Kitabı oku: «Quentin Durward», sayfa 4

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Fünftes Kapitel.

Der Ritter, der auf Quentin Durward in dem Zimmer wartete, wo derselbe gefrühstückt hatte, gehörte jenem berühmten Bogenschützenkorps der schottischen Leibgarde an, die von Karl VI., Ludwigs Vorgänger, errichtet worden war. In dessen Händen, lag, wie man dreist sagen konnte, das Schicksal Frankreichs. Ihm war die Leibwache des Königs anvertraut. Dieser Schritt einer ausländischen Wache lang in dem Umstand begründet, dass der eigene Adel in der Gesinnung schwankend und unsicher war. Die Oberherrschaft des Königs anerkennend, war dieser aber auch bereit, einem neuen König zu dienen, sollte dieser besser auf die Wünsche des Adels eingehen. Diesem wankelmütigen Adel den eigenen Schutz anzuvertrauen, wäre unpolitisch und höchst gefährlich. Dagegen war das schottische Volk gewissermaßen der Erbfeind Englands und demzufolge Frankreichs alter und, wenigstens dem Anschein nach, auch natürlicher Bundesgenosse. Die Schotten waren ein armes, aber mutiges und treues Volk, und weil kein anderes Volk in Europa so reich an kühnen und tapferen Abenteurern war, ließ sich damit rechnen, dass sich solche Garde immer aus seinen Söhnen neu rekrutieren ließ. Da ferner der schottische Adel sehr alt war und fast durchgängig bis zum Alter der Kreuzzüge, wenn nicht noch höher, hinaufreichte, stand ihm ein besonderes Anrecht zu, näher an die Person des Monarchen herangezogen zu werden, als jeder andere Adel, den französischen nicht ausgeschlossen. Zudem waren sie nicht zahlreich genug, sich gegen den König aufzulehnen.

Jeder Bogenschütze hingegen stand an Rang und Ehre den Edelleuten des Landes gleich, und ihre ständige Berührung mit dem Landesherrscher verlieh ihnen in jedermanns Augen eine gewisse Anerkennung. Die prächtige Uniformen, die sie trugen, die vortreffliche Bewaffnung, sowie das Recht, sich einen Knappen, einen Diener, einen Pagen und einen oder auch ein paar Trabanten zu halten wirkten auf den nomalen Bürger und auch dem niedrigen Adel als privilegiert. Kein Wunder, dass solcher Bogenschütze als eine Respektsperson galt, und weil die im Korps frei werdenden Stellen nie anders aufgefüllt wurden, als aus den Reihen der Pagen oder Knappen, so geschah es nicht selten, dass vornehme schottische Geschlechter ihre jüngeren Söhne zu einem befreundeten oder verwandten Angehörigen dieses Korps sandten. In dessen Diensten blieb er so lange, bis er in das Korps eintreten könne.

Quentin Durwards Onkel, Ludwig Lesley, oder wie er nach der ihn kennzeichnenden Narbe genannt wurde, Balafré, war annähernd sechs Fuß hoch und von muskulöser, untersetzter Gestalt. Seine an sich rauen Gesichtszüge wurden durch eine große breite Narbe, die von der Stirn zum rechten Auge hinunter und an diesem entlang, über den von ihr bloßgelegten Wangenknochen bis zum Ohrläppchen hinlief, bald scharlach-, bald purpurrot, bald blau aussehend, ja nicht selten sich dem Schwarz nähernd, noch erheblich verdüstert. Diesen Eindruck konnte auch die kostbare Rüstung nicht mildern, die er trug. Sie bestand aus Halskragen, Armstücken und Handschuhen aus feinstem Stahl. Sie waren kunstvoll mit Silber ausgelegt, und prunkten edel im Wettstreit mit einem funkelnden Panzerhemd. Über diesem trug er ein weites Oberkleid aus blauem Samt, das, an den Seiten wie ein Heroldsgewand offen, nach vorn und hinten zu durch ein großes, weißes, in Silber gesticktes Kreuz geteilt wurde. Knie und Schenkel waren durch eiserne Beinschienen geschützt, die sich in Stahlschuhen fortsetzten. An der rechten Seite seines Panzerhemds hing ein starker, breiter „Gottesgnadendolch“ genannter Dolch, über der Schulter das Wehrgehänge seines zweihändigen Schwertes. Die schottische Nationalmütze reich bestickt, mit einem Federbusch geziert wurde zusätzlich mit einem Bild der Jungfrau Maria aus gediegenem Silber versehen.

