Kitabı oku: «Unter der Sonne geboren - 3. Teil», sayfa 4
Als Johan und Cornelis de Witt aus dem Gefängnistor stürzen, fallen die Bewaffneten über sie her.
In Wirklichkeit ist Johan de Witt kein Verräter. Sein einziger Fehler: Er hat Ludwig zu lange vertraut und es daher versäumt, die Republik auf einen Verteidigungskrieg gegen die Franzosen vorzubereiten. Nun hängt sein geschändeter Leichnam am Galgen.
Wer hinter dem Mordkomplott an den Gebrüdern de Witt steht, bleibt bis heute ungeklärt. Verdächtig ist jedoch, dass Wilhelm III. die Lynchmörder mit Posten in der Verwaltung belohnt.
BALD NACH DER BJLUTORGIE von Den Haag enden Proteste und Aufstände. Denn mittlerweile ist auch der Vormarsch der Franzosen gestoppt. Immer mehr Wiesen, Äcker und Felder lässt Wilhelm fluten - bis die Provinz Holland mit dem Handelszentrum Amsterdam vollständig von Wasser umschlossen ist: eine Insel in der See.
Tausende Quadratkilometer sind zwischen den Mündungsgebieten von Maas und Rhein überschwemmt, und die Wassermassen versperren den Weg Richtung Nordwesten. Auf vielen Äckern steht das Meer einen halben Meter hoch. Vor Amsterdam ist die Sperre 40 Kilometer breit, in manchen Gebieten weiter südlich knapp 1000 Meter.
Ludwigs Soldaten versuchen, die Wassersperre zu Fuß oder auf Pferden zu durchwaten, sinken aber im schlammigen Boden ein. Auch die zahllosen Gräben, die das Land durchziehen, werden zu unsichtbaren Fallen. Und wenn sich die Invasoren auf Deiche retten, greifen die Niederländer an: Sie gleiten in flachen Booten über das seichte Wasser und machen mit Musketen Jagd auf versprengte französische Truppen.
Ruhm kann Ludwig hier nicht mehr erringen. Wird ihm der Krieg deshalb gleichgültig? Jedenfalls überlässt er das Schlachtfeld seinen Offizieren und zieht sich zurück in die Heimat. Zudem entlässt er gegen geringes Lösegeld 20 000 niederländische Kriegsgefangene. Das ist sein zweiter, vielleicht entscheidender Fehler. Denn mit ebendiesen Männern kann Wilhelm seine Armee erweitern und neu strukturieren.
Den Franzosen bleibt einzig die Hoffnung auf einen strengen Winter. Und tatsächlich gefriert die Wasserbarriere gegen Ende des Jahres. Die Eisdecke trägt aber nicht. Die Truppen müssen den Marsch auf Amsterdam abbrechen.
Doch noch gibt Ludwig nicht auf. Im Mai 1673 zieht er mit 75 000 Soldaten gegen Maastricht, die stärkste Festungsstadt der Nieder-lande. Maastricht liegt weit südlich der Wassersperren. Und ist strategisch wichtig: Denn durch das Maastal führt die kürzeste Route von Frankreich in die französisch besetzten Niederlande.
Sebastien de Vauban, der fähigste Militäringenieur jener Zeit, soll die Einkesselung der Stadt organisieren. Im Lauf seiner Karriere wird Vauban insgesamt 120 Festungen errichten und 48 Belagerungen zu einem Sieg führen - Maastricht ist seine bis dahin wohl größte Herausforderung.
Denn in der Stadt sind 6000 Soldaten stationiert. Und gerade dort will Vauban eine neue Belagerungstechnik erproben, die seine Soldaten weitgehend vor feindlichem Feuer schützt: Er lässt ein System konzentrischer, miteinander verbundener Laufgräben anlegen, die die Stadt umschließen.
Am 8. Juni 1673 beginnen 7000 zwangsweise rekrutierte Bauern und Landarbeiter, den ersten Ring um die Stadt zu ziehen. Als neun Tage später der letzte Ring geschlossen ist und fast 60 Kanonen in Stellung gebracht sind, beginnen die Franzosen mit dem Beschuss: 30 Stunden lang feuern sie ununterbrochen auf die Festungsmauern.
