Kitabı oku: «Ökologie der Wirbeltiere», sayfa 12
4.1 Fortpflanzung als Energieaufwand
Fortpflanzung (oder Reproduktion) ist die zentrale fitnessrelevante Betätigung im Leben eines Individuums und ermöglicht die Weiterverbreitung der eigenen Gene. Sie ist in aller Regel eine aufwendige Angelegenheit und verschlingt viel Energie, oft mehr, als ein Individuum zur Zeit der Reproduktion aus seiner Umwelt gewinnen kann. Die verfügbare Energie und die notwendigen Einschränkungen und Kompromisse beim Umgang mit ihr sind deshalb wichtige Elemente, um die Variabilität in den Fortpflanzungsstrategien zu verstehen (Hayward et al. 2012). Unterschiede zwischen Arten, zwischen geografisch unterschiedlichen Populationen einer Art oder sogar zwischen Individuen, sind Ausdruck unterschiedlicher Life-History-Strategien, welche die Allokation der Energie (in Unterhalt und Überleben, Wachstum oder Reproduktion) bestimmen. Individuelle Variation ist oft gekoppelt mit dem Alter oder dem Status eines Individuums, die den Zugang zu Energie und damit Kondition und körperliche Ausprägungen bestimmen. Von besonderer Relevanz sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die auf den ungleich verteilten Energieaufwand im Laufe eines Reproduktionszyklus zurückgehen und weitreichende evolutive Konsequenzen haben. Neben der Energie kann auch der Bedarf an bestimmten Nährstoffen und Elementen (Protein, Kalzium, Phosphor usw.) die Kosten bestimmen und so die Fortpflanzungsstrategien der Geschlechter beeinflussen.
Energetische Kosten und life history
Drücken wir den Energieaufwand für die Reproduktion bei Vögeln zunächst einmal als Gewicht eines Geleges aus und vergleichen es mit der Körpermasse des Weibchens, so fallen zwei Dinge auf (Tab. 4.1):
1. Das Gelege kann schnell einmal die Hälfte der Körpermasse des Weibchens ausmachen und bei Arten, die mehr als eine Brut pro Jahr aufziehen, sogar das Doppelte der eigenen Körpermasse erreichen.
2. Das Verhältnis zwischen des Masse der in einer Fortpflanzungsperiode gelegten Eier (respektive der Biomasse der Jungen bei Säugetieren, s. unten) und der Körpermasse des Weibchens wird oft als Produktionsrate bezeichnet. Die Rate sinkt mit zunehmender Körpergröße, sodass größere Tiere relativ weniger Energie in die Biomasse der Neugeborenen investieren müssen.
Tab. 4.1 Die Kosten der Eiproduktion bei einer Auswahl europäischer Vogelarten, illustriert durch den Vergleich der Körpermasse des Weibchens mit der Masse des von ihm produzierten Geleges. Bei Arten mit mehr als einer Jahresbrut übersteigt die gesamte Masse der produzierten Eier die eigene Körpermasse deutlich. Masse in Gramm; die Werte sind mitteleuropäische Durchschnittswerte (nach Glutz von Blotzheim et al. 1966–1997).
Weil bei Säugetieren ein Teil der Biomasseproduktion erst nach der Geburt der Jungen über die Milchproduktion des säugenden Weibchens erfolgt, wird zu Vergleichszwecken oft mit der Masse der Jungen bei der Entwöhnung statt bei der Geburt gerechnet (Abb. 4.1). Man findet so dieselbe Beziehung zwischen der Produktionsrate und der Körpermasse des Weibchens wie bei den Vögeln. Das gilt – bei funktionell vergleichbarer Berechnung der Produktionsrate – auch für Fische und Insekten sowie selbst für Zooplankton, Einzeller und Pflanzen (Ernest et al. 2003). Bei Männchen zeigt sich ein allometrischer Zusammenhang zwischen Gonaden- und Körpermasse, wenn auch auf einem um zwei- bis vier Zehnerpotenzen tieferen Niveau - und zwar bei Wirbeltieren ebenso wie bei gewissen Invertebraten (Hayward & Gillooly 2011; s. aber Parker G. A. 2016).
