Kitabı oku: «Auf die Dämmerung folgt die Finsternis», sayfa 2

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Es liegt auf der Hand, dass vor allem die „kleineren“ Staaten in einem Bündnis mit einer Großmacht sich mit kritischen Äußerungen mehr als nur „zurückhalten“. Die Frage bleibt trotzdem, ob die großen Ideen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, die das westliche Bündnis für sich reklamiert, derartige „Pervertierungen“ wie die oben benannte wirklich auf Dauer „aushalten“ kann. Oder ob sie doch letztlich an Bedeutung entscheidend verlieren und die Glaubwürdigkeit der politischen Eliten nachhaltig beschädigen können. Bis heute konnte das insofern verhindert werden, weil die mediale und politische „Propaganda“ dem Bürger erfolgreich suggeriert, dass er das Glück habe, in der besten aller Welten zu leben, was ihm das zutiefst undemokratische Gefühl gibt, über den Bürgern außerhalb der westlichen Welt zu stehen.

Was in den Erkenntnissen von Dulles dagegen keine Rolle spielte, war ein entscheidendes Moment der Entstehung des kommunistischen Machtblocks: sein Entstehen war unmittelbar damit verbunden, dass bis 1945 alle Machtwechsel nur durch die beiden Weltkriege herbeigeführt wurden. Nach dem I. Weltkrieg gelangten die Bolschewiki nicht zuletzt durch die militärischen Niederlagen und den Zerfall der Zarenherrschaft an die Macht, mit dem Sieg der Alliierten war verbunden, dass die Sowjetunion die kommunistisch regierten Volksdemokratien durchsetzen konnte, während in China nach dem Sieg über Japan die Kommunisten die Kuomintang im Bürgerkrieg besiegten. Es hätte also nahegelegen zu erkennen, dass nur mit diesen Kriegen die kommunistische Machtergreifung möglich wurde. Einzig in Kuba führte – mit dem Sieg Fidel Castros und seiner wirklichen Volksarmee über den Diktator Batista – ein revolutionärer Aufstand letztendlich zum Sturz der herrschenden Klasse. Die Schlussfolgerung, dass Kriege zur kommunistischen Herrschaft geführt hatten, hätte somit eine bessere Alternative dargestellt. Die Bilanz des permanenten Kampfes gegen den Kommunismus, der zu Kriegen und Bürgerkriegen führte, ist verheerend, wenn man die Opfer unter der Zivilbevölkerung für den Zeitraum 1945 bis 1990 zusammenfasst.

Korea-Krieg 1950-53 wahrscheinlich über 2 Millionen tote Zivilisten durch pausenlose Bomben- und Napalm-Angriffe9;

Vietnam 1964-74 über 1 Millionen tote Zivilisten durch pausenlose Bomben- und Napalm-Angriffe;

Ermordete Zivilisten in von den USA forcierten Bürgerkriegen und Militärputschen:

Militärputsch in Indonesien 1965-66 mit 800.000 ermordete Zivilisten

Süd- und Mittelamerika (Chile, Haiti, El Salvador, Nicaragua u. a.) mehr als 150.000 ermordete Zivilisten

Es sind also vier Millionen toter Zivilisten (oder mehr), die Opfer des Kampfes gegen den Kommunismus der USA wurden. Während – siehe oben – die Kriege entweder in einem „Patt“ endeten, wie in Korea, als am Ende die bleibende Teilung des Landes wie vor Kriegsbeginn weiter bestand. Der Vietnam-Krieg endete nicht nur mit einer Niederlage, sondern führte zur Herrschaft der Kommunisten in ganz Vietnam.

Kein Land der Erde, nicht einmal die Sowjetunion, hat ein solches Schuldkonto. Ganz abgesehen davon, dass die „Sozialistische Staatengemeinschaft“ sich 1989 auflöste, ohne dass „ein Schuss“ fiel. Aufschlussreich ist, dass das westliche Denken, dass der Demokratie und den Menschenrechten verpflichtet sein will, hier von einer „Verschwiegenheit“ ist, die von einem Zynismus zeugt, der seinesgleichen sucht.

Im Weiteren werden dann die Abläufe der genannten Kriege und Bürgerkriege dokumentiert.