Quentin Durward, von Jugend auf nach schottischem Brauch an die Führung der Waffen gewöhnt, stand trotzdem unter dem Eindruck, einen Soldaten mit solch mustergültiger Ausrüstung und Bewaffnung noch nie gesehen zu haben. Erst als ihn der bärbeißige Mann nach Neuigkeiten aus Schottland fragte, verschwand bei ihm die unangenehme Empfindung, die dieser erste Eindruck bei ihm geweckt hatte.

„Viel Gutes, Herr Onkel, wüsste ich da leider nicht zu melden“, erwiderte Quentin Durward auf diese Frage; „aber gefreut hat's mich, von Euch so schnell erkannt worden zu sein.“

„Junge, ich hätte Dich auf der Stelle zwischen den Heiden von Bordeaux erkannt“, erwiderte der Krieger mit der Narbe, „wenn ich Dich dort als Storch auf Stelzen hätte laufen sehen. Aber setz Dich doch! Hast Du was Trauriges zu berichten, so steht Wein hier, der wird's uns tragen helfen. Heda, Alter! Noch einen Humpen vom besten!“

Im Nu stand eine Flasche der besten Champagner-Marke vor ihnen, denn in den Schenken von Plessis kannte man die Bogenschützen zu gut, um sie auch nur eine Sekunde warten zu lassen. Quentin nippte jedoch, weil er heut Morgen schon einmal Wein getrunken hatte, an dem Humpen, während der Onkel einen derben Zug daraus tat ... „Säß Deine Schwester an Deiner statt hier, dann möcht ich solche Entschuldigung gelten lassen“, erwiderte Balafré, „so aber rate ich Dir, vor einem Weinkruge Dich nicht so zimperlich zu benehmen, denn ich denke doch, Du willst auch mal einen Bart bekommen und ein tapferer Soldat werden. Also trink! Und dann los mit den Neuigkeiten, die Du von unserem Glenhulakin weißt. Was macht meine Schwester?“

„Die ist gestorben, lieber Ohm!“

„Was? Gestorben?“, wiederholte Balafré, mehr im Tone der Verwunderung als des Mitgefühls, „wie kann das sein? Sie war doch fünf Jahre jünger als ich, und wohler als sie hab ich mich doch mein Lebtag nicht befunden ... Soso! Gestorben also ist sie? Hat sich Dein Vater wieder verheiratet?“

Ehe aber der Jüngling noch eine Antwort auf diese weitere Frage gefunden hatte, fiel ihm der Onkel schon mit der Frage dazwischen: „Was? Nicht wieder verheiratet? Ich lese Dir die Antwort ja in den Augen, Junge! Ich hätte Gott weiß was wetten mögen, dass Allan Durward nicht ohne Frau werde leben können ... Ordnung in seinem Haus ging ihm doch über alles, und ein hübsches Weib hatte er immer gern vor Augen. Wie kann er das haben, ohne verheiratet zu sein? Ich mach mir dagegen aus all den Bequemlichkeiten nicht sonderlich viel, sehe wohl auch ganz gern mal ein Frauenzimmer, aber deshalb gleich ans Sakrament der Ehe zu denken, ist nicht mein Fall. Dazu fehlt es mir an der nötigen Heiligkeit.“

„Aber, lieber Onkel, die Mutter war ja schon ein ganzes Jahr Witwe, denn die Ogilvies waren in Glenhulakin eingefallen, und dabei ist der Vater mit den beiden Onkels und meinen beiden älteren Brüdern, auch noch sechs von unsern Leuten, dem Harfner und dem Arbeitsvogt, umgekommen. Bei uns in Glenhulakin raucht kein Herd mehr, und kein Stein steht mehr auf dem andern.“