Abb. 4.1 Masse der Jungen im Vergleich zur Körpermasse der Mutter (doppeltlogarithmierte Darstellung, in Gramm) bei der Geburt (a) und bei der Entwöhnung (b), unterschieden nach höheren Säugetieren (Plazentatieren; graue Punkte) und Beuteltieren (schwarze Punkte), sowie die zugehörigen Regressionslinien. Der Unterschied zwischen Beutel- und Plazentatieren in (a) rührt daher, dass junge Beuteltiere in einem deutlich früheren Entwicklungsstadium geboren werden als plazentale Säuger und dann viel länger im Beutel mit Milch versorgt werden müssen (nach Hamilton M. J. et al. 2011) (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von The Royal Society, © The Royal Society).
Auch andere Elemente der life history, die mit der Energieallokation zusammenhängen, zeigen eine positive Größenabhängigkeit, etwa Tragzeit, Alter der Jungen bei der Entwöhnung, Alter des Weibchens bei der ersten Fortpflanzung oder die maximale Lebensdauer (Hamilton M. J. et al. 2011). Weil Langlebigkeit und Körpergröße ebenfalls positiv miteinander korrelieren, lässt sich auch sagen, dass langlebige Arten pro Fortpflanzungsperiode weniger Energie in die Jungenproduktion investieren als kurzlebigere Arten. Betrachtet man jedoch die Produktion über die ganze Lebensdauer (lifetime reproduction effort), dann wird die niedrigere Produktion pro Fortpflanzungsperiode über die höhere Zahl der Fortpflanzungen kompensiert, und die Gesamtproduktionsrate bleibt in Bezug auf die Körpergröße konstant. Im Durchschnitt produziert ein weibliches Säugetier im Laufe seines Lebens das 1,4-Fache des eigenen Körpergewichts an Jungenbiomasse (Charnov et al. 2007).
Statt über die Biomasse ist der reproduktive Aufwand auch wiederholt über die Energieausgabe gemessen worden. Bei Säugetieren steigt der Energieverbrauch im Vergleich zum Ruheumsatz während der Trächtigkeit im Mittel um etwa 25 % und während des Säugens sogar um 100–150 %. Die Zunahmeraten schwanken natürlich stark in Abhängigkeit der Wurfgröße und anderer Faktoren und können während der Laktation sogar auf ein Mehrfaches des Ruheumsatzes steigen; generell entfallen aber etwa 20 % des gesamten Zusatzaufwands auf die Tragzeit und 80 % auf die Laktationszeit (McNab 2002; Karasov & Martínez del Río 2007). Bei Vögeln liegen erst wenige Messungen für den Aufwand der Eiproduktion vor. Korallenmöwen (Ichthyaetus audouinii) benötigen zur Bildung eines Dreiergeleges, das 40 % der Körpermasse entspricht, etwa 42 % zusätzliche Energie (Ruiz et al. 2000). Noch mehr als der Energiebedarf fällt die Belastung durch den Protein- und Lipidbedarf ins Gewicht, der im Gegensatz zum Energiebedarf bei größeren Vogelarten relativ höher als bei kleineren ist (Meijer & Drent 1999; Bicudo et al. 2010). Nach dem Schlüpfen der Jungen leisten Vögel im Gegensatz zu den Säugetieren den Aufwand in Form von verstärkter Nahrungssuche und direktem Füttern. Während dieser Zeit steigt ihr Energieverbrauch auf das 2,5- bis 5-Fache des Grundumsatzes, was etwa doppelt so viel ist wie außerhalb der Jungenfütterung (McNab 2002). Wie bei den Säugern hängen die Werte im Einzelnen von der Jungenzahl ab und variieren zwischen den Arten zudem anhand der unterschiedlich aufwendigen Flugweisen (Kap. 2.1). Allerdings sollten «umsichtige» Eltern (prudent parents) eine obere Grenze nicht überschreiten, um ihre Fitness nicht zu kompromittieren (Drent & Daan 1980). Für Singvögel unterscheiden sich die Aufwände zur Zeit der Eibildung, Bebrütung und Jungenaufzucht nicht und liegen bei etwa dem 3-Fachen des Grundumsatzes (Nager 2006).