Parteidiktatur statt Sozialismus

Dass die „Diktatur des Proletariats“ im Zeichen von Stalinismus und poststalinistischer Herrschaft in hohem Maße einen „Klassenkampf“ gegen kritische Stimmen und Bewegungen geführt hat, musste – nachdem die Machtkämpfe nach 1945 entschieden worden waren – auf Dauer dazu führen, dass die ursprünglich Idee des Sozialismus als einer gerechten Gesellschaftsordnung seine Überzeugungs- und Gestaltungskraft immer weiter verlor. Abgesehen davon, dass die „Planwirtschaft“ in der zentralen Frage der schnelleren wirtschaftlichen Entwicklung – gegenüber der kapitalistischen Marktwirtschaft – scheiterte. In Konfliktsituationen wie in der DDR 1953, in Ungarn 1956, in Polen 1956, in der ČSSR 1968 übernahm das Militär die Niederschlagung jeder Protestbewegung und ein politisches Strafrecht sorgte dafür, dass kritische Bewegungen jederzeit unterdrückt werden konnten. Die zwei ernsthaften Versuche, militärisch auch außerhalb der eigenen Sphäre einzugreifen führten zu internationalen Konflikten. Beide – die Raketenstellungen in Castros Kuba und die Intervention in Afghanistan – werden in anderen Zusammenhängen untersucht werden.

Eine grundlegende Erfahrung der Zeit des „Kalten Krieges“ sind Funktion und Bedeutung von Feindbildern und ihr nachhaltiger Einfluss auf Wahrnehmung und Beurteilung sowohl der gegnerischen als auch der eigenen Welt. Dass in der Welt des Gegners vor allem nur das wahrgenommen wird, was die grundsätzliche Ablehnung bestätigt, ist in der Regel kontraproduktiv, aber propagandistisch nicht unwirksam. Wenn solche Feindbilder zwanghaft dafür eingesetzt werden, um den Diskurs zu Problemen oder Konflikten im eigenen Bündnis, Verstöße gegen demokratische Grundlagen, Missachtung der Menschenrechte, willkürliche Herrschaftsmuster usw. usf. einzuschränken bzw. zu unterbinden, wird die Deformation des öffentlichen Bewusstseins alltäglich. Aus den politischen Akteuren werden unfehlbare Führungsgrößen. Die Demokratie wird zur glänzenden „Hülle“, die verdeckt, was die wirklichen Aufgaben der gesellschaftlichen Entwicklungen und vor allem Veränderungen sein müssten.

Über Jahrzehnte war die nukleare Abschreckung der hochgerüsteten Bündnisse Ost contra West in makabrer Weise die wirksamste Form der Verhinderung des III. Weltkrieges. Auch wenn dieser auf diese Weise verhindert werden konnte, bleibt die Frage, ob es nicht doch andere Überlegungen gab, für die Neugestaltung der Beziehungen zwischen beiden Blöcken eine Alternative zur Abschreckung zu finden.

Für das Verbot der Atomwaffen

Ende der 40er Jahre formierte sich in Europa, insbesondere in Frankreich und Italien, im Verbund mit der Sowjetunion und weiteren osteuropäischen Staaten eine „Weltfriedensbewegung“, in der sich Politiker, Wissenschaftler, Künstler, Publizisten u. a. im „Weltfriedensrat“ genannten Gremium mit Kongressen, Publikationen, Aufrufen gegen jeden Krieg stellten und auf die Gefahren eines Atomkrieges aufmerksam machten. Dieser Bewegung schlossen sich bedeutende Künstler an wie Pablo Picasso, Louis Aragon, Elsa Triolet, Renato Guttuso, Pablo Neruda, lja Ehrenburg, Jorge Amado, Italo Calvino, Paul Eluard, Arnold Zweig, Anna Seghers, Ivo Andric, Carlo Levi u.a., Wissenschaftler wie die Atomphysiker Frédéric und Irene Joliot-Curie, John Desmond Bernal und György Lukács, sozialistische und kommunistische Politiker, darunter der Sozialist Pietro Nenni (Italien), der Kommunist Yves Farge (Frankreich) und Konni Ziliacus (Labour Politiker), der Sänger Paul Robeson (USA), der Bürgerrechtler Wiliam E. Dubois und Kirchenvertreter, unter ihnen der Dekan von Canterbury Hewlett Johnson. Es war eine im weitesten Sinne linke aber offene Bewegung, die der Hoffnung vieler Menschen, dass es nie wieder Krieg geben dürfe, eine Stimme gab. In gewisser Hinsicht war sie eine seltene Gemeinschaft von international bedeutenden Künstlern, Wissenschaftlern und Persönlichkeiten aus Politik und Parteien, die an die Erfahrungen des antifaschistischen Kampfes in den dreißiger Jahren erinnerte. In der westlichen Welt und der bürgerlichen Presse wurde sie ignoriert oder diskreditiert, vor allem, weil sie von Kommunisten initiiert worden war und sowjetische Vertreter aktiv mitarbeiteten.

Am 19. März 1950 trafen sich die Vertreter des „Ständigen Komitees des Weltkongresses der Kämpfer für den Frieden“10 aus dem der Weltfriedenrat hervorging und verabschiedeten den nach dem Tagungsort benannten „Stockholmer Appell“:

„Wir fordern das absolute Verbot der Atomwaffe als einer Waffe des Schreckens und der Massenvernichtung der Bevölkerung.

Wir fordern die Errichtung einer strengen internationalen Kontrolle, um die Durchführung des Verbotes zu sichern.

Wir sind der Ansicht, daß die Regierung, die als erste die Atomwaffe gegen irgendein Land benutzt, ein Verbrechen gegen die Menschheit begeht und als Kriegsverbrecher zu behandeln ist.

Wir rufen alle Menschen der Welt, die guten Willens sind, auf, diesen Appell zu unterzeichnen!“

In zahlreichen Ländern sammelten Aktivisten in der Folgezeit Unterschriften. Nach Unterlagen des Komitees waren es etwa 500 Millionen Menschen, die unterschrieben, mehrheitlich in der Sowjetunion, China und den europäischen Volksdemokratien. In den anderen Ländern Europas und in Amerika unterschrieben gut 100 Millionen Menschen. Diese weltweite Resonanz war und blieb bis heute einmalig.

Während in Westeuropa die Angst grassierte, dass sowjetische Panzer „morgen“ in Paris einziehen würden, führte Frankreich Krieg in Indochina. Französische und belgische Hafenarbeiter weigerten sich, Schiffe mit Kriegsmaterial zu entladen. Die 21jährige Französin Raymonde Dien legte sich auf die Schienen, um einen Zug mit Waffen für den Kolonialkrieg in Indochina aufzuhalten. Und am 25. Juni begann der Koreakrieg… Drei Jahre später starb Stalin, 1956 deckte Nikita Chrustschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU erste Verbrechen des Diktators auf. Im gleichen Jahr schlug die „Rote Armee“ den ungarischen Volksaufstand nieder, eroberte Israel die Sinai-Halbinsel, während Frankreich und Großbritannien Luftangriffe auf Ägypten flogen, um die Hoheit über den Suezkanal zurückzugewinnen. Ein energisches Veto von USA und Sowjetunion führte zum Abbruch der Angriffe. Die beiden Großmächte wiederum forcierten die atomare Hochrüstung mit der Entwicklung der Wasserstoffbombe und ihren Atomtests. Die weltweiten Ängste vor einem Nuklearkrieg wuchsen weiter, ebenso wie die Angst vor dem Kommunismus in den USA, wo alle kommunistischer Umtriebe Verdächtigen vor das Tribunal des Senators McCarthy gezerrt wurden.11

Frankreich im Zwiespalt

Die letzten Schüsse des II. Weltkrieges waren kaum verhallt und die Wunden noch längst nicht verheilt, als die „Grande Nation“ wieder in den Krieg zog. Dass erste Ziel war Rückgewinnung der südostasiatischen Kolonie Indochina. Ausgerechnet ein Land, das eine fast fünfjährige Besatzungszeit erlitten hatte, zog in einen Krieg, um ein anderes Land zu unterwerfen und zu besetzen. Bis 1954 dauerte der Krieg, bis die vietnamesische Befreiungsfront bei Dien Bien Phu den entscheidenden Sieg errang und die französische Kolonialherrschaft beendete. Frieden fand Vietnam noch lange nicht.