Siegessicher lässt Ludwig einen Hofmaler anreisen, „denn ich glaube“, schreibt der König nach Paris, „es wird ein schönes Schauspiel geben“. Während die Maler in Ludwigs Diensten bunte Ölgemälde schaffen, auf denen das Schlachtgeschehen höchstens im Hintergrund erkennbar ist, zeigen republikanische Künstler die ganze Brutalität dieses Krieges: Auf Kupferstichen halten sie die Gräueltaten der Franzosen fest.
Als Vauban erfährt, dass Wilhelm III. seine Truppen für den Marsch auf Maastricht sammelt, lässt er Sprengsätze an den Mauern anbringen. Doch bevor sie gezündet werden, kapituliert der Festungskommandant am 30. Juni - nicht einmal zwei Wochen nach dem ersten Schuss auf Maastricht. Ein Triumph für den Sonnenkönig und seinen Ingenieur.
Der spanische König wie auch Leopold von Österreich, der deutsche Kaiser, verfolgen seinen Angriffskrieg mit wachsender Sorge: Das politische Gleichgewicht in Europa ist in Gefahr.
Im August 1673 schließen die beiden Herrscher aus dem Geschlecht der Habsburger eine Allianz und bald darauf einen Bündnisvertrag auch mit der Niederländischen Republik.
Als kurz danach eine Armee des Habsburger-Kaisers in Richtung Niederlande vorstößt, befiehlt Ludwig seinen Generälen, sie noch auf dem Gebiet des Kaiserreichs zu stoppen.
Aus dem niederländischen ist nun endgültig ein europäischer Krieg geworden.
Unterdessen setzt Wilhelm III. die französischen Besatzer in den Niederlanden unter Druck, erobert unter anderem im September 1673 die 25 Kilometer östlich von Amsterdam gelegene Festung Naarden zurück.
Ludwig hatte an einen leichten Sieg über die Republik geglaubt, doch der Krieg wird nun immer mühsamer vor allem im Februar 1674, als Englands König Karl II. (dessen Flotte die Niederländer zuvor in zahlreiche Seeschlachten verwickelt hat) angesichts der mächtigen antifranzösischen Allianz einen Separatfrieden mit Wilhelm schließt.
Derart isoliert, befiehlt Ludwig den Rückzug seiner Truppen aus der Republik - aber nur, um jetzt erneut nach den Spanischen Niederlanden zu greifen.
Dort zieht sich der Krieg weitere vier Jahre quälend in die Länge. Zwar erobern Ludwigs Truppen unter anderem die Städte Gent, Ypern und Cambrai.
Doch ruhmreiche Schlachten und große Gebietsgewinne bleiben aus. Siegen kann der Sonnenkönig gegen die wachsende Allianz um die beiden Habsburger Herrscher nun nicht mehr. Zudem ist Ludwig (dessen Rüstungsausgaben Frankreich ruinieren) wohl längst auch kriegsmüde und sehnt sich nach seinem neuen Schloss in Versailles: „Melden Sie mir den Stand der Orangenbäume“, befiehlt er aus dem Feldlager.
Der große Triumph erscheint unmöglich. Wie aber kann er den von ihm ausgelösten Krieg nun ehrenvoll beenden?
Da zwingt ihn Karl II., sein früherer Verbündeter, im Februar 1678 an den Verhandlungstisch: England werde in den Spanischen Niederlanden die Habsburger-Allianz mit 40 000 Mann unterstützen, falls Ludwig jetzt nicht endlich Frieden schließe.
Gegen diese Übermacht, das weiß der Franzose, kann er nicht bestehen.
Bis ins folgende Jahr handeln seine Diplomaten in Nimwegen eine Reihe von Friedensverträgen aus. Den ersten unterzeichnet am 10. August 1678 die Republik der Vereinigten Niederlande - auf Drängen der Kaufmannschaft (deren Profite während des langen Krieges zurückgegangen sind) und gegen den ausdrücklichen Willen Wilhelms III. (der auf größere Kriegsbeute gehofft hat).
DER KRIEG, den Ludwig aus persönlicher Eitelkeit begann und in einem einzigen tollkühnen Feldzug gewinnen wollte, hat rund sechs harte Jahre gedauert. Insgesamt sterben in diesem Krieg nahezu 350 000 Soldaten und zahllose Zivilisten. Verhungern, werden verbrannt, erschlagen, erschossen.
Der Kampf geht mit einem Kompromiss zu Ende: Zwar behält Ludwig, dessen Armee mit 280 000 Mann noch immer die mächtigste Europas ist, unter anderem einige Städte in den Spanischen Niederlanden. Doch die Niederländische Republik, die der Sonnen-könig ja vernichten wollte, bleibt in ihren Grenzen unangetastet. Die Diplomaten aus Den Haag erreichen bei den Friedensverhandlungen sogar, dass Frankreich seine Kampfzölle auf niederländische Handelswaren wieder zurücknimmt.
Ludwig XIV. scheint mit diesem eher dürftigen Ausgang dennoch zufrieden, hat er doch gegen eine Koalition der europäischen Großmächte bestanden.
Auf Gobelins und Goldmünzen lässt er sich als strahlender Kriegsheld verewigen und seine vermeintlich glorreichen Schlachten im Holländischen Krieg als Ballett aufführen. Von nun an wird er sich „Louis le Grand“ nennen lassen: „Ludwig der Große“.
„Kaum hast Du gesprochen, folgt schon Frieden, wodurch das gesamte Universum von Deiner Allmacht überzeugt wird!“, huldigen die Hofdichter Ludwig in Versailles. Seine „Mäßigung und Güte“ hätten Europa „Ruhe geschenkt“, schmeicheln die Poeten ihrem Herrn.
Eine kurze Ruhe: Denn schon drei Jahre nach dem Frieden mit den Niederlanden werden Ludwigs Truppen Straßburg überfallen, kurz darauf Luxemburg - dann die Pfalz. Und um den Besitz dieses deutschen Kurfürstentums wird 1688 der nächste große Krieg ausbrechen.
Kolonialkrieg
Schon seit seiner Hochzeit träumt der Sonnenkönig von der Vereinigung Frankreichs mit dem südwestlichen Nachbarn, der ein gewaltiges Kolonialreich in Lateinamerika besitzt. Als der spanische Monarch 1700 kinderlos stirbt provoziert Ludwig die Bildung einer Kriegskoalition gegen sich.
Ein neues Jahrhundert dämmert heran - und verspricht Ludwig XIV., dem ruhmsüchtigen Monarchen, die größte gloire seines langen Lebens. 62 Jahre alt ist der König im Herbst 1700, seit 57 Jahren sitzt er auf dem Thron. Kein Herrscher Europas kann sich mit ihm an Erfahrung messen, an Glanz, Reichtum, militärischer Macht.
Doch all das reicht Ludwig nicht.
Und so lässt sich der alternde König in jenem Herbst auf ein gewagtes politisches Spiel ein. Ein Spiel, das Europas Grenzen sprengt, mächtige Armeen und gewaltige Flotten in Bewegung setzt und mehr als einer Million Soldaten das Leben kostet. Und das schließlich Frankreich und seinen Monarchen an den Rand des Abgrunds drängen wird.
Ludwig träumt von der Vereinigung Frankreichs mit Spanien und dessen Kolonien in Amerika. Ein Imperium will er für seine Dynastie sichern: ein Reich vom Elsass bis nach Gibraltar, von der Hudson Bay bis zum Rio de la Plata. Ein Reich mit den Metropolen Paris und Madrid und dem Silber Lateinamerikas unter dem Zepter der Bourbonen.
Denn am 1. November 1700 stirbt in Madrid Karl II., der letzte spanische König aus der Habsburgerdynastie, ohne einen Nachfahren. Sofort erhebt Ludwig XIV. für seine Familie Anspruch auf die Krone des Nachbarlandes.
Denn der Bourbonenmonarch hat 40 Jahre zuvor eine Schwester Karls II. geheiratet, die 1683 verstorbene Maria Theresia, und mit ihr einen Sohn gezeugt. Zwar verzichtete Maria Theresia auf ihren Thronanspruch in einem Vertrag, der zwischen beiden Königshäusern geschlossen wurde. Doch daran war eine Mitgift von 500 000 Goldmünzen gebunden - die nie gezahlt wurde.
Ludwig erklärt die Bestimmung daher für ungültig - und sieht in seinem 17-jährigen Enkel Philipp, dem Sohn seines Kindes mit Maria Theresia, den legitimen Erben der spanischen Krone.
Doch noch ein weiterer Monarch macht Rechte auf das spanische Imperium geltend: Leopold I. in Wien, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Ludwigs Erzfeind. Der Herrscher aus der österreichischen Linie der Habsburger war einst mit einer Schwester Karls II. vermählt (ist zudem selbst ein Enkel eines früheren spanischen Königs) und sieht seinen Sohn als einzig statthaften Nachfolger Karls II.
Seit Jahren wussten alle Regierungen in Europa, dass Karl II. kinderlos bleiben würde - und die ungelöste Frage der spanischen Erbfolge zum Krieg auf dem Kontinent führen könnte.
Denn der Streitfall droht das in Verträgen mühsam ausgehandelte Gleichgewicht der Kräfte zu zerstören: Verleibt sich Ludwig Spanien ein, wird Frankreich zur Supermacht - unerträglich aus Sicht des Kaisers in Wien, aber auch der Republik Niederlande und Englands.
Fällt Madrid dagegen zusammen mit den Spanischen Niederlanden an die Österreicher, wird sich Frankreich noch mehr als bisher im Norden, Osten und Süden von Herrschern bedrängt fühlen, die allesamt aus dem Hause Habsburg stammen. In beiden Fällen scheint ein Krieg fast unvermeidlich.
Kurz vor seinem Tod hatte Karl II. testamentarisch eine Regelung verfügt, die den Konflikt noch abwenden sollte. Zwar möge ihm Ludwigs Enkel auf den Thron folgen. Doch der Monarch machte eine gewichtige Einschränkung: Spaniens Territorium solle nicht mit dem Frankreichs vereinigt und beide Länder niemals vom selben König regiert werden.
Ignoriere Frankreich diese Bestimmung, falle das spanische Erbe an die Gegenpartei den Sohn Kaiser Leopolds I.
Am 9. November 1700 werden in Schloss Fontainebleau, wo sich Ludwig zur Jagd aufhält, die Nachricht vom Tod Karls II. sowie der Inhalt seines Testamentes bekannt. Sofort sagt der König die geplante Hatz ab und ruft für den Nachmittag seine Minister zur Beratung zusammen. Er bittet die Anwesenden um ihre Meinung. Der Außenminister warnt davor, das spanische Testament anzunehmen, der Kanzler rät zu. Ludwig selbst äußert sich nicht.
Doch sein Entschluss steht wohl schon fest. Er sieht eine Gelegenheit gekommen, auf die er schon seit Jahrzehnten wartet: Endlich kann er Frankreich durch die Übernahme Spaniens aus der Umklammerung durch habsburgische Monarchen befreien - und zur dominierenden Macht machen.
Frankreichs Handelsschiffe könnten dann die Häfen des spanischen Kolonialimperiums anlaufen, es hätte Zugriff auf die Silberminen in Peru und Mexiko.
Ludwig erscheinen die Ereignisse als göttliche Fügung. Mag sich der Kaiser ruhig mit England und der Niederländischen Republik verbünden: Der sich allmächtig fühlende Sonnenkönig ist bereit, gegen sie in den Krieg zu ziehen.
Er beendet die Sitzung, ohne eine Entscheidung zu verkünden. Doch eine Woche später macht er vor allen Höflingen seine Absichten deutlich: Beim morgendlichen Lever weist er auf seinen Enkel: „Meine Herren, das ist der König von Spanien! Die Geburt verpflichtet ihn zu dieser Krone, ebenso der verstorbene König durch sein Testament. So wollte es das Gesetz des Himmels.“
An den 17jährigen gewendet, fügt er hinzu: „Seien Sie ein guter Spanier, das ist jetzt Ihre wichtigste Pflicht; aber erinnern Sie sich stets, dass Sie als Franzose geboren sind, um die Einheit der beiden Nationen aufrechtzuerhalten.“
Die Formulierung ist bewusst gewählt - und jeder im Raum weiß, was sie bedeutet. Mit der Rede von der „Einheit der beiden Nationen“ setzt sich Ludwig über jene Testamentsklausel hinweg, nach der Frankreich und Spanien getrennt voneinander zu regieren sind.
Eine Provokation - der Ludwig rasch Taten folgen lässt: Anfang Dezember 1700 schickt er seinen Enkel nach Madrid, wo dieser als Philipp V. den spanischen Thron besteigt (wie es das Testament Karls II. ja auch vorgesehen hat). In Spanien wird der junge Monarch freundlich empfangen - garantiert seine Inthronisierung doch, dass das Imperium nicht zerrissen und zwischen Europas Großmächten aufgeteilt wird.
Doch Ludwig besetzt schon kurz darauf von Versailles aus hohe Posten der spanischen Regierung mit Franzosen, entsendet Truppen nach Italien zum Schutz Mailands (das zum spanischen Imperium gehört), okkupiert die Häfen der Spanischen Niederlande und schickt Fregatten nach Florida und zu anderen spanischen Kolonien in Amerika.
Am 1. Februar 1701 lässt er das Pariser Parlement zudem ein Edikt registrieren, wonach sein Enkel mit der Übernahme der spanischen Krone keineswegs seinen Erbanspruch auf Frankreichs Thron preisgibt. Eine spätere Vereinigung beider Länder unter einem Monarchen ist damit möglich. Das bedeutet Krieg.
Kaiser Leopold I. schließt am 7. September 1701 eine Allianz mit England und den Niederlanden. Ludwig fordert dieses neue Bündnis sofort heraus: Als neun Tage später Jakob II. (der 1688 von den Parlamentariern von seinem Thron verjagte katholische Monarch Englands) im französischen Exil stirbt, ruft der Sonnenkönig Ja-kobs Sohn, der ebenfalls in Frankreich lebt, zum neuen englischen König aus.
Doch auf dem Thron in London sitzt bereits seit Jahren Wilhelm III. von Oranien, den die neu gewählten Parlamentarier nach der Flucht Jakobs II. zum Souverän erklärt hatten. Der Calvinist ist zugleich Statthalter der Republik Niederlande und seit dem Holländischen Krieg Ludwigs gefährlichster Gegner.
Am 15. Mai 1702 erklären die Verbündeten Frankreich den Krieg. Die europäischen Mächte beginnen damit einen Konflikt, wie ihn das Zeitalter noch nicht kannte. Denn die Fronten verlaufen zu Wasser und zu Lande - und auf vier Kontinenten. Es geht nicht nur um die Vormacht in Europa, sondern auch um Kolonialreiche, Handelswege, Seehäfen und Bodenschätze in Übersee.
Die Kämpfe beginnen noch vor der Kriegserklärung in Norditalien, wo im Sommer 1701 französische und kaiserliche Armeen aufeinandertreffen (und die Franzosen Gebiete verlieren). Im Jahr darauf kommt es auf mehreren Schauplätzen zugleich zu Gefechten: In Norditalien greifen die Franzosen erneut an und können Territorien zurückgewinnen. In Flandern errichten Ludwigs Truppen eine Verteidigungslinie aus Gräben, Wällen und Flussläufen und sichern sie mit Kanonen und Soldaten. Und am Rhein dringt Frankreichs Heer auf deutsches Reichsgebiet vor, besiegt im Oktober 1702 im Schwarzwald eine Armee Leopolds I. und zieht im Verlauf des Jahres 1703 weiter nach Osten.