Geschlechtsspezifische Kosten der Reproduktion und ihre Folgen
Die somatischen Kosten der Reproduktion und jene für Brutpflege sind für Weibchen meist wesentlich größer als für Männchen. Weibliche Gameten (Eier) sind grundsätzlich größer als männliche Gameten (Spermien), was als Anisogamie bezeichnet wird. Männchen produzieren zwar eine große, fast unbeschränkte Menge an Spermien, doch sind diese sehr klein und nährstoffarm. Der Produktionsaufwand ist deshalb gering, wenn auch nicht vernachlässigbar. Weibchen bilden nur eine beschränkte Zahl von Eiern aus, doch ist bei Vögeln die Eiproduktion ungleich aufwendiger als die Spermienproduktion. Eier enthalten – wie in Tab. 4.1 illustriert – große Nährstoffreserven und erfordern zu ihrer Produktion einen hohen Energieaufwand (s. oben). Bei Säugetieren divergieren die direkten Kosten für die Gametenproduktion zwischen den Geschlechtern viel weniger, denn auch für Männchen kann die Bildung des Ejakulats einen Energieaufwand bedeuten. Für Japanmakaken (Macaca fuscata) belief sich dieser auf 0,6–6,0 % des Grundumsatzes während der Reproduktionsperiode (Thomsen et al. 2006). Für Säugetierweibchen fällt anschließend aber der um ein Vielfaches höhere Aufwand des Austragens und der Laktation ins Gewicht (s. oben). Auch bei vielen Vögeln wird neben der aufwendigen Gametenproduktion der Aufwand für die Brutpflege und Aufzucht zum größeren Teil oder sogar ausschließlich vom Weibchen getragen.
Dieser Unterschied im Aufwand zwischen den Geschlechtern führt gemäß traditioneller Erklärung zu Konsequenzen, die in gegensätzliche Strategien der Geschlechter hinsichtlich der Fitnessmaximierung münden, das heißt der Maximierung der Produktion von Nachkommen. Männchen gewinnen in der Regel am meisten, wenn sie die Zahl der Kopulationen mit möglichst vielen Partnerinnen maximieren, denn die Spermienproduktion ist billig und der geringe Beitrag zur Aufzucht der Nachkommen gewährt die benötigte zeitliche Freiheit. Ist dies nicht möglich, etwa aufgrund eines Männchenüberschusses, oder ist die Überlebensrate so gezeugter Nachkommen sehr niedrig, profitieren auch Männchen von der Investition in die Brutpflege. Für Weibchen indessen lohnt es sich nach der kostenintensiven Investition in die Gameten am meisten, wenn sie die Überlebensraten der Zygoten (der befruchteten Eizellen) maximieren. Dies bedingt zunächst wählerisches Auslesen eines qualitativ hochstehenden Partners und anschließend hohen Aufwand bei der Brutpflege (Kap. 4.5). Allerdings greift diese aufwandzentrierte Erklärung zu kurz, denn evolutionsbiologische Modelle legen nahe, dass auch Aspekte wie Konkurrenz innerhalb der Geschlechter und ungleiche operationelle Geschlechterverhältnisse (s. auch 4.7) am Zustandekommen der divergierenden Geschlechterrollen beteiligt sind (Kokko & Jennions 2008).