„Beim Kreuze des heiligen Andreas!“, rief Balafré, „das muss ja bös hergegangen sein! So eine Niederlage ist noch nicht dagewesen. Freilich, die Ogilvies waren immer schlimme Nachbarn. Wann ist denn die unglückliche Affäre passiert?“ Als ihm der Neffe sagte, es sei am Sankt-Judasfeste gewesen, nahm Balafré einen tüchtigen Schluck und schüttelte dann mit großem Ernste das Haupt ... „Da siehst Du's, Neffe“, sagte er, „es ist nun mal im Krieg alles Zufall. Bald hat's an dem, bald an jenem gelegen. Ich bin am selben Tage mit zwanzig Berittenen gegen Schloss Rochenoir ausgezogen und hab's im Sturm genommen, und hatte es mit einem gar schlimmen Gegner zu tun, mit Amaury, dem Eisenarm, von dem Du doch sicher schon gehört hast. Den hab ich vorm Portal niedergehauen und hab in dem Schloss so viel Gold erbeutet, dass ich mir die güldene Kette hab schmieden lassen, die noch zweimal so lang war, wie jetzt ... da fällt mir übrigens ein, dass ich einen Teil davon auf ein frommes Gelübde verwenden muss. He, Andreas! Andreas!“

Sein Trabant dieses Namens trat in die Stube, fast genau wie der Bogenschütze selbst gekleidet, bloß die Beinschienen fehlten ihm, und die Rüstung war weit gröber gearbeitet, auf der Mütze fehlte der Federstutz und sein Oberkleid war weniger weit, und statt aus Samt nur aus Baumwolle und grobem Tuch. Balafré nahm die Goldkette vom Hals, biss mit seinen unverwüstlichen Zähnen etwa zwei Zoll davon ab und gab das Stückchen dem Trabanten. „Da, Andreas! Trag das zu Pater Bonifaz, nach Sankt-Martins hinüber, bestell ihm einen Gruß und sag ihm, ich trüg ihm nicht weiter mehr nach, dass er nach unserer letzten Kneiperei ohne Adieu sich von mir gedrückt hätte. Dann sag ihm auch, mein Bruder und meine Schwester und die ganze Glenhulakiner Sippe seien tot, und er solle so gut sein, für ihre Seele ein paar Messen zu lesen. Was ich ihm durch Dich von meiner goldenen Kette schickte, würde schon als Kirchenlohn für das bisschen Messelesen ausreichen. Sag ihm auch, meine Sippe in Glenhulakin hätte immer einen gottesfürchtigen Wandel geführt, und wenn er daraufhin vielleicht meinte, sie könnten schon ohne Messe aus dem Fegefeuer heraus sein, so soll er das Geld auf einen Fluch gegen das hundsföttische Gesindel dieser Ogilvies verwenden ... auf welchem Wege, soll ihm überlassen bleiben, aber er soll denjenigen wählen, auf dem ihnen am besten beizukommen ist ... Verstanden, Halunke?“

Der Trabant nickte. „Hüte Dich aber“, rief Balafré noch, „dass sich ja nicht etwa ein Glied von dem abgebissenen Kettenstück ins Wirtshaus verirre! Denn dann machst Du Bekanntschaft mit Steigriemen und Sattelgurt, und zwar so lange, bis Deine Haut aufspringt ... Ich merke schon, Kerl, Du hast schon wieder mal Durst? Na, dann nimm einen tüchtigen Schluck, ehe Du Dich auf den Weg machst.“ Mit diesen Worten reichte er ihm einen vollen Humpen. Der Trabant leerte ihn bis zur Neige. Dann entfernte er sich, um dem Pater den Auftrag zu bestellen.

„So, Neffe“, wandte sich nun Balafré wieder an Quentin Durward, „nun sag mir, wie Du eigentlich bei der Affäre mit blauem Auge davongekommen bist?“

„Ich stand mit den älteren und stärkeren zusammen in Reih und Glied gegen die feindlichen Ogilvies“, erwiderte Durward, „und hab mitgekämpft, bis wir schließlich unterlagen. Ein böser Schlag streckte mich nieder, und ich trug eine schlimme Wunde davon.“

„Das ist mir vor 10 Jahren nicht besser gegangen“, erwiderte der Onkel, „wie sie mich damals herausgeputzt haben, das kannst Du mir ja heute noch ansehen.“ Bei diesen Worten wies er auf die dunkelrote, tiefe Furche, die sein Gesicht in der Quere schnitt; „dergleichen Risse hat noch kein Schwert eines Ogilvie gezogen!“

