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Kapitel 12

Die Mittagssonne des folgenden Tages sendete drückende Strahlen auf einen Reiter, welcher über den Teil der schwäbischen Alb, der gegen Franken hinausläuft, hinzog. Er war jung, mehr schlank als fest gebaut, und ritt ein hochgewachsenes Pferd von dunkelbrauner Farbe; er war wohl bewaffnet mit Brustharnisch, Dolch und Schwert; einige andere Stücke seiner Armatur, als der Helm und die aus Eisenblech getriebenen Arm- und Beinschienen, waren am Sattel befestigt. Die hellblau und weiß gestreifte Feldbinde, die von der rechten Schulter sich über die Brust zog, ließ erraten, daß der junge Mann von Adel war, denn diese Auszeichnung war damals ein Vorrecht höherer Stände.

Er war auf einem Berggipfel angekommen, welcher eine weite Aussicht ins Tal hinab gewährte. Fr hielt sein schnaubendes Roß an, wandte es zur Seite und genoß nun den schönen Anblick, der sich vor seinem Auge ausbreitete. Vor ihm eine weite Ebene, von waldigen Höhen begrenzt, durchströmt von den grünen Wellen der Donau; zu seiner Rechten die Hügelkette der württembergischen Alb, zu seiner Linken in weiter, weiter Ferne die Schneekuppen der Tiroler Alpen. In freundlichem Blau spannte der Himmel seinen Bogen über diese Szene, und seine sanften lichten Farben kontrastierten sonderbar mit den schwärzlichen Mauern Ulms, das am Fuß des Berges lag, mit seinem dunkelgrauen ungeheuren Münsterturm. Die dumpfen Glocken dieser alten Kirche begannen in diesem Augenblick den Mittag einzuläuten; ihre Töne zogen in langen, beruhigenden Akkorden über die Stadt, über die weite Ebene, bis sie sich an den fernen Bergen brachen und zitternd in das Blau der Lüfte verschwebten, als wollten sie auf ihrer melodischen Leiter die Wünsche der Menschen zum Himmel tragen.

"So begleitet ihr also den Scheidenden, wie ihr seinen Eintritt begrüßt habt", rief der junge Reiter, "mit denselben Tönen, mit denselben feierlichen Akkorden sprecht ihr zu ihm, wenn er kommt und geht; wie anders, wie so ganz anders deutete ich eure ehernen Stimmen, als mein Ohr euch zum ersten Mal lauschte. Da vernahm ich in euch verwandte Töne, es klang mir wie ein Ruf zur Geliebten! Und jetzt, da ich scheide, ohne Aussicht, ohne Freude, jetzt ruft ihr mir dieselben Töne entgegen? Die Geburt meiner seligen Hoffnung habt ihr eingeläutet, von euch tönt jetzt das Grabgeläute meiner Hoffnung? Das Bild des Lebens!" setzte er wehmütig hinzu, indem er nach einem langen Abschiedsblick auf dieses Tal, auf diese Mauern sein Pferd wandte. "Das Bild des Lebens! Um Wiege und Sarg schweben sie in gleichen Tönen, und die Glocken meiner Hauskapelle haben an jenem fröhlichen Tag, wo man mich zur Taufe trug, mir eben so getönt, wie sie mir tönen werden, wenn man den letzten Sturmfeder zu Grabe trägt!"

Das Gebirge wurde jetzt steiler, und Georg, denn als diesen haben unsere Leser den jungen Reiter schon längst erkannt, Georg ließ sein Pferd langsam hinschreiten, indem er seinen Gedanken nachhing. Es war der Weg nach seiner Heimat, und die Vergleiche, die er zwischen dieser Heimkehr und dem fröhlichen Auszug anstellte, mochten nicht dazu beitragen, seine düsteren Gefühle aufzuhellen. Der gestrige Tag, der schnelle Wechsel heftiger Empfindungen, seine Verhaftung, zuletzt noch heute der Abschied von Männern, die ihm wohlwollten, hatten ihn heftig angegriffen.

