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Kitabı oku: «Herz und Wissen», sayfa 24

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Capitel L

Es war am Donnerstag und gegen sieben Uhr Abends, als Carmina zum ersten Mal Teresa wiedererkannte.

Ihre halb geschlossenen Augen öffneten sich voll, wie nach einem langen Schlafe; sie ruhten auf der alten Amme mit keinem geringsten Zeichen der Bewunderung.

»Ich bin so glücklich, daß Du da bist, meine Liebe,« sagte sie matt. »Bist Du von Deiner Reise sehr ermüdet?«

Hiernach folgte keine weitere Frage; nicht die geringste Erwähnung Mrs. Gallilee’s – keinerlei Besorgniß um Miß Minerva – kein Zeichen einer Unruhe, sich in einem fremden Zimmer zu finden; ihr Gesicht blieb ruhig. In beschaulicher Ruhe richtete sie nur dann und wann ihr Auge auf Teresa und fragte: »Du wirst bei mir bleiben, nicht wahr?«

Hin und wieder gestand sie, daß ihr der Kopf sehr schwer sei; und dann bat sie Teresa, ihre Hand nehmen zu wollen. »Mir ist, als wenn ich von Dir fort triebe,« sagte sie. »Halte meine Hand fest in der Deinen und ich kann ohne Furcht mich dem Schlaf überlassen.«

Sobald sie diese Worte gesagt, verfiel sie in Schlaf.

Gelegentlich zitterte die gehaltene Hand und dann küßte sie Teresa Carmina schien sich dessen bewußt – sie lächelte im Schlaf.

Aber in der ersten Morgenstunde wich diese sanfte Ruhe einem starken Uebelfinden. Dies wiederholte sich. Teresa schickte nach Mr. Null. Er that, was in seinen Kräften stand, um seiner Patientin Erleichterung zu verschaffen und schickte nach seinem berühmten Kollegen.

Benjulia verlor keinen Augenblick, der ihm gewordenen Aufforderung persönlich Folge zu leisten.

Mr. Null meinte: »Sehr verdorbener Magen, Sir.« Benjulia stimmte bei. Mr. Null zeigte sein Rezept. Benjulia nickte Beifall. Mr. Null fragte: »Haben Sie noch irgend etwas zu erinnern, Sir?«

Benjulia hatte absolut nichts in Erinnerung zu bringen.

Dennoch blieb er bis Carmina wieder zu sprechen vermochte. Teresa und Mr. Null waren neugierig, was er wohl mit ihr sprechen werde.

Er sagte aber nur: »Erinnern Sie sich der Zeit unseres letzten Zusammenseins?«

Nach einer kurzen Pause des Nachdenkens erwiderte sie: »Ja, Zo war bei uns; Zo brachte Ihren großen Stock herein und wir sprachen —« Sie strengte ihr Gedächtniß an. »Was sprachen wir denn gleich?« sagte sie mit flüchtigem Erröthen. »Ich entsinne mich wahrhaftig nicht. Ich weiß nicht, wann Sie fortgingen. Schadet es nichts?«

»Gar nichts, gar nichts« antwortete Benjulia. »Schlafen Sie!«

Er blieb aber immer noch und beobachtete sie, wie die. Müdigkeit sie überfiel.

»Große Schwäche,« flüsterte Mr. Null.

Und Benjulia antwortete: »Ja, ich werde wiederkommen.«

Indem er hinausging, zog er Teresa bei Seite. »Keine Fragen weiter,« sagte er, »und helfen Sie ihrem Gedächtniß nicht nach, wenn sie fragen sollte.«

»Wird sie sich erinnern, wenn sie nun wohler wird?« forschte Teresa.

»Unmöglich, das vorher zu bestimmen. Warten Sie ab.«

Er beeilte sich nach Haus zu kommen, um seine Arbeiten fortzusetzen.

»Räthselhafter Fall,« meinte er in Bezug auf Carmina. »Da giebt es einen geheimen Vorgang zu beobachten; aber nur Zeit, und er wird schon hervortreten. Jedenfalls hoffe ich, der Esel wird mich mindestens auf eine Woche in Ruhe lassen,« murmelte er in Bezug auf seinen medizinischen Kollegen.

Die Woche verging – Benjulia wurde nicht gestört.

In dieser Zeit gelang es Mr. Null, der Uebelkeitsanfälle zum Theil Herr zu werden; sie waren weniger stark und kehrten in längeren Pausen erst wieder. Im Uebrigen schien – was Teresa sich fest einbildete – ein Umschwung zum Besseren in Vorbereitung. Ein gewisser geistiger Fortschritt war bei Carmina allerdings bemerkbar. Das zeigte sich gleich in der angenehmsten Weise, indem sie von Ovid zu reden begann.

Ihre Hauptsorge war, daß er nichts von ihrer Krankheit erfahre. Sie verbot Teresa, an ihn zu schreiben und sandte zu Mr. und Mrs. Gallilee und selbst zu Mr. Mool, mit der Bitte, hierüber Stillschweigen zu beobachten.

