Kitabı oku: «Lichtenstein», sayfa 8

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Kapitel 14

Der junge Mann ergab sich in sein Schicksal und suchte Zerstreuung in der lieblichen Aussicht, die sich noch bei weitem herrlicher seinen Augen öffnete, als ihn der Bauer etwa fünfzig Schritte höher geführt hatte.

"Ein herrliches Land, dieses Württemberg!" rief Georg, indem sein Auge von Hügel zu Hügel schweifte. "Wie kühn, wie erhaben diese Gipfel und Bergwände, diese Felsen und ihre Burgen! Und wenn ich mich dorthin wende gegen die Täler des Neckars, wie lieblich jene sanften Hügel, jene Berge mit Obst und Wein besetzt, jene fruchtbaren Täler mit Bächen und Flüssen, dazu ein milder Himmel und ein guter, kräftiger Schlag von Menschen!"

"Ja", fiel der Bauer ein, "es ist ein schönes Land; doch hier oben will es noch nicht viel sagen, aber was so unter Stuttgart ist, das wahre Unterland, Herr, da ist es eine Freude, im Sommer oder Herbst am Neckar hinabzuwandeln; wie da die Felder so schön und reich stehen, wie der Weinstock so dicht und grün die Berge überzieht, und wie Nachen und Flöße den Neckar hinauf- und hinabfahren, wie die Leute so fröhlich an der Arbeit sind und die schönen Mädchen singen wie die jungen Lerchen!"

"Wohl sind jene Täler an der Rems und dem Neckar schöner", entgegnete Georg, "aber auch dieses Tal zu unseren Füßen, auch diese Höhen um uns her haben eigenen, stillen Reiz. Wie heißen jene Burgen auf den Hügeln? Und jene fernen Berge?"

Der Bauer überblickte sinnend die Gegend und zeigte auf die hinterste Bergwand, die, dem Auge kaum noch sichtbar, aus den Nebeln ragte. "Dort hinten, zwischen Morgen und Mittag, ist der Roßberg, in gleicher Richtung herwärts, jene vielen Felsenzacken sind die Höhen von Urach. Dort, mehr gegen Abend, ist Achalm, nicht weit davon, doch könnt Ihr ihn hier nicht sehen, liegt der Felsen von Lichtenstein."

"Dort also", sagte Georg still vor sich hin, und sein Auge tauchte tief in die Nebel des Abends, "dort, wo jenes Wölkchen in der Abendröte schwebt, dort schlägt ein treues Herz für mich; jetzt auch steht sie vielleicht auf der Zinne ihres Felsens und sieht herüber in diese Welt von Bergen, vielleicht nach diesem Felsen hin. Oh daß die Abendlüfte Dir meine Grüße brächten und jene rosigen Wolken Dir meine Nähe verkündeten!"

"Weiter hin, Ihr seht doch jene scharfe Ecke, das ist die Teck; unsere Herzoge nennen sich Herzoge von Teck, es ist eine gute, feste Burg; wendet Eure Blicke hier zur Rechten, jener hohe, steile Berg war einst die Wohnung berühmter Kaiser, es ist Hohenstaufen."

"Aber wie heißt jene Burg, die hier zunächst aus der Tiefe emporsteigt?" fragte der junge Mann, "sieh nur, wie sich die Sonne an ihren hellen weißen Wänden spiegelt, wie ihre Zinnen in goldenen Duft zu tauchen scheinen, wie ihre Türme in rötlichem Licht erglänzen."

"Das ist Reussen, Herr! Auch eine starke Feste, die dem Bund zu schaffen machen wird."

Die Sonne des kurzen, schönen Märztages begann während dieses Zwiegesprächs der Wanderer hinabzusinken. Die Schatten des Abends rollten dunkle Schleier über das Gebirge und verhüllten dem Auge die ferneren Gipfel und Höhen. Der Mond kam bleich herauf und überschaute sein nächtliches Gebiet. Nur die hohen Mauern und Türme von Neuffen rötete die Sonne noch mit ihren letzten Strahlen, als sei dieser Felsen ihr Liebling, von welchem sie ungern scheide. Sie sank; auch diese Mauern hüllten sich in Dunkel, und durch die Wälder zog die Nachtluft, geheimnisvolle Grüße flüsternd, dem hellen Mond entgegen.

"Jetzt ist die wahre Tageszeit für Diebe und fur flüchtige Reisende wie wir", sagte der Bauer, indem er des Junkers Pferd aufzäumte, "sei es noch um eine Stunde, so ist die Nacht kohlschwarz, und dann soll uns, bis die Sonne wieder aufgeht, kein bündischer Reiter aufspüren!"

"Glaubst Du, es habe Gefahr?" sagte Georg, indem er seine Hand nach dem Helm ausstreckte und das dünne Barett abnahm. "Meinst Du, wir sollten uns besser wappnen?"

"Laßt hängen, Junker", rief der Bauer lachend, "solch eine Sturmhaube ist an sich schon kalt und gibt in einer frischen Nacht nicht sehr warm; laßt immer Euer Barett sitzen; in dieser Gegend suchen sie den Herzog nicht, und sollten sie kommen, wir zwei fürchten ihrer viere nicht."

Der junge Mann ließ zögernd seinen schönen Helm am Sattelknopf hängen, er schämte sich, weniger Mut zu zeigen als sein Begleiter, der, unberitten, nur durch eine dünne lederne Mütze geschützt und mit einer einfachen Axt schlecht bewaffnet war. Er schwang sich auf. Sein Führer ergriff die Zügel des Rosses und schritt voran den Berg hinab.

"Du meinst also", fragte Georg nach einer Weile, "bis hierher werden sich die bündischen Reiter nicht wagen?"

"Es ist nicht wohl möglich", antwortete der Pfeifer, "Neuffen ist ein starkes Schloß und hat gute Besatzung. Sie werden es zwar in kurzer Zeit mit Heeresmacht belagern, aber Gesindel, wie die Handvoll Reiter des Truchseß, wagt sich doch nicht in die Nähe einer feindlichen Burg."

"Schau, wie hell und schön der Mond scheint", rief der Jüngling, der, noch immer erfüllt von dem Anblick auf dem Berg, die wunderlichen Schatten der Wälder und Höhen, die hellglänzenden Felsen betrachtete, "sieh, wie die Fenster von Neuffen im Mondlicht schimmern!"

"Es wäre mir lieber, er schiene heute nacht nicht", entgegnete sein Führer, indem er sich zuweilen besorgt umsah, "dunkle Nacht wäre besser für uns, der Mond hat schon manchen braven Mann verraten. Es kann nicht mehr lange dauern, so ist er hinunter."

Sie zogen indes weiter. Der Pfeifer von Hardt unterhielt Georg unterwegs mit einer Reihe von Geschichten über die Gegend, die sie durchzogen.

"Horch! Hörtest Du nicht das Wiehern von Rossen", rief Georg plötzlich, dem es in der Schlucht, die sie durchzogen, ganz unheimlich wurde. Der Mond schien noch hell, die Schatten der Eichen bewegten sich, es rauschte im Gebüsch, und oft wollte es ihm bedünken, als sehe er dunkle Gestalten im Wald neben sich hergehen.

Der Pfeifer von Hardt blieb stehen. "Es kam mir vorhin auch so vor, aber es war der Wind, der in den Eichen ächzt, und der Schuhu rief im Gebüsch. Wären wir nur das Wiesental noch hinüber, da ist es so offen und hell wie bei Tag; jenseits fängt wieder der Wald an, da ist es dann dunkel und hat keine Not mehr. Gebt Eurem Braunen die Sporen und reitet Trab über das Tal hin, ich laufe neben Euch her."

"Warum denn jetzt auf einmal Trab?" fragte der junge Mann "Meinst Du, es habe Gefahr? Gestehe nur, nicht wahr, Du hast sie auch gesehen, die Gestalten im Wald, die neben uns herschlichen? Glaubst Du, es sind Bündische?"

"Nun ja", flüsterte der Bauer, indem er sich umsah, "mir war es auch als ob uns jemand nachschleiche; drum sputet Euch, daß wir aus dem verdammten Hohlweg herauskommen, und dann im Trab über das Tal hinüber, weiterhin hat es keine Gefahr."

Georg machte sein Schwert in der Scheide locker und nahm die Zügel seines Rosses kräftiger in die Faust. Schweigend zogen sie die Schlucht hinab, beleuchtet von so hellem Mondschein, daß der junge Mann jeden Zug seines Gefährten erkennen konnte und deutlich sah, daß er seine Axt auf die Schulter nahm und ein Messer, das er im Wams verborgen hatte, herauszog und in den Gürtel steckte.

Sie wollten eben am Ausgang des Hohlwegs in das Tal einbiegen, da rief eine Stimme im Gebüsch: "Das ist der Pfeifer von Hardt, drauf, Gesellen, der dort auf dem Roß muß der Rechte sein!"

"Flieht, Junker, flieht!" rief sein treuer Führer und stellte sich mit seiner Axt zum Kampf bereit; doch Georg zog sein Schwert, und in demselben Augenblick sah er sich von fünf Männern angefallen, während sein Gefährte schon mit drei andern im Handgemenge war.

Der enge Hohlweg hinderte ihn, sich seiner Vorteile zu bedienen und zur Seite auszuweichen. Einer packte die Zügel seines Rosses, doch in demselben Augenblick traf ihn Georgs Klinge auf die Stirn, daß er ohne Laut niedersank; doch die anderen, wütend gemacht durch den Fall ihres Genossen, drangen noch stärker auf ihn ein und riefen ihm zu, sich zu ergeben; aber Georg, obgleich er schon am Arm und Fuß aus mehreren Wunden blutete, antwortete nur durch Schwerthiebe.

"Lebendig oder tot", rief einer der Kämpfenden, "wenn der Herr Herzog nicht anders will, so mag er's haben." Er rief's, und in demselben Augenblick sank Georg von Sturmfeder, von einem schweren Hieb über den Kopf getroffen, nieder. In tödlicher Ermattung schloß er die Augen, er fühlte sich aufgehoben und weggetragen und hörte nur das grimmige Lachen seiner Mörder, die über ihren Fang zu triumphieren schienen.

Nach einer kleinen Weile ließ man ihn auf den Boden nieder, ein Reiter sprengte heran, saß ab und trat zu denen, die ihn getragen hatten. Georg raffte seine letzte Kraft zusammen, um die Augen noch einmal zu öffnen. Er sah ein unbekanntes Gesicht, das sich über ihn beugte. "Was habt Ihr gemacht?" hörte er rufen.

"Dieser ist es nicht, Ihr habt den Falschen getroffen. Macht, daß Ihr fortkommt, die von Neuffen sind uns auf den Fersen." Matt zum Tode schloß Georg sein Auge, nur sein Ohr vernahm wilde Stimmen und das Geräusch von Streitenden, doch auch dieses verzog sich; feuchte Kälte drang aus dem Boden des Wiesentales und machte seine Glieder erstarren, aber ein süßer Schlummer senkte sich auf den Verwundeten herab, und mit dem letzten Gedanken an die Geliebte entschwanden seine Sinne.

Kapitel 15

Der schwäbische Bund war mit Macht in Württemberg eingedrungen, von Tag zu Tag gewann er an Boden, von Woche zu Woche wurden seine Heere furchtbarer. Zuerst war nach langer, mutiger Gegenwehr der Hellenstein, das feste Schloß von Heidenheim, gefallen. Teck, damals noch eine starke, feste Burg, fiel durch die Unvorsichtigkeit der Besatzung; am mutigsten hielt sich Möckmühl; es schloß einen Mann in seinen Mauern ein, der sich allein mit zwanzig der Belagerer geschlagen hätte; sein eiserner Wille war oft nicht minder schwer als seine eiserne Hand auf ihnen gelegen Auch diese Mauern wurden gebrochen, und Götz von Berlichingen fiel in des Bundes Hand. Auch Schorndorf konnte den Kanonen Georgs von Frondsberg nicht widerstehen; es war die festeste Stadt gewesen; mit ihr fiel das Unterland.

