Kitabı oku: «Mörderisches Bamberg», sayfa 6

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Widerspruch

Mittwoch, 30. August

In der Zeit, in der Harald Hagenkötter und Tina Meisel den Ausreden und Halbwahrheiten des Dr. Siebers lauschten, bereiteten sich Kommissar Franz Schmuck und ein inoffizieller Italienisch-Übersetzer darauf vor, nebenan gleich mit Giuseppe Bertone, dem Fahrer des Bischofs, zu sprechen. Schmuck hatte Nino Bellini, einen Kollegen aus dem Rauschgiftdezernat, gebeten, kurzfristig und ausnahmsweise mit Übersetzungsdiensten auszuhelfen. Gerade spähten sie zu zweit durch den Einwegspiegel, hinter dem der Fahrer wartete.

Bertone saß seit fünf Minuten in dem kleinen, spartanisch ausgestatteten Vernehmungszimmer. Ein Tisch, vier Stühle, ein Fenster mit Oberlicht und der obligatorische riesige Spiegel an einer der beiden Stirnwände, das war es. Er kannte solche Räume aus seiner Jugend und war sichtlich nervös. Dazu kam die Trauer um seinen ermordeten Bischof. Ein Polizeibeamter stand mit verschränkten Armen neben der geschlossenen Tür und starrte schweigend vor sich hin. Endlich betraten zwei Männer den Raum und nahmen Bertone gegenüber Platz. Giuseppe fühlte sich unwohl und rutschte auf seinem Stuhl hin und her.

Kommissar Schmuck nahm den Italiener scharf ins Auge: klein, untersetzt, ein kräftig sprießender Dreitagebart, pechschwarzes glattes Haar, das bestimmt jeden Tag eine halbe Tube Haarcreme abbekam. Wie man sich einen typischen Mafioso vorstellt – rein äußerlich. Doch Schmuck war erfahren genug, sich von der Optik allein nicht täuschen zu lassen.

„Kennen Sie diesen Mann?“, wollte der Kommisar wissen, nachdem er sich und seinen Kollegen vorgestellt und sich Bertone gegenüber hingesetzt hatte. Er zog ein Foto aus seiner Jackentasche und hielt es Bertone hin.

Si, lui è il Signore Sieber, il direttore della scuola Santi-Figli-di-Dio“, nickte der Fahrer den beiden Polizeibeamten zu, brachte dabei aber immer noch nervös seinen Stuhl zum Wackeln.

Bellini bestätigte Schmuck die Bekanntschaft Bertones mit Sieber, dem Leiter der Santi-Figli-di-Dio-Schule.

„Frag ihn, ob sein Dienstherr und Sieber sich hier in Bamberg getroffen haben“, bat Schmuck seinen italienischen Kollegen vom Rauschgiftdezernat.

Nach kurzem Zögern fing Bertone an, zu erzählen.

„Er sagt, er weiß es nicht. Er sagt aber auch, dass Sieber seinen Bischof in Roma besucht hat, letzte Jahr.“

„Was war der Anlass des Besuchs?“

Bellini versuchte sich wieder an einer Simultanübersetzung: „Sieber hat mit seine Exzellenz gesprochen. Über die Santi-Figli-di-Dio-Organisation. Mehr weiß er auch nicht, er war nicht dabei.“

„Bellini, mach ihm doch bitte deutlich, dass wir ganz genau wissen müssen, was er Tag für Tag gemacht hat, seit er hier in Bamberg mit Eposito angekommen ist, wohin er wann seinen Bischof gebracht hat, ob Eposito Leute getroffen oder gesehen hat, die er kennt, und was sein Dienstherr in seiner freien Zeit gemacht hat. Sag ihm am besten, dass wir das unbedingt wissen müssen, um den Mörder von Carlo Eposito zu überführen.“

Rund eine Minute redete Nino Bellini auf Giuseppe Bertone ein, der zwischendurch häufig und heftig mit dem Kopf nickte und immer wieder „Già, già…“ murmelte.