Zeitgleich mit der Niederlage begann der Algerienkrieg, der bis 1962 andauerte und von einer grausamen Kriegsführung geprägt war. Bis sich schließlich die französischen Regierung dafür entschied, Algerien in die Unabhängigkeit zu entlassen. In diesen Jahren wuchs in Frankreich selbst der Widerstand gegen diesen Kriege, Hafenarbeiter weigerten sich Schiffe mit Waffen zu beladen oder zu entladen, ständige Proteste gehörten zum Alltag, Wissenschaftler und Künstler übten scharfe Kritik. Der Staat verhängte eine scharfe Zensur, um alle kritischen Äußerungen zu unterdrücken. Noch unter dem Eindruck dieser Repressionen begann die studentische Revolte für eine demokratische Erneuerung, für die Überwindung der bürgerlichen strikt konservativen Moral, für die Freiheit der Meinung. Es waren die Söhne und Töchter der bürgerlichen Eliten, die den Aufstand anführten, dem sich viel Künstler und Intellektuelle anschlossen. Gegen die Rebellen setzte der Staat auf Gewalt, die zur Gegengewalt führte, bis ein Weg frei wurde, für eine tiefgehende Veränderung der Gesellschaft, auch wenn die ökonomische Basis unverändert blieb. Als die Zeit der Revolte vorbei war, wählten die Franzosen mehrheitlich die konservativen „Gaullisten“, die so das Land erneut regierten.

Exkurs Israel und die Palästinenser – der endlose Konflikt

68 Jahre dauert der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern an. Ein Zeitraum, der den aller anderen Konflikte weit überschreitet. Und es erscheint eher wahrscheinlich, dass er auch nach einhundert Jahren nicht gelöst werden kann. Sein Ausgangspunkt ist entweder nicht bekannt oder schnell zum Tabu geworden: Es beginnt alles damit, dass der Staat Israel ungefähr 800.000 Palästinenser den Grund und Boden nimmt und gewaltsam vertreibt. Eine „ethnische Säuberung“, die vom militärischen Arm des Widerstandes gegen die britische Herrschaft in Palästina während des II. Weltkrieges, der Hagana, mit aller Härte vollzogen wurde. Dass damit auch Raum für die jüdischen Einwanderer, unter ihnen die überlebenden europäischen Juden, geschaffen wurde, rechtfertigt die gewaltsame Vertreibung nicht. Die Reaktion der arabischen Nachbarstaaten, die ihrerseits mit einem militärischen Angriff den Staat Israel vernichten wollten, erreichte – unabhängig von ihrem Scheitern – nur eins, nämlich die Verschärfung des Konflikts, bei dem es den beteiligten arabischen Staaten von da an nur noch um die Zerstörung Israels ging. Die Palästinenser mussten ein Leben in Lagern auf sich nehmen, als „Faustpfand“ im Krieg gegen Israel, dessen Vernichtung politisches Ziel Ägyptens, Syriens, Jordaniens und des Libanons war. An einer Integration der Palästinenser waren diese nicht im Geringsten interessiert – im Gegenteil. Was wie ein Kampf David gegen Goliath aussah, änderte sich für die kommenden Jahrzehnte radikal, weil Israel eine hochmoderne Armee aufbaute, die an Kampfkraft zu allen Zeiten weit überlegen war. Nach dem ersten Krieg 1956 folgten weitere, die regelmäßig die Israelis als Sieger sah. Mit der Gründung der PLO unter Arafat entstand eine politisch-militärische Organisation der Palästinenser, der später weitere, noch radikalere Gruppen folgten, deren einflussreichste die „Hamas“ wurde. Es folgten die Jahre des Terrors unter Arafats Führung, bekannteste Gruppe war der „Schwarze September“. Dass Terrorismus schreckliche Konsequenzen hat und trotz aller Opfer erfolglos bleibt, ist das eine; dass Terrorismus immer dann entsteht, wenn klar wird, dass die Ziele – in diesem Falle die der Palästinenser – unerreichbar geworden sind, das andere. Mit dem Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland verschärften sich die Spannungen weiter, Proteste der Bewohner – die „Intifada“ – verhärteten den Konflikt. Es kam die schreckliche Zeit der „Selbstmordattentäter“.