So war nun ganz Württemberg bis herauf gegen Kirchheim in der Bündischen Gewalt, und der bayerische Herzog brach mit seinem Lager auf, um mit Ernst an Stuttgart zu gehen. Da kamen ihm Gesandte entgegen nach Denkendorf, die um Gnade flehten. Sie durften zwar nicht wagen vor dem erbitterten Feind ihren Herzog zu entschuldigen; aber sie gaben zu bedenken, daß ja er, die Ursache des Krieges, nicht mehr unter ihnen sei, daß man nur gegen seinen unschuldigen Knaben, den Prinzen Christoph, und gegen das Land Krieg führe. Aber vor der ehernen Stirn Wilhelms von Bayern vor den habgierigen Blicken der Bundesglieder fanden diese Bitten keine Gnade. Ulrich habe diese Strafe verdient, gab man zur Antwort, das Land habe ihn unterstützt, also mit gefangen, mit gehangen—auch Stuttgart mußte seine Tore öffnen.

Aber noch war der Sieg nichts weniger als vollständig; der größte Teil des Oberlandes hielt noch zum Herzog; und es schien nicht, als ob er sich auf den ersten Aufruf ergeben wollte. Dieses höher gelegene Gebirgsland wurde von zwei festen Plätzen, Urach und Tübingen beherrscht; solange diese sich hielten, wollten auch die Lande umher nicht abfallen. In Urach hielt es die Bürgerschaft mit dem Bund, die Besatzung mit dem Herzog. Es kam zum Handgemenge, worin der tapfere Kommandant erstochen wurde; die Stadt ergab sich den Bündischen.

Und so war in der Mitte des April nur noch Tübingen übrig; doch dieses hatte der Herzog stark befestigt; dort waren seine Kinder und die Schätze seines Hauses; dem Kern des Adels, vierzig wackeren, kampfgeübten Rittern und zweihundert der tapfersten Landeskinder war das Schloß anvertraut. Diese Feste war stark, mit Kriegsvorräten wohl versehen, an ihr hingen jetzt die Blicke der Württemberger, denn aus diesen Mauern war ihnen schon manches Schöne und Herrliche hervorgegangen; von diesen Mauern aus konnte das Land wieder dem angestammten Fürsten erobert werden, wenn es sich so lange hielt, bis er Entsatz herbeibrachte. Und dorthin wandten sich jetzt die Bündischen mit aller Macht. Ihrer Gewappneten Schritte tönten durch den Schönbuch, die Täler des Neckars zitterten unter dem Hufschlag ihrer Rosse; auf den Feldern zeigten tiefe Spuren, wohin die schweren Feldschlangen Falkonen und Bombarden, die Kugel- und Pulverwagen, der ganze furchtbare Apparat einer langen Belagerung gezogen war.

Diese Fortschritte des Krieges hatte Georg von Sturmfeder nicht gesehen. Ein tiefer, aber süße Schlummer hielt wie ein mächtiger Zauber seine Sinne viele Tage lang gefangen; es war ihm in diesem Zustand wohl zumute wie einem Kind, das am Busen seiner Mutter schläft, nur hin und wieder die Augen ein wenig öffnet, um in eine Welt zu blicken, die es noch nicht kennt, um sie dann wieder auf lange zu verschließen. Schöne beruhigende Träume aus besseren Tagen gaukelten um sein Lager, ein mildes, seliges Lächeln zog oft über sein bleiches Gesicht und tröstete die, welche ihn mit banger Erwartung pflegten.

Wir wagen es, den Leser in die niedere Hütte zu führen, die ihn gastfreundlich aufgenommen hatte, und zwar am Morgen des neunten Tages, nachdem er verwundet worden war.