„Er sagt, dass er uns kann zeigen, wo er seine Exzellenz hingefahren hat und wo. Und dass meistens ein Mann in einem schwarzen Mercedes sich um seinen Bischof gekümmert hat.“

„Kennt er den Mann? Hat er einen Namen?“

„Hat er nicht, es war aber ein Kirchenmann aus Bamberg. Bertone kennt die Nummer von dem schwarzen Mercedes und den Name von dem Fahrer und er sagt, dass Bischof Eposito ganz komisch und … come si dice – durcheinander, verstört war, seit er … aus einem schönen Haus gekommen ist … früh am Morgen vom 20. August.“

„Welches schöne Haus?“

„Weiß er nicht, hat keinen Name. Sieht aus wie eine Villa … mit großem Kreis und großem Kreuz in Gold.“

„Eine Villa mit einem großen Kreis und einem Kreuz in Gold? Eine Kirche vielleicht?“

„Keine Ahnung. Er meint, er kann uns das zeigen, uns hinführen.“

„Aha. Ja, das müssen wir noch sehen. Vielleicht klappt’s ja auch mit der Erinnerung, wenn wir ihm einen Stadtplan zeigen. Als Chauffeur muss er doch mit einem Navi in Bamberg unterwegs gewesen sein. Da erkennt er vielleicht den Straßennamen wieder. Bellini, frag ihn doch mal, wie der Bischof als Mensch und Vorgesetzter war.“

Nach fünf Minuten bereute Kommissar Schmuck seine Frage. Giuseppe Bertone war in einen wahren Rederausch verfallen. Schmuck verstand zwar kein Wort, konnte aber schon an der Gestik und an Bertones Stimmlage erkennen, dass der Fahrer seinen ermordeten Bischof verehrt hatte und nun auf das Höchste lobte. Bald liefen dem Mann Tränen der Trauer über sein bärtiges Gesicht, wenn er über Papà Eposito sprach.

Schmuck wechselte mit Bellini einen langen Blick und zuckte dann leicht mit den Schultern. Bei allem Respekt vor dem Verlust Bertones durfte er noch nicht lockerlassen: „Wann ist er denn genau mit seinem Bischof von Rom nach Bamberg aufgebrochen?“

Bellini räusperte sich und wieder ging ein italienischer Wortschwall zwischen dem Fahrer und Bellini hin und her.

„In der Nacht vom 17. auf 18. August, sagt Bertone. Aber fast hätte Reise nicht geklappt.“

„Und warum nicht?“

„Ah, das ist eine Geschichte: wegen der Mercedes-Limousine. Papst Franziskus mag nicht, wenn Kleriker aus dem Vatikan mit Autos reisen, die … lussuoso, wie sagt man – viel Luxus haben. Franziskus mag Limousinen nicht, er mag die kleinen Wagen, dabei haben die letzten beiden papa vor Franziskus noch viele eingekauft: Mercedes und so … Weißt du, Schmuck, dass es mehr als 60 Papamobile im Vatikan gibt? Sagt man so.“ Bellini zeigte das begeisterte Gesicht eines wahren italienischen Autoliebhabers. „Aber Franziskus benutzt sie nicht. Er will direkte Kontakt mit den Menschen haben. Und wenn er doch mal eine Pkw nimmt, dann nimmt er eine Ford Focus – usato, gebraucht! Stell dir das vor, Schmuck! Im Vatikan gibt es eine oceano von Wagen. Alte und neue. Und dazu der Museo delle Carozze im Lateranpalast. In dem Museum gibt es Schätze: Oldtimer aus den 1920er Jahre. Von Fiat, Bianchi, Graham-Paige, Itala, Citroën – meraviglioso! Andere sind in der Tiefgarage des papa weggesperrt – für alle andere tabù…“ Der italienische Kollege gestikulierte leidenschaftlich.

