Kitabı oku: «Ökologie der Wirbeltiere», sayfa 13

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4.3 Alter und Fortpflanzung

Wann soll die Fortpflanzung einsetzen?

Das erste bedeutende Life-History-Problem stellt sich einem Individuum mit der Frage, wann es mit der Fortpflanzung beginnen soll. Bis dahin hat es die Energie ins Wachstum gesteckt, und die natürliche Selektion wirkte vor allem auf die Überlebensrate. Ab der Geschlechtsreife beginnt nun der Alterungsprozess. Das Alter der Geschlechtsreife ist damit ein wichtiger Scheidepunkt und hat größere Auswirkungen auf die Fitness als manche andere Life-History-Merkmale. Frühzeitige und verzögerte Geschlechtsreife bringen sowohl Fitnessvorteile als auch Fitnesskosten mit sich. Zuwarten erlaubt weiteres Wachstum. Größere Körpergröße ist generell mit höherer Fekundität und besserer Qualität beziehungsweise höherer Überlebensrate der produzierten Nachkommen verknüpft. Andererseits ist die Mortalität in der Jugend meist besonders hoch (Kap. 7.1), und mit dem Vorziehen der Geschlechtsreife steigt die Wahrscheinlichkeit, überhaupt zur Reproduktion zu kommen. Zudem erhöht frühere Reproduktion die Generationenfolge, was ebenfalls einen Fitnessvorteil bewirkt. Das Festlegen des optimalen Alters bei der ersten Fortpflanzung (primiparity) ist damit ein typisches Trade-off-Problem. Die Geschlechtsreife sollte demnach so lange aufgeschoben werden, bis die Fitnessvorteile durch größere Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft mit höherer Überlebensrate durch die Nachteile der eigenen geringeren Überlebensrate bis zur Geschlechtsreife und der längeren Generationendauer aufgehoben werden (Stearns & Hoekstra 2005). Beim Goldmantelziesel (Callospermophilus lateralis) zeigte die Auswertung der Daten von 416 Individuen über deren Lebensdauer, dass für sie der Nutzen frühen Reproduktionsbeginns die Kosten überwog, während später Beginn hingegen den Töchtern höhere Überlebenschancen bescherte (Moore J. F. et al. 2016).

Die absolute Dauer des Wachstums ist eine Funktion der Körpergröße, denn es dauert länger, einen größeren Körper auszubilden als einen kleineren. So ist es naheliegend, dass im Vergleich zwischen den Arten das Alter der ersten Fortpflanzung mit der Körpergröße ansteigt. Dass eine ganze Anzahl von Life-History-Merkmalen diesen Zusammenhang zeigt, wurde weiter oben bereits erwähnt. Auch bei Berücksichtigung der größenbedingten Variation findet man zwischen und selbst innerhalb von verwandten Artengruppen immer noch Unterschiede im Alter der Geschlechtsreife. Arten, die später mit der Fortpflanzung beginnen als gleich große Verwandte, haben eine geringere Fekundität, leben dafür aber länger. Es gibt also unabhängig von der Größe Arten mit schnellen und solche mit langsamen life histories (Read & Harvey 1989). Man könnte annehmen, dass dies die relative Höhe des Grundumsatzes (BMR; Kap. 2.1) reflektiert, doch ist dies zumindest bei Säugetieren nicht der Fall (Lovegrove 2009). Vielmehr scheinen trade-offs zwischen Zahl und Größe der Nachkommen einerseits und zwischen Wachstumsgeschwindigkeit und der Zahl der Reproduktionszyklen andererseits eine Rolle zu spielen (Bielby et al. 2007). Primaten sind das Paradebeispiel für Arten mit langsamer life history und entsprechend gut untersucht. Man nimmt heute an, dass der Auslöser für die Evolution solcher life histories in der großen Variabilität der Umwelt zu suchen ist, denn Primaten sind im Allgemeinen auf die Nutzung von Nahrung hoher Qualität bei schwankendem Angebot spezialisiert (Jones J. H. 2011). Gleiches gilt für Fledermäuse, die körpergrößenbereinigt in manchen Merkmalen die langsamste life history aller Säugetiere aufweisen (Read & Harvey 1989).

Die allgemeine Gültigkeit dieser übergeordneten Muster reflektiert die ultimaten Faktoren, nämlich die durch die natürliche Selektion geformten trade-offs innerhalb der Grenzen, die durch den Bauplan, großräumig determinierte Umwelteinflüsse und andere Faktoren gesetzt sind (Kappeler 2012). Im Rahmen dieser Muster ist das Alter bei der ersten Fortpflanzung innerhalb einer Art jedoch keine absolute Größe, sondern kann in Abhängigkeit innerer wie äußerer Einflüsse – sogenannter proximater Faktoren – variieren. Zum Beispiel spielt der Ernährungszustand eine Rolle. Untersuchungen an Huftieren haben gezeigt, dass junge Weibchen mit größerer Körpermasse eher zur Ovulation kommen als leichtere Individuen (Sand 1996; Martin & Festa-Bianchet 2012). Sie müssen dabei aber die Schwelle von etwa 80 % der asymptotischen Adultmasse erreicht haben. Wildschweine (Sus scrofa; Abb. 4.8) sind hingegen eine Ausnahme unter den Huftieren, denn sie können bereits bei 33–41 % der asymptotischen Adultmasse mit der Fortpflanzung beginnen (Servanty et al. 2009).

Die Kondition von Individuen wird oft von der Populationsdichte beeinflusst. So haben viele Studien an Vögeln und Säugetieren gefunden, dass das Alter der erstmals reproduzierenden Individuen bei steigender Dichte zunimmt. Dabei können außer zu geringer Kondition auch andere dichteabhängige Faktoren auslösend sein, beispielsweise der verminderte Zugang zu günstigem Habitat und Territorien (Abb. 4.4). Bei Arten, die in Gruppen leben oder sogar kooperativ brüten, ist die Unterdrückung der Fortpflanzung der jüngeren Gruppenmitglieder über physiologische und Verhaltensmechanismen häufig. Der gegenteilige Effekt, nämlich dass höhere Dichte zu einem niedrigeren Alter bei der ersten Fortpflanzung führt, ist bei Männchen von Arten mit Arenabalz (Kap. 4.9) wie dem Birkhuhn (Tetrao tetrix) nachgewiesen. Die jungen Männchen profitieren von der Anwesenheit zahlreicher Weibchen; bei geringerer Weibchendichte würden die von den Weibchen bevorzugten älteren Männchen die Kopulationen allein bestreiten (Kervinen et al. 2012). Die Erwartung, dass die umweltbedingte Variabilität im Alter bei der ersten Reproduktion im Sinne der genannten trade-offs in maximierte Fitness mündet, hat sich in Studien an verschiedenen Arten zumeist erfüllt. Sogar die Weibchen der antarktischen Weddellrobbe (Leptonychotes weddellii), deren Alter bei der ersten Fortpflanzung mit 4–14 Jahren extrem variiert, können ihre reproduktive Leistung auf diese Weise maximieren (Hadley et al. 2006).


Abb. 4.4 Zusammenhang zwischen der Populationsgröße des Königstyranns (Tyrannus tyrannus) in einem Schutzgebiet im Nordwesten der USA und dem Anteil der Vögel, die als Einjährige zur Brut schritten. Dieser Anteil sank bei zunehmender Dichte, weil jüngere Individuen den älteren bei der Besetzung von Territorien unterlegen waren (Abbildung neu gezeichnet nach Cooper N. W. et al. 2009).

Wie sollen die Investitionen über die Lebensdauer verteilt werden?