Wie treuherzig und gutmütig hatte Dietrich von Kraft, sein zierlicher Gastfreund, seine Abreise bedauert. Wie gleich war sich dieser gute Mensch in seinem Wohlwollen gegen ihn geblieben; vom ersten Becher an, den er mit ihm im Rathaussaal geleert, bis zum Abschiedstrunk, den er seinem Gast noch auf das Pferd hinauf kredenzte. Und wie hatte er ihm gelohnt? Beschäftigt mit sich selbst hatte er ihn wenig geachtet, übersehen. Wie hatte er dem biederen Breitenstein, wie dem Helden Frondsberg, der ihn vor den Augen eines Heeres wie seinen Liebling ausgezeichnet hatte, wie hatte er es ihm vergolten?

Er hatte unter diesen trüben Gedanken eine gute Strecke auf dem Gebirgsrücken zurückgelegt. Die Strahlen der Märzsonne wurden immer drückender, die Pfade rauher, und er beschloß, unter dem Schatten einer Eiche sich und seinem Pferd Mittagsruhe zu gönnen. Er stieg ab, schnallte den Sattelgurt leichter und ließ das ermüdete Tier die sparsam hervorkeimenden Gräser aufsuchen. Er selbst streckte sich unter der Eiche nieder, und so gerne er sich dem Schlaf überlassen hätte, wozu nach dem ermüdenden Ritt ihn der kühle Schatten einlud, so hielt ihn doch die Besorgnis, in so unruhigen Zeiten in einem Land das so nahe dem Schauplatz des Krieges lag, um sein Roß und vielleicht gar um seine Waffen zu kommen; einige Zeit wach, bis er in jenen Zustand versank, wo die Seele zwischen Wachen und Schlafen umsonst mit dem Körper kämpft, der ungestüm seine Rechte fordert.

Er mochte wohl ein Stündchen geschlummert haben, als ihn das Wiehern seines Pferdes aufschreckte. Er sah sich um und gewahrte einen Mann, der, ihm den Rücken kehrend sich mit dem Tier beschäftigte. Sein erster Gedanke war, daß man seine Unachtsamkeit benützen und das Pferd entführen wolle. Er sprang auf, zog sein Schwert und war in drei Sprüngen dort.

"Halt! Was hast Du da mit dem Pferd zu schaffen!" rief er, indem er seine Hand etwas unsanft auf die Schulter des Mannes legte.

"Habt Ihr mich denn schon wieder aus Eurem Dienst entlassen, Junker?" antwortete dieser und wandte sich ihm zu. An den listigen, kühnen Augen, an dem lächelnden Mund erkannte Georg sogleich den Boten, den ihm Marie gesandt hatte. Er war noch unschlüssig, wie er sich gegen ihn benehmen sollte, denn Frondsbergs Warnung schreckte ihn ab, Mariens Zuversicht empfahl ihn, doch der Bauer fuhr fort, indem er ihm eine gute Handvoll Heu vorzeigte: "Ich konnte mir wohl denken; daß Ihr keinen Futtersack mitnehmen werdet. Auf den Bergen da oben sieht es noch schlecht aus mit dem Gras, da habe ich denn Eurem Braunen einen Armvoll Heu mitgebracht. Es hat ihm trefflich behagt." So sprach der Bauer und fuhr ganz gelassen fort, dem Pferd das Futter hinzureichen,—

"Und woher kommst Du denn?" fragte Georg, nachdem er sich ein wenig von seinem Staunen erholt hatte.

"Nun, Ihr seid ja so schnell von Ulm weggeritten, daß ich Euch nicht gleich folgen konnte", antwortete dieser.

"Lüge nicht!" unterbrach ihn der junge Mann. "Sonst kann ich Dir fürder nicht vertrauen. Du kommst jetzt nicht aus jener Stadt her."

"Nun, Ihr werdet mich doch nicht schelten, daß ich mich etwas früher auf den Weg machte als Ihr?" sagte der Bauer und wandte sich ab. Doch entging Georg nicht, daß jenes listige Lächeln wieder über sein Gesicht zog.

"Laß mein Pferd jetzt stehen", rief Georg ungeduldig, "und komm mit mir unter die Eiche dort. Da setze Dich hin und sprich, aber ohne auszuweichen, warum hast Du gestern abend so plötzlich die Stadt verlassen?"

"An den Ulmern lag es nicht", entgegnete jener. "Sie wollten mich sogar einladen, länger bei ihnen zu bleiben, und wollten mir freie Kost und Wohnung geben."