Nur eine kurze Zeit schien es, dass eine Friedenslösung gefunden werden könne, als nach langen Verhandlungen Yitzhak Rabin und Yassir Arafat unter Clintons Moderation 1993 in Washington das „Oslo I“ genannte Friedensabkommen12 abschließen konnten. Die Hoffnung hielt nur wenige Tage. Yizhak Rabin, einst als führender Militär ein erfolgreicher und angesehener Soldat, traf in Israel auf erbitterten Widerstand und wurde von einem rechten Fanatiker nach einer Kundgebung am 4. November 1995 ermordet. In den folgenden Jahrzehnten konservativer Regierungen in Israel, die sich nicht zuletzt den Siedlern im Westjordanland verpflichtet sahen, rückte eine Lösung in immer weitere Ferne. Der Konflikt mit der „Hamas“, die im Gazastreifen die Macht ausübte und mit den widerständischen Gruppen aus dem Westjordanland kooperierte, führte zu militärischen Auseinandersetzungen mit wechselseitigem Raketenbeschuss mit zumeist zivilen Opfern, zu Attentaten vor allem junger Palästinenser in Israel…

Bis 1990 wurde Israel von der westlichen Welt massiv unterstützt, während die Palästinenser von den sozialistischen Staaten zumindest politische Unterstützung erhielt. Dass die USA und die westeuropäischen Staaten bedingungslos zu Israel standen, war darauf begründet, dass der jüdische Staat auch deshalb geschützt werden musste, weil er den Opfern des „Holocaust“ geschuldet war. Eine Position, die eindeutig ihre Berechtigung hatte. Dass die Gegenreaktion des sozialistischen Bündnisses zur Unterstützung der Palästinenser und arabischer Staaten führte, war – angesichts des „Kalten Krieges“ – eher unvermeidlich.

In den Jahren nach 1990 dominierte anfänglich eine Politik, die die Interessen der Konfliktparteien beiderseitig ernst nahm. Nur deshalb konnte das Friedensabkommen von 1993 erreicht werden. Allerdings auch, weil mit Yitzhak Rabin ein Mann des Friedens an der Spitze des Staates Israel stand und Arafat ebenso bereit war, einer friedliche Lösung, die nicht alle Forderungen der Palästinenser erfüllen würde, zuzustimmen. Mit der „Rückkehr“ zur „einseitigen“ Unterstützung Israels vor allem unter der Regierung Netanyahu verringerte sich Schritt für Schritt jede Einflussnahme auf die israelische Politik, die im Umgang mit den Palästinensern auf militärische Optionen setzte, um auch den Siedlungsbau im Westjordanland weiter forcieren zu können. Da sich Netanyahu sicher sein durfte, dass auch im Zweifelsfall die westliche Allianz zu ihm stehen würde, konnte er folgenlos jede Kritik ignorieren. Die alltägliche Gewaltspirale darf eine Erkenntnis nicht „überdecken“: Netanyahu könnte jederzeit befehlen, die „Hamas“ im Gazastreifen zu zerschlagen. Dass er aus Rücksicht auf internationale Kritik davon absieht, ist mehr als unwahrscheinlich, denn er „braucht“ diese militante „Hamas“ als Begründung dafür, dass das militärische Vorgehen gegenüber der Konfliktlösung auf dem Verhandlungswege die Priorität besitzt.

III.2 Zwischen Konfrontation und Koexistenz

Möglich oder wahrscheinlich?

1960 entwickelte Erich Fromm13 seine fundamentalen Überlegungen zu Kriterien einer vernünftigen Außenpolitik, die er am Beispiel westlichen Politikverständnisses beschrieb. Er benannte zwei „Faktoren“ unvernünftigen Denkens, „die unseren Wirklichkeitssinn in Fragen der Außenpolitik trüben, (es) gibt zwei sehr gefährliche und häufig auftretende Formen: das paranoide und das projektive Denken.“14

Paranoides Denken – so Fromm – fragt ausschließlich danach, ob etwas möglich ist, vernünftiges Denken fragt sowohl danach, ob etwas möglich ist, als auch – und genau das ist der „springende Punkt“ ob es tatsächlich wahrscheinlich ist. Wobei hier beachtet werden sollte, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit unterschiedlich ausfallen kann – von hoher Wahrscheinlichkeit bis unwahrscheinlich.

„Wesensmerkmal projektiven Denkens ist, das in uns steckende Böse auf eine außenstehende Persönlichkeit zu projizieren, so daß diese zum Inbegriff des Bösen wird, während wir selbst dabei vollkommen gut und rein sind.“15 Soweit Fromms sozialpsychologische Interpretation. Übertragen auf die westliche Sicht auf den Kommunismus führt das projektive Denken zu der „Überzeugung“, dass die anderen keine Menschen sind, die nur als skrupellos, bösartig und ungeheuer stark wahrgenommen werden müssen. Dagegen verkörpert die westliche Welt das Gute, die Gerechtigkeit, kurz sie allein ist moralisch vollkommen und muss das „Böse“ – wie es einst der Drachentöter Georg tat – mit allen Mitteln bekämpfen.