Alle Vögel und fast alle Säugetiere sind iteropar, das heißt, sie können sich in ihrem Leben grundsätzlich mehr als einmal fortpflanzen. Die Verteilung des reproduktiven Aufwands der Weibchen über die Lebensdauer ist bei den meisten Arten relativ konstant und steigt in der Regel nach der ersten Fortpflanzung noch etwas an, um dann erst mit Einsetzen der degenerativen Phase des Alterns (senescence) wieder abzusinken. Drückt man den Aufwand hingegen als Kosten für die Überlebenswahrscheinlichkeit aus, so variiert der Verlauf zwischen den Arten stärker. Es zeichnen sich mindestens drei Muster ab, deren Häufigkeiten sowohl zwischen Vögeln und Säugetieren als auch zwischen Prädatoren und herbivoren Arten differieren (Proaktor et al. 2007). Bei Männchen hängt der Verlauf des energetischen Aufwands stärker vom Sozial- und Paarungssystem (Kap. 4.9) ab. Männchen, die wie der Rothirsch stark untereinander konkurrieren, investieren den Großteil des Aufwands in ihrer mittleren Lebensphase (prime age), wenn sie am konkurrenzstärksten sind. Bei skandinavischen Rothirschen entsprach das den Altersklassen zwischen 5 und 8 Jahren, während sich 14-jährige Rothirsche kaum mehr verausgabten (Yoccoz et al. 2002). Diese Strategie ist als reproductive restraint hypothesis beschrieben. Unter Umständen kann es aber auch sinnvoll sein, den reproduktiven Aufwand gegen das Lebensende hin zu steigern, wenn die Überlebensrate ohnehin nicht mehr hoch ist (terminal investment hypothesis). Bei Gämsen (Rupicapra rupicapra) wurde gezeigt, dass die Häufigkeit beider Strategien regional variiert, offenbar in Abhängigkeit von anthropogenen Faktoren und Umweltfaktoren (Mason et al. 2011).


Abb. 4.5 Die Gelbfuß-Beutelmaus (Antechinus flavipes) aus dem östlichen Australien ist eine der Arten, deren Männchen semelpar sind.

Wie das Alter bei der ersten Reproduktion ist auch jenes bei der letzten Reproduktion ein Life-History-Merkmal, das mit der Geschwindigkeit der life history verknüpft ist. Die theoretischen Erwartungen, dass langsame Arten später und langsamer altern als solche mit schneller life history und dass sie damit auch das Alter der letzten Fortpflanzung hinausschieben können, haben empirische Unterstützung durch Daten von Vögeln sowie von Säugetieren gefunden (Møller 2006; Péron et al. 2010). Auch bei Untersuchungen von innerartlicher Variation im Eintritt altersbedingten Nachlassens der Fekundität zeigte sich wiederholt, dass frühzeitige höhere Investitionen in die Reproduktion zu früherem Altern und kürzerer Lebensspanne führten.

Die Männchen einiger kleiner, vorwiegend insektenfressender Beuteltiere Australiens und Südamerikas (Familien Dasyuridae und Didelphidae) sind semelpar (Abb. 4.5). Sie pflanzen sich in einer einzigen Reproduktionsperiode fort und sterben danach. Die physiologischen Mechanismen, die zum Kollaps des Immunsystems und damit zum schnellen Tod führen, sind relativ gut bekannt und hängen mit hohen Konzentrationen der Hormone Testosteron und Cortisol zusammen (Naylor et al. 2008). Hingegen ist die Evolution einer derart schnellen life history, die für Säugetiere völlig ungewöhnlich ist, noch ungenügend verstanden. Möglicherweise hat die kurze Fortpflanzungsperiode, die eng auf das vorhandene Nahrungsmaximum ausgerichtet ist, gepaart mit ohnehin geringen Überlebenswahrscheinlichkeiten, zu extremer vor- und nachkopulatorischer Konkurrenz unter Männchen (Kap. 4.8) geführt, deren Kosten zum körperlichen Zusammenbruch führen (Fisher et al. 2013).

4.4 Evolution der Gelege- und Wurfgröße

Das zweite wichtige Life-History-Problem stellt sich einem Individuum mit der Frage, wie viele Nachkommen es in einem Fortpflanzungsereignis produzieren soll, um die maximale Fitness zu erreichen. Diese misst sich über den kumulierten Fortpflanzungserfolg während der gesamten Lebensdauer (lifetime reproductive success). Einerseits geht es wieder um die Energieallokation, andererseits aber auch um die Gefahr von Mortalität, sodass auch hier tradeoffs resultieren, die der natürlichen Selektion unterliegen und die life histories mitformen. Und wie bei den altersbezogenen Mustern gibt es Spielraum für innerartliche oder individuelle Variation, die von proximaten Faktoren bestimmt wird.