"Ja, ins tiefste Verlies wollten sie Dich stecken, wo weder Sonne noch Mond hinscheint und wohin die Kundschafter und Späher gehören."

"Mit Verlaub, Junker", erwiderte der Bote, "da wäre ich, wiewohl ein paar Stockwerke tiefer, in dieselbe Behausung gekommen, wie Ihr."

"Hund von einem Aufpasser!" rief der Junker ungeduldig, indem Zorn seine Wangen rötete. "Willst Du meines Vaters Sohn in eine Reihe stellen mit dem Pfeifer von Hardt?"

"Was sprecht Ihr da?" fuhr der Mann an seiner Seite mit wilder Miene auf. "Was nennt Ihr für einen Namen? Kennt Ihr den Pfeifer von Hardt?"

Er hatte vielleicht unwillkürlich bei diesen Worten die Axt, die neben ihm lag, in seine nervige Rechte gefaßt. Seine gedrungene feste Gestalt, seine breite Brust, gaben ihm, trotz seiner nicht ansehnlichen Größe, doch das Ansehen eines nicht zu verachtenden Kämpfers. Sein wild rollendes Auge, sein eingepreßter Mund möchten manchen einzelnen Mann außer Fassung gebracht haben.

Der Jüngling aber sprang mutig auf, er warf sein langes Haar zurück, und ein Blick voll Stolz und Hoheit begegnete dem finstern Auge jenes Mannes. Er legte seine Hand an den Griff seines Schwertes und sagte ruhig und fest: "Was fällt Dir ein, Dich so vor mich hinzustellen und mit dieser Stirn mich zu fragen? Du bist, wenn ich nicht irre, der, den ich nannte, Du bist dieser Meuterer und Anführer von aufrührerischen Hunden. Pack Dich fort, auf der Stelle, oder ich will Dir zeigen, wie man mit solchem Gesindel spricht."

Der Bauer schien mit seinem Zorn zu ringen. Er hieb die Axt mit einem kräftigen Schwung in den Baum, und stand nun ohne Waffe vor dem zürnenden jungen Mann. "Erlaubt", sagte er, "daß ich Euch für ein anderes Mal warne, Euren Gegner, und sei er auch nur ein geringer Bauersmann wie ich, nicht zwischen Euch und Eurem Braunen stehen zu lassen. Denn wenn ich Euren Befehl, mich fortzupacken, hätte aufs schnellste befolgen wollen, wäre er mir trefflich zustatten gekommen."

Ein Blick dahin überzeugte Georg, daß der Bauer wahr gesprochen habe. Errötend über diese Unvorsichtigkeit, die beweisen konnte, wie wenig Erfahrung er noch im Krieg besitze, ließ er seine Hand vom Griff seines Schwertes sinken und setzte sich, ohne etwas zu erwidern, auf die Erde nieder. Der Bauer folgte, jedoch in ehrerbietiger Entfernung, seinem Beispiel und sprach:

"Ihr habt ganz recht, daß Ihr mir grollt, Herr von Sturmfeder, aber wenn Ihr wüßtet, wie weh mir jener Name tut, würdet Ihr vielleicht meine schnelle Hitze mir verzeihen! Ja, ich bin der, den man so nennt; aber es ist mir ein Greuel mich so rufen zu hören. Meine Freunde nennen mich Hans, aber meinen Feinden gefällt jener Name, weil ich ihn hasse."

"Was hat Dir der unschuldige Name getan?" fragte Georg. "Warum nennt man Dich so? Warum willst Du Dich nicht so nennen lassen?"

"Warum man mich so nennt?" antwortete jener. "Ich bin aus einem Dorf, das heißt Hardt und liegt im Unterland, nicht weit von Nürtingen. Meinem Gewerbe nach bin ich ein Spielmann und musiziere auf Märkten und Kirchweihen, wenn die ledigen Burschen und die jungen Mägelein tanzen wollen. Deswegen nannte man mich den Pfeifer von Hardt. Aber dieser Name hat sich mit Untat und Blut befleckt in einer bösen Zeit, darum habe ich ihn abgetan und kann ihn nimmer leiden."

Georg maß ihn mit einem durchdringenden Blick, indem er sagte: "Ich weiß wohl, in welcher bösen Zeit: Als ihr Bauern wider euern Herzog rebelliert habt, da warst Du einer von den ärgsten. Ist's nicht so?"

"Ihr seid wohl bekannt mit dem Schicksal eines unglücklichen Mannes", sagte der Bauer, finster zu Boden blickend. "Ihr müßt aber nicht glauben; daß ich noch derselbe bin. Der Heilige hat mich gerettet und meinen Sinn geändert, und ich darf sagen, daß ich jetzt ein ehrlicher Mann bin."

"Oh, erzähle mir", unterbrach ihn der Jüngling, "wie ging es zu in jenem Aufruhr? Wie wurdest Du gerettet? Wie kommt's, daß Du jetzt dem Herzog dienst?"

"Das alles will ich auf ein anderes Mal aufsparen", entgegnete jener. "Denn ich hoffe nicht zum letzten Mal an Eurer Seite zu sein. Erlaubt mir dafür, daß ich auch Euch etwas frage: Wo soll Euch denn dieser Weg hinführen? Da geht nicht die Straße nach Lichtenstein!"

"Ich gehe auch nicht nach Lichtenstein!" antwortete Georg niedergeschlagen. "Mein Weg führt nach Franken zu dem alten Oheim. Das kannst Du dem Fräulein vermelden, wenn Du nach Lichtenstein kommst."

"Und was wollt Ihr beim Oheim? Jagen? Das könnt Ihr anderswo ebensogut. Langeweile haben? Die kauft Ihr aller Orten wohlfeil. Kurz und gut, Junker", setzte er gutmütig lächelnd hinzu, "ich rate Euch, wendet Euer Roß und reitet so ein paar Tage mit mir in Württemberg umher. Der Krieg ist ja so gut wie beendet. Man kann ganz ungehindert reisen."

"Ich habe dem Bund mein Wort gegeben, in vierzehn Tagen nicht gegen ihn zu fechten. Wie kann ich also nach Württemberg gehen?"

"Heißt denn das gegen ihn fechten, wenn Ihr ruhig Eure Straße zieht? So also, vierzehn Tage lang? In vierzehn Tagen glauben sie den Krieg vollendet? Wird noch mancher nach vierzehn Tagen an den Mauern von Tübingen den Kopf stoßen. Kommt mit, es ist ja nicht gegen Euren Eid!"

"Und was soll ich in Württemberg?" rief Georg schmerzlich. "Soll ich recht in der Nähe sehen, wie meine Kriegsgesellen bei der Eroberung der Festen sich Ruhm erwerben? Soll ich den Bundesfahnen, denen ich auf ewig Lebewohl gesagt und den Rücken gekehrt, noch einmal begegnen? Nein! Nach Franken will ich ziehen, in meine Heimat", sagte er düster, indem er die umwölkte Stirn in die Hand stützte, "in meinen alten Mauern will ich mich begraben und träumen, wie ich hätte glücklich sein können!"

"Das ist ein schöner Entschluß für einen jungen Mann von Eurem Schrot und Korn! Habt Ihr denn in Württemberg gar nichts zu tun, als des armen Herzogs Burgen zu stürmen? Nun, reitet immerhin", fuhr er fort, indem er den Jüngling mit listigem Lächeln anblickte, "versucht einmal, ob der Lichtenstein nicht mit Sturm genommen werden könne?"

Der junge Mann errötete bis in die Stirn hinauf. "Wie magst Du nur jetzt Deinen Scherz treiben", sagte er halb in Unmut, halb lächelnd, "wie magst Du mit meinem Unglück spaßen?"

"Fällt mir nicht ein, Scherz mit meinem gnädigen Junker zu treiben", antwortete sein Gefährte. "Es ist mein voller Ernst, daß ich Euch bereden möchte, dorthin zu ziehen."

"Und was dort tun?"

"Nun! Den alten Herrn für Euch gewinnen, und die Tränen des bleichen Fräuleins stillen, das wegen Euch Tag und Nacht weint!"

"Und wie soll ich auf den Lichtenstein kommen? Der Vater kennt mich nicht, wie soll ich mit ihm bekannt werden?"