1704 beginnen Ludwigs Soldaten sogar gegen Wien zu marschieren. Doch nun treffen seine Generäle auf einen genialen Heerführer: John Churchill, den Herzog von Marlborough. Ihm gelingt es im Sommer, mit einem Teil des britischen Korps nach Süden zu marschieren und seine Streitmacht mit den kaiserlichen Truppen zu vereinigen.
Am 13. August 1704 nehmen die feindlichen Heere nördlich von Augsburg Aufstellung zur Schlacht. Jede Partei verfügt über etwa 55 000 Soldaten; die miteinander verbündeten Franzosen und Bayern haben mehr Kanonen, aber weniger Kavalleristen als der Gegner.
Marlborough siegt dank seiner beweglichen und überraschenden Truppenführung: Er beginnt mit Angriffen auf die Flügel der Feinde und lenkt sie so vom Zentrum ab. Gedeckt durch Artillerie-feuer, kann er die in der Mitte geschwächte Schlachtlinie der Franzosen dann mit seinen Reitern durchbrechen. Jeder Vierte der französischen und bayerischen Soldaten stirbt oder wird verwundet (die Allianz verliert 12 000 Kämpfer). 14 000 Franzosen und Bayern geraten in Gefangenschaft.
Erstmals seit mehr als 50 Jahren haben Frankreichs Heerführer eine große Feldschlacht verloren - und damit auch ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit.
Als Ludwig davon erfährt, gibt er sich erstaunlich gefasst. Doch innerlich muss ihn diese Wendung erschüttern - zumal ein niederländisch-englisches Geschwader wenige Wochen zuvor Gibraltar an der Südspitze Spaniens erobert hat. Die Alliierten kontrollieren da-mit das Mittelmeer und den Zugang zum Atlantik.
Der Krieg droht sich zu einem Desaster für Ludwig zu entwickeln. Er verliert die Initiative auf fast allen Kampffeldern. Zudem lodern in Frankreich Aufstände gegen seine intolerante Religionspolitik: Protestanten, denen es seit 1685 verboten ist, ihren Glauben auszuüben, erheben sich gegen die Regierung. Um die Revolten nieder-zuschlagen, muss Ludwig Zehntausende Soldaten von den Schlachtfeldern abziehen. An allen Fronten des Krieges sind seine Truppen jetzt in der Defensive: In Süddeutschland ziehen sich die Reste seiner bei Augsburg geschlagenen Armee auf die Westseite des Rheins zurück. Im November 1704 scheidet Bayern aus dem Krieg aus (zuvor haben sich bereits Portugal und Savoyen abgesetzt). 1705 landet Karl III., Habsburgs Anwärter auf den spanischen Thron, mit Truppen in Katalonien und nimmt seinem Kon-trahenten Philipp V. die spanische Mittelmeerküste ab. Und in Flandern sprengt Marlborough den Verteidigungsgürtel französischer Festungen; etliche Städte fallen in seine Hand.
In den folgenden drei Jahren wechselt das Kriegsglück immer wieder, doch 1708 gelingt es den Alliierten, Lille einzuschließen, eine der größten Bastionen in dem Festungssystem, das Paris vor Angreifern aus dem Norden schützen soll. 76 Tage lang belagern sie die Stadt. Am 22. Oktober 1708 kapitulieren die ausgehungerten Verteidiger Lilles.
Der Sonnenkönig steht am Abgrund. Frankreich war a| nur auf einen Krieg von zwei oder drei Jahren vorbereitet - inzwischen dauern die Kämpfe schon sechs Jahre an, und Ludwig kann seine Soldaten nicht mehr bezahlen.
Bereits vor Kriegsbeginn lastete auf dem Etat ein jährliches Defizit von fast 73 Millionen Livres - vor allem, weil die Ausgaben für das Militär stark angestiegen waren. Ludwigs Generalkontrolleur der Finanzen erhöhte daraufhin die direkten Steuern um 15 Prozent. Er führte eine Kopfsteuer ein, verlangte unter anderem eine Abgabe auf Spielkarten, hob den Salzpreis an, schaffte Ämter und Titel ab, um sie neu einzuführen und zu verkaufen.
