Kitabı oku: «Quentin Durward», sayfa 2

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Einleitung.

Es bedarf kaum der Bemerkung, daß alles Folgende erdichtet ist.

Und Einer, der Verlust gehabt. –

Viel Lärmen um Nichts.

Wenn der ehrliche Dogberry all' die Ansprüche zusammenrechnet und aufzählt, die er auf allgemeine Achtung hat, und die ihn, wie er meint, von der beleidigenden Benennung hätten ausnehmen sollen, die ihm von Master Gentleman Conrade gegeben ward, so ist es merkwürdig, daß er gar nicht so viel Nachdruck auf sein gefüttertes Kleid legt, (ein Gegenstand von einiger Wichtigkeit in einer gewissen ehemaligen Hauptstadt, so viel ich weiß,) oder auf den Umstand, daß er »ein so artig Stück Fleisch wie Irgendeiner in Messina sei«, oder selbst auf den entscheidenden Punkt, daß er »ein ziemlich reicher Bursch sei«, als vielmehr darauf, daß er ein Mann sei, der Verluste gehabt hat.

In der That hab' ich stets an Kindern des Glücks bemerkt, sei es nun, daß sie den vollen Glanz ihres Reichthums vor denen verbergen wollen, die das Schicksal stiefmütterlicher behandelt hat, oder daß sie glauben, sich in unglücklicher Zeit erhoben zu haben, sei so ehrenvoll für ihre Glücksumstände, als es für eine Festung ist, eine Belagerung ausgehalten zu haben – sei dem wie ihm wolle, ich habe bemerkt, daß solche Personen nie unterlassen, euch mit einer Herrechnung des Verlustes zu unterhalten, den sie durch die bösen Zeiten erlitten haben. Ihr werdet selten an einer wohlbesetzten Tafel speisen, ohne daß die Zwischenräume zwischen Champagner, Burgunder und Rheinwein, wenn euer Wirth ein Geldmann ist, mit dem Sinken der Interessen, der Schwierigkeit, die Kapitale unterzubringen, die nun müssig in seinen Händen liegen müssen; oder, wenn er ein Gutsbesitzer ist, mit schmerzlicher Aufzählung rückständiger oder verminderter Renten ausgefüllt werden. Das hat seine Wirkungen. Die Gäste seufzen und schütteln ihre Häupter im Einklange mit dem Wirth, schauen auf den silberbeladenen Nebentisch, schlürfen wiederholt die reichen Weine, die im schnellen Kreislauf ringsum fluthen, und denken an das ächte Wohlwollen, welches, obwohl beschränkt in seinen Mitteln, doch Alles, was es besitzt, der Gastfreundschaft opfert; oder, was noch schmeichelhafter ist, an den Reichthum, der, unvermindert durch Verluste, fortfährt, gleich dem unerschöpflichen Vorrathe des edeln Abulkasem, ohne Verarmung solche bedeutende Erschöpfungen auszuhalten.

Diese klagende Laune hat indeß ihre Grenzen, gleich dem auswendig gelernten Klageliede, das, wie alle kränklichen Personen wissen, eine höchst reizende Unterhaltung gewährt, so lange man sich über nichts weiter zu beklagen hat, als chronische Beschwerden. Aber ich hörte nie einen Mann, dessen Credit wirklich im Sinken begriffen war, von der Verminderung seiner Fonds plaudern; und mein freundlicher und verständiger Arzt versichert mich, es sei höchst selten, daß die, welche ein derbes Fieber oder eine ähnliche tüchtige Krankheit haben, welche

Mit tödtlicher Krisis deutlich zeige,

Ihr Leben gehe bald zur Neige,

ihre Schmerzen zum Gegenstande angenehmer Unterhaltung machen.

Nachdem ich alle diese Dinge reiflich überlegt habe, bin ich nicht länger im Stande, meinen Lesern zu verhehlen, daß ich weder so unpopulär, noch in so schlechten Glücksumständen bin, um nicht auch mein Theil an den Leiden zu haben, welche gegenwärtig die von Geldern und Ländereien Lebenden in diesen Königreichen drücken. Ihr Autoren, die ihr von Schöpsenfleisch lebt, mögt froh sein, daß das Pfund um drei Pence gefallen ist, und wenn ihr Kinder habt, mögt ihr euch gratuliren, daß das Metzenbrod für sechs Pence zu haben ist; aber wir, die wir zu dem Stamme gehören, der durch Frieden und Ueberfluß zu Grunde gerichtet wird, wir, die Aecker und Vieh besitzen und das verkaufen, was jene armen Aehrenleser einkaufen müssen: – wir werden zur Verzweiflung getrieben durch die nämlichen Ereignisse, deren wegen ganz Grubstreet seine Attiken erleuchten würde, wenn Grubstreet Lichtstümpfchen zu diesem Zwecke sparen könnte. Ich setze daher meinen Stolz darein, die Leiden zu theilen, welche allein die Reichen drücken, und unterschreibe mich mit Dogberry: »ein ziemlich reicher Bursch«, doch immer auch »einer, der Verluste gehabt hat«.