Abb. 4.2 Modellierte Werte des Nierenfettindexes (log-transformierte Daten) von Himalaja-Tahren (Hemitragus jemlahicus) aus einer in Neuseeland eingeführten Population. Die Kondition sinkt bei subadulten (aber bereits beschränkt reproduktiv tätigen) und adulten (>4 Jahre) Böcken im Laufe der Brunftzeit stark ab und bleibt vor allem bei den adulten Böcken den Winter hindurch niedrig, während Jungtiere und Weibchen während der Brunft und zu Winterbeginn ihre Kondition verbessern können (Abbildung neu gezeichnet nach Forsyth et al. 2005).
Es ergibt sich nämlich ein funktionelles numerisches Ungleichgewicht zwischen Männchen und Weibchen, auch wenn sie in der Population gleich häufig vertreten sind: Weibchen fallen als Paarungspartner während der Aufzuchtperiode aus, Männchen stehen aber stets zur Verfügung. Als «selteneres Geschlecht» sind die Weibchen in der Lage, unter den Männchen auszuwählen, und werden so zu einem wichtigen evolutiven Auslesefaktor – sie bewirken die geschlechtliche (intersexuelle) Selektion. Männchen hingegen müssen untereinander um den Zugang zu den Weibchen konkurrieren (intrasexuelle Selektion; Scott G. 2010). Details zur sexuellen Selektion (sexual selection) folgen in Kapitel 4.8.
So können auch den Männchen hohe Kosten für die Reproduktion entstehen, die bei manchen Arten weitreichende Folgen haben (Thompson M. E. & Georgiev 2014). Besonders bei Säugern mit polygynem Paarungssystem und Monopolisierung der Weibchen (Kap. 4.8–4.9) haben Männchen einen hohen energetischen Aufwand zu betreiben. Zunächst muss in große Körpergröße und auch in zusätzliche Ornamente (Geweihe, Hörner, ausladende Schmuckfedern und Ähnliches) investiert werden. Dann erfordert das Brunftverhalten oft innergeschlechtliche Kämpfe sowie das Bewachen von Weibchen (Kap. 4.8). In dieser Zeit wird die eigene Nahrungsaufnahme stark reduziert. Dominante Rothirsche (Cervus elaphus, Abb. 7.13) verlieren während der 30-tägigen Brunftzeit 60–100 kg Körpermasse in Form von Fett und auch Eiweiß, das zuvor während der Vegetationsperiode angelagert worden ist. Diese Werte entsprechen etwa 25–30 % der Körpermasse. Zusammen mit den Ausgaben für den Geweihaufbau verwenden die Hirsche 25 % des jährlichen Energieverbrauchs für die Reproduktion, vergleichbar mit den Ausgaben der Weibchen von etwa 18 % (Bobek et al. 1990; Yoccoz et al. 2002). Auch Gämsböcke (Rupicapra rupicapra) verlieren in der Brunft 28 % ihrer Körpermasse (Mason et al. 2011). Die Kondition der brunftenden Männchen, die etwa über den Nierenfettindex messbar ist (Kap. 2.7), sinkt dabei im Gegensatz zu jener der Weibchen und jungen Männchen stark ab und bleibt oft in den Winter hinein niedrig (Abb. 4.2). Damit haben gerade Männchen «im besten Alter» (prime age) im auf die Brunft folgenden Winter geringere Überlebensraten und sind unter den Opfern von «Wintersterben» übervertreten. Ähnliche Beispiele für hohen energetischen Aufwand des Männchens bei der Reproduktion finden sich bei Robben (maximal 36 % Masseverlust männlicher See-Elefanten Mirounga sp.; Galimberti et al. 2007), Nagetieren, zum Beispiel Zieseln (Spermophilus sp.) und Vögeln mit Arenabalz (Kap. 4.9). Aber auch bei Vögeln in sozial monogamen Verhältnissen (Kap. 4.8–4.9) kann dem Männchen hoher energetischer Aufwand entstehen, wenn es während der Eibildungs-, Lege- und Bebrütungsphase des Weibchens einen Großteil der benötigten Nahrung herbeischaffen muss (Balzfüttern), wie das bei vielen Sing- und Greifvögeln der Fall ist.