Die Krone gerät mehr und mehr in die Abhängigkeit von Geldverleihern. Selbst in Feindesland bittet Ludwig um Geld, schickt seinen Außenminister in die Niederlande, um bei Bankhäusern neue Kredite aufzutreiben - vergebens.
Der Sonnenkönig lässt sich sogar dazu herab, seinen wichtigsten Geldgeber, den Bankier Samuel Bernard, im Schloss Marly zu empfangen - einen bürgerlichen, noch dazu ehemals protestantischen (inzwischen aber zum Katholizismus übergetretenen) Finanzmann.
Der Monarch umschmeichelt seinen Gast mit Freundlichkeiten, führt ihn selbst durch die Parkanlagen. Bernard, von so viel Aufmerksamkeit beeindruckt, gewährt einen weiteren Kredit von 900 000 Livres. Kurz darauf ist er pleite. Frankreich droht unter der Last der Schulden zu kollabieren. 1708 steht das Land vor dem Staatsbankrott, zumal auch die Steuereinnahmen deutlich gesunken sind.
Nur Silberlieferungen aus der spanischen Kolonie Peru retten das Land vor dem Konkurs.
Noch dazu ist der Winter 1708/1709 der strengste seit Menschengedenken. In Versailles gefriert der Tischwein, Likörflaschen explodieren in den Regalen; in Paris vereist die Seine.
Auf den Feldern geht das Saatgut ein; Obstbäume, Olivenhaine und Weinstöcke verkommen. Weil die Bauern ihr Getreide zurückhalten, steigen die Brotpreise. Zehntausende sterben allein im Januar 1709 an Hunger und Kälte.
Deshalb ist Ludwig nun zum Frieden bereit - und zu großen Zugeständnissen. In den Niederlanden beginnen erste Verhandlungen. Zentrale Forderung der Alliierten: Philipp V. soll auf den spanischen Thron verzichten. Weigert er sich, soll Ludwig ihm den Krieg erklären und an der Seite der Allianz gegen den eigenen Enkel in den Kampf ziehen.
An dieser demütigenden Bedingung scheitern die Unterhandlungen. Empört verfasst Ludwig am 12. Juni 1709 eine Entgegnung und lässt sie im ganzen Land veröffentlichen: „Obwohl meine Liebe für mein Volk nicht geringer ist als die Liebe für meine eigenen Kinder“, erklärt er, „obwohl ich alle Leiden teile, die der Krieg über die so getreuen Untertanen bringt, obwohl ich ganz Europa bewiesen habe, dass ich den Frieden für alle aufrichtig wünsche, habe ich mich davon überzeugt, dass die Franzosen selbst sich Bedingungen widersetzen, die zugleich gegen die Gerechtigkeit und gegen die Ehre des französischen Namens gerichtet sind.
Die Deklaration löst eine Welle patriotischer Begeisterung aus. Waren zuvor an den Hauswänden in Paris Plakate gegen Ludwig XIV. zu sehen, wurden seine Standbilder nachts besudelt und Spottverse gegen ihn gedichtet, so gehen nun bei der staatlichen Münze Schmuck, Silberteller und Suppenschüsseln als Spenden ein. Ludwig schickt sein goldenes Tafelgeschirr zum Einschmelzen.
Neue Steuereinnahmen mindern ebenfalls das Defizit. So erhebt der Staat einen zusätzlichen Zehnten auf alle Einkünfte von Bürgerlichen und Adeligen; dadurch fließen pro Jahr etwa 25 Millionen Livres in die Staatskasse. Nur der Klerus ist davon ausgenommen, zahlt aber nun eine erhöhte jährliche Abgabe.
DIE ALLIIERTEN siegen derweil weiter, wenngleich unter hohen Verlusten - allein 1709 in der Schlacht bei Malplaquet, etwa 70 Kilometer südöstlich von Lille, verlieren sie rund 20 000 Soldaten.