Die Morgensonne dieses Tags brach sich in farbigen Strahlen an den runden Scheiben eines kleinen Fensters und erhellte das größere Gemach eines dürftigen Bauernhauses. Das Gerät, womit es ausgestattet war, zeugte zwar von Armut, aber von Reinlichkeit und Sinn für Ordnung. Ein großer, eichener Tisch stand in einer Ecke des Zimmers, auf zwei Seiten von einer hölzernen Bank umgeben. Ein geschnitzter, mit hellen Farben bemalter Schrein mochte den Sonntagsstaat der Bewohner oder schöne, selbstgesponnene Leinwand enthalten; das dunkle Getäfel trug ringsum ein Brett, worauf blanke Kannen, Becher und Platten von Zinn, irdenes Geschirr mit sinnreichen Reimen bemalt und allerlei musikalische Instrumente eines längst verflossenen Jahrhunderts, wie Zimbeln, Schalmeien und eine Zither, aufgestellt waren. Um den großen Kachelofen, der weit vorsprang, waren reinliche Linnen zum Trocknen aufgehängt, und sie verdeckten beinahe dem Auge eine große Bettstelle, mit Gardinen von großgeblümtem Gewebe, die im hintersten Teil der Stube aufgestellt war.

An diesem Bett saß ein schönes, liebliches Kind, von etwa sechzehn bis siebzehn Jahren. Sie war in jene malerische Bauerntracht gekleidet, die sich teilweise bis auf unsere Tage in Schwaben erhalten hat. Ihr gelbes Haar war unbedeckt und fiel in zwei langen, mit bunten Bändern durchflochtenen Zöpfen über den Rücken hinab. Die Sonne hatte ihr freundliches, rundes Gesichtchen etwas gebräunt, doch nicht so sehr, daß dadurch das schöne jugendliche Rot auf der Wange verdunkelt worden wäre; ein munteres blaues Auge blickte unter den langen Wimpern hervor. Weiße, faltenreiche Ärmel bedeckten bis an die Hand den schönen Arm, ein rotes Mieder mit silbernen Ketten geschnürt, mit blendend weißen, zierlich genähten Linnen umgeben, schloß eng um den Leib; ein kurzes schwarzes Röckchen fiel kaum bis über die Knie herunter; diese schmucken Sachen und dazu noch eine blanke Schürze und schneeweiße Zwickelstrümpfe mit schönen Kniebändern wollten beinahe zu stattlich aussehen zu dem dürftigen Gemach, besonders da es Werktag war.

Die Kleine spann emsig feine glänzende Fäden aus ihrer Kunkel, zuweilen lüftete sie die Gardinen des Bettes und warf einen verstohlenen Blick hinein. Doch schnell, als wäre sie auf bösen Wegen ertappt worden, schlug sie die Vorhänge wieder zu und strich die Falten glatt, als sollte niemand merken, daß sie gelauscht habe.

Die Tür ging auf, und eine runde, ältliche Frau in derselben Tracht wie das Mädchen, aber ärmlicher gekleidet, trat ein. Sie trug eine dampfende Schüssel Suppe zum Frühstück auf, und stellte Teller auf dem Tisch zurecht. Indem fiel ihr Blick auf das schöne Kind am Bett, sie staunte sie an, und wenig hätte gefehlt, so ließ sie den Krug mit gutem Apfelwein fallen, den sie eben in der Hand hielt.

"Was fällt Der aber um Gottes Willa ei', Bärbele?" sagte sie, indem sie den Krug niedersetzte und zu dem Mädchen trat. "Was fällt Der ei', daß De am Wertich da nuia rautha Rock zum Spinna anziehst? Und au's nui Miader hot sie an, und, ei daß Di!—au a silberne Kette. Und en frischa Schurz, und Strümp no so mir nix Dir nix aus em Kasta reißa? Wer wird denn en solcha Hochmut treiba, Du dummes Ding; Du? Woißt Du net, daß mer arme Leut sind? Und daß Du es Kind voma onglückliche Mann bist?-"

Die Tochter hatte geduldig die ereiferte Frau ausreden lassen; sie schlug zwar die Augen nieder, aber ein schelmisches Lächeln, das über ihr Gesicht flog; zeigte, daß die Strafpredigt nicht sehr tief gehe. "Ei, so lasset Uich doch b'richta", antwortete sie, "was schadet's denn dem Rock, wenn i ihn au amol ama christliche Wertag anhau? An der silberna Kette wird au nix verderbt, und da Schurz kann i jo wieder wäscha!"