In dem nämlichen edelmüthigen Geiste des Wetteifers habe ich kürzlich mein Heil mit dem Universalmittel gegen den Geldmangel versucht, worüber ich zu klagen habe, nämlich mit einem kurzen Aufenthalt in einem südlichen Himmelsstrich, womit ich nicht nur so manche Ladung Kohlen erspart, sondern auch die Freude gehabt habe, allgemeines Mitleiden mit meinen heruntergekommenen Verhältnissen bei denjenigen zu erwecken, die, hätte ich meine Einnahme ununterbrochen bei ihnen verzehrt, sich eben nicht viel darum gekümmert haben würden, wenn ich auch aufgehangen worden wäre. Nun aber findet mein Brauer, während ich meinen vin ordinaire trinke, den Absatz seines dünnen Biers vermindert, – während ich meine Flasche zu cinq francs aussteche, hängt mein Portweinmaaß ganz still bei meinem Weinhändler, – während ich meine côtelette à la Maintenon vor mir auf der Schüssel dampfen sehe, hängt der gewaltige Schinken ruhig am Pflock im Laden meines blauschürzigen Freundes auf dem Dorfe. Mit einem Wort, man vermißt zu Hause, was ich hier verthue; und die Paar sous, die der garçon perruquier verdient, ja selbst die Brodrinde, die ich seinem kleinen glattgeschornen, rothäugigen Pudel gebe, sind autant perdu für meinen alten Freund, den Barbier, und für den ehrlichen Trusty, den Bullenbeißer im Hofe. Demnach hab' ich die Freude, überall zu gewahren, daß diejenigen meine Anwesenheit beklagen und vermissen, die mich ganz gleichgültig im Sarge würden liegen sehn, sobald sie nur bei meinen Erben ihre Rechnung fänden. Von dieser Anklage der Selbstsucht und Gleichgültigkeit nehme ich jedoch feierlich den Trusty aus, den Hofhund, dessen Freundlichkeit gegen mich, wie ich vollen Grund habe zu glauben, stets bei weitem uneigennütziger war, als die irgend eines andern, der mir beistand, die gütige Steuer des Publikums zu verzehren.

Doch ach! der Vortheil, solch allgemeines Mitgefühl zu Hause zu erwecken, kann nicht ohne bedeutende persönliche Unbequemlichkeiten erlangt werden. »Wenn du willst, ich soll weinen, so mußt du selber erst Thränen vergießen!« sagt Horaz; und wirklich muß ich mich oft selbst hart anklagen, daß ich die heimischen Bequemlichkeiten, die mir aus Gewohnheit zum Bedürfniß geworden waren, gegen Fremdes umtauschen konnte, was bloß Grille und Liebe zur Veränderung zur Mode gemacht hat. Mit Beschämung muß ich bekennen, daß mein an derbe Hauskost gewöhnter Magen sich nach den Fleischschnitten sehnt, die nach Dolly's Weise bereitet sind, heiß vom Roste weg, auswendig braun, aber schön roth, wenn sie das Messer theilt; und all' die Leckerbissen von Very's carte mit ihren tausenderlei verschiedenen Orthographien von Biffticks de mouton vermögen den Mangel nicht zu ersetzen. Dann kann auch meiner Mutter Sohn den dünnen Getränken gar keinen Geschmack abgewinnen, und ich glaube fest, daß heut' zu Tage, wo man das Malz beinah für nichts hat, ein doppelter straick von Barleycorn »das arme häusliche Geschöpf, Dünnbier«, in eine Flüssigkeit verwandelt haben muß, welche zwanzigmal das saure substanzlose Getränk übertreffen wird, welches hier mit dem ehrenvollen Namen Wein belegt ist, in der That aber seinem Gehalte und Wesen nach mit dem Seine-Wasser ganz übereinkommt. Allerdings sind die theuren Weine ziemlich gut; gegen den Château Margaux oder den Sillery hab' ich nichts; dabei denk' ich aber gleichwohl stets sehnsüchtig an die trefflichen Tugenden meines alten gesunden Portweins zurück. Ja, bis zum garçon und seinem Pudel herab, wiewohl beide recht ergötzliche Wesen sind, und tausend lustige, unterhaltende Späße treiben, lag dennoch weit mehr ächter Humor in den Augenwinken, womit unser alter Dorfzeitungsbote die Morgenneuigkeiten zu überbringen pflegte, als alle Gaukler in Antoine in einer Woche darlegen können, und eine weit humanere und hundeähnlichere Sympathie in Trusty's Schwanzwedeln, als wenn sein Nebenbuhler, Toutou, ein Jahr lang auf den Hinterbeinen stände.