"Seid Ihr der erste Rittersmann, der nach Sitte der Väter eine freie Zehrung in einem Schloß fordert? Laßt nur mich dafür sorgen, so sollt Ihr bald auf den Lichtenstein kommen!"

Der Jüngling sann lange Zeit nach, er erwog alle Gründe für und wider, er bedachte, ob es nicht gegen seine Ehre sei, statt vom Schauplatz des Krieges sich zu entfernen, in eine Gegend zu reisen, wohin sich der Krieg notwendig ziehen mußte. Doch als er bedachte, wie mild die Bundesobersten selbst seinen Abfall angesehen hatten, wie sie sogar im Fall seines völligen Übertrittes zum Feind nur vierzehn Tage Frist angesetzt hatten, als ihm Mariens trauernde Miene, ihre stille Sehnsucht auf ihrem einsamen Lichtenstein vorschwebte, da neigte sich die Schale nach Württemberg.

"Noch einmal will ich sie sehen, nur noch einmal sie sprechen", dachte er.—"Nun wohlan!" rief er endlich "Wenn Du mir versprichst, daß nie davon die Rede sein soll, mich an die Württemberger anzuschließen, daß ich nicht als Anhänger Eures Herzogs, sondern als Gast in Lichtenstein behandelt werde, wenn Du dies versprichst, so will ich folgen."

"Für mich kann ich dies wohl versprechen", antwortete der Bauer, "aber wie kann ich etwas geloben für den Ritter von Lichtenstein?"

"Ich weiß, wie Du mit ihm stehst und daß Du oft zu ihm nach Ulm kamst, und er sein Vertrauen in Dich setzt. So gut Du ihm geheime Botschaft aller Art bringen konntest, so gut kannst Du ihm auch dies beibringen."

Der Pfeifer von Hardt sah den jungen Mann lange staunend an. "Woher wißt Ihr dies?" rief er. "Doch—die, welche mich verfolgten, können auch dies gesagt haben. Nun gut, ich verspreche Euch, daß Ihr überall so angesehen sein sollt, wie Ihr wollt. Besteigt Euer Roß, ich will Euch führen, und Ihr sollt willkommen sein auf Lichtenstein!"

Kapitel 13

Von jenem Bergrücken, wo Georg den Entschluß gefaßt hatte, seinem geheimnisvollen Führer zu folgen, gab es zwei Wege in die Gegend von Reutlingen, wo Mariens Bergschloß, der Lichtenstein, lag. Der eine war die offene Heerstraße, welche von Ulm nach Tübingen führt. Sie führt durch das schöne Blautal, bis man bei Blaubeuren wieder an den Fuß der Alb kommt, von da quer über dieses Gebirge, vorbei an der Feste Hohen-Urach, gegen St. Johann und Pfullingen hin. Dieser Weg war sonst für Reisende, die Pferde, Sänften oder Wagen mit sich führten, der bequemere. In jenen Tagen aber, wo Georg mit dem Pfeifer von Hardt über das Gebirge zog, war es nicht ratsam, ihn zu wählen. Die Bundestruppen hatten schon Blaubeuren besetzt, ihre Posten dehnten sich über die ganze Straße bis gegen Urach hin und verfuhren gegen jeden, der nicht zum Heer gehörte oder sich zu ihnen bekannte, mit großer Strenge und Erbitterung. Georg hatte seine Gründe, diese Straße nicht zu wählen, und sein Führer war zu sehr auf seine eigene Sicherheit bedacht, als daß er dem jungen Mann von diesem Entschluß abgeraten hätte.

Der andere Weg, eigentlich ein Fußpfad, und nur den Bewohnern des Landes genau bekannt, berührte auf einer Strecke von beinahe zwölf Stunden nur einige einzeln stehende Höfe, zog sich durch dichte Wälder und Gebirgsschluchten und hatte, wenn er auch hie und da, um die Landstraßen zu vermeiden, einen Bogen machte, und für Pferde ermüdend und oft beinahe unzugänglich war, doch den großen Vorteil der Sicherheit.