„Zerrissen haben die Ogilvies gerade genug“, versetzte Quentin, „aber sie hatten schließlich ihren Blutdurst gestillt und gaben mich auf Bitten meiner Mutter los. Es war gerade ein Mönch von Aberbrothock in der Nähe, und dem erlaubten sie, mich zu verbinden; ich musste jedoch, zusammen mit der Mutter, geloben, Mönch zu werden.“

„Du, und Mönch?“, rief Balafré, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Mich hat noch nie jemand, auch im Traume nicht, in eine Mönchskutte zu stecken gewagt; dass ich wenigstens nicht wüsste und doch muss ich mich eigentlich, wenn ich darüber nachdenke, wundern, denn ich hätte doch ganz sicher keinen schlechten Pater abgegeben. Aber mag es drum stehen, wie es wolle, mir hat's bis jetzt niemand zugemutet, einen solchen Berufswechsel vorzunehmen; und Dir ist das zugemutet worden, Neffe? Warum denn bloß, um alles in der Welt?“

„Damit unser ganzes Geschlecht aus der Welt getilgt werde!“, erklärte Quentin Durward, „wenn nicht im Grabe, so doch im Kloster!“

„Hm, nun verstehe ich“, erwiderte Balafré, „diese Ogilvies sind doch ganz infame Halunken! Doch hätten sie sich damit betrügen können! Wie war's denn mit dem Probst Robsart? Der fällt mir gerade ein! Er hatte doch auch die Weihen bekommen, war aber dann aus dem Kloster geflohen und Hauptmann bei einer Freikompagnie geworden. Er nahm sich ein allerliebstes Weib und zeugte mit ihr drei Jungen. Dem Mönchsvolk, lieber Neffe, ist nun mal nicht über den Weg zu trauen, ein Mönch wird Soldat und Vater von Kindern, ehe man sich's versieht. Aber erzähle weiter von Deinen Glenhulakiner Geschichten!“

„Da gibt's nicht viel mehr zu erzählen, Onkel“, antwortete Durward, „ich musste eben ins Kloster, wurde Novize, musste nach den Klosterregeln leben und sogar lesen und schreiben lernen.“

„Lesen und schreiben, sagst Du?“, rief Balafré, der zu den Leuten gehörte, die alle Kenntnisse, die das Maß des eignen Wissens übersteigen, für Wunderdinge ansehen, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Das kann man doch nicht glauben! Welcher Durward hätte wohl vor Dir seinen Namen schreiben können? Ein Lesley doch auch nicht! Ich bin der Letzte von den Lesleys und kann so wenig schreiben wie fliegen! Aber, beim heiligen Ludwig! Wie haben sie es denn bloß angestellt, dass sie Dir das beigebracht haben?“

„Zuerst war's freilich schwer“, erklärte Durward, „dann ist's leichter geworden. Wie bei allem im Leben, kommt's hier eben auf die Übung an. Ich war infolge des starken Blutverlustes schwach zum Umfallen und wollte meinem Retter, Pater Peter, kein Herzleid bereiten. Drum gab ich mir auch alle Mühe, aufzupassen, und dann ist die Mutter auch krank geworden und gestorben, und da hat sich's in einem günstigen Augenblick mal gefügt, dass ich's dem Pater gestehen konnte, dass ich zum Mönchsstande gar keine Neigung hätte. Ich erklärte, ich möchte lieber in die Welt hinaus, mein Glück versuchen. Wir vereinbarten, dass es den Anschein hätte, ich sei aus dem Kloster geflohen. Die Ogilvies sollten keinen Grund haben, Rache am Pater und dem Kloster zu nehmen. Daher nahm ich auch den Falken des frommen Paters mit. Entlassen aber bin ich unter der Hand in aller Form Rechtens aus dem Kloster, wie ja das Siegel und die Handschrift des Abtes beweisen.“

„Na, das ist ja im Grunde auch besser“, meinte Balafré, „wenn auch schließlich König Ludwig nicht viel danach früge, ob Du gemaust hast oder nicht, so kann er es doch nicht leiden, wenn sich einer gegen ein Kloster vergangen hat. Darauf kann ich aber wetten, Junge, dass Dir alles Mögliche fehlt, zu einem anständigen Unterhalt?“