Diese Zeichen der Reue kommen freilich ein wenig spät, und ich gestehe, (denn mit meinem werthen Freunde, dem Publikum, will ich ganz aufrichtig sein,) sie sind etwas beschleunigt worden durch die Bekehrung meiner Nichte Christy zu dem alten papistischen Glauben durch einen wachsamen Priester in der Nachbarschaft, so wie durch die Verheirathung meiner alten Tante Dorothee mit einem Reiterhauptmann auf halbem Sold, einem weiland Mitgliede der Ehrenlegion, der auch, wie er versichert, sicher bereits Feldmarschall geworden sein würde, hätte nur unser alter Freund Bonaparte fortgefahren zu leben und zu siegen. Was Christy betrifft, so gesteh' ich, ihr Kopf war durch die fünf Gesellschaften, denen sie in Edinburg häufig während einer Nacht beiwohnte, so sehr verdreht worden, daß ich, blieb mir auch gegen Mittel und Wege ihrer Bekehrung ein Bischen Mißtrauen, mich doch freute, daß sie an etwas Ernstes dachte; überdieß war der Schade dabei nicht groß, denn das Kloster übernahm sie aus meiner Hand gegen eine ganz erträgliche Pension. Aber sehr verschieden war die irdische Vermählung der Tante Dorothee von der himmlischen Christy's. Zum ersten gingen zweitausend zu 3 Procent jährlich für meine Familie so schnell verloren, als wenn man sie mit einem Schwamme von einer Tafel weglöschte; denn wer zum Teufel hätte denken können, daß Tante Dorothee noch heirathen würde? Wer hätte überhaupt glauben sollen, daß ein Weib mit fünfzigjähriger Erfahrung ein französisches Skelett heirathen würde, dessen untere Glieder mit den obern in einer derartigen Verbindung standen, als ob ein Paar halb ausgedehnte Zirkel so übereinander gestellt worden wären, daß die Stelle, wo sie zusammenhingen, kaum hinreichte, um den Leib zu repräsentiren? Alles übrige war Schnurrbart, Pelz und Calicohose. Sie hätte mit demselben Vermögen, welches sie dieser militärischen Vogelscheuche anheimgab, einen Pulk wirklicher Kosacken vom Jahr 1815 commandiren können. Es ließ sich jedoch nichts weiter zu der Sache sagen, besonders da sie zuletzt Rousseau zu ihrer Vertheidigung anführte – und so mag das denn auf sich beruhen.

Nachdem ich so meine Galle gegen ein Land ausgeschüttet habe, welches dem ungeachtet ein recht angenehmes Land ist, und das ich nicht tadeln kann, weil ich es aufsuchte, und nicht von ihm gesucht ward, so gehe ich nun über auf den unmittelbaren Zweck dieser Einleitung, und rechne ich, theures Publikum, nicht zu viel auf die Dauer deiner Gunst, (wie wohl, in Wahrheit, von denjenigen, die um deine Gunst buhlen, Beständigkeit und Gleichmäßigkeit des Geschmacks wenige schätzen,) so erstreckt sie sich vielleicht doch so weit, mir für den Nachtheil und Verlust Entschädigung zu gewähren, den ich dadurch erlitt, daß ich Tante Dorotheen in das Land der dicken Waden, der dünnen Knöchel, der schwarzen Schnurrbärte, der körperlosen Glieder, (denn ich kann versichern, der Bursch ist, wie mein Freund, Lord L –, sagt, eine vollkommene Elster, bloß Flügel und Bein), und der zarten Gefühle ziehen sah. Hätte sie einen tollen Hochländer von der halben Soldliste, oder einen melancholischen Sohn von Erin erkoren, so würde ich der Sache gar nicht gedacht haben; aber wie es sich nun gestaltete, war es kaum möglich, über ein solches Plündern ihrer rechtmäßigen Erben und Testamentsvollstrecker nicht einige Empfindlichkeit blicken zu lassen. Doch, »sei still, mein finstrer Geist!« und laß uns unser theures Publikum zu einem für uns angenehmeren und für andere unterhaltenderen Thema führen.