Maximale oder optimale Gelegegröße?

Welches nun die maximal produktive Zahl der Jungen pro Fortpflanzungsereignis ist, wurde besonders an Vögeln intensiv untersucht, da bei ihnen sowohl die Investition (Gelegegröße, Eimasse) als auch der Reproduktionserfolg (Anzahl ausfliegende Junge) relativ einfach gemessen werden können. Ein Pionier der Erforschung dieses Themas war der Brite David Lack (1910–1973); nach ihm ist die maximal produktive Gelegegröße (clutch size) auch als Lack clutch bekannt geworden. Er postulierte, dass die durch die natürliche Selektion geformte maximal produktive und damit optimale Gelegegröße der maximalen Zahl von Jungvögeln entspreche, welche die Eltern bis zum Flüggewerden zu ernähren vermöchten (Lack 1947a). Dies impliziert einen trade-off zwischen der Zahl gelegter Eier und der Wahrscheinlichkeit der Jungen, bis zum Ausfliegen zu überleben.

Die theoretischen Grundlagen zur Erkenntnis, dass sich Kosten der Reproduktion auch in Folgejahren niederschlagen können und trade-offs zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Investition erfordern, wurden erst später entwickelt. Dass solche Kosten existieren, kam weiter oben im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit von life histories bereits zur Sprache. Sie äußern sich beispielsweise in Form erhöhter Mortalität der Adulten oder der Jungen nach dem Ausfliegen. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen trade-offs muss die optimale Gelegegröße etwas kleiner als ein Lack clutch sein. Diese Erwartung ließ sich gut testen, denn es ist einfach, bei Vögeln die Zahl der Eier im Gelege selbst im Freiland experimentell zu manipulieren. Tatsächlich waren die Eltern meistens imstande, auch eine höhere Zahl von Jungvögeln zum Ausfliegen zu bringen, wenn man ihnen zusätzliche Eier ins Nest gelegt hatte. Die von den Vögeln selbst produzierte Gelegegröße war demnach kleiner als die maximal produktive Eizahl. Nun kann man einwenden, dass die Vögel nicht über die Zahl der zu fütternden Jungen limitiert sind, wie man seit Lack angenommen hatte, sondern über die Kosten der Eibildung (Kap. 4.1). In den genannten Experimenten erhielten sie die zusätzlichen Eier ja «gratis». Tatsächlich zeigte sich bei Seevögeln, die man zum Nachlegen stimuliert hatte, dass die Zusatzkosten der Eibildung den Bruterfolg noch in derselben Saison senkten (Monaghan et al. 1998). Bei kleineren Arten, bei denen der Protein- und Lipidbedarf weniger als bei großen ins Gewicht fällt, kamen die Kosten hingegen erst später zum Tragen. In einem Freilandexperiment mit Kohlmeisen (Parus major) vermochten auch Weibchen, die zusätzliche Eier selbst legen mussten, die größere Brut hochzubringen; der erhöhte Aufwand senkte aber ihre nachfolgende Überlebensrate (Visser & Lessells 2001). Dies war in Übereinstimmung mit früheren Befunden, dass Nestlingszahl und Überlebensrate der Eltern negativ korrelieren (Abb. 4.6). Die von den Vögeln selbst realisierte Gelegegröße maximiert also nicht den kurzfristigen Fortpflanzungserfolg über das einzelne Brutgeschäft, sondern die Zahl der Nachkommen über die ganze Lebensdauer. Maximale Fitness realisiert sich, wie erwartet, aus trade-offs zwischen Gegenwart und Zukunft.