Diesen Pfad wählte der Bauer von Hardt, und der Junker willigte mit Freuden ein, weil er hoffen durfte, hier auf keine Bündischen zu stoßen. Sie zogen rasch fürbaß, der Bauer war immer an Georgs Seite. Wenn die Stellen schwierig wurden, führte er sorgsam sein Pferd, und bewies überhaupt so viel Aufmerksamkeit und Sorgfalt für Reiter und Roß, daß in Georgs Seele jene Warnungen Frondsbergs vor diesem Mann immer mehr an Gewicht verloren, und er nur einen treuen Diener in ihm sah.

Georg unterhielt sich gerne mit ihm. Er urteilte über manche Dinge, die sonst außerhalb des Kreises des Landmannes liegen klug und scharfsinnig, und mit einem so schlagenden Witz, daß er dem sonst ernsten, jungen Mann, den seine zweifelhafte Lage oft trübe stimmte, unwillkürlich ein Lächeln abnötigte. Von jeder Burg, die in der Ferne aus den Wäldern auftauchte, wußte er eine Sage zu erzählen, und die Klarheit und Lebendigkeit, mit welcher er vortrug, bewies, daß er bei manchem Hochzeitsschmaus, bei manchem Kirchweihtanz, neben seinem Amt als Spielmann auch das eines Erzählers übernommen haben müsse. Nur so oft Georg auf sein eigenes Leben, besonders auf jene Periode kommen wollte, wo der Pfeifer von Hardt eine bedeutende Rolle in dem Aufruhr des armen Konrad gespielt hatte, brach er düster ab, oder wußte mit mehr Geläufigkeit, als man dem schlichten Mann zugetraut hätte, das Gespräch auf andere Gegenstände zu bringen.

So waren sie ohne Aufenthalt fortgereist. Hans wußte immer voraus, wann wieder ein Gehöft kam, wo sie Erfrischung für sich und gutes Futter für das Pferd finden würden Überall war er bekannt, überall wurde er freundlich, wiewohl, wie es Georg schien, meistens mit Staunen aufgenommen; er flüsterte dann gewöhnlich ein Viertelstündchen mit dem Hausvater, während die Hausfrau dem jungen Ritter emsig und freundlich mit Brot, Butter und unvermischtem Apfelwein aufwartete, und die "Büebla" und "Mädla" den hohen schlanken Gast, seine schönen Kleider, seine glänzende Schärpe, die wallenden Federn seines Barettes bewunderten. War dann das kleine Mahl verzehrt, hatte Georgs Pferd wieder Kräfte gesammelt, so begleitete das ganze Haus den Scheidenden bis an die Tür, und der junge Reiter konnte zu seiner Beschämung niemals die Gastfreundschaft der guten Leute belohnen. Mit abwehrenden Blicken auf den Pfeifer von Hardt weigerten sie sich standhaft, seine kleinen Gaben anzunehmen. Auch dieses Rätsel löste ihm sein Begleiter nicht; denn seine Antwort: "Wenn die Leute nach Hardt kommen, kehren sie auch wieder bei mir ein.", schien nur eine ausweichende Antwort zu sein.

Die Nacht brachten sie ebenfalls in einem dieser zerstreuten Höfe zu, wo die Hausfrau ihrem vornehmen Gast mit nicht geringerer Bereitwilligkeit auf der Ofenbank ein Bett zurechtmachte, als sie ihm zu Ehren ein Paar Tauben geopfert und einen dick geschmälzten Haferbrei aufgetragen hatte.

Den folgenden Tag setzten sie ihre Reise auf dieselbe Art fort, nur kam es Georg vor, als ob sein Führer mit noch mehr Vorsicht als gestern zu Werk gehe. Denn er ließ, wenn sie sich einem Hof nahten, den Reiter wohl fünfhundert Schritte davor haltmachen, nahte sich behutsam den Gebäuden, und erst, nachdem er alles sorgfältig ausgespäht hatte, winkte er dem Junker zu folgen. Georg befragte ihn umsonst, ob es in dieser Gegend gefährlicher sei, ob die Bundestruppen schon in der Nähe seien? Er sagte nichts Bestimmtes darüber.