Indem ich, wie oben erwähnt, mein saures Gläschen trank und meine Cigarre rauchte, worin ich kein Neuling bin, so trank und rauchte ich mich, wie mein Publikum wissen muß, allmälig in eine gewisse Bekanntschaft mit einem homme comme il faut hinein, einem jener wenigen schönen alten Exemplare des Adels, die sich noch immer in Frankreich finden; die, gleich verstümmelten Statuen einer veralteten, längst verschwundenen Religionsweise, doch immer eine gewisse Verehrung und Achtung auch noch bei denjenigen erregen, die sonst weder das Eine noch das Andere freiwillig zu leisten gewohnt sind.

Während ich das Kaffeehaus des Dorfes besuchte, fiel mir zuerst die besondere Würde und Gravität im Benehmen dieses Herrn auf, seine Anhänglichkeit an Schuhe und Strümpfe, indeß er Halbstiefeln und Pantalons verachtete; sodann das croix de St. Louis im Knopfloche, und eine kleine weiße Kokarde an der Agraffe seines altmodischen Hutes. Etwas höchst Interessantes lag in seiner Erscheinung; seine ernste Haltung mitten unter der lebhaften lustigen Gruppe ringsum glich dem Schatten eines Baumes in sonniger Landschaft, um so anziehender, je seltener. Ich kam so schnell in seiner nähern Bekanntschaft vorwärts, als es die Umstände des Ortes und die Landessitte gestatteten, d. h. ich rückte näher an ihn heran, rauchte meine Cigarre in ruhigen und ununterbrochenen Zügen, welche kaum sichtbar waren, und richtete die wenigen Fragen an ihn, die eine gute Erziehung aller Orten, vorzüglich aber in Frankreich, dem Fremden gestattet, ohne daß er deßhalb fürchten muß, für zudringlich gehalten zu werden. Der Marquis von Hautlieu, denn dies war sein Rang, war so kurz und sententiös, als die französische Höflichkeit erlaubte, er beantwortete jede Frage, ohne selbst eine neue zu thun, und ermunterte nicht zu weiterem Nachforschen.

Die Ursache hievon war, daß der Marquis, der überhaupt schon nicht sehr zugänglich für Fremde irgend eines Volks, selbst nicht für Unbekannte seiner eigenen Nation war, eine besondere Scheu gegen Engländer blicken ließ. Ein Rest von altem Nationalvorurtheil mochte der Grund dieser Gesinnung sein, oder sie entsprang vielleicht auch aus dem Gedanken, daß die Engländer ein hochmüthiges, geldstolzes Volk seien, welchem Rang, verbunden mit beschränkten Vermögensumständen, nur ein Gegenstand der Verachtung oder des Mitleids sein könnte; oder wenn er endlich vielleicht an gewisse neue Ereignisse dachte, so mochte er sich auch wohl durch das nämliche Glück gekränkt fühlen, welches seinem Herrn den Thron und ihm selbst ein verringertes Eigenthum und ein zerstörtes château wiedergegeben hatte. Sein Mißbehagen zeigte sich jedoch nie auf thätlichere Weise, als durch die Entfernung aus englischer Gesellschaft. Nahmen die Angelegenheiten eines Fremden seinen Einfluß zu ihrem Besten in Anspruch, so bewilligte er die Verwendung desselben immer mit der Höflichkeit eines französischen Edelmanns, der da weiß, was er sich selbst und der nationalen Gastfreundschaft schuldig ist.

Endlich machte der Marquis zufällig die Entdeckung, daß der neue Gast an seinem gewohnten Orte ein Schotte von Geburt sei, ein Umstand, der bedeutend zu meinen Gunsten sprach. Verschiedene seiner eigenen Vorfahren waren, wie er mich belehrte, schottischer Abkunft gewesen, und er glaubte, sein Haus habe noch einige Verwandte in der Provinz Hanguisse jenes Landes, wie er sie zu nennen pflegte. Die Verwandtschaft war schon früh im letzten Jahrhunderte von beiden Seiten anerkannt worden, und er war während seiner Verbannung (denn vermuthlich hatte der Marquis unter Condé's Truppen gedient, und alles Mißgeschick und Elend der Auswanderung getheilt) einmal beinah entschlossen gewesen, den Schutz und die Bekanntschaft seiner schottischen Freunde in Anspruch zu nehmen. Alles erwogen jedoch, sagte er, hab' er sich ihnen unmöglich in Umständen zeigen können, die gar nicht empfehlend waren, und von denen sie sich eine kleine Bürde, ja wohl gar einigen Schaden hätten vermuthen müssen; deßhalb habe ihm das Beste geschienen, der Vorsehung zu vertrauen, und so viel möglich selbst für sein Fortkommen zu sorgen. Worin dieß eigentlich bestand, konnt' ich nicht erfahren; doch sicher war es nichts, was der Ehre des trefflichen alten Mannes hätte nachtheilig sein können, der fest an seinen Meinungen und seiner Rechtlichkeit hielt, trotz gutem oder schlechtem Rufe, bis ihn endlich die Zeit arm, alt und gebrochenen Muthes dem Lande wiedergab, das er jugendfrisch und gesund verlassen hatte, während er nun altersschwach war, und die Stimmung des Hasses vergessen hatte, der einst schnelle Rache an denen versprach, die ihn vertrieben hatten. Manche Punkte im Charakter des Marquis würde ich belacht haben, seine Vorurtheile, besonders was Geburt und Politik betraf, wofern ich ihn unter glücklichern Verhältnissen kennen gelernt hätte; in der Lage jedoch, worin er sich jetzt befand, würde Jedermann, und wären seine Vorurtheile, die wenigstens nicht unedlen, eigennützigen Ursprungs waren, auch nicht eben gut und ehrenhaft gewesen, ihn grade so haben achten müssen, wie wir den Bekenner oder Märtyrer einer Religion achten, obwohl sie nicht ganz die unsere ist.

Allmählig wurden wir gute Freunde, tranken unsern Kaffee, rauchten unsre Cigarren, und nahmen unsern bavaroise zusammen ein, und zwar sechs Wochen lang, ohne besondere Unterbrechung oder Abhaltung von beiden Seiten. Nachdem ich mit einiger Schwierigkeit den Schlüssel zu seinen Nachforschungen in Bezug auf Schottland durch die glückliche Conjectur erhalten hatte, daß die Provinz Hanguisse nichts anders sein möge, als unser Angusshire, so war ich im Stande, fast all' seine Fragen in Hinsicht seiner dortigen Verwandten auf mehr oder weniger genügende Weise zu beantworten, und ich war höchlich erstaunt, als ich entdeckte, der Marquis sei in der Genealogie einiger der vorzüglichsten Familien des Landes weit besser zu Hause, als ich es möglicherweise hätte erwarten können.

Seinerseits fand er sich so befriedigt durch unsere Unterhaltung, daß er sich endlich zu dem großen Entschlusse erhob, mich zum Essen nach Château de Hautlieu einzuladen, welches diesen Namen ganz mit Recht führte, da es auf einer der Anhöhen lag, welche die Ufer der Loire beherrschen. Dieses Gebäude lag etwa drei Meilen von der Stadt, wo ich mich einstweilen häuslich eingerichtet hatte, und als ich es zum ersten Male erblickte, konnte ich das Gefühl der Kränkung leicht vergeben, welches der Eigenthümer blicken ließ, als er in dem Asyl einen Gast empfangen mußte, welches er aus den Trümmern des Palastes seiner Ahnen erbaut hatte. Nach und nach jedoch bereitete er mich mit großer Heiterkeit, die indeß offenbar ein tieferes Gefühl verhüllte, auf die Beschaffenheit des Ortes vor, den ich zu besuchen jetzt im Begriff stand, und dazu hatte er auch genug Zeit und Gelegenheit, da er mich in seinem kleinen Cabriolet, von einem starken, schwerfälligen normännischen Hengst gezogen, nach dem alten Gebäude hinfuhr.

Die Reste desselben liefen entlang einer schönen Terrasse, die sich über die Loire erhob, und früher mit Treppen versehen gewesen war, reich verziert mit Statuen, in Felsen gearbeiteten Ornamenten und dergleichen künstlichen Verschönerungen, die sich stufenweise bis hinab an das Ufer des Flusses gezogen hatten. Diese ganze architektonische Verzierung, verbunden mit reichen Blumenparterren und fremdländischen Gesträuchen, hatte schon seit manchem Jahre den nutzbarern Arbeiten des Winzers Platz machen müssen; jene Reste aber, zu fest, um leicht zerstört zu werden, waren noch sichtbar, und lieferten, sammt den manchfachen kunstvollen Gestaltungen des Ufers, den vollkommenen Beweis, wie trefflich hier die Kunst zur Verschönerung der Natur angewendet worden war.