„Nun, ja Onkel“, erwiderte der Jüngling, „Dir kann ich's ja gestehen: Dazu ist mir weiter nichts nötig, als das nötige Kleingeld.“

„Eine schlimme Sache, wenn die Dinge so stehen“, meinte Balafré, „ich spare ja auch nichts vom Sold. Es ist nicht leicht mit Ehren, solchen Stand zu wahren. Was ich benötige, habe ich schließlich doch immer, und wenn es mal Matthäi am letzten wird, dann muss die goldene Kette herhalten. Du wirst dich fragen, Neffe, wie ich zu solchen schönen Dingen komme? Sie wachsen freilich nicht wie Narzissen auf dem Feld. Du kannst sie Dir dort holen wie ich, vom König von Frankreich! Denn wer Schätze zu suchen ein Herz hat, der findet sie dort, wenn auch hie und da mit Lebensgefahr; aber er findet sie!“

„Ich hörte“, erwiderte Quentin, „der Herzog von Burgund hält einen besseren Hofstaat als der König von Frankreich. Unter seiner Fahne sei mehr Ehre zu gewinnen.“

„Du redest wie ein Dummkopf“, entgegnete Balafré, „aber man kann's Dir nachsehen, denn als ich den Fuß nach Frankreich gesetzt hatte, redete ich gerade so dumm und albern wie Du. Ich hatte die Vorstellung von einem König, dass er den ganzen Tag unter einem Thronhimmel säße, mit seinen obersten Paladinen von früh bis spät schmause, die goldene Krone nie absetzt, oder an der Spitze seiner Truppen dem Feinde entgegenreite. Im Vertrauen gesagt, Neffe! Politik ist die richtige Kunst, die sich für die Könige schickt, und diese Kunst hat der König Ludwig von Frankreich so recht eigentlich für sich gepachtet. Er versteht es, wie kein anderer Monarch in ganz Europa! Du darfst mir glauben, Ludwig ist der klügste von allen Fürsten, der je den Purpur trug! Ich sah den Purpurmantel kaum ein einziges Mal auf seinen Schultern, solange ich in seinem Dienst bin. Viel öfter aber habe ich ihn herumlaufen sehen in seinem Schloss und seinem Land in einer Kleidung, wie sie sich kaum für unsereinen schicken möchte!“

„Aber, Onkel“, wandte der Jüngling ein, „Ihr erwidert ja gar nichts auf meinen Einwand. Wenn ich in fremdem Land dienen muss, so möchte ich es doch gern da tun, wo mir der größte Vorteil winkt, wo ich mich am ehesten und hervorragendsten auszeichnen könnte!“

„Das verstehe ich schon, lieber Neffe“, versetzte Balafré, „aber es fehlt Dir in solchen Dingen noch am richtigen Urteil. Der Burgunder Herzog ist ein Brausekopf, ein eisenfester Wagehals, der sich an der Spitze seiner Männer selbst ins Gefecht stürzt, und wenn wir, Du oder ich, uns bei ihm befänden, meinst Du, wir könnten es dort weiter bringen, als er und seine Adligen? Wollten wir nicht gleichen Schritt mit ihnen halten, dann wäre doch sicher der Herr burgundische Generalprofos nicht weit von uns, und täten wir's anderseits ihnen gleich, nun, dann wär's eben gut, und es hieße, wir hätten eben unseren Sold verdient. Höchstens hieße es einmal, wenn wir was ganz Besonderes verrichtet hätten, aus herzoglich burgundischem Munde: Ha! Brav gemacht! Sehr brav – gebt ihm einen Gulden, Seneschall, dass er mal auf unser Wohl einen guten Schluck trinken kann! Aber von Rang, Land oder Schätzen kommt in seinem Dienste an einen, der nicht Burgunder ist, kein Tüttelchen: das lass Dir gesagt sein, denn was der zu verschenken hat, kommt bloß an Landeskinder!“