Reproduktion und Verfügbarkeit von Energie
In vielen Fällen können Vögel und Säugetiere die energetischen Zusatzkosten der Reproduktion über gleichzeitig erhöhte Nahrungsaufnahme decken. Viele Kleinsäuger steigern die Aufnahmerate auf das 2- bis 4-Fache, was vorübergehende Anpassungen im Verdauungstrakt erfordert (Speakman 2008). Damit finanzieren diese Arten die Kosten über das «Einkommen» (income breeding). Oftmals ist das aber nicht möglich, etwa bei der erwähnten Brunft der polygynen Huftiermännchen, die auf vorher angelegte Körperreserven zurückgreifen müssen. Auch die Aufwendungen der Weibchen für Eiablage und Bebrütung respektive Austragen und Säugen werden bei vielen Arten über den Abbau von Fett- und Proteinreserven bestritten: Es muss also «Kapital» herangezogen werden (capital breeding). Als Variante zum Fettabbau kommen auch körperinterne Umlagerungen von Protein aus Muskeln in die Gonaden vor (Nager 2006). Eine dritte Möglichkeit, Ressourcen in die Fortpflanzung zu leiten, ist die Reduktion des Metabolismus. Allerdings ist unter Torpor bei den meisten Arten die Gonadenentwicklung blockiert, doch bei gewissen kleinen Beuteltieren wie auch überwinternden Bären läuft sowohl die Entwicklung der Föten als auch die Milchproduktion bei reduziertem Metabolismus ab (Speakman 2008).
Da kleinere Arten durch den Protein- und Lipidbedarf für die Gametenentwicklung verhältnismäßig viel weniger belastet werden als größere Arten (s. oben), sind sie in der Regel income breeders. Größere Arten hingegen sind eher capital breeders, wenn ihre Nahrungsressourcen zur Fortpflanzungszeit noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Dies ist vor allem bei Bewohnern polarer Gebiete und von Gebirgen der Fall. Beispiele aus der Arktis sind Eisbär (Ursus maritimus), Moschusochse (Ovibos moschatus) oder Gänse (Abb. 4.3), Beispiele aus der Antarktis sind verschiedene Pinguine. Kaiserpinguine (Aptenodytes forsteri) praktizieren eine der extremsten Formen von capital breeding: Sie fasten bereits während der sechs Wochen dauernden Balzzeit und die Männchen, die anschließend das Ausbrüten des Eies übernehmen, noch weitere 2,5 Monate (Ancel et al. 2013). Auch manche Gebirgsbewohner, wie etwa Gämsen (Rupicapra rupicapra), Steinböcke (Capra ibex), Schneeziegen (Oreamnos americanus) oder Dickhornschafe (Ovis canadensis), benötigen zum Austragen und Säugen der Jungen Körperreserven. Huftiere, die zu dieser Zeit bereits ein genügendes Nahrungsangebot vorfinden – zum Beispiel Rehe (Capreolus capreolus) – sind income breeders. Setzzeitpunkt und Jungenzahl sind bei ihnen wegen der saisonalen Schwankungen im Nahrungsangebot jedoch variabler als bei den capital breeders.
Abb. 4.3 Die in der Arktis brütende Schneegans (Anser caerulescens) galt lange als reiner capital breeder, doch belegen neuere Studien eine gemischte Strategie, die sich zwischen verschiedenen Populationen unterscheidet. Sowohl in hocharktischen als auch in subarktischen Kolonien stammten etwa 30 % des Eiproteins aus körpereigenen Reserven. Beim Eifett hingegen bezogen die südlichen Brüter 55 % aus Reserven, die Gänse der nördlichen Kolonie nur 22 %. Offenbar hatten die nördlichen Vögel, die im Vergleich zu den südlichen Schneegänsen deutlich größer sind, bereits auf dem Zug einen höheren Anteil der Vorräte aufgebraucht (Hobson et al. 2011).