Wenige dieser Partien sind noch jetzt im vollkommenen Zustande; denn die Wandelbarkeit der Mode hat in England die gänzliche Umwandlung vollendet, welche Zerstörungssucht und Volkswuth in den französischen Lustgärten erzeugte. Was mich anlangt, bin ich sehr geneigt, die Meinung eines der besten Richter S. Price's »Abhandlung vom Malerischen«, an vielen Stellen; gern theilte ich hier die schöne, dichterische Schilderung mit, die er von seinen eigenen Gefühlen gibt, als auf Befehl eines Verschönerers ein alter Garten mit seinen Buchsbaumhecken, verzierten Eisengittern und seiner einsamen Wildniß zerstört werden mußte. unserer Zeit zu unterschreiben, welcher glaubt, wir haben unsern Geschmack für das Einfache übertrieben, und es erfordere die Nähe eines stattlichen Wohnhauses einige reichere Verzierungen, als die magern Gras- und Rasenplätze gewähren können. Eine höchst romantische Lage kann vielleicht gerade durch den Versuch, dergleichen architektonische Verzierungen anzuwenden, verdorben werden: aber bei weitem die größere Anzahl der Oertlichkeiten ist von der Art, daß die Anwendung von mehr architektonischen Zierrathen, als jetzt gewöhnlich sind, von nöthen scheint, um die nackte Zahmheit eines großen Hauses auszugleichen, welches mitten in eine Ebene hingestellt ist, wo es, ringsum ohne alle Verbindung, nicht anders aussieht, als ob es aus der Stadt spazieren gegangen wäre.

Wie der Geschmack so plötzlich und entschieden wechseln konnte, ist freilich ein anderer Umstand, wofern wir ihn nicht nach derselben Weise erklären wollen, nach welcher die drei Freunde des Vaters in Molière's Lustspiel eine Kur für die Melancholie seiner Tochter vorschlagen, – daß er nämlich das Zimmer derselben schmücken solle mit Gemälden, oder mit Tapeten, oder mit Porzellan, je nach den verschiedenen Dingen, womit jeder dieser Freunde Handel trieb. Verfolgen wir diesen Weg, so werden wir vielleicht entdecken, daß vor Alters der Baukünstler auch die Gärten und Lustanlagen in der Nachbarschaft des Hauses anzulegen hatte; und daß er, natürlich genug, hier seine eigene Kunst in Statuen und Vasen, in gepflasterten Terrassen und freien Treppen mit verzierten Balustraden entfaltete; während der Gärtner, dem Range nach tiefer stehend, das Pflanzenreich mit dem herrschenden Geschmacke in Einklang zu bringen suchte, und seine immergrünen Sträucher zu blühenden Wänden, Thürmen und dergleichen, verschnitt, so wie die einzelnen Bäume zur Form von Statuen. Aber seitdem ist es umgekehrt geworden, so daß der Landschaftsgärtner, wie man ihn nennt, mit dem Architekten fast auf gleicher Stufe steht; und daher wird nun auch ein ziemlich liberaler Gebrauch von Spaten und Spitzhacke gemacht, und man verwandelt die prahlerischen Arbeiten des Architekten in eine ferme ornée, so wenig verschieden von der Einfachheit der Natur, die sich in der umgebenden Landschaft zeigt, als es die Bequemlichkeit geeigneter und reinlicher Spaziergänge, die es in der Nähe der Wohnung eines Gentleman durchaus geben muß, möglicherweise mit sich bringt.

Um von dieser Abschweifung zurückzukehren, welche dem Cabriolet des Marquis (seine Beweglichkeit wurde beträchtlich gehemmt durch die niederwärts drückende Wucht von Jean Roast-Beef, die das normännische Pferd vermuthlich eben so herzlich verwünschte, wie seine Landsleute vor Alters die stumpfsinnige Fettigkeit eines sächsischen Sklaven verfluchen mochten) Zeit gab, auf einem gekrümmten Fahrwege, der jetzt sehr im Verfall war, den Hügel hinan zu steigen, so bekam man nun eine lange Reihe dachloser Gebäude zu Gesichte, in Verbindung stehend mit dem westlichen Ende des Schlosses, welches gänzlich verfallen war. »Ich sollte,« sagte er, »vor Ihnen, als einem Engländer, wohl den Geschmack meiner Vorfahren entschuldigen, die diese Reihe von Ställen mit der Architektur des Schlosses in Verbindung gesetzt haben. Ich weiß, in Ihrem Vaterlande ist es üblich, diese etwas entfernt zu halten; aber meine Vorfahren besaßen eine erbliche Vorliebe für die Pferde, und besuchten sie gern häufiger, als passend gewesen wäre, wenn sie sich in größerer Entfernung befunden hätten. Vor der Revolution hatte ich dreißig schöne Pferde in dieser ruinirten Reihe von Gebäuden.«