„Dann sagt mir aber, Onkel“, erwiderte Quentin, „wohin soll ich mich wenden?“

„Zu demjenigen Fürsten“, antwortete Balafré, „der die Landeskinder fein säuberlich zur Arbeit anhält und Schotten einstellt, sie und ihr Land zu schützen, und ihnen dafür keine andern Lasten aufbürdet, als für ihren Sold aufzukommen! ... Franzosen, sagt König Ludwig, eignen sich nun einmal nicht zur Kriegführung, das haben die Tage von Crécy und Azincourt bewiesen, und wer ihm was gegen seine Ansicht sagen will, dem kommt er gleich mit diesen beiden Schlachten entgegengerückt, die für die französischen Ritter in so großem Maße unglücklich verliefen. Na, siehst Du nun ein, lieber Neffe, wo unser Weizen blüht, und wo Du, wenn Du reich werden willst, schließlich noch die allerbesten, wenn nicht die Einzigen, Aussichten dazu hast?“

„Ich glaube, den Sinn Eurer Worte richtig zu erfassen, Onkel“, versetzte Quentin Durward, „aber mir scheint, viel Ehre ist bei diesem König nicht zu holen! Denn ich sehe nicht, wo es bei ihm Gefahren gibt. Mir kommt der Dienst bei ihm, verzeiht mir den Ausdruck, Onkel, so recht vor wie ein Schlaraffendienst. Warum hat ein alter Mann, dem doch niemand was zu Leide tut, so viel Wachen nötig? Wem kann was daran liegen, Sommer und Winter auf seinen Festungswerken herumzulungern oder in einem eisernen Käfig zu stecken? Ist das etwa viel Ehre, unter dem ewigen Verdacht des Ausreißers zu stehen? Ich komme mir da wirklich nicht anders vor, wie ein Falke, der auf seiner Stange hocken muss, ohne nur ein einziges Mal auffliegen zu dürfen.“

Ich muss man sagen“, rief Balafré, „Mut und Feuer stecken in dir; es steckt was von Lesleyschem Geist in ihm; so war ich selber, und keinen Deut anders. Aber jetzt heißt meine Parole: Vivat König Ludwig! Lang lebe der König von Frankreich! Bei ihm vergeht fast kein Tag, an welchem es nicht einen Auftrag gibt, bei dessen Ausführung was für unsereinen kleben bleibt! Meine bloß nicht, als ob die schwierigsten Stückchen immer bei hellem Tage ausgeführt würden! Ich könnte Dir manches erzählen, wie Schlösser gestürmt, Gefangene eingebracht wurden, und wo einer, wenn auch keinen großen Namen, so doch größere Gunst zu gewinnen vermag, als all die Wagehälse zusammengenommen im Dienste des wagehalsigen Herzogs von Burgund! Wenn es unserm Könige beliebt, sich im Hintergrund aufzustellen und uns bei unserm Tun zu beobachten, so hat er doch ganz gewiss bessere Gelegenheit zu gerechtem Abwägen von jedes einzelnen Verdienstes, als wenn er sich selbst mit in dem Kampfe getummelt hätte. Nein, nein! Da hilft kein Reden! König Ludwig ist ein gar scharfblickender Herr und ein politischer Herrscher, wie wir keinen andern haben neben ihm!“

Quentin Durward schwieg eine Weile, schließlich sagte er, leiser als bisher, aber nicht minder ausdrucksvoll: „Der gute Pater Peter meinte manchmal, durch manche Tat wurde nicht viel Ehre eingeheimst, oder mancherlei Vorteil zu gewinnen gewesen.Ich brauche Euch wohl nicht zu sagen, Onkel, dass meine Vermutung solche geheim erteilten und heimlich auszuführenden Aufträge nicht immer besonders ehrenvoll sein mögen.“

„Wofür, Neffe, hältst Du mich denn?“, fragte Balafré finster; „ich bin allerdings in keinem Kloster erzogen worden, kann auch weder lesen noch schreiben; aber ich bin ein ehrlicher Lesley. Meinst Du, ich, als Dein Onkel, wollte Dir etwa Unwürdiges anbieten? Der beste Ritter Frankreichs, Guesclin selbst, könnte, wenn er noch am Leben wäre, stolz sein auf solche Taten, wie ich sie ausführte.“