Doch auch das bringt keine Entscheidung. Ein Konflikt solcher Größenordnung zwischen ebenbürtigen Gegnern wird nicht durch einzelne Schlachten, Belagerungen und Eroberungen gewonnen: Kriege sind zu dieser Zeit Abnutzungskriege. Strategisches Ziel ist es, länger als der Feind eine möglichst große Armee unter Waffen zu halten - bis Friedensverhandlungen beginnen.
Denn im Wettstreit der Diplomaten sind die Heere die Trümpfe, die es auszuspielen gilt. Und Frankreich mit seinen rund 19 Millionen Einwohnern und seiner hoch entwickelten Wirtschaft sowie den Reichtümern aus den spanischen Kolonien ist noch immer eine Großmacht, die zwar in einzelnen Schlachten geschlagen, aber eben nicht vollkommen besiegt werden kann.
Und so verschanzen sich die Armeen beider Seiten in Flandern, am Rhein und in Norditalien und vermeiden größere Gefechte und damit Verluste. Doch in Spanien flammen die kriegerischen Auseinandersetzungen wieder auf.
Die Hauptlast tragen wie immer die Bewohner der umkämpften Regionen. Denn der Krieg im Barockzeitalter soll sich selbst ernähren. Bei einer Armee von 25 000 Mann, wie sie die Alliierten 1710 in Madrid aufbieten, bedeutet das: Jeden Tag benötigt das Heer etwa 20 Tonnen Brot, fast 75 000 Liter Bier sowie für die Pferde und Ochsen rund 40 Tonnen Futter (das entspricht dem Ertrag von 60 Hektar Land).
Die Soldaten nehmen sich, was sie brauchen, zahlen von ihnen selbst festgelegte Preise oder rauben kurzerhand die Menschen aus, in deren Häuser sie einquartiert sind. Um die Truppen versorgen zu können, schlagen die Heerführer meist in besonders wohlhabenden Gegenden ihre Lager auf.
Verzweifelt versuchen die Menschen, den Soldaten zu entgehen, suchen etwa in Kirchen Schutz - oft geht den Armeen eine regelrechte Fluchtwelle voraus.
Und fallen den Bauern und Dorfbewohnern versprengte Kämpfer oder einzelne Deserteure in die Hände, vergelten sie brutal ihr Leid.
Im Winter 1710 gelingt es den Franzosen auf der Iberischen Halbinsel, die Alliierten in die Region um Barcelona zurückzudrängen.
Auch außenpolitisch hat Ludwig nun Glück: Als im April 1711 Kaiser Joseph I. stirbt (der 1705 auf seinen Vater Leopold I. gefolgt war), wird dessen Bruder Karl Herrscher über das römisch-deutsche Kaiserreich; da er als Karl III. aber zugleich der habsburgische Anwärter auf den spanischen Thron ist, fürchtet die englische Re-gierung nun, der Österreicher könne das Reich und Spanien unter seiner Herrschaft vereinigen und damit zu mächtig werden.
Die Allianz gegen Frankreich bricht auseinander, und in Flandern erringen Ludwigs Truppen im Sommer 1712 mehrere Siege. Im April 1713 schließen daher erst England und die Niederlande Frieden mit Frankreich; 1714 beendet auch der Kaiser den Krieg gegen Ludwig.
Der Franzose hat eine komplette Niederlage abwenden können, es bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als große Konzessionen zu machen: So muss er zustimmen, dass aus dem Besitz des spanischen Imperiums die Gebiete in den Niederlanden sowie Mailand, Mantua, Neapel und Sardinien an den Kaiser übergehen.
Zudem verliert Ludwig etliche nordamerikanische Besitzungen und die Antillen-Insel Saint-Christophe an Eng-land. Darüber hinaus muss Frankreich seinen Markt für fast sämtliche englischen Handelswaren öffnen.
Im Gegenzug darf Ludwig das Elsass behalten. Und Philipp V. bleibt spanischer König. Aber die Friedensverträge legen ausdrücklich fest, dass Spanien und Frankreich niemals vereinigt und von einem Herrscher regiert werden dürfen.
Ludwigs großer Traum ist damit gescheitert. Und der von ihm provozierte Krieg hat das Land ruiniert.
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