Gegen Mittag, als die Gegend lichter wurde und der Weg sich mehr gegen das ebene Land herabzog, schien die Reise gefährlicher zu werden; denn der Spielmann von Hardt schien sich von jetzt an gar nicht mehr den Wohnungen nähern zu wollen, sondern hatte sich in einem Hof mit einem Sack versehen, der Futter für das Pferd und hinlängliche Lebensmittel für sie beide enthielt. Auch glaubte Georg zu bemerken, daß sie nicht mehr dieselbe Richtung verfolgten wie früher, sondern sehr stark zur Rechten ablenkten.

Am Rand eines schattigen Buchenwäldchens, wo eine klare Quelle und frischer Rasen zur Ruhe einlud, machten sie Halt. Georg stieg ab, und sein Führer zog aus seinem Sack ein gutes Mittagsmahl. Nachdem er das Pferd versehen hatte, setzte er sich zu den Füßen des Ritters und begann mit großem Appetit zuzugreifen.

Georg hatte seinen Hunger gestillt und betrachtete jetzt mit aufmerksamem Auge die Gegend. Es war eine schönes, breites Tal, in welches sie hinabsahen. Ein kleines Flüßchen eilte schnell hindurch; die Felder, wovon es begrenzt war, schienen gut und fleißig angebaut, eine freundliche Burg erhob sich auf einem Hügel am anderen Ende des Tales, die ganze Gegend war freundlicher als der Gebirgsrücken, über welchen sie gezogen waren.

"Es scheint, wir haben die Alb verlassen", sagte der junge Mann, indem er sich zu seinem Gefährten wandte. "Dieses Tal, jene Hügel sehen bei weitem freundlicher aus als der Felsenboden und die öden Weideplätze, die wir durchzogen. Selbst die Luft weht hier milder und wärmer als oben, wo uns die Winde oft so hart anfaßten."

"Ihr habt recht geraten, Junker", sagte Hans, indem er die Reste ihrer Mahlzeit sorgfältig in den Sack legte. "Diese Täler gehören zum Unterland, und jenes Flüßchen, das Ihr seht, strömt in den Neckar."

"Wie kommt es aber, daß wir so weit vom Weg ablenken?" fragte Georg. "Es kam mir schon oben im Gebirge vor, als hätten wir die alte Richtung verlassen, aber Du wolltest nie darauf hören Dieser Weg muß, soviel ich die Lage von Lichtenstein kenne, viel zu weit rechts führen."

"Nun, ich will es Euch jetzt sagen", antwortete der Bauer, "ich wollte Euch auf der Alb nicht unnötig bange machen, jetzt aber sind wir, so Gott will in Sicherheit. Denn im schlimmsten Fall sind wir keine vier Stunden mehr von Hardt, wo sie uns nichts mehr anhaben sollen."

"In Sicherheit?" unterbrach ihn Georg verwundert. "Wer soll uns etwas anhaben?"

"Ei, die Bündischen", erwiderte der Spielmann. "Sie streifen auf der Alb, und oft waren ihre Reiter keine tausend Schritte mehr von uns. Mir für meinen Teil wäre es nicht lieb gewesen, in ihre Hände zu fallen; denn sie sind mir, wie Ihr wohl wißt, gar nicht grün. Und auch Euch wäre es vielleicht nicht ganz recht, gefangen vor den Herrn Truchseß geführt zu werden."

"Gott soll mich bewahren!" rief der Junker. "Vor den Truchseß? Lieber lasse ich mich auf der Stelle totschlagen. Was wollen sie denn aber hier? Es ist ja hier in der Nähe keine Feste von Württemberg, und Du sagtest mir ja doch, sie könnten ungehindert durchs Land ziehen; wonach streifen sie denn?"

"Seht, Junker! Es gibt überall schlechte Leute. Was ein rechter Württemberger ist, der läßt sich eher die Haut abziehen, als daß er den Herzog verrät, nach welchem die Bündler jetzt ein Treibjagen halten. Aber der Truchseß soll unter der Hand einen ganzen Haufen Gold dem versprochen haben, der ihn fängt. Er hat seine Reiter ausgeschickt, diese streifen jetzt überall, und die Leute sagen, es gebe einige unter den Bauern, die sich vom Gold blenden lassen und den Spürhunden alle Schluchten und Schlupfwinkel zeigen."

"Nach dem Herzog sollen sie streifen? Der ist ja aus dem Land geflohen, oder, wie andere sagen, in Tübingen auf seinem festen Schloß, wo ihn vierzig Ritter beschützen."