Schmuck hatte jetzt aber genug: „Danke, Bellini – aber weshalb wäre es mit Bamberg fast nichts geworden?“

Ah sì … Es ging um die Genehmigung von der Reise nach Bamberg. Als dann der Chef vom parco rotabile, von alle Autos im Vatikan, endlich ja gesagt hat, fehlte die bomboniera…“

„Die was?“

„Gastgeschenk war noch nicht angeliefert und …“

„Und das Geschenk war?“, unterbrach Kommissar Schmuck Bellini schon wieder.

„Ein Karton Fotos von papa Franziskus im Postkartenformat, mit gesegnete Wünsche.“

Die Befragung des Fahrers zog sich noch bis zur Mittagszeit hin, dann hatte der Kommissar eine recht übersichtliche Tabelle vor sich auf dem Tisch liegen, die zeigte, wo und wann sich Eposito während seines Bamberger Besuchs in etwa aufgehalten hatte. Aus dem Papier war allerdings nicht immer ersichtlich, mit wem sich der Kurienbischof getroffen hatte, und Bertone versicherte glaubhaft, keine Ahnung zu haben, um welche Themen es dabei gegangen war. Zudem schien Eposito seinen Fahrer nicht durchgängig beansprucht zu haben, was ein paar zeitliche Lücken in Schmucks Tabelle offenbarten. Ganz zufrieden mit seinem Ergebnis war Schmuck deshalb nicht, aber vielleicht brachte der Nachmittag neue Erkenntnisse. Da wollte Bertone ihnen alle Orte zeigen, zu denen er seine Exzellenz gefahren hatte. Das Vorzeigen eines Bamberger Stadtplans hatte leider nichts gebracht. Hoffentlich hatte er hinter dem Steuer eines Wagens ein besseres Erinnerungsvermögen.

Du sollst nicht lügen

Mittwoch, 30. August

Vor fünf Minuten hatten Hauptkommissar Hagenkötter und seine Mitarbeiterin Tina Meisel ihr Büro verlassen und waren unterwegs zum Heinrichsdamm 32. Das Erzbistum hatte sie zum erbetenen Gespräch ins Bistumshaus St. Otto eingeladen, in das Gebäude, wo einst die Priesterseminare des Erzbistums abgehalten worden waren. Am Domplatz selbst stünden gerade keine freien Besprechungsräume zur Verfügung, hatte man ihnen am Telefon gesagt. „Wer’s glaubt, wird selig“, raunzte Hagenkötter jetzt und zupfte an seinem Schnauzer, „die zeigen uns damit nur, welche Sympathien sie für uns haben.“

Vor 89 Jahren, am Festtag des heiligen Kaisers Heinrich, dem 13. Juli, war das neue Seminargebäude eingeweiht worden – nach mehr als 70 Jahren Generalsanierung – und diente heute hauptsächlich der Unterbringung zweier Hauptabteilungen des Erzbischöflichen Ordinariats und weiterer diözesaner Einrichtungen.

Pünktlich um 14 Uhr trafen die Ermittler im Gruppenraum 4 ein. An den Wänden hingen Bilder von Papst Franziskus, dem ehemaligen Papst Benedikt und von früheren Bischöfen des Erzbistums. Die Beamten wurden bereits erwartet. Ein Mitarbeiter der erzbischöflichen Pressestelle, der sich selbst vom Domplatz 2 herüber bemüht hatte, begrüßte sie und stellte seine Kollegen und Kolleginnen vor. Frau Doris Haberkamm aus der Abteilung Polizeiseelsorge, einen Herrn Dr. Sowieso aus der Rechtsabteilung, Marke „Weltliches Recht“, und einen hochrangigen Mitarbeiter aus dem Generalvikariat. Sie schienen alle sehr desinteressiert, fand Tina. Jedenfalls sahen sie deutlich gelangweilt aus.