Allerdings gibt es bei vielen Arten zwischen den einzelnen Populationen und sogar zwischen Individuen unterschiedliche Ausprägungen und Übergänge zwischen beiden Strategien. Man spricht deshalb oft von einem capitalincome breeding continuum (Stephens P. A. et al. 2009). Zudem können sich auch unter ähnlichen Umweltbedingungen beide Strategien herausbilden. Beispielsweise sind Echte Robben (Phocidae) überwiegend capital breeders, Ohrenrobben (Otariidae) hingegen income breeders. Auch bei hocharktischen
Huftieren finden sich beide Strategien und variable Übergänge (Moen et al. 2006; Kerby & Post 2013). Die Anlage von Fettvorräten bringt Fitnesskosten mit sich, die je nach Kontext die eine oder andere Strategie favorisieren können und vor allem bei Vögeln gegen eine vollständige Capital-Breeding-Strategie sprechen (Houston et al. 2006; Sénéchal et al. 2011). Tatsächlich zeigen neuere Untersuchungen an arktischen Gänsen (Abb. 4.3) und Eiderenten (Somateria sp.), die lange als klassische capital breeders galten, dass auch diese Arten einen Teil der benötigten Nährstoffe am Brutort gewinnen. Umgekehrt können kleinere Enten, die als typische income breeders angesehen wurden, Protein- und Fettreserven schon früh akkumulieren und diese dann bei der Eibildung mobilisieren (Janke et al. 2015).
4.2 Life histories: Die Formen der Investitionsstrategien
Der energetische Aufwand der Fortpflanzung stellt an ein Individuum große Anforderungen, die sich als Kosten niederschlagen. Diese Kosten sind messbar; ihre «Währung» ist die Reduktion der Überlebenswahrscheinlichkeit. Eine große Zahl von Studien hat ergründet, auf welche Weise die Kosten zustande kommen. Die Spanne reicht von einer höheren Wahrscheinlichkeit, bei der Brutpflege abgelenkt zu werden und deshalb einem Prädator zum Opfer zu fallen, bis zu physiologischen Erschöpfungsfolgen. Tiere können also ihre Fitness nicht beliebig steigern, indem sie eine unbeschränkte Zahl an Nachkommen produzieren. Vielmehr geschieht die Fitnessmaximierung im Rahmen eines Kompromisses, eines trade-off, zwischen der Maximierung des Fortpflanzungserfolgs und des eigenen Überlebens. Die zur Verfügung stehende Energie kann damit unterschiedlich investiert werden. Allokation der Energie in den Erhalt der Grundfunktionen (des Metabolismus) und das Wachstum fördern eher das Überleben, jene in die Gonaden und in die Jungtiere den Reproduktionserfolg. Die verschiedenen Investitionsstrategien sind im Kern nichts anderes als die Möglichkeiten, die Lebensgeschichte zu gestalten oder, mit anderen Worten, die Essenz der life histories (oder life history strategies). Life-History-Strategien sind oft artspezifisch, können aber auch zwischen Populationen oder sogar zwischen Individuen variieren.
Wesentliche Merkmale von Life-History-Strategien sind das Alter und die Größe eines Individuums bei der ersten Fortpflanzung, die Anzahl und Größe der Nachkommen pro Fortpflanzungszyklus, der Entwicklungsstand der Jungen bei der Geburt und der benötigte Aufwand zur Brutpflege - oder der trade-off zwischen Fortpflanzungsaufwand und Lebensdauer (s. auch Kappeler 2012, Kap. 2, oder Stearns & Hoekstra 2005, Kap. 8). Was bei der vergleichenden Betrachtung artspezifischer Strategien gilt, kann sich beim Vergleich individueller Strategien innerhalb einer Population anders präsentieren, etwa wenn große individuelle Qualitätsunterschiede dazu führen, dass der über die Jahre kumulierte reproduktive Aufwand positiv mit der Überlebensrate korreliert (Moyes et al. 2006).