"So? Als wemma et immer gnuag z'wäscha und z'putza hätt? So sag mer no, was ist denn in De g'fahra, daß De so strählst und schöa machst?"

"Ah was!" flüsterte das errötende Schwabenkind, "wisset Er denn net, daß heut der acht Tag ist? Hot et der Ätti g'sait, der Junker werd' am heutige Morga verwacha, wenn sei Tränkle guete Wirkung häb? Und do hanna eba denkt—"

"Ist's um dui Zeit?" entgegnete die Hausfrau freundlicher. "Da host wärle reacht; wenn er verwacht und sieht älles so schluttig und schlampich, se ist's et guot, und könnt Verdruß gä beim Ätte. Ih sieh aus wia na Drach. Gang, Bärbele, hol mer mei schwarz Wammes, mei rauths Miader und en frischa Schurz."

"Aber Muater", gab die Kleine zu bedenken, "Er wendt Uich doch et do anthau wölla? Wenn der Junker jetzt no grad verwacha tät? Ganget lieber uffe und theant Uich droba an, i bleib derweil bei em."

"Da hast au reacht, Mädle", murmelte die Alte, ließ selbst das Frühstück stehen und ging, um sich in ihren Putz zu werfen. Die Tochter aber öffnete das Fenster der frischen, erquickenden Morgenluft, sie streute Futter auf den breiten Sims, viele Tauben und Sperlinge flogen heran und verzehrten mit Gurren und Zwitschern ihr Frühstück; die Lerchen in den Bäumen vor den Fenstern antworteten in einem vielstimmigen Chorus, und das schöne Mädchen sah, von der Morgensonne umstrahlt, lächelnd ihren kleinen Kostgängern zu.

In diesem Augenblick öffneten sich die Gardinen des Bettes, der Kopf eines schönen, jungen Mannes sah heraus; wir kennen ihn, es ist Georg.

Ein leichtes Rot, der erste Bote wiederkehrender Gesundheit lag auf seinen Wangen; sein Blick war wieder glänzend, wie sonst; sein Arm stemmte sich kräftig auf das Lager. Erstaunt blickte er auf seine Umgebung; dieses Zimmer, dieses Gerät waren ihm fremd, er selbst, seine ganze Lage kam ihm ungewohnt vor. Wer hatte ihm diese Binde um das Haupt gebunden? Wer hatte ihn in dieses Bett gelegt? Es war ihm wie einem, der mit fröhlichen Brüdern eine Nacht durchjubelt, die Besinnung endlich verloren hat und auf einem fremden Lager aufwacht.

Lange sah er dem Mädchen am Fenster zu; dieses Bild, das erste, das ihm bei seinem Erwachen aus langem Schlaf entgegen trat, war so freundlich, daß er das Auge nicht davon abwenden konnte; endlich siegte die Neugierde, über das, was mit ihm vorgegangen war, gewisser zu werden; er machte ein Geräusch, indem er die Gardinen des Bettes noch weiter zurückschlug.

Das Mädchen am Fenster schien zusammenzuschrecken; sie wandte sich um, über ein schönes Gesicht flog ein brennendes Rot, freundliche, blaue Augen staunten ihn an; ein roter, lächelnder Mund schien vergebens nach Worten zu suchen, den Kranken bei seiner Rückkehr ins Leben zu begrüßen. Sie faßte sich und eilte mit kurzen Schrittchen an das Bett, doch machte sie unterwegs mehrere Male halt, als besinne sie sich ob er denn wirklich wieder aufgewacht sei, ob es sich auch schicke, daß sie zu ihm trete, da er jetzt wieder lebe wie ein anderer Mensch.