Auf dem langgezogenen Tisch inmitten des Gruppenraums standen eine große Thermoskanne mit Kaffee, dazu Kaffeetassen und zwei Teller mit Gebäck. Der Raum wirkte kahl und leblos, bot kein natürliches Licht von außen, dafür aber Sitzgelegenheiten für mindestens 14 Personen. Lediglich an der Stirnwand, gleich neben der Tür, hing ein überdimensioniertes, schmuckloses Kreuz aus Eichenholz. Der Herr ist mit dir, verkündete eine Inschrift auf dem Querbalken.

„Ja, nochmals vielen Dank, dass Sie sich für uns so kurzfristig Zeit genommen haben“, eröffnete Hagenkötter die Gesprächsrunde, nachdem jeder Platz genommen hatte. „Vielleicht ist teilweise auch etwas missverstanden worden?“ Er blickte Frau Haberkamm tief in die Augen. „Wir sind nicht gekommen, um über unser Seelenheil zu sprechen, sondern um möglichst rasch Licht in den mysteriösen Tod des römischen Kurienbischofs Carlo Eposito zu bringen.“

Doris Haberkamm lief im Gesicht rot an wie eine reife Tomate. Man sah ihr an, dass sie sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte.

„Sind wir da vielleicht etwas falsch verstanden worden?“, fuhr der Hauptkommissar fort.

„Keineswegs“, antwortete der Geistliche aus dem Generalvikariat, „wir stehen Ihnen für alle Fragen zur Verfügung. Ob wir diese allerdings auch beantworten können, werden wir ja gleich sehen. Frau Haberkamm leistet uns Gesellschaft, weil sie sich als erfahrene, langjährige Mitarbeiterin mit den Gepflogenheiten des Erzbistums bestens auskennt.“

„Na schön. Beginnen wir doch mit einer ganz einfachen Frage“, schlug Hagenkötter vor. „Erzählen Sie uns doch, warum Eposito nach Bamberg kam und was er hier gemacht hat. Dazu muss es ja wohl einen Anlass gegeben haben. Oder liege ich da falsch?“ Er zog die Augenbrauen in die Höhe und sah reihum in die Gesichter seiner Gesprächspartner auf der anderen Seite des Tischs.

Frau Haberkamm betrachtete mit Interesse ihre blau lackierten Fingernägel.

Der erzbischöfliche Rechtsverdreher checkte auf seinem Mobiltelefon sein E-Mail-Postfach und der Pressesprecher sah seinen Kollegen aus dem Generalvikariat fragend an.

Es dauerte etwas, bis dieser aus seiner Lethargie erwachte, sich räusperte und „Allgemeiner, routinemäßiger Informationsaustausch“ ausspuckte. Dann verzog er sich wieder in seinen Kokon und wartete ab, was als nächstes geschah.

Tina warf einen schnellen Seitenblick auf ihren Chef. Da hatte es der Herr aus dem Generalvikariat mit nur drei Worten geschafft, Hagenkötters Blutdruck zu versauen. Sie lehnte sich vorsichtshalber ein wenig zurück.

„Wie darf ich das verstehen? Allgemeiner, routinemäßiger Informationsaustausch?“ Tinas Chef begann, innerlich zu kochen. „Können Sie das bitte etwas präzisieren? Wer tauscht sich da mit wem über welche Themen aus? Helfen Sie mir doch auf die Sprünge!“

„Oh nein, so geht das nicht!“ Der Anwalt aus der Rechtsabteilung war wach geworden und plusterte sich auf wie ein Pfau. „Es widerspricht dem kanonischen Recht der katholischen Kirche, erzbischöfliche Interna zu nichtkirchlichen Zwecken an weltliche Dritte weiterzugeben.“ Dann schwieg er wieder, blieb aber kampfbereit und sah Hagenkötter herausfordernd an.