Diese Erinnerung an die entschwundene Herrlichkeit entschlüpfte ihm nur zufällig, denn er war im Allgemeinen sparsam mit Anspielungen auf den frühern Reichthum. Es war schnell gesagt, ohne weder nach einer auf einstigen Wohlstand gelegten Bedeutsamkeit zu streben, noch um Mitleid mit dem Wegfall desselben zu verlangen. Indeß erweckte sie doch unangenehme Betrachtungen, und wir schwiegen beide, bis aus einer theilweis reparirten Ecke der ehemaligen Pförtnerwohnung eine lebhafte französische paysanne, mit Augen schwarz wie Agat, und glänzend wie Diamant, mit einem Lächeln hervortrat, welches eine Reihe von Zähnen zeigte, die Herzoginnen beneidet haben würden, und die Zügel des kleinen Fuhrwerks ergriff.

»Madelon muß heute den Bedienten vorstellen,« sagte der Marquis, nachdem er die tiefe Verbeugung, die Jene Monsieur gemacht, durch ein gnädiges Nicken erwidert hatte, – »denn ihr Mann ist zu Markte gegangen, und was La Jeunesse betrifft, so ist der durch seine verschiedenen Beschäftigungen in Anspruch genommen; Madelon,« fuhr er fort, als wir unter den Bogen des Eingangs traten, mit den verstümmelten Wappen der frühern Besitzer gekrönt, die jetzt durch Moos und Grashalme halb unkenntlich geworden, der verhüllenden Zweige von mancherlei Buschwerk nicht zu gedenken, – »Madelon,« fuhr er fort, »war meines Weibes Pflegetochter, und ward zum Kammermädchen meiner Tochter erzogen.«

Dieser beiläufige Wink, daß er Wittwer und kinderloser Vater sei, erhöhte meine Achtung gegen den unglücklichen Edelmann, dem jeder mit seiner gegenwärtigen Lage zusammenhängende Umstand ohne Zweifel seinen eigenen Antheil von Nahrung für seine melancholischen Betrachtungen lieh. Nach einer augenblicklichen Pause fuhr er in etwas heitererm Tone fort: »Sie werden sich an meinem armen La Jeunesse ergötzen,« sagte er, »der, beiläufig bemerkt, zehn Jahre älter ist als ich« (der Marquis ist über sechzig), »er erinnert mich an den Schauspieler in dem roman comique, der ein ganzes Stück mit seiner eigenen Person spielte – er beharrt dabei, maître d'hôtel, maître de cuisine, valet-de-chambre zu sein, eine ganze Suite von Bedienten in seiner eigenen armen Person. Oft erinnert er mich auch an einen Charakter in the Bridle of Lammermore, was Sie gelesen haben müssen, da es das Werk eines von Ihren gens de lettres ist, qu'on apelle, je crois, le Chevalier Scott.«

»Sie meinen wahrscheinlich Sir Walter?«

»Ja, denselben, denselben!« antwortete der Marquis.

Wir waren nun von den schmerzlichem Erinnerungen abgelenkt; denn ich vermochte meinen französischen Freund bei zwei besondern Umständen festzuhalten. Mit dem ersten hatte ich keine Schwierigkeit, denn obwohl dem Marquis das Englische nicht gefiel, meinte er doch, weil er drei Monate in London gewesen war, die verwickeltsten Schwierigkeiten unserer Sprache zu verstehen, und berief sich auf jedes Wörterbuch, von Florio abwärts, indem er behauptete, Bride sei einerlei mit Bridle. Ja er war in diesem philologischen Streitpunkte so schwer zu überzeugen, daß, als ich versuchte ihm anzudeuten, es komme in der ganzen Geschichte nichts von einem Zaume vor, er mit großer Fassung, und ohne Ahnung mit wem er spreche, die ganze Schuld dieses Widerspruchs auf den unglücklichen Verfasser wälzte. Ich gab mir nun wirklich Mühe, meinem Freunde, aus Gründen, die Niemand so gut wissen konnte, als ich selber, zu sagen, daß mein ausgezeichneter literarischer Landsmann, von dem ich stets mit der Achtung sprechen werde, die seine Talente verdienen, nicht für die unbedeutenden Werke verantwortlich sein könnte, die ihm die Laune des Publikums allzu großmüthig, und ebenso zu rasch, zugeschrieben habe. Von dem Antriebe des Augenblicks hingerissen, hätte ich leicht noch weiter gehen können, indem ich die negative durch die positive Versicherung bekräftigt, und meinem Wirthe gestanden hätte, daß möglicherweise Niemand anders diese Werke geschrieben haben könne, da ich selber der Verfasser sei; aber da ward ich von einer so voreiligen Selbstverurtheilung durch die ruhige Entgegnung des Marquis befreit, daß er froh sei, zu hören, diese unbedeutenden Tändeleien habe keine Person von Stande geschrieben. »Wir lesen sie,« sagte er, »wie wir die Späße eines Komödianten anhören, oder wie sich unsere Vorfahren an denen eines Hausnarren von Profession ergötzten, mit ziemlichem Vergnügen, die uns indeß schmerzlich berühren würden, wenn wir sie aus dem Munde einer Person vernehmen müßten, die bessere Ansprüche auf unsere Gesellschaft hat.«