Gelegegrößen variieren geografisch mit dem Breitengrad

Wenn also die Eltern einem trade-off zwischen Zahl der Nachkommenschaft und eigenem Überleben unterliegen, so dürfen wir charakteristische Unterschiede in den life histories zwischen verschiedenen Arten wie auch geografische Muster innerhalb von Arten erwarten, weil die natürliche Selektion unter verschiedenen Umweltbedingungen variiert. So nimmt die Gelegegröße vergleichbarer Arten von den Tropen zu höheren Breiten hin zu, was wiederum nach David Lack als Lack’s rule bekannt geworden ist. Kleinere Singvogelarten legen in den Tropen zwei bis drei Eier und in den gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel vier bis sechs, manchmal bis zu zehn Eier pro Brut. Da tropische Vögel als Adulte höhere Überlebensraten als vergleichbare Arten in gemäßigten Breiten genießen und sich über eine größere Lebensspanne hin fortpflanzen können, kommen sie pro Reproduktionszyklus mit geringeren Investitionen aus (Stutchbury & Morton 2001). Dies bedeutet auch, dass sie geringere Risiken auf sich nehmen als die Vergleichsarten in höheren Breiten, was man sogar in einem vergleichenden Experiment nachweisen konnte (Ghalambor & Martin 2001). Allerdings scheint der trade-off nicht den ganzen Unterschied in den Gelegegrößen erklären zu können (Ricklefs 2010), und globale Modelle der Variation finden stets einen positiven Zusammenhang zwischen Gelegegröße und Saisonalität der Umwelt (Jetz et al. 2008; McNamara J. M. et al. 2008; Griebeler et al. 2010). Dies weist auf eine zusätzliche Bedeutung der verfügbaren Nahrung im Sinne von Lack (1947a) hin. Dabei muss es sich nicht unbedingt um das quantitative Angebot handeln, sondern kann auch die Nutzungsmöglichkeiten reflektieren, die sich mit der Zunahme der Tageslänge für fütternde Altvögel polwärts verbessern sollten. Diese plausible Hypothese ist erst kürzlich mit Daten der nordamerikanischen Sumpfschwalbe (Tachycineta bicolor) untermauert worden (Rose & Lyon 2013).


Abb. 4.6 In dem noch von David Lack initiierten langjährigen Forschungsprojekt in Wytham Wood bei Oxford, England, wurde bei Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) die Zahl der Nestlinge zum Zeitpunkt des Schlüpfens manipuliert. Mit zunehmender Größe der Brut sank die Überlebenswahrscheinlichkeit (Punkte: Mittelwerte mit Standardfehler) der Weibchen; bei 15 Jungen war sie um 54 % geringer als bei 3 Jungen. Bei der Aufzucht der großen Bruten hatten die Weibchen im Mittel 15–36 % mehr Körpergewicht verloren als jene mit kleinen Bruten. Die Männchen, die die Jungen nicht huderten, jedoch ebenfalls fütterten, verloren kaum an Gewicht und erlitten keine höhere nachfolgende Mortalität (Abbildung neu gezeichnet nach Nur 1984). Im Mittel «bezahlen» aber vor allem die Männchen mit geringerer Überlebensrate, vermutlich aufgrund ihrer Kapazität zur Leistungssteigerung, während die Weibchen bereits bei Normalbruten am Limit arbeiten und bei vergrößerten Bruten die Fütterungshäufigkeit nicht steigern können; sie überwälzen so ihre potenziellen Fitnesskosten an die Nachkommen (Santos & Nakagawa 2012).