Die Mundwinkel des Kripobeamten zuckten unkontrolliert und er zwirbelte seinen Schnurrbart. Dann holte er tief Luft, um loszudonnern: „Mein lieber Herr erzbischöflicher Jurist, der weltliche Dritte scheißt auf Ihr kanonisches Recht und wird Ihnen gleich gewaltig aufs Kirchendach steigen! Wir haben es hier mit einem Mordfall an einem Ihrer Würdenträger zu tun und ich habe die Aufgabe, diesen Fall zu lösen. Kommen Sie mir bloß nicht mit hirnrissigen Argumenten daher. Verarschen kann ich mich auch alleine, dazu brauche ich Ihre lächerlichen Eskapaden nicht. Die sind unnötig wie ein Kropf. Wir können dieses Gespräch jetzt auf zivilisierte, vielleicht ja sogar hilfreiche Weise angehen oder gerne bei uns in der Schildstraße fortsetzen.“

Die Halsschlagader des so gescholtenen Juristen schwoll schlagartig an, da kroch aber schon der Geistliche aus dem Generalvikariat wieder aus seinem Kokon. „Aber, meine Herren, mäßigen wir doch unseren Ton“, schlug er vor. „Sehen Sie, Herr Hauptkommissar, der Besuch eines Kurienbischofs ist schon etwas Außergewöhnliches. Das ist nichts für unsere Ebene.“ Dabei breitete er seine Arme in Richtung der links und rechts von ihm sitzenden Kollegen aus. „So ein wichtiger Besuch wird bei uns im Erzbistum ganz oben abgestimmt. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es in Deutschland 27 Bistümer, davon sieben Erzbistümer. Bamberg ist eines davon und untersteht direkt dem Vatikan. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir uns auch um die Belange der Bistümer Eichstätt, Speyer und Würzburg mitkümmern müssen. Wer kann da immer wissen, was sich alles im Erzbistum abspielt, vor allem im Vorfeld eines hohen Besuchs. Wir, so wie wir hier vor Ihnen sitzen, waren alle nicht direkt in die Bambergreise des Kurienbischofs eingebunden.“

„Ich fall vom Glauben ab, verdammte Hacke, warum sitzen wir dann hier?“ Hagenkötter war immer noch sichtlich erbost. „Sie stehlen uns unsere kostbare Zeit. Für Larifari sind wir nicht hergekommen.“

„Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind, schlage aber vor, das Beste daraus zu machen. Wie wäre es, wenn Sie uns Ihre Fragen hinterlassen und wir klären das intern?“

„Aufgebracht? Ich höre wohl nicht richtig! Ich bin stocksauer! Sagen Sie das ruhig auch Ihren Vorgesetzten. Was ich wissen will, ist: Warum kam der Bischof nach Bamberg? Mit wem hat er hier gesprochen? Wer hat ihn hier wann betreut? Wir brauchen eine Kopie seines Besuchsprogramms mit sämtlichen Namen und Adressen seiner Gesprächspartner. Und wir brauchen einen erzbischöflichen Ansprechpartner, der uns darüber verbindlich Auskunft geben kann.“

„Und dazu auch bereit und berechtigt ist“, warf Tina ein.

Der erzbischöfliche Rechtsverdreher auf der anderen Seite des Tischs grinste maliziös. Die stumme Botschaft war eindeutig: Daran werdet ihr euch noch die Zähne ausbeißen!

Er sah die Besprechung offenbar als beendet an und war im Begriff aufzustehen, als er von Hagenkötter ein deutliches „Halt!“ vernahm. „Wenn wir schon hier sind, dann können Sie uns hoffentlich wenigstens ein paar Fragen allgemeiner Natur beantworten. Soweit wir wissen, war Eposito im Vatikan Mitglied der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen. Was darf ich mir darunter vorstellen?“

Mit provozierender Langsamkeit ließ sich der Anwalt wieder auf seinen Stuhl sinken und meinte: „Nun … ich verstehe Ihre Frage nicht, Herr Hauptkommissar?“

„Ich meine, was ist die Aufgabe dieser Kommission? Ich denke nicht, dass ein römischer Kurienbischof nur zum Urlaub machen nach Bamberg gekommen ist oder? Irgendetwas wird er wohl zu erledigen gehabt haben. Oder sehe ich das falsch?“

Der Geistliche räusperte sich. „Ähm, ja … ich meine nein. Also, sehen Sie, die vatikanische Kinderschutzkommission wurde im Jahr 2014 von Papst Franziskus zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen ins Leben gerufen.“

„Als Folge der jahrzehntelangen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche“, kommentierte Hagenkötter.

Tina nickte knapp. „Hatte Seine Exzellenz einen besonderen Grund, deswegen nach Bamberg zu kommen?“, hakte sie nach. „Und falls Sie dazu auch wieder keine Informationen haben: Könnten Sie diesen Punkt bitte noch auf die Liste der zu klärenden Fragen setzen?“

„Um Himmels willen, nein! Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Doch nicht hier bei uns in Bamberg!“ Der Mitarbeiter des Generalvikariats schrie es regelrecht hinaus, setzte aber schnell wieder ein unverbindliches Lächeln auf. „Die Kommission zum Schutz der Minderjährigen soll mit der Kongregation für die Glaubenslehre kooperieren und sie ist berechtigt, Berichte über die Wirksamkeit von Kinderschutzmaßnahmen anzufordern und Vorschläge an den Papst zu richten.“

„Das sind Grundsatzfragen, die haben mit dem gewaltsamen Tod von Bischof Eposito nichts, aber auch gar nichts zu tun“, muckte der Kirchenmann für weltliches Recht auf. „Außerdem dürfte das Prozedere dazu den Hauptkommissar sicherlich langweilen.“

„Oh nein, keinesfalls, das interessiert mich sogar sehr. Sagen Sie“, Hagenkötter wandte sich wieder dem Geistlichen zu, „hat die Kommission denn schon jemals etwas bewirkt?“

„Erinnern Sie sich an den Namen Robert Finn? Der war vor einigen Jahren in der Presse präsent?“ Hagenkötter schüttelte sein Haupt und zupfte an seinem Schnauzer. „Robert Finn war Bischof von Kansas City, Saint Joseph und Opus-Dei-Mitglied. Jedenfalls wurde er verurteilt, weil er den Kinderpornografie herstellenden Diözesanpriester Shawn Ratigan gedeckt hatte. Auf Empfehlung der Kommission hat Papst Franziskus Robert Finn abgesetzt.“

„Nur abgesetzt?“ Tina spürte, wie auch ihr Blutdruck sich anschickte, dem ihres Chefs in unbekannte Höhen zu folgen. „Und bestraft? Auch das kanonische Recht sieht dafür sicherlich Strafen vor?“

„Das geht nun aber doch zu weit, Frau Kommissarin!“ Der kirchliche Jurist war empört.

„Ausnahmsweise muss ich Ihnen da recht geben. Kommen wir zurück zu Bischof Eposito“, nahm Hagenkötter den Faden auf. „Wir erwarten eine schnelle Klärung und Beantwortung unserer Fragen …“

„Ich versichere Ihnen noch einmal: Epositos Reise war ein reiner Routinebesuch. Erfahrungsaustausch, Gespräch zur Umsetzung der Kinderschutzmaßnahmen im Erzbistum, Anregungen und so weiter …“

„Und so weiter? Bis jetzt dachte ich, dass Sie nicht direkt in das Besuchsprogramm des Bischofs eingebunden waren. Das waren doch Ihre Worte? Woher wollen Sie ausschließen können, dass es bei diesem ominösen Besuch nicht um Gravierenderes ging? Aber vielleicht wissen Sie doch mehr, als Sie zuzugeben bereit sind. War der Ermordete nicht auch Mitglied der Organisation Santi-Figli-di-Dio? Und ist das Erzbistum Bamberg nicht auch Träger der gleichnamigen Schule hier vor Ort?“

„Das gehört aber nun wirklich überhaupt nicht hierh…“ Weiter kam der geistliche Anwalt nicht.

„Sie lernen es einfach nicht oder? Ob das hierhergehört oder nicht, entscheiden nicht Sie“, fiel ihm Hagenkötter schroff ins Wort. „Im Rahmen unserer Ermittlungen liegt das immer noch in der Hand der Polizei. Sie scheinen mir einer zu sein, der lieber vertuscht, als sich kooperativ zu zeigen.“ Der Ermittler lehnte sich langsam in seinem Stuhl zurück. „Und das erweckt wiederum in mir das Gefühl, dass das Erzbistum sehr wohl Dreck am Stecken haben könnte und möglicherweise bewusst nicht mit offenen Karten spielt. Deshalb meine klare Frage, auf die ich eine ebenso klare Antwort erwarte: Hat das Erzbistum Kenntnis darüber, ob Bischof Eposito sich im Rahmen seines Besuches hier in Bamberg auch mit dem Leiter der Santi-Figli-di-Dio-Schule, Herrn Dr. Sieber, oder mit einer anderen Person der Schule getroffen hat?“

Eisiges Schweigen legte sich über den Raum. Frau Haberkamm zuppelte an ihren Nägeln herum. Hagenkötter sprach mit zusammengekniffenen Augen weiter: „In welcher Beziehung steht das Erzbistum generell zur Santi-Figli-di-Dio-Schule? Wobei ich deren, wie soll ich es nennen … Meditationszentrum am Paradiesweg mit einschließe.“

Keiner der Anwesenden rührte sich. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

„Immer noch nichts? Dann nur noch eines von mir: Ich möchte Ihnen wirklich nahelegen, unsere Fragen einer schnellen Klärung zuzuführen. Verstehen Sie meine Worte durchaus als Warnung oder, besser gesagt, als einen gut gemeinten Rat. Wir werden nicht eher lockerlassen, bis wir den Mord an Eposito restlos aufgeklärt haben. Wer uns dabei behindert oder die Unwahrheit spricht, kann rechtlich belangt werden und zwar nicht nach dem kanonischen, sondern nach dem ganz weltlichen Recht.“

„Sie drohen …“, versuchte es der erzbischöfliche Anwalt, wurde aber von seinem Kollegen aus dem Generalvikariat abgewürgt.

„Entschuldigen Sie unsere offensichtliche Inkompetenz“, beschwichtigte der. „Wir werden uns intern zu Ihren Fragen erkundigen und Ihnen Auskunft erteilen, sobald wir ein Ergebnis haben. Was die Santi-Figli-di-Dio-Organisation anbelangt, denke ich aber, dass wir uns so weit aus dem Fenster lehnen und Ihnen versichern können, dass das Erzbistum keinerlei Aktivitäten in deren Interessen wahrnimmt, weder ihren schulischen, noch sonstigen Betrieb betreffend. Auch unsere Rechte und Interessen an dem, wie haben Sie es so … treffend genannt, Meditationszentrum am Paradiesweg sind nur theoretischer Natur. Falls beispielsweise Probleme rechtlicher Natur auftreten, helfen wir gerne mit Rat und Tat. Ansonsten ist die Prälatur völlig autark.“

„Endlich eine klare Aussage“, zeigte sich Hagenkötter versöhnlich und griff nach einem der bis jetzt unangetasteten Teller mit Gebäck. „Aber dennoch ein allerletzter gut gemeinter Rat – danach möchte ich dieses unerquickliche Gespräch für heute beenden: Auch Sie sollten das achte Gebot beachten und einhalten.“

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