Fromm schließt mit der brisanten Feststellung: „Oft verwandelt paranoidprojektives Denken Annahmen in Tatsächlichkeiten und produziert auf diese Weise sich selbst bestätigende Vorhersagen.“16

Im Folgenden geht es um exemplarische Konfliktfelder zwischen Ost und West nach 1945, die unter Nutzung der Kriterien Fromms untersucht werden. Als John Foster Dulles die Gefahr permanenter Bedrohung der westlichen Welt durch den Kommunismus beschwor, kann man ihm insofern folgen, dass dieses Szenario theoretisch als möglich angesehen werden konnte. Nach seiner Logik, die ihn zu seiner „Domino-Theorie“17 führte, war die Gefahr todernst. Schließlich prägte die Vorstellung der „Weltrevolution“ die kommunistische Theorie, in der bekanntlich das Proletariat als „Totengräber des Kapitalismus“ angesehen wurde. Wie aber stand es nun um die Wahrscheinlichkeit eines kommunistischen Angriffs speziell auf die USA? Bezogen auf die Sowjetunion war die Wahrscheinlichkeit selbst zu Stalins Zeiten zweifellos äußerst gering. Sieht man von regionalen Vorstößen ab, stand die Sowjetunion angesichts der verheerenden Folgen des „Großen Vaterländischen Krieges vor existentiellen Problemen: die Lebensverhältnisse waren für Millionen Menschen katastrophal – kaum Wohnraum in den zerstörten Städten und Dörfern, eine immens eingeschränkte Versorgung mit Lebensmitteln und dazu die Umstellung der Industrie von Kriegsproduktion auf Friedenswirtschaft, verbunden mit der Wiederherstellung der wichtigsten Industriestandorte in den riesigen von der deutschen Wehrmacht verwüsteten Gebieten. Die Demobilisierung der Millionen Soldaten war eingeleitet. Nicht, dass Stalin eine militärische Konfrontation um jeden Preis vermieden hätte, aber die Vorstellung, dass die „Rote Armee“ zum Angriff auf die USA bereitgestanden hätte, ist doch wohl absurd, und geradezu ein „Musterbeispiel“ für ein paranoides und projektives Denken. Mit der Gründung der NATO bestand in Europa ein mächtiges Militärbündnis, das Mitte der 50er Jahre durch die deutsche Bundeswehr verstärkt wurde.

Bleiben noch die lateinamerikanischen Länder, sozusagen „Aufmarsch-Gebiet“ für den kommunistischen Ansturm auf die USA. Richtig ist, dass über Jahrzehnte hinweg enorme Spannungen in dieser Region herrschten. Ausbeutung und Armut – nicht zuletzt auch verursacht durch die Ausplünderung durch US-Konzerne – führten zu oft spontanen Aufständen, zum Widerstand demokratischer Gruppierungen und zu einem wachsenden Einfluss kommunistischer Parteien, die wie etwa in Mexiko stark genug waren, um in politischen und sozialen Konflikten wirksam Einfluss zu nehmen. Auch in anderen Ländern waren die zumeist gut organisierten, wenn auch kleinen kommunistischen Parteien neben den Gewerkschaften und anderen antikapitalistischen Parteien aktiv, auch aus der Illegalität heraus. Die Gegenkräfte – die politischen und wirtschaftlichen Eliten – waren in der Regel eng mit den USA verbunden. Sie stützten sich auf einen Sicherheitsapparat, der im Kommunismus den Feind sah, der ausgeschaltet werden musste, sei es auch durch Verhaftung, Folter und Mord. Besondere Bedeutung kam dem Militär und seiner Führung zu. Zum ersten war in diesen Ländern die Armee vor allem ein innenpolitischer Machtfaktor, weniger ein Schutz vor Angriffen von außen. Die Mehrzahl der führenden Militärs war in den USA ausgebildet und folgte der antikommunistischen Doktrin und somit den eigentlichen „Intentionen“ der US-Administration, also der unbedingten Sicherung amerikanischen Besitzes in Lateinamerika. Sicher bestand die latente Möglichkeit von Aufständen, die Wahrscheinlichkeit einer kommunistischen Revolution war zumindest bis auf eine Ausnahme gering, und, wie sich in den folgenden Jahrzehnten gezeigt hat, ausgeschlossen. Wo die Unruhen zu groß erschienen, ersetzten Diktatoren oder Militärdiktaturen die Regierungen. Im Zweifelsfall mit der nachdrücklichen Unterstützung des US-Außen-ministerium bzw. der CIA.