Gelegegrößen variieren auch lokal und zeitlich

Zumindest aber spielt das Nahrungsangebot eine bedeutende Rolle als proximater Faktor für die zeitliche und die individuelle Variation der Gelegegröße, die sich innerhalb der übergeordneten life history und der geografischen Muster abspielt. Zum Beispiel schwanken die Gelegegrößen von Eulen und Greifvögeln, die von Beute mit zyklischen Populationsschwankungen leben (Kap. 9.10), von Jahr zu Jahr sehr stark, bis hin zu totalem Aussetzen der Brut bei Populationstiefs der Nager (Newton 1998). Auch gibt es häufig eine saisonale Variation bei den Gelegegrößen, die ebenfalls auf die verfügbare Nahrungsmenge zurückgeführt wird (s. auch Kap. 4.6). Und schließlich finden wir individuelle Variation, die Ausdruck der Habitatqualität (Kap. 5.6) als auch der Qualität der Eltern ist. Vögel sind offenbar in der Lage, die für sie optimale Gelegegröße zu ermitteln (Williams T. D. 2012). Dies ist unter anderem in einem Experiment mit Elstern (Pica pica) gezeigt worden (Abb. 4.7). Woran die Elstern ihre Möglichkeiten bemaßen, geht aus dem Versuch nicht hervor, doch vermochten sie offensichtlich die Revierqualität abzuschätzen. Dass diese wiederum stark mit der verfügbaren Nahrung korreliert, haben zahlreiche Freilandexperimente gezeigt, in denen zugefüttert wurde. Es ergaben sich weitgehend positive Effekte nicht nur auf die Gelegegröße, sondern auch auf Eigröße, Körpergröße der Küken und auf den Ausfliegeerfolg (Ruffino et al. 2014). Neben dem Nahrungsangebot wird die Habitatqualität auch vom Feinddruck bestimmt, der zu Verhaltensanpassungen bei den Vögeln führen kann (Lima 2009). Eine Studie, bei der die Prädatorendichte manipuliert wurde, fand jedoch, dass in diesem Fall nicht die Gelegegröße, sondern lediglich feiner abstimmbare Parameter wie Eigewicht und Fütterungsfrequenz angepasst wurden (Fontaine & Martin 2006).

Feste Gelegegrößen

Nicht immer führen die Abweichungen vom Lack-Gelege aber zu kleineren Gelegen. Mitunter werden mehr Eier gelegt, als normalerweise Junge aufgezogen werden, zum Beispiel bei größeren Greifvögeln und gewissen Meeresvögeln, bei denen aus einem Zweiergelege oft nur ein Junges hochkommt. Ein zusätzliches Ei kann als «Versicherung» für den Fall dienen, dass der Embryo im ersten Ei abstirbt. Diese Strategie lohnt sich dann, wenn der resultierende Gewinn beim Bruterfolg höher liegt als die Fitnesskosten durch die zusätzliche Eiproduktion (Townsend & Anderson 2007). Bei Greifvögeln und einigen anderen Familien wird das kleinere Junge oft vom größeren Geschwister umgebracht und verzehrt (Kap. 4.5). In allen diesen Fällen ist ein adaptiver Vorteil zu erkennen, nicht aber bei den Pinguinen der Gattung Eudyptes, deren erstgelegtes Ei kleiner als das zweite ist und kaum je zu einem Jungen führt. Offenbar sind diese Pinguine bei ihrer Entwicklung hin zu einer langsamen life history bisher nicht in der Lage gewesen, das unnötige Zweiergelege auf ein Ei zu reduzieren (Stein & Williams 2013). In einigen Verwandtschaftsgruppen ist die Eizahl phylogenetisch fixiert, ohne dass man aber wie bei den Pinguinen von einer Fehladaptation sprechen kann. Sturmvögel, zum Beispiel Albatrosse, legen immer ein einziges Ei; bei einigen Gruppen sind es zwei (zum Beispiel Kolibris), und bei den meisten Watvögeln sind es vier Eier pro Gelege. Solche Unveränderlichkeit ist erstaunlich, wenn sich doch bei den meisten anderen Arten dieses fitnessrelevante Merkmal gerade durch Variabilität auszeichnet. Diverse Experimente haben gezeigt, dass Watvögel auch mehr als vier Junge aufziehen könnten, weil die Betreuung von Nestflüchtern (s. unten) geringe Kosten verursachen; die Limitierung liegt eher beim Bebrütungsaufwand (Sandercock 1997; Lengyel et al. 2009).