Durch diese Erklärung hatte ich meine natürliche Behutsamkeit vollkommen wieder erlangt; und ich wurde nun so besorgt, mich selbst zu verrathen, daß ich nicht einmal wagte, meinem aristokratischen Freunde zu erklären, daß der Gentleman, den er genannt hatte, seine Berühmtheit, so viel mir bekannt, gerade denjenigen von seinen Werken zu danken habe, die sich, ohne Ungerechtigkeit, mit gereimten Romanen vergleichen lassen.

Genau genommen hatte der Marquis unter andern Vorurtheilen, auf die ich bereits hindeutete, auch einen mit Verachtung gemischten Abscheu vor jeder Art von Autorschaft, die nicht zum mindesten einen Folioband über Jurisprudenz oder Gottesgelahrtheit aufzuweisen hatte, und er blickte auf den Verfasser eines Romans, einer Novelle, eines fliegenden Gedichts oder einer Kritik in einer periodischen Schrift ebenso, wie die Menschen ein giftiges Gewürm betrachten, nämlich zugleich mit Furcht und Ekel. Der Mißbrauch der Presse, behauptete er, vorzüglich in ihren leichtern Gebieten, habe die Moralität ganz Europa's vergiftet, und gewinne allmählig nochmals einen Einfluß, der durch die Stimme des Kriegs zum Schweigen gebracht worden sei. Alle Schriftsteller, mit Ausnahme derer von dem größten und gewichtigsten Kaliber, hielt er für ergeben dieser schlechten Sache, von Rousseau und Voltaire herab bis zu Pigault le Brun und dem Verfasser schottischer Romane; und wiewohl er zugab, er lese sie pour passer le temps, so verabscheute er doch, gleich dem Knoblauch essenden Pistol, die Tendenz des Werkes, womit er beschäftigt war, ebensosehr, als er dessen Geschichte verschlang.

Indem ich diese Eigenheit bemerkte, unterdrückte ich das offene Bekenntniß, welches meine Eitelkeit im Sinne hatte, und veranlaßte den Marquis, mir noch Mehreres über das Haus seiner Vorfahren mitzutheilen. »Hier,« sagte er, »war das Theater, wo mein Vater auf besondern Befehl, den er sich verschaffte, einige der Hauptpersonen der Comédie Françoise spielen ließ, als der König und Madame Pompadour ihn mehrmals an diesem Orte besuchten; – dort mehr nach der Mitte, war die Baronshalle, wo seine Lehensgerichtsbarkeit geübt wurde, wenn Verbrecher von Seigneur oder dessen Amtmann gerichtet werden sollten; denn wir hatten, wie unsre alten schottischen Edelleute, das Recht des Galgens und Rades, oder fossa cum furca, wie es die Rechtsgelehrten nennen; – unter derselben befindet sich die Marterkammer, oder das Gemach für die Tortur; und allerdings ist es traurig, daß ein so leicht gemißbrauchtes Recht in die Hände irgend eines lebenden Wesens niedergelegt sein konnte. Doch,« setzte er mit einem Gefühl von Würde hinzu, gegründet eben auf die Grausamkeiten, die seine Vorfahren unter den vergitterten Fenstern verübt hatten, auf die er deutete, »so groß ist die Wirkung des Aberglaubens, daß die Bauern sich bis auf diesen Tag den Kerkern nicht zu nähern wagen, wo, wie es heißt, der Zorn meiner Vorfahren in früherer Zeit so viel Grausamkeit beging.«

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