Kitabı oku: «Gleichheit oder Freiheit?», sayfa 3

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2.Der Gleichheitswahn

Wenn wir uns nun den Prophezeiungen über die Gegenwart zuwenden, müssen wir uns zuvörderst einmal daran erinnern, daß mit allen gesellschaftlich-politischen Problemen gewisse, sich stets wiederholende psychologische Faktoren unzertrennlich verbunden sind. Einer von diesen ist die Einwirkung von zwei äußerst starken, sich widerstreitenden Trieben auf den Menschen: des identitären Herdentriebs und der »romantischen« Liebe zur Vielfalt. Während der erstgenannte Trieb gewissermaßen zur tierischen Natur des Menschen gehört, ist der letzte rein-menschlich und auf der lediglich animalischen Ebene nicht vorhanden37. Leider kann es aber nicht bestritten werden, daß unsere moderne Zivilisation, besonders im Gegensatz zur Kultur, den Herdenbetrieb über alle Maßen begünstigt. Demokratie, die Massenproduktion, der Militarismus, der (ethnische) Nationalismus, der Rassenwahn und alle Bestrebungen nach »Vereinfachung« arbeiten automatisch für ein größeres Einerlei (identity), für eine gesteigerte Einförmigkeit, Gleichförmigkeit und Gleichheit. Dieses Verhängnisses war sich John Stuart Mill wohl bewußt, und es war gerade dieser erbarmungslose Prozeß der Nivellierung, Ausmerzung und Assimilierung, von dem er sich die gefährlichste Bedrohung der Freiheit erwartete. Nachdem er in seinem Essay On Liberty die verschiedenen Ursachen für diese Allgemeintendenz aufgezählt und erörtert hatte, zeigte er seine Unabhängigkeit von dem othodoxen Utilitarismus J. Benthams und auch seines Vaters, indem er erklärte, daß diese Entwicklung selbst auf Kosten materieller Opfer bekämpft werden müsse. Und dann setzte er hinzu:

»The demand that all other people shall resemble ourselves grows by what it feeds on. If real resistance waits till life is reduced nearly to one uniform type, all deviations from that type will come to be considered impious, immoral, even monstrous and contrary to nature. Mankind speedily become unable to conceive diversity, when they have been for some time unaccustomed to see it.«38

Dieser Gleichförmigkeitswahn war schon hundert Jahre früher von Montesquieu verurteilt worden. Dieser erklärte:

»Il y a de certaines idées d’uniformité qui saisissent quelquefois les grands esprits (car elles ont touché Charlemagne), mais ils frappent infailliblement les petits.«39

Benjamin Constant, der dem achtzehnten sowohl als dem neunzehnten Jahrhundert angehört hatte, erkannte die lähmenden Eigenschaften der Einförmigkeitsmanie. Er schrieb:

»La variété c’est l’organisation; l’uniformité c’est du mécanisme. La variété c’est la vie; l’uniformité c’est la mort.«40

Es war der Uniformismus, der auch der Französischen Revolution, in der die Demokratie am totalitärsten in Erscheinung getreten war, seinen prägnanten Charakter verliehen hatte. Constant, der das napoleonische Nachspiel nicht weniger als die Revolution selbst zum Gegenstand seiner Betrachtung gewählt hatte, schrieb im Jahre 1814:

»Il est assez remarquable que l’uniformité n’ait jamais rencontré plus de faveur que dans une révolution faite au nom des droits et de la liberté des hommes. L’esprit systématique s’est d’abord extasié sur la symétrie. L’amour du pouvoir a bientôt dévouvert quel avantage immense cette symétrie lui procurait. Tandis que le patriotisme n’existe qu’un vif attachement aux intérêts, aux mœurs, aux coutumes de localité, nos soit-disant patriotes ont déclaré la guerre à toutes ces choses. Ils ont tari cette source naturel du patriotisme, et l’ont voulu remplacer par une passion factive envers un être abstrait, une idée générale, dépouillé de tout ce qui frappe l’imagination et de tout ce qui parle à la mémoire. Pour bâtir l’édifice, ils commençaient par broyer et réduire en poudre les matériaux qu’ils devaient employer. Peu s’en est fallu qu’ils ne désignassent par des chiffres les cités et les provinces, comme ils désignaient par des chiffres les légions et les corps d’armée, tant ils semblaient craindre qu’une idée morale ne pût se rattacher à ce qu’ils instituaient!

Le despotisme, qui a remplacé la démagogie, et qui s’est constitué légataire du fruit de tous ses travaux, a persisté très habilement dans la route tracée. Les deux extrêmes se sont trouvés d’accord sur ce point, parce qu’au fond, dans les deux extrêmes, il y avait volonté de tyrannie. Les intérêts et les souvenirs qui naissent des habitudes locales contiennent un germe de résistance que l’autorité ne souffre qu’à regret, et qu’elle s’empresse de déraciner. Elle a meilleur marché des individus; elle roule sur eux sans efforts son poids énorme comme sur du sable.

Aujourd’hui l’admiration pour l’uniformité, admiration réelle dans quelques esprits bornés, affectée par beaucoup d’esprits serviles, est reçue comme un dogme religieux par une foule d’échos assidus de toute opinion favorisée.«41

Dieser Genfer Aristokrat, der in dieser Schrift die Demokratie mit démagogie und die Militärdiktatur Bonapartes mit despotisme bezeichnete, sah von seinem Exil in Hannover aus sehr klar, wie das Prinzip der Gleichförmigkeit von der Tyrannis weit über die Grenzen Frankreichs vorgeschoben wurde:

»Les conquérants de nos jours, peuples ou princes, veulent que leur empire ne présente qu’une surface unie, sur laquelle l’œil superbe du pouvoir se promène, sans rencontrer aucune inégalité qui le blesse ou borne sa vue. Le même code, les mêmes mesures, les mêmes règlements et, si l’on peut y parvenir, graduellement la même langue, voilà ce qu’on proclame la perfection de toute organisation sociale…

Sur tout le reste le grand mot d’aujourd’hui c’est l’uniformité.«42

Constant war durch die damaligen Umstände gezwungen, die Mächte der Zerstörung und Versklavung zu beschreiben, ohne sie beim Namen zu nennen. Donoso Cortés, der der nächsten Generation angehörte43, griff diesen Wahn, der sich unaufhörlich steigerte44, mit noch schärferen Worten an. Konstantin Leontjew, der geniale russische Reisende und Kritiker, war sich auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl bewußt, daß die »uniformistischen« Ideen der Französischen Revolution auf der ganzen Linie im Vormarsch waren; diese hatten, so bemerkte Leontjew, nicht nur die Struktur der beiden napoleonischen Kaiserreiche zutiefst beeinflußt, sondern bestimmten nun auch den Charakter des neuen deutschen Kaisertums:

»Das einheitliche Volkstum [wörtl.: die reine Rasse], Zentralisierung, Gleichmacherei, eine Konstitution (so stark aber, daß kein genialer Mann einen Staatsstreich wagen würde), staatliche Unterstützung für Industrie und Handel, und im Widerspruch zu allem Vorhergehenden – eine Stärkung und Einigung aller (wahrhaft) anarchischen Elemente; schließlich Militarismus. Punkt für Punkt das kaiserliche Frankreich! Die Nuancen [der Unterschiede] sind von einem höheren und weiteren Gesichtspunkt aus – der uns ja vorschwebt – derartig unwesentlich, daß es gar nicht der Mühe wert ist, diese auch nur eines Gedankens zu würdigen.

Der Sieg der nationalen Rassenpolitik hat so den Deutschen einen Verlust ihrer nationalen Personalität gebracht; Deutschland wurde nach seinen Siegen mehr denn je ›französisiert‹ – in seinem Charakter, seiner Verwaltung, seiner Struktur, seinen Gesetzen; wichtige Aspekte seiner persönlichen, ortsverbundenen Kultur sind auf einmal verschwunden.«45

Jacob Burckhardt, ungefähr zur selben Zeit, kommentierte mit verhaltener Bitterkeit eine Rede des amerikanischen Präsident Grant:

»Das vollständige Programm enthält die neueste Rede Grants, welche einen Staat und eine Sprache als das notwendige Ziel einer rein erwerbenden Welt postuliert.«46

Die Abneigung des großen Baslers gegen die Ausmerzung aller Unterschiedlichkeiten beruhten zum Teil auch auf der Furcht, daß die allgemeine Uniformität revolutionären Bewegungen mit totalitären Zielsetzungen Vorschub leisten würde:

»Eine scheinbar wesentliche Vorbedingung für die Krisen ist das Dasein eines sehr ausgebildeten Verkehrs und die Verbreitung einer bereits ähnlichen Denkweise in anderen Dingen über große Strecken.

Allein, wenn die Stunde da ist und der wahre Stoff, so geht die Ansteckung mit elektrischer Schnelle über Hunderte von Meilen und über Bevölkerungen der verschiedensten Art, die einander sonst kaum kennen. Die Botschaft geht durch die Luft, und in dem einen, worauf es ankommt, verstehen sie sich plötzlich alle, und wäre es auch nur ein dumpfes: ›Es muß anders werden!‹«47

Die innere Verwandtschaft zwischen der Diktatur und der Gleichmacherei, dem Aristoteles48 so wohl bekannt, war auch Walter Bagehot kein Geheimnis geblieben. Dieser geniale Nationalökonom, dessen Interessen das Gebiet der Wirtschaft beträchtlich überschritten, schrieb über das zweite französische Kaiserreich:

»In France, égalité is a political first principle; the whole of Louis Napoleon’s régime depends upon it; remove that feeling, and the whole fabric of the Empire will pass away. We once heard a great French statesman illustrate this. He was giving a dinner to the clergy of his neighbourhood, and was observing that he had no longer the power to help or to hurt them, when an eager curé said, with simple-minded joy: ›Oui, monsieur, maintenant personne ne peut rien, – ni le comte, ni le prolétaire.‹«49

Anscheinend aber hat der Gleichheitsdrang keine festen Grenzen. Der Marquis de Sade, besser bekannt durch seine sexuellen Verirrungen, war einer der originellsten Verteidiger der demokratischen Diktatur; seinen fanatischen und weltanschaulich wohl begründeten Amoralismus verband er mit der Forderung, den Grundsatz der Gleichheit nicht nur auf alle Menchen, sondern sogar auf die Tiere und Pflanzen auszudehnen50. Es ist schade, daß sich noch niemand gefunden hat, der über dieses geistesgeschichtlich so wichtige Ungeheuer eine philosophisch-theologische Abhandlung geschrieben hätte. N. D. Fustel de Coulanges, der liberale Historiker, wußte auch, daß die Tyrannen der Antike die Gleichmacherei für ihre Herrschaft benützten:

»Sauf deux ou trois honorables exceptions, les tyrans que se sont élevés dans toutes les villes grecques au quatrième et au troisième siècle n’ont régné qu’en flattant ce qu’il y avait de plus mauvais dans la foule et en abattant violemment tout ce qui était supérieur par la naissance, la richesse ou le mérite.«51

Dieses Verfahren, das auch Plato aufgefallen war, ist wesenhaft demokratisch – demokratisch im klassischen Sinn des Wortes. Man muß sich hierbei auch erinnern, daß der Ostrazismus im demokratischen Athen blühte und immer gegen Leute großen Formats gerichtet war, also ein Stück Aristophobie darstellte. Dostojewskij hingegen hatte seinen Blick in die Zukunft eher denn in die Vergangenheit gerichtet und sah im Gleichheitswahn die Ursache, nicht das Ergebnis der Tyrannis. Schigaljow, den Linksideologen, beschreibt er mit folgenden Worten in seinem Roman »Die Dämonen«:

»Schigaljow ist ein Genie. Er hat die ›Gleichheit‹ erfunden. Es steht alles so schön in seinem Heft. Bei ihm gibt es auch die Spionage. Er will, daß die Mitglieder der Gesellschaft sich gegenseitig kontrollieren und anzeigen. Jedermann gehört allen und alle gehören jedem einzelnen. Alle sind sie Sklaven und gleich in der Sklaverei. Im Notfall gibt es Denunziation und Mord, aber die Hauptsache bleibt doch die Gleichheit.«52

Dies erinnert auch an Blakes Ausspruch, daß »dasselbe Gesetz für den Löwen und den Ochsen in Unterdrückung ausarten muß«. Für Jacob Burckhardt war ebenfalls die Gleichmacherei ein zerstörendes Element, das seinen verhängnisvollen Zyklus durchlaufen mußte, bis es zum Stillstand kam und somit der Welt eine Gelegenheit gab, ihr Gleichgewicht wiederzufinden:

»Das Ende vom Liede ist: irgendwo wird die menschliche Ungleichheit wieder zu Ehren kommen. Was aber der Staat und Staatsbegriff inzwischen durchmachen werden, wissen die Götter.«53

Auch sah Burckhardt mit unerbittlicher Klarheit, daß der moderne Staat mit seiner parlamentarischen »Vorgeschichte« der Exekutor der gleichmacherischen Mehrheitsherrschaft werden würde. So schrieb Burckhardt in einem Brief:

»Ich kenne aber auch den modernen Staat, dessen rücksichtslose Allmacht sich dabei auf ganz rohe, praktische Weise zeigen wird. Er wird einfach die ungefähre Majorität in der Stimmung der Massen zum Maßstab nehmen und danach die übrigen maßregeln.«54

Diese Schrecken, so deutete der Basler Prophet an, waren durch gewisse Tendenzen in den früheren Formen einer parlamentarischen Demokratie vorausbestimmt. Er sagte:

»Für das Seltene hat freilich die Demokratie keinen Sinn, und wo sie es nicht leugnen und entfernen kann, haßt sie es vom Herzen. Selbst eine Ausgeburt mediokrer Köpfe und ihres Neides, kann sie auch als Werkzeuge nur mediokre Menschen gebrauchen, und die gewöhnlichen Streber geben ihr alle gewünschte Garantie der Mitempfindung. Freilich fährt dann in die Massen untendran ein neuer Geist, daß sie in dunklem Drange wieder das Seltene sucht, aber sie kann dabei erstaunlich schlecht beraten sein und sich auf einen Boulanger kaprizieren.«55

Die terribles simplificateurs, die Burckhardt als kommende Despoten erwartete, waren aber bedeutend gefährlicher und grausamer als M. Déroulèdes melancholischer Held. Und der Umstand, daß der Egalitarismus einer früheren Epoche in das darauffolgende despotische System eingebaut werden würde, war von Burckhardt nie bezweifelt worden. Geistig durchdacht war der Gleichheitswahn freilich nie, denn er fußte auf reinen Gefühlen; so ist die Gleichheit für einen totalitären Demokraten vom Schlage eines Mr. Herbert Read zugegebenermaßen irrational; sie hat für ihn lediglich den Charakter eines »notwendigen Mythus«56. Alexis de Tocqueville aber erkannte die psychologischen Hintergründe der Gleichmacherei. Schrieb er doch:

»Égalité est un mot pris pour envie. Elle signifie au fond du cœur de tout républicain: ›Personne ne sera dans une meilleure situation que moi.‹«57

Aus diesen und anderen Gründen ist es daher nicht wunderzunehmen, daß die modernen Diktatoren mit ihrer »Gleichheit in der Sklaverei« ihre Schreckensherrschaft immer auf das egalitäre System und die Unterstützung der Massen aufgebaut haben, nicht aber auf Eliten oder schon existierende Aristokratien. (Die langsam sich herauskristallisierenden Eliten in den Riesenheeren und den neuen Mammutbürokratien gehören auf ein anderes Blatt.) Auch der deutsche Nationalsozialismus war keine Ausnahme von dieser Regel.

3.Demokratie und Unfreiheit

Das unvermeidliche Resultat dieser nivellierenden Grundrichtungen und Eingriffe ist eine steigende antiliberale Haltung – eine Einstellung, die auch ursächlich mitgewirkt hat. Schon früher in der Geschichte hören wir Klagen über die Gleichgültigkeit der Freiheit gegenüber, und diese Klagen sind oft nicht einmal politischer, sondern philosophischer oder theologischer Natur. Dante, zum Beispiel, hat uns daran erinnert, daß die Willensfreiheit (libertas arbitrii, um genauer zu sein) nicht immer ernst genommen wurde58. Gerard Winstanley, ein religiös-politischer Führer im englischen Bürgerkrieg, schrieb im Jahre 1649, daß er vom leeren Geschwätz über die Freiheit angewidert sei. Er wollte Taten sehen59.

Doch gerade die englischen freireligiösen, politisch linkseingestellten Gruppen dachten an eine Synthese demokratischer und liberaler Grundsätze und ahnten nichts von dem inneren Gegensatz dieser zwei Begriffswelten. Ein Denker wie Donoso Cortés hingegen hatte keine Illusionen über die harte Alternative zwischen der Gleichheit, die erzwungen werden muß, und der Freiheit, die dem Zwang abhold ist60. Auch John C. Calhoun, der intellektuelle und politische Führer der amerikanischen Südstaaten im zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts, wußte von dieser Schwierigkeit. Er schrieb:

»There is another error, not less great and dangerous, usually associated with the one which has just been considered. I refer to the opinion, that liberty and equality are so intimately united, that liberty cannot be perfect without perfect equality.«61

Moderne Autoren gehen viel weiter als diese vorsichtigen Worte Calhouns62; auch die Zahl derer, die zwischen Demokratie und Liberalismus scharf unterscheiden, ist nicht unbedeutend63. Und obzwar manchmal ein Übermaß an Freiheit in antinomistischer Reaktion eine bewußte Tendenz zur Knechtschaft aufkommen ließ, so wird es wenig denkende und kritische Beobachter geben, die unsere moderne, so oft sich demokratisch nennende Tyrannis nicht von den demokratischen (plebiszitären, majoritären, egalitären) Grundsätzen ableiten. Hingegen hat die moderne Tyrannis es nie gewagt, sich mit den Federn des Liberalismus zu schmücken64. Ja, die Entwicklung, wie wir sie in unseren Tagen gesehen haben, hätte Orestes Brownson, den originellen amerikanischen Konvertiten und Pamphletisten, nicht sonderlich überrascht. Dieser schrieb schon vor hundert Jahren:

»We are republicans, because republicanism is here the established order, but we confess that we do not embrace and never have embraced, as essential to liberty, the popular democratic doctrine of this country.«65

Freimütiger, aber auch pessimistischer war Macaulay, der einem amerikanischen Freund im Jahre 1857 schrieb:

»I have long been convinced that institutions purely democratic must, sooner or later, destroy liberty, or civilization, or both. In Europe, where the population is dense, the effect of such institutions would be almost instantaneous…

…You may think that your country enjoys an exemption from these evils. I will frankly own to you that I am of a very different opinion. Your fate, I believe, is certain, though it is deferred by a physical cause.«66

Hier wie auch bei anderen Autoren, die richtig die Entwicklung vorausgesehen hatten, liegt dennoch ein Irrtum im Zeitelement vor. Das Unheil kam, aber es kam langsamer. Bezeichnend ist es immerhin, daß der Brief Macaulays an den Jefferson-Verehrer Henry S. Randall zur Zeit von Roosevelts New Deal, als die ersten Symptome eines Populärtotalitarismus auftauchten, häufig abgedruckt und als Flugschrift verbreitet wurde. Die »physischen Gründe« sind offenkundlich die sich stets verringernden, inneren Expansionsmöglichkeiten. Amerika hörte auf, territorial »unbegrenzt« zu sein.

Auch Lord Acton, der große liberale katholische Denker Englands, wußte vom Gegensatz zwischen der Freiheit und der Gleichheit. Er schrieb:

»The deepest cause which made the French Revolution so disastrous to liberty was its theory of equality. Liberty was the watchword of the middle class, equality of the lower.«67

Noch stärker und deutlicher war er in seiner Besprechung von Sir Erskine Mays Democracy in Europe:

»The effective distinction between democracy and liberty, which has occupied much of the author’s thoughts, cannot be too strongly drawn. Slavery has been so often associated with democracy, that a very able writer pronounced it long ago essential to a democratic state; and the philosophers of the Southern Confederation have urged the theory with extreme favour. For slavery operates like a restricted franchise, attaches power to property and hinders socialism, the infirmity that attends mature democracies.«68

Auch William E. H. Leckys Anschauungen mußten vielen seiner Zeitgenossen und der ihm unmittelbar folgenden Generation als übertrieben, reaktionär oder »übereilt« erscheinen. Er sagte in seinem Buch Democracy and Liberty:

»A tendency to democracy does not mean a tendency to parliamentary government, or even a tendency towards greater liberty. On the contrary, strong arguments may be adduced, both from history and from the nature of things, to show that democracy may often prove the direct opposite of liberty. In ancient Rome the old aristocratic republic was gradually transformed into a democracy, and it then passed speedily into an imperial despotism. In France a corresponding change has more than once taken place. A despotism resting on a plebiscite is quite as natural a form of democracy as a republic, and some of the strongest democratic tendencies are distinctly adverse to liberty. Equality is the idol of democracy, but, with the infinitely various capacities and energies of man, this can only be attained by a constant, systematic, stringent repression of their natural development…«69

Der demokratische Versorgungsstaat, der sich essentiell in der Massendiktatur fortsetzt, benötigt zur Durchführung seiner sozialen und gesellschaftsnivellierenden Programme eine große bürokratische Apparatur, die nur zu oft in das Privatleben des einzelnen dauernde Eingriffe macht. Lecky schrieb daher in dem obgenannten Buche ganz richtig:

»In our own day, no fact is more incontestable and conspicuous than the love of democracy for authoritative regulation.

…The expansion of the authority and the multiplication of the functions of the State in other fields, and especially in the field of social regulation, is an equally apparent accompaniment of modern democracy. This increase of State power means a multiplication of restrictions imposed upon the various forms of human action. It means an increase of bureaucracy, of the number and power of state officials. It means also a constant increase of taxation, which is in reality a constant restriction of liberty.«70

P.-J. Proudhon, der wußte, daß »tout État est de sa nature annexionniste«71, erklärte, daß gerade »die Demokratie die Idee des endlos erweiterten Staates verkörpere«72. Jacob Burckhardt allerdings formulierte seine Ideen über die totalitären Tendenzen der Demokratie mit mehr Schwung und poetischer Intuition:

»…daneben wirkt als allgemeiner Ausdruck teils der Ideen der Französischen Revolution, teils der Reformpostulate neuerer Zeit die sogenannte Demokratie, d. h. eine aus tausend verschiedenen Quellen zusammengeströmte, nach Schichten ihrer Bekenner höchst verschiedene Weltanschauung, welche aber in einem konsequent ist: insofern ihr nämlich die Macht des Staates über den einzelnen nie groß genug sein kann, so daß sie die Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft verwischt, dem Staat alles das zumutet, was die Gesellschaft voraussichtlich nicht tun wird, aber alles beständig diskutabel und beweglich erhalten will und zuletzt einzelnen Kasten ein spezielles Recht auf Arbeit und Subsistenz vindiziert.«73

Orestes Brownson ging sogar noch weiter, als er schrieb:

»Democratic or democratically inclined governments are, for the most part, cruel and hard-hearted. Like corporations, they have no souls and are incapable of tenderness.«74

Dieses Urteil ist sehr ähnlich einem Ausspruch von Anatol France über Demokratien im Kriege und ihre Unfähigkeit, das Völkermorden durch einen humanen Verhandlungsfrieden zu beendigen75.

Ein zwar eher indirekter, aber doch um so entscheidenderer Schlag gegen die Freiheit liegt in der demokratischen »Politisierung« der Massen. Hiermit ist auch zumeist der erste Schritt zum Totalitarismus getan. Thomas Mann hegte in seinen jüngeren Jahren derartige Befürchtungen76, und diese wurden auch von manchen politischen Soziologen in unseren Tagen geäußert77. Auch Nietzsche, der dem Gedanken einer Diktatur nicht so abhold sein konnte, war beunruhigt. Er sagte:

»Die demokratische Idee läuft auf die Erzeugung eines zur Sklaverei im feinsten Sinne vorbereiteten Typus hinaus. Jede Demokratie ist zugleich eine unfreiwillige Veranstaltung zur Züchtung von Tyrannen, das Wort in jedem Sinne verstanden, auch im geistigen78

Die Anschauung, daß im Rahmen der Demokratie nicht nur illiberale Tendenzen, sondern auch unverhüllt totalitäre Kräfte sich ganz organisch entwickeln können, wird von einer ganzen Reihe von modernen Autoren geteilt79.

Ein Zeitgenosse Nietzsches auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans, Herman Melville, war von ähnlichen Sorgen erfüllt, doch bezogen sich diese ganz besonders auf seine Heimat. Melville, der sich während seiner Lebzeiten nur eines bescheidenen Ruhmes als Abenteurer, Romanschriftsteller und zweitklassiger Poet erfreute, ist in unseren Tagen wieder »in Mode« gekommen. Man kann in Amerika von einer ausgesprochen Melville-Renaissance reden80. In seinem »Clarel« schrieb dieser kluge Beobachter schon vor über einem halben Jahrhundert voll Bitterkeit:

»How of the teeming Prairie-Land?

There shall the plenitude expand

Unthinned, unawed?…

Myriads playing pygmy parts –

Debased into equality:

In glut of all material arts

A civic barbarism may be:

Man disennobled – brutalized

By popular science – atheized

Into a smatterer:

Dead level of rank commonplace

An Anglo-Saxon China, see,

May on your vast plains shame the race

In the Dark Ages of Democracy.«81

Diese Vision ist, zugegebenermaßen, kulturell und nicht politisch, aber die tieferen Zusammenhänge blieben weder Melville noch J. S. Mill noch Alexis de Tocqueville verborgen. Auch Mill wurde ein Opfer der Mißdeutung Chinas (ein Irrtum, der größtenteils auf dem visuellen Eindruck von Reisenden beruhte), aber die Vorahnungen dieses nur bedingt enthusiastischen Freundes der demokratischen Werte, den wohl niemand als Reaktionär bewerten kann, sind heute ebenso zeitgemäß wie damals:

»The modern régime of public opinion is, in an unorganized form, what the Chinese educational and political systems are in an organized; and unless individuality shall be able successfully to assert itself against this yoke, Europe, notwithstanding its noble antecedents and its professed Christianity, will tend to become another China.

What is it that hitherto preserved Europe from this lot? What has made the European family of nations an improving, instead of a stationary proportion of mankind? Not any superior excellence in them, which, when it exists, exists as the effect, not the cause; but their remarkable diversity of character and culture.«

Mill fuhr dann fort, die Wirkungen und Folgeerscheinungen der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit in Europa zu untersuchen. Nachdem er den Kausalzusammenhang zwischen Vielfalt und Freiheit genügend beleuchtet hatte, gab er einen kurzen Überblick über alle diejenigen Kräfte, die der Diversität entgegengesetzt sind und die Elemente der Gleichheit und Identität mächtig fördern. Zusammenfassend schrieb er:

»The combination of all these causes forms so great a mass of influences hostile to individuality, that it is not easy to see how it can stand its ground. I will do so with increasing difficulty, unless the intelligent part of the public can be made to feel its value – to see that it is good there should be differences, even though not for the better, even though, as it may appear to them, some should be for the worse. If the claims of individuality are ever to be asserted, the time is now, while much is still wanting to complete the enforced assimilation. It is only in the earlier stages that any stand can be successfully made against the encroachment.«82

In diesen Sätzen ist es offenbar, wie weit Mill von der utilitaristischen Orthodoxie abgerückt war: zeigte er sich doch bereit, praktische Vorteile den ideellen Werten der Persönlichkeit zu opfern. Doch die egalitäre Zersetzungsarbeit der Demokratie war ihm weniger, wenn überhaupt, bewußt, und hierin trennt ihn eine Welt von Burckhardt oder dessen Freund Johann Jacob Bachofen, dem berühmten Altertumsforscher und Urvater der Kulturkreislehre. Dieser schrieb in seiner Autobiographie:

»Seit dem Siege von Luzern hat sich die Lehre von der Volkssouveränität und der Allgewalt der Demokratie zur praktischen Grundlage unserer öffentlichen Zustände ausgebildet. Ich zweifle nicht, daß sie zu allen, auch zu ihren äußersten Konsequenzen fortschreiten wird, wenn es die Gestaltung der europäischen Zustände erlaubt und nicht große Unglücksfälle das Volk wieder zu den wahren Grundlagen eines gesunden Staatslebens zurückführen. Aber vollendete Demokratie ist der Untergang alles Guten. Republiken haben von ihr am meisten zu fürchten. Ich zittre vor ihrer Ausbildung, nicht um Hab und Gutes willen, sondern weil sie uns in die Barbarei zurückwirft.

…Denn das ist der Fluch der Demokratie, daß sie ihre Verwüstungen in alle Gebiete des Lebens hineinträgt, Kirche, Haus und Familie am schwersten ergreift und für jede, auch die kleinsten Fragen den wahren Standpunkt verrückt. Weil ich die Freiheit liebe, hasse ich die Demokratie.«83

Bachofen gehört mit Burckhardt, Bluntschli, Vinet, Gonzague de Reynold84 – und in gewisser Beziehung auch mit Henri-Frédéric Amiel und Denis de Rougemont85 – zu der Schweizer antidemokratischen Schule, der man vielleicht auch Oskar Bauhofer zuzählen könnte. Diese Schule, die in einer der ehrwürdigsten geschichtlichen Vergangenheiten in Europa wurzelt, legt besonderes Gewicht auf die Person, auf das föderalistische Prinzip und auf die organische Kontinuität der Tradition. Auch ein unbewußt-bewußter Einfluß des Schweizers Carl Ludwig von Haller erscheint hie und da in ihren Ideengängen. Im Gegensatz zu Mill hatte aber Bachofens Gedankengang eine religiöse Basis. Er fürchtete nicht so sehr die spießbürgerliche Gleichmacherei als die Launen der gottlosen Massen, die in blinder irrationaler Wut alle Freiheit vernichten würden.

In Bachofens Hinweis auf seine Gleichgültigkeit gegenüber »Hab und Gut«86 fühlen wir die Andeutung einer Befürchtung, die schon Madison in einem Brief an Jared Sparks zum Ausdruck brachte, in dem er sagt, daß die Gesetze »die Macht haben müssen, das Recht auf Privatbesitz gegen den Geist der Demokratie zu verteidigen«87. Einen ähnlichen Gedanken Madisons finden wir im »Federalist« Nr. 10, wo er behauptet, eine reine Demokratie sei »incompatible with personal security or the rights of property«88. Und wenn auch Madison den Begriff der Demokratie auf ihre direkte Form beschränkte, so bleibt immer noch die Gefahr einer allmählichen »Demokratisierung« der Republik – eine Gefahr, die Senator Vandenberg wohl bekannt war89. Die Enteignung (»Verstaatlichung«, »Nationalisierung«) des Privatbesitzes seitens »fortschrittlicher, junger Demokratien« mit Billigung der Mehrheit, wie auch die Deportation ganzer völkischer Minderheiten (US-Japaner in Amerika, Sudetendeutscher in der Tschechoslowakei etc.) beweisen, daß Madisons Furcht nicht unbegründet war. Nicht umsonst war Friedrich Engels überzeugt, daß die demokratische Republik die ideale Arena für den Klassenkampf wäre, der einst in der Diktatur der besitzlosen Klassen enden würde90. Der Gedanke, daß der Sozialismus (d. h. ein autoritärer Staatskapitalismus) die letzte logische Konsequenz der demokratischen Forderungen sei, ist von den verschiedensten Denkern bejaht worden91. Freilich darf man bei dieser Betrachtung des Sozialismus auch nicht vergessen, daß ein nationaler Etatist wie Hegel sein geistiger Großvater ist; de Tocqueville, der Deutschland im Jahre 1852 besuchte, sah sehr bald die verhängnisvollen Zusammenhänge92.

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