Abb. 4.7 Experimentelle Vergrößerung und Verkleinerung der Nestlingszahl in Nestern der Elster (ursprüngliche Gelegegröße von 5–8 Eiern) haben gezeigt, dass die nicht manipulierten Brutgrößen, d. h. jene, die aus den ursprünglichen, von den Elstern selbst gewählten Gelegegrößen hervorgingen (Pfeil), jeweils die höchste Zahl flügger Nestlinge produzierten (Abbildung neu gezeichnet nach Daten von Högstedt 1980).

Wurfgrößen der Säugetiere

Bisher wurden in diesem Kapitel ausschließlich Vögel behandelt. Der Grund liegt darin, dass die besprochenen Aspekte hauptsächlich an Vögeln untersucht wurden, weil diese größtenteils Eier in offene Nester legen. Entsprechende Untersuchungen an Säugetieren sind in der Regel viel schwieriger. Deren Resultate zeigen aber, dass die vorgestellten Prinzipien und Mechanismen sinngemäß auch für die Evolution der Wurfgrößen der Säugetiere gelten. Trade-offs zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Reproduktion existieren auch bei ihnen. Langlebige größere Säuger demonstrieren besonders schön, wie Arten mit langsamer life history das eigene Überleben auf Kosten maximalen reproduktiven Aufwands favorisieren (Hamel et al. 2010). Vor allem für Arten, die unter variablen Umweltbedingungen leben, wie Huftiere in Gebirgen oder borealen Habitaten, sind solche risikobewussten Strategien von großer Bedeutung (Bårdsen et al. 2008). Kurzlebige Arten wie Nagetiere halten eher den Aufwand hoch und nehmen dafür höhere Mortalität in Kauf (Hamel et al. 2010). Allerdings scheint auch diese Strategie ihre Grenzen zu haben, denn unter Druck durch spezialisierte Prädatoren (vor allem Wiesel Mustela sp.) können Wühlmäuse ihre reproduktive Aktivität einschränken, indem viele Weibchen nicht in den Östrus kommen (breeding suppression hypothesis). Offenbar lohnt sich dies aber nur, wenn bei geringer Wühlmausdichte das Pro-Kopf-Risiko besonders hoch ist (Jochym & Halle 2012).

Auch bei Säugetieren gibt es geografisch und phylogenetisch bestimmte Muster der Wurfgröße. Gleich den Vögeln nimmt die Wurfgröße bei kleinen Säugern polwärts zu. Bei größeren Arten ist dieser Effekt erst jüngst für das Wildschwein belegt worden (Abb. 4.8). Bei Prädatoren hingegen scheint keine solche Beziehung zu bestehen, doch können Wurfgrößen in Abhängigkeit von der Nahrungsverfügbarkeit schwanken, wenn die Hauptbeute selbst großen Bestandsveränderungen unterworfen ist. Wo dies nicht der Fall ist, kann sich auch eine konstante «adaptive» Wurfgröße einstellen, die bei skandinavischen Luchsen (Lynx lynx) zwei Junge beträgt; ein oder drei Junge führten zu geringerer Fitness für das Weibchen, unabhängig von intrinsischen und extrinsischen Unterschieden (Gaillard et al. 2014). Und wie bei Vögeln ist auch bei Säugetieren die Wurfgröße in verschiedenen taxonomischen Gruppen unveränderlich. Zum Beispiel produzieren die meisten Fledermäuse nur ein einziges, relativ schweres Junges pro Jahr, was in Anbetracht der langen Lebensdauer (auch kleine Fledermäuse können >30 Jahre erreichen) ausreicht. Damit sind sie die Ordnung unter den Säugetieren, welche die relativ langsamste life history aufweist (Read & Harvey 1989).


Abb. 4.8 Mittlere Wurfgröße bei europäischen Populationen des Wildschweins in Abhängigkeit der nördlichen Breite (Potenzfunktion r2 = 0,76). Es ist anzunehmen, dass ähnliche Mechanismen wie bei den Vögeln zu der Zunahme von Süd nach Nord führen, nämlich trade-offs zwischen Überlebensrate und Produktivität, die über die Saisonalität der Nahrungsverfügbarkeit gesteuert werden (Abbildung neu gezeichnet nach Bywater et al. 2010).

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