausgesehen.

Mein Hals war trocken, dafür fühlten sich meine Hände an, als wäre ich in einem Dampfbad gewesen.

„Freunde, die Monster wurden gesichtet, auf die wir uns vorbereitet haben. Wir werden ihnen entgegenziehen und sie von unserem Dorf und unseren Familien fernhalten. Wir werden sie besiegen! Für unseren Clan!“ Elevin streckte sein Schwert in die Höhe, und alle jubelten ihm laut zu. Nur ich brachte keinen Ton heraus. Seine Augen fanden meine und ich versuchte ihm tapfer zuzulächeln. Dann marschierten wir los.

Ich muss darauf bestehen, dass ich nicht absichtlich die Letzte war. Meine Kondition war nie besonders gut gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass gleich Großmutter aus dem Gebüsch springen würde, um mit mir zu schimpfen. Ich schüttelte den Kopf. Gleich würde ich Monstern begegnen, und ich suchte das Gebüsch nach meiner eigenen Großmutter ab.

Am Hügel angekommen, starrten wir hinunter ins Tal auf Wesen, die wir nur aus düsteren alten Geschichten kannten. Aus der Ferne sahen sie gar nicht so gruselig aus. Waren sie zahlreicher als wir Dorfbewohner? Mein Magen fand eindeutig, dass es zu viele waren. Wenn meine Hände nicht aufhörten zu schwitzen, könnte mein Schwert höchstens als Wurfwaffe dienen. Oder ich könnte eine sehr nasse Ohrfeige geben. Beides wäre aber keine sehr effektive Verteidigung.

Ich sah zu Elevin. Er lächelte mir aufmunternd zu.

„Los, wir verstecken uns im Wald, bei der Talenge. Wartet auf mein Zeichen, bevor ihr angreift.“

Danas nahm die Hälfte der Dorfbewohner und versteckte sich auf einer Seite, ich blieb bei Elevin auf der anderen Seite und hockte mich hinter einen Busch. Erste abgefallene Blätter lagen auf dem Boden und verströmten einen herbstlichen und erdigen Geruch. Leise raschelten sie, wenn einer der Dorfbewohner sich bewegte. Elevin starrte in die Richtung, aus der wir die Monster erwarteten. Würde er einen weiteren Herbst erleben?

Zuerst blieb es ruhig. Zu ruhig. Nicht einmal ein Vogel war zu hören. Dabei hatte ich das Gezwitscher immer so gerne gehabt. Ich sah hoch zum strahlend blauen Himmel, dessen Blau durch die orangen und roten Blätter noch intensiver wirkte als sonst.

Ein seltsames, monotones Geräusch brandete auf. Der Boden vibrierte. Es dauerte eine Weile, bis ich das Herantrampeln der Monster damit verband.

Elevin sah herüber und verdrehte die Augen. Ich hätte fast losgelacht. Aber selbst ich bewegte mich leiser.

Ein Geruch von Moder und Essig wehte herbei. Zumindest konnte es mir keiner übelnehmen, wenn ich mich übergab.

Dann tauchten sie auf. Zwischen den Blättern konnte ich zuerst nicht viel sehen. Eine braune Masse aus Händen und Füßen – oder zumindest so etwas Ähnliches. Krallen, die länger waren als Küchenmesser, ragten aus ihren Fingern und Zehen hervor. Krusten von Dreck und Schlamm klebten an ihrem zottigen Fell. Die Wesen marschierten auf uns zu.

Elevin gab das Zeichen, und wir stürmten los. Die Monster waren einen Moment erschrocken und blieben stehen. Einen Moment zu lange. Unsere schnellsten und besten Krieger waren schon dort. Natürlich zählte ich nicht dazu. Ich versuchte, hinter Elevin zu bleiben und nebenbei niemanden von unseren eigenen Leuten zu verletzen. Bei meinem Mangel an Talent war das gar nicht so einfach.

Dann sah ich es. Das Monster aus meinen Albträumen. Es stapfte direkt auf Elevin zu. Jede Zelle in mir schrie, ich sollte weglaufen. Nein, es waren ja gar nicht meine Zellen, es war Elevin. „Lauf, Elli, lauf weg!“

„Da bist du ja, Menschlein. Ich bin gekommen, um dich zu töten.“

Die Dorfbewohner wichen zur Seite und kümmerten sich um die kleineren Monster. Sie vertrauten ihrem Seher.

Laufen ist gar nicht so einfach, wenn man vor Schreck erstarrt ist und die Knie plötzlich zu Pudding geworden sind.

Elevin stürzte sich auf das Monster. Seine Bewegungen waren schnell und fließend. Er hieb auf den braunen Koloss ein. Aber dieser parierte. Elevin sprang zurück und versuchte es erneut. Wie im Traum war das Monster nicht nur riesig, sondern für seine Größe auch erstaunlich wendig und schnell. Elevin sprang vor und stach vergeblich zu. Das Monster trat nur einen Schritt beiseite und grinste breit.

„Du weißt, du hast keine Chance, Seher! Du wirst hier sterben.“

„Elli, lauf!“ In Elevins Stimme schwang Trostlosigkeit mit. Das Monster lachte. Es warf nicht einmal einen Blick auf mich.

Und ich lief. Ich betete zu den Geistern des Waldes, zu den sinnlosen Übungsgöttern, zu allem, was mich noch nie erhört hatte. Mein Timing war immer grottenschlecht gewesen. Meine Schritte zu langsam. Mit dieser bescheuerten Rüstung kam ich schon gar nicht zurecht. Würde doch nur einmal in meinem Leben etwas funktionieren!

Das Monster holte aus. Der Schlag, den Elevin schon so oft im Geist gesehen hatte, sauste auf ihn hernieder. Ich lief, lief schneller. Und sprang. Mitten in den Schwertstoß hinein. Irgendwie schaffte ich es noch, mein Schwert in den Oberarm des Monsters zu bohren. Es kam kaum auf der anderen Seite wieder heraus. Oma hätte lieber den Kerl am Tisch sitzen gehabt als mich. Der hatte genug trainiert.

Das Geräusch des Hiebes in Fleisch und Knochen erreichte mich erst nach diesem abstrusen Gedanken.

„Elli, nein!“

Ich krallte mich an meinem Schwert fest.

„Schnell, töte ihn!“, nuschelte ich.

Das Monster war erstaunt und konnte sich nicht bewegen. Da hing unerwartet ein kleiner Mensch an seinem Schwertarm mit der Waffe. Visionen können einen fertigmachen. Ein echtes Schwert vermag dies noch viel mehr.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Elevin zustach. Das Monster sah noch verwirrter aus als zuvor.

„Mir wurde doch geweissagt, ich würde den großen Seher töten!“

„Das hast du auch getan“, murmelte ich. Aber wie üblich hörte mir niemand zu. Ich brach zusammen. Mein Bauch brannte wie Feuer. Vom Rand meines Sichtfeldes her breitete sich Dunkelheit aus. Dann tauchte Elevins Gesicht vor mir auf.

„Elli, nein. Halte durch.“

Ich hatte das verdammte Schwert doch noch losgelassen, und meine Hände fühlten sich fast so an wie immer. Kalt.

„Ich bin glücklich...“, dann kam nur noch Blut aus meinem Mund. Ich hätte allzu gern noch so viel gesagt.

Ich bin glücklich, deine Schwester zu sein. Ich bin glücklich, dass mein Mageninhalt noch immer dort ist, wo er sein sollte. Ich bin glücklich, dass ich einmal etwas geschafft habe. Die Dunkelheit schwappte über mich hinweg, und das Feuer in meinem Bauch erlosch.

Elevin stand auf dem Hügel. Wie immer starrte er über die Bäume. Der Nebel war verschwunden und seine Sicht so klar, als könnte er bis ans Ende der Welt sehen.

Unter einem Baum stand eine alte Frau, die sah, wie ihr Enkel zusammenbrach und nach seiner Schwester rief. Tränen liefen ihr über die faltigen Wangen. Die große Zukunft für Elevin hatte begonnen, er würde den Clan beschützen. Elli würde in den Geschichten des Clans weiterleben - das unsichtbare Mädchen, das zur Heldin geworden war.

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