Der junge Mann, nachdem er der Verlegenheit des schönen jungen Kindes lächelnd zugesehen hatte, brach zuerst das Stillschweigen.

"Sag mir, wo bin ich? Wie kam ich hierher?" fragte Georg. "Wem gehört dieses Haus, worin ich, wie mir scheint, aus einem langen Schlaf erwacht bin?"

"Sind Er wieder ganz bei Uich?" rief das Mädchen, indem sie vor Freude die Hände zusammenschlug. "Ach, Herr Jeses, wer hett' des denkt? Er gucket oin doch au wieder g'scheit an, und et so duselig, daß oins ällemol angst und bang wora ist."

"Ich war also krank?" forschte Georg, der das Idiom des Mädchens nur zum Teil verstand. "Ich lag einige Stunden ohne Bewußtsein?"

"Ei, wie schwätzet Er doch", kicherte das hübsche Schwabenkind und nahm das Ende des langen Zopfbandes in den Mund, um das laute Lachen zu verbeißen, "a paar Stund, saget Er. Heut nacht wird's g'rad nei Tag; daß se Uich brocht hent."

Der Jüngling staunte sie mit ernsten Blicken an. Neun Tage, ohne zu Marien zu kommen! Zu Marien? Mit diesem himmlischen Bild kehrte wie mit einem Schlag seine Erinnerung wieder; er erinnerte sich, daß er vom Bund sich losgesagt habe; daß er sich entschlossen habe, nach Lichtenstein zu reisen, daß er über die Alb auf geheimen Wegen gezogen sei, daß—er und sein Führer überfallen, vielleicht gefangen wurden "Gefangen?" rief er schmerzlich "Sage, Mädchen, bin ich gefangen?"

Diese hatte mit wachsender Angst gesehen, wie sich die klaren Blicke des jungen Ritters verfinstert hatten, wie seine freundlichen Züge ernst, beinahe wild wurden. Sie glaubte, er falle in jenen schrecklichen Zustand zurück, wo er, vom Wundfieber hart angefallen, einige Stunden lang gerast hatte, und der schwermütige Ton seiner Frage konnte ihre Furcht nicht mindern. Unschlüssig, ob sie bleiben oder um Hilfe rufen solle, trat sie einen Schritt zurück.

Der junge Mann glaubte in ihrem Schweigen, in ihrer Angst die Bestätigung seiner Frage zu lesen. "Gefangen, vielleicht auf lange, lange Zeit", dachte er, "vielleicht weit von ihr entfernt, ohne Hoffnung, ohne den Trost, etwas von ihr zu wissen!" Sein Körper war noch zu erschöpft, als daß er der trauernden Seele widerstanden hätte; eine Träne stahl sich aus dem gesenkten Auge.

Das Mädchen sah diese Träne, ihre Angst löste sich augenblicklich in Mitleiden auf, sie trat näher, sie setzte sich an sein Bett, sie wagte es, die herabhängende Hand des Jünglings zu ergreifen "Er müesset et greina", sagte sie, "Euer Gnada sind jo jetzt wieder g'sund, und—Er kennet jo jetzt bald wieder fortreita", setzte sie wehmütig lächelnd hinzu.

"Fortreiten?" fragte Georg; "Also bin ich nicht gefangen?"

"G'fanga? Noi, g'fanga send Er net; es hätt zwar a paarmol sei kenne, wia dia vom schwäbischa Bund vorbeizoga send; aber mer hent Uich allemol guet versteckt; der Vater hot g'sait, mer solla da Junker koin Menscha seha lau."

"Der Vater?" rief der Jüngling. "Wer ist der gütige Mann? Wo bin ich denn?"

"Ha, wo werdet Er sei?" antwortete Bärbele. "Bei aus send Er in Hardt."

"In Hardt?" Ein Blick auf die musikalisch ausstaffierten Wände gab ihm Gewißheit, daß er Freiheit und Leben jenem Mann zu verdanken habe, der ihm wie ein Schutzgeist von Marien zugesandt war. "Also in Hardt? Und Dein Vater ist der Pfeifer von Hardt? Nicht wahr?"

"Er hot's et gern, wemmer em so ruaft", antwortete das Mädchen, "er ist freile sei's Zoiches a Spielma, er hairt's am gernsta, wemmer Hans zua nem sait."

"Und wie kam ich denn hierher?" fragte jener wieder.

"Ja wisset Er denn au gar koi Wörtle meh?" lächelte das hübsche Kind und bediente sich des Zopfbandes. Sie erzählte, ihr Vater sei schon seit einigen Wochen nicht zu Hause gewesen, da sei er einmal vor neun Tagen in der Nacht an das Haus gekommen und habe stark gepocht, bis sie erwacht sei. Sie habe seine Stimme erkannt und sei hinabgeeilt, um ihm zu öffnen. Er sei aber nicht allein gewesen, sondern noch vier andere Männer bei ihm, die eine mit einem Mantel verdeckte Tragbahre in die Stube niedergelassen hätten. Der Vater habe den Mantel zurückgeschlagen und ihr befohlen, zu leuchten, sie sei aber heftig erschrocken, denn ein blutender, beinahe toter Mann sei auf der Bahre gelegen. Der Vater habe ihr befohlen, das Zimmer schnell zu wärmen, indessen habe man den Verwundeten, den sie seinen Kleidern nach für einen vornehmen Herrn erkannt habe, auf das Bett gebracht. Der Vater habe ihm seine Wunden mit Kräutern verbunden, habe ihm dann auch selbst einen Trank bereitet, denn er verstehe sich trefflich auf die Arzneien für Tiere und Menschen. Zwei Tage lang seien sie alle besorgt gewesen, denn der Junker habe gerast und getobt. Nach dem zweiten Tränklein aber sei er still geworden, der Vater habe gesagt, am achten Morgen werde er gesund und frisch erwachen, und wirklich sei es auch so eingetroffen.

Der junge Mann hatte mit wachsendem Erstaunen der Rede des Mädchens zugehört. Er hatte sie oft unterbrechen müssen, wenn er ihre zierlichen Ausdrücke nicht recht verstand, oder wenn sie in ihrer Rede abschweifte, um die Kräuter zu beschreiben, woraus der Pfeifer von Hardt seine Arzneien bereitet hatte.

"Und Dein Vater", fragte er sie, "wo ist er?"

"Was wisset mir, wo er ist!" antwortete sie ausweichend, doch als besinne sie sich eines Besseren, setzte sie hinzu: "Uich kammes jo saga, denn Ihr müesset gut Freund sei mit em Vater. Er ist nach Lichtastoi."

"Nach Lichtenstein?" rief Georg, indem sich seine Wangen höher färbten. "Und wann kommt er zurück?"

"Ja er sott schau seit zwoi Tag do sei, wie ner gsait hot. Wennem no nix g'scheha ist. D'Leut saget, die bündische Reiter bassenem uff."

Nach Lichtenstein—dorthin zog es ja auch ihn. Er fühlte sich kräftig genug, wieder einen Ritt zu wagen und das Versäumnis der neun Tage einzuholen. Seine nächste und wichtigste Frage war daher nach seinem Roß. Und als er hörte, daß es sich ganz wohl befinde und im Kuhstall seiner Ruhe pflege, war auch der letzte Kummer von ihm gewichen. Er dankte seiner holden Pflegerin für seine Wartung und bat sie um sein Wams und seinen Mantel. Sie hatte längst alle Spuren von Blut und Schwerthieben aus den schönen Gewändern vertilgt; mit freundlicher Geschäftigkeit nahm sie die Habe des Junkers aus dem geschnitzten und gemalten Schrein, wo sie neben ihrem Sonntagsschmuck geruht hatten. Lächelnd breitete sie Stück vor Stück vor ihm aus und schien sein Lob, daß sie alles so schön gemacht habe, gerne zu hören. Dann enteilte sie dem Gemach, um die frohe Botschaft, daß der Junker ganz genesen sei, der Mutter zu verkünden.