Vor der Küste Floridas

Als Fidel Castro 1956 nach der Landung der „Granma“ an der kubanischen Küste mit seinen zwölf überlebenden Gefährten in die Berge entkommen konnte, war er entschlossen die Herrschaft des Diktators Batista zu beenden. Dass er damals bedachte, dass dieser Batista ein Herrscher von Gnaden der USA war, der gewalttätig und korrupt Kuba zu einem „Eldorado“ der Glücksspieler und –ritter, des Jet-Set, der US-Unternehmer, die ihre Profite mit Zucker und der Mafia gemacht hatten, liegt nahe. Was ihm sicher nicht in den Sinn kam, war die Vorstellung, dass er und seine Genossen sich über Jahrzehnte in der Konfrontation mit den USA würden behaupten müssen. Anfang Januar 1959 hatte Castros Rebellenarmee gesiegt, weil sie den entscheidenden Rückhalt in der kubanischen Bevölkerung hatte. Dass mit dieser Revolution folgerichtig die radikale Veränderung der Besitzverhältnisse auf der Insel verknüpft war, führte unvermeidlich dazu, dass die USA und die Exilkubaner, darunter die einstigen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Eliten, sich gegen Castro stellten. Die CIA sah es als ihre vorrangige Aufgabe, Castro zu stürzen, und schuf eine Armee der Exilkubaner. Am 17. April 1961 landete diese Armee in der Schweinebucht. Ihr Angriff scheiterte, bevor er richtig begonnen hatte. In den Monaten zuvor hatte der Comandante en jefe sich der Sowjetunion angenähert, als nach der Verstaatlichung von US-Firmen die USA ein Handelsembargo verhängt hatte. (Es wurde erst 2016 davon gesprochen, dieses aufzuheben.)

Nach der Zerschlagung der Invasion von 1961 war die existentielle Bedrohung Kubas in keiner Weise gebannt. Insgeheim wurden auf Chrustschows Befehl sowjetische Atom-Raketen auf Kuba stationiert. Trotz des kubanisch-sowjetischen Militärabkommens verstieß Chrustschow damit gegen ein ungeschriebenes „Abkommen“, laut dem die beiden Großmächte die Politik der anderen Seite im eigenen Herrschaftsbereich offiziell akzeptierten. Da Kuba nicht Mitglied des „Warschauer Pakts“ war, sahen sich die USA direkt bedroht von einem Staat, der auch noch zuvor zu ihrem Herrschaftsbereich gehört hatte. Als die Raketenstellungen entdeckt worden waren, begann die „Kuba-Krise“, die die Welt an den Rand eines Nuklearkrieges führte.

Fügt man hinzu, dass sowohl Kennedy als auch Chrustschow von militärischen und politischen Hardlinern „gedrängt“ wurden, die „ihren“ atomaren Waffengang führen wollten, war die Menschheit in höchster Gefahr. Aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit fanden Kennedy und Chrustschow eine Lösung. Im Wesentlichen folgten beide Fromms Theorie. Es war das erste und das letzte Mal, dass sie sich erfolgreich bewähren konnte. Beiden Staatsmännern war bewusst, dass ein Atomkrieg möglich war. Die Frage war also, ob er wahrscheinlich war. Und er war nicht unwahrscheinlich. Also war die Schlüsselfrage, ob der „Gegenspieler“ wirklich so weit gehen könnte, die erste Atombombe zu zünden. Schließlich, sicher mit Unterstützung geheimer Emissäre, gingen beide, davon aus, dass der andere nicht so weit gehen würde. Man kann annehmen, dass sich beide Staatsmänner 1961 in Wien persönlich begegnet waren und ausführliche Gespräche geführt haben18, ebenso wichtig könnte gewesen sein, dass beide persönliche Kriegserfahrungen besaßen. Kennedy war als Soldat im Weltkrieg verwundet worden und hatte einen Bruder verloren. Als ihn die Generäle wissen ließen, dass sie 50 bis 70 Millionen tote US-Amerikanern einkalkulierten, entschied er sich, alles zu versuchen, um einen Krieg zu verhindern. Chrustschow hatte als Mitglied des Kriegsrates der UdSSR den schweren Kampf der „Roten Armee“ oft unmittelbar begleitet. Er kannte das ungeheuerliche Ausmaß der Zerstörungen der Sowjetunion, die – ohne den Einsatz von Atombomben – Städte, Dörfer und ganze Landstriche verwüstet hatten.