"Ja, die vierzig Edlen sind dort", antwortete der Bauer mit schlauer Miene. "Auch des Herzogs Söhnlein, der Christoph, ist dort, das hat seine Richtigkeit. Ob aber der Herzog selbst dort ist, weiß niemand recht. Im Vertrauen gesagt, wie ich ihn kenne, schließt er sich nur zur höchsten Not in eine Feste ein; er ist ein kühner, unruhiger Herr, und es ist ihm wohler in den Wäldern und Bergen, wenn es auch Gefahr hat."

"Den Herzog also suchen sie? Also müßte er hier in der Nähe sein?"

"Wo er ist, weiß ich nicht", erwiderte der Pfeifer von Hardt, "und ich wollte wetten, dies weiß niemand als Gott; aber wo er sein wird, weiß ich", setzte er hinzu, und es schien Georg, als ob ein Strahl von Begeisterung aus dem Auge dieses Mannes breche, "wo er sein wird, wenn die Not am höchsten ist, wo seine Getreuen sich zu ihm finden werden, wo manche treue Brust zur Mauer werden wird, um den Herrn in der Not gegen diese Bündler zu schützen. Denn ist er auch ein strenger Herr, so ist er doch ein Württemberger, und eine schwere Hand ist uns lieber als die gleißenden Worte des Bayern und des Österreichers."

"Und wenn sie den unglücklichen Fürsten erkennen, wenn sie auf ihn stoßen? Hat er nicht seine Gestalt verhüllt und unkenntlich gemacht? Du hast mir einmal sein Gesicht beschrieben, und ich glaube ihn beinahe vor mir zu sehen, besonders sein gebietendes, glänzendes Auge. Aber wie ist seine Gestalt?"

"Er mag kaum acht Jahre älter sein als Ihr", entgegnete jener, "er ist nicht so groß wie Ihr, aber in vielem Euch ähnlich an Gestalt; besonders wenn Ihr zu Pferd saßet und ich hinter Euch ging, da gemahnte es mich oft, und ich dachte: So, gerade so sah der Herzog aus in den Tagen seiner Herrlichkeit."

Georg war aufgestanden, um nach seinem Pferd zu sehen, die Worte des Bauern hatten ihn um seine Sicherheit besorgt gemacht, und er sah jetzt erst ein, wie töricht er gehandelt, in diesem Kriegsstrudel sich durch ein okkupiertes Land stehlen zu wollen. Es wäre ihm höchst unangenehm gewesen, in diesem Augenblick gefangen zu werden, zwar konnte er nach seinem Eid reisen, wohin er wollte, wenn er nur in den nächsten vierzehn Tagen keinen tätlichen Anteil am Kampf gegen den Bund nahm; aber er fühlte, welch nachteiliges Licht es dennoch auf ihn werfen müßte, in dieser Gegend, so weit vom Weg nach seiner Heimat, aufgegriffen zu werden, und dazu noch in Gesellschaft eines Mannes, der den Bundesobersten sehr verdächtig, sogar gefährlich geschienen hatte. Umzukehren war keine Möglichkeit, denn es ließ sich beinahe mit Gewißheit annehmen, daß die Bundestruppen bereits die ganze Breite der Alb eingenommen hatten; das Sicherste schien, sich zu beeilen, über die äußersten Posten des Heeres hinauszukommen; man hatte dann die Gefahr im Rücken, vor und neben sich aber freie Bahn.

Das sonst so muntere Tier, das seinen Herrn über diese Gefahren hinaus tragen sollte, hing die Ohren; die große Eile und die ermüdenden, steinigen Fußpfade hatten seine Kraft geschwächt; zu seinem großen Verdruß bemerkte Georg sogar, daß es auf dem linken Vorderfuß nicht gerne auftrat, was nach einem achtstündigen Weg über scharfe, eckige Felsen nicht zu verwundern war. Der Bauer bemerkte die Verlegenheit des Junkers; er untersuchte das Tier und riet, es noch einige Stunden stehen zu lassen, gab aber zugleich den Trost, er sei der Gegend so kundig, daß sie eine große Strecke in der Nacht zurücklegen könnten.

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21 mayıs 2019
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