„Ihr seid mein einzige Ratgeber, Onkel“, antwortete Quentin Durward, „den mir ein unseliges Geschick aufbewahrt hat, und ich Zweifel nicht an Euren Worten. Trifft es zu, was gerüchtweise verlautet, dass der König von Frankreich hier in Plessis solch dürftigen Hof halte? Es soll keiner von seinen Edlen hier sein, keiner von seinen großen Vasallen und Hofleuten in seiner Nähe weilen, kein Kronbeamter zu seiner Verfügung stehen? Außer ein paar einsamen Ausflügen, an denen bloß die Leibdiener teilnehmen dürfen, ein paar geheime Sitzungen, zu denen lediglich eine kleine Zahl von Personen zugegen sind, wie beispielsweise sein Barbier, soll nichts hier vorgehen, was an eine königliche Hofführung erinnert? Wenn sich das wirklich so verhält, dann scheint mir doch wenig von den Bräuchen und Sitten seines Vaters des edlen Königs Karl, auf König Ludwig übergegangen zu sein. Dabei hatte König Karl das zur Hälfte von England eroberte Königreich wieder durch Krieg an sich gebracht!“

„Du schwatzt Unsinn“, erwiderte Balafré, „und leierst wie ein Kind die alten Noten auf neuen Saiten. Wenn König Ludwig seinen Barbier Oliver Dain zu dingen braucht, die dieser besser versteht, als alle Pairs in seinem Land, hat nicht dann sein Königreich den Gewinn davon? Wenn er seinem martialischen Generalprofossen Befehl gibt, diesen oder jenen aufrührerischen Bürger in Haft zu nehmen oder den oder jenen Edelmann beiseitezuschaffen, dann geschieht es doch eben ohne viel Federlesens. Aber nicht der Fall wäre es, wenn er solchen Auftrag einem Herzog oder Pair seines Landes erteilen wollte, da könnte er sich fast immer darauf gefasst machen, dass er den Auftrag mit einer Herausforderung zurückbekäme, auf die Ausführung aber fein säuberlich warten könnte. Oder spricht es etwa nicht von königlicher Weisheit, wenn Ludwig Balafré mit einem Auftrag bedacht wird, der beim Großconnetable vielleicht ganz und gar nicht in den richtigen Händen gewesen wäre? Ist solcher Monarch nicht gerade für Leute wie uns der richtige? ... Du kannst mir glauben, König Ludwig versteht es, sich die rechten Leute für seine Befehle auszusuchen, und misst, wie man wirklich sagen kann, jedem genau zu, was er tragen kann. Aber, höre! Da schlägt die Glocke von Sankt Martins! Die ruft mich zurück ins Schloss. So leb denn wohl und nimm Dich recht zusammen! Sei um acht Uhr früh an der Zugbrücke und frage die Schildwache nach mir! Aber sieh Dich vor, dass Du nicht vom richtigen Wege abkommst, sobald Du Dich dem Portal näherst, denn es könnte Dich, wenn Du das außer Acht lässt, leicht ein Glied von deinem Leibe kosten, und das büßt doch niemand gern ein! Ich sage Dir, Neffe, Du sollst den König Ludwig sehen, und sollst dann selbst über ihn urteilen. Auf ein Wiedersehen!“

Mit diesen Worten eilte Ludwig Balafré hinweg und vergaß in der Eile, den Wein zu bezahlen. Bei Personen seiner Stellung ist solche Vergesslichkeit keine Seltenheit, und der Wirt mochte sich vor dem wehenden Federbusch nicht getrauen, ihn aufmerksam zu machen. Von Quentin Durward hätte man nun erwarten können, dass er sich wieder in sein Turmzimmer begeben hätte, um den süßen Tönen weiter zu lauschen, die seine Morgenstunde so herrlich aufgeheitert hatten. Aber sein Onkel hatte ihn zu derb in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er besaß jetzt keinen Sinn mehr für Romantik, sondern unternahm einen Spaziergang am Ufer des wild strömenden Cher, hatte sich aber zuvor sorgsam bei dem Herbergswirt erkundigt, ob in dieser Gegend etwa auch Fußangeln gelegt seien, die zu besonderer Vorsicht nötigten. Der Wirt hatte ihm nach dieser Hinsicht beruhigen können, und so versuchte er nun am Ufer des wilden Flusses seine wirren Gedanken zu sammeln und Pläne für sein zukünftiges Leben zu schmieden. Das zukünftige Leben erschien ihm durch die Unterhaltung mit seinem Onkel zweifelhaft.

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