Die weiteren Schritte zur Lösung der Krise wurden schließlich nur deshalb möglich, weil beide Seiten erstmals die wechselseitigen Sicherheitsinteressen akzeptierten. Nicht nur Chrustschow ordnete den Abbau und die Rückführung der Raketen aus Kuba an, auch Kennedy befahl den Abbau der US-amerikanischen Raketenstellungen an der türkischen Grenze. Diese Entscheidung ist in der Regel in westlichen Betrachtungen bis heute nicht zu finden.

Respekt oder gar Anerkennung im eigenen Land fanden weder Kennedy noch Chrustschow. Im Gegenteil: die Hardliner im Kreml stürzten ihn und setzen mit Leonid Breshnew einen der Ihren an die Spitze. John F. Kennedy, der in seiner weiteren Amtszeit anstrebte, im Sinne der Friedenssicherung die Beziehungen zur Sowjetunion zu verbessern, die US-Berater aus Vietnam abzuberufen, die Beziehungen zu Kuba zu normalisieren und die Gesetze zur Rassentrennung aufzuheben19, wurde am 22. November 1963 in Dallas erschossen. Nur ein Kreis von rechten Politikern und Journalisten sieht nicht die CIA und ihre „Verbündeten“ in Wirtschaft und Politik, sondern den angeblichen Einzeltäter Oswald als Todesschützen.

Und: Zweifelsfrei sind die Vorschläge Fromms in keiner Weise „veraltet“. Sie erscheinen geradezu prädestiniert dafür, die politischen Prozesse und Entscheidungen der Jahre nach dem Jahrtausendwechsel zu analysieren und fundiert zu bewerten.

Vietnam – Desaster einer Weltmacht

Der Vietnamkrieg ist auch die Geschichte eines Verrats an der Demokratie, am Völkerrecht und an den Menschenrechten durch das westliche Bündnis. Als Teil der französischen Kolonie Indochina wurde Vietnam im II. Weltkrieg von Japan besetzt. An der Seite der US-amerikanischen Streitkräfte vertrieben die Viet Minh, geführt von Ho Chi Minh, die Japaner. Ho Chi Minhs Ausrufung der Demokratischen Republik Vietnam konnte Frankreich nicht davon abhalten, seine Kolonie wieder in Besitz zu nehmen. Mit der Vertreibung der Franzosen 1945 aus Hanoi begann der Indochina-Krieg, der erst 1954, als die nordvietnamesischen Streitkräfte die Festung Dien Bin Phu eroberten, zu Ende ging. In diesem Zeitraum hatte Frankreich im Süden des Landes eine Regierung unter dem Exkaiser Bao Dai eingerichtet. Im Waffenstilstand von Genf wurde dem Rechnung getragen. Vietnam blieb geteilt – in den kommunistischen Norden und Südvietnam, dessen erster Regent nach Bao Dai, Ngo Dinh Diem, Vertreter der katholischen Minderheit und Protegé der USA, diktatorisch herrschte. In Südvietnam formiert sich mit Unterstützung des Nordens die Widerstandsbewegung der Viet Kong. Die USA begannen mit der Entsendung der ersten Militärberater, deren Zahl stetig zunahm. 1975 – nach über 30 Jahren Krieg – wurde Saigon eingenommen. In der folgenden Zeit erfolgte die Gründung der Sozialistische Republik Vietnam.

Kaum ein anderer Krieg außerhalb Europas hat die Weltöffentlichkeit derart bewegt, wie dieser, vor allem, als die USA nach der Affäre im „Golf von Tonking“20 mit bis zu 500.000 Soldaten in Vietnam Krieg führten. Bereits der „Indochina-Krieg“ hatte im Zusammenhang mit dem „Algerienkrieg“ nicht nur Frankreich tief gespalten. Nun sorgte nicht zuletzt die brutale Kriegsführung der USA für wachsenden Widerstand auch in der westlichen Welt, der schließlich zur zweiten machtvollen Bürgerbewegung in den USA führte.