Die Amme versprach dies auszurichten und – vergaß es dann. Diese Unterlassungssünde, von den Umständen geboten, zeitigte keinerlei böse Folgen. Mrs. Gallilee hatte ihre guten Gründe zu schweigen; und ihr Gatte und der ihm verbündete Mr. Mool hatten beschlossen, ihre Depesche an das Bankhaus zu richten. Was Teresa selbst betraf, so hatte sie gar kein Verlangen, mit Ovid zu korrespondieren. Seine Abwesenheit, so dringend seine Gesundheit dieselbe auch gefordert – war ihrer Ansicht nach unentschuldbar. Gesund oder krank, mit oder ohne Grund, er hätte in Carmina’s Interesse zu Hause bleiben müssen, so wenigstens meinte die Amme. Und wer konnte sonst noch an Ovid schreiben? An Zo dachte Niemand. Carmina war beruhigt.

Ein oder zweimal in dieser letzten Zeit nahmen ihre Gedanken einen weiteren Flug in die Vergangenheit.

Sie wunderte sich, warum ihr Mr. Gallilee konsequent fern blieb. Sie gestand sich ein, daß dies eine Beruhigung für sie sei, und verlangte keine Auskunft. Sie gedachte auch Miß Minerva’s, indem sie fragte: »Weißt Du, wo sie jetzt ist? Meinst Du nicht, daß sie mir schreiben sollte?« Und Teresa versprach, Nachforschungen anstellen zu wollen. Aber Carmina ließ ihr Haupt ermüdet aufs Kissen sinken und sagte: »Es thut nichts.«

Bei einer anderen Gelegenheit fragte sie nach Zo und fügte» hinzu, daß es ihr angenehm sein würde, wenn Mr. Gallilee kommen und das Kind mitbringen wollte. Dann dachte sie nicht mehr daran. Das Einzige, was ihre Gedanken länger als auf einen Augenblick in Anspruch nahm, war die Erinnerung an den letzten Brief, den sie an Ovid geschrieben.

Sie malte es sich aus, wie der Empfang desselben ihn überrascht haben möge. Ihre fortgesetzte Krankheit machte sie ungeduldig; hinderte sie dieselbe doch, nach Canada zu entweichen. Sie sprach mit Teresa über den fein ersonnenen Fluchtplan, dessen ganzes Arrangement sie aber merkwürdiger Weise nicht Miß Minerva, sondern der Amme zuschrieb. Hier zum ersten Mal betrat ihr Geist gefährlichen Boden. Jenen Vorgängen folgten in ihrer Erinnerung die Entwendung des Briefes und die nachfolgenden Ereignisse, das heißt, wenn sie ihre Schwäche nicht schon früher ablenkte. Weiter als bis zum Schreiben des Briefes reichten ihre Gedanken nicht. Alles Vorhergegangenen gedachte sie mit keiner Silbe. Ihr armes gemartertes Hirn suchte und fand noch immer Ruhe und Vergessenheit im Schlaf. Manchmal versank sie in theilweise Bewußtlosigkeit und manchmal kehrte auch die alte Uebelkeit wieder. Mr. Null lieferte ein Beispiel von himmlischer Geduld und Ergebenheit. Er glaubte noch immer steif und fest an seine Rezepte; Zeit und Behandlung waren die Hauptstützen seiner Hoffnung. Die Magenverderbtheit, wie er es nannte, bot etwas Positives, Greifbares für die Behandlung. Er hatte die Besorgnisse und Angst überwunden, welche mit Carmina’s Ueberführung in die Wohnung der Amme ihn beunruhigt hatten. Vertrauensvoll die Oberfläche überblickend – mit keiner Ahnung von dem inneren Vorgang – konnte er mit ruhigem Gewissen Teresa gegenüber behaupten, er verstehe den Fall. Er war auch immer bereit, ihr Trost und Muth einzusprechen, wenn ihre sich in Extremen ergehende italienische Natur von der Höhe der Hoffnung in den Abgrund der Verzweiflung hinab drängte.

»Meine liebe Frau,« pflegte er zu sagen, »wir wissen jetzt, woran wir sind, und zu wissen, woran wir in einer Sache sind, ist immer eine große Errungenschaft.«

»Was» meinen Sie mit Ihrem »Wissen, woran wir sind«, fiel die mit ihren Gedanken nie zurückhaltende Amme ein. »Sagen Sie mir lieber, wann Carmina wieder hergestellt sein wird.«

Mr. Nulls medizinische Kenntnisse waren einem solchen Anspruch von Prophetenthum noch nicht gewachsen.

»Es ist ein langwieriger Prozeß,« gestand er ein, »dennoch befindet sich Miß Carmina in der Besserung.«

»Und wie ist es mit ihrer Tante?« fragte plötzlich Teresa. »Wann wird Mrs. Gallilee voraussichtlich hierher kommen?«

»In einigen Tagen – hoffe ich,« wollte Mr. Null sagen, aber er dachte an die möglichen Folgen einer Begegnung zwischen den beiden Frauen und schwieg. Auf Teresa’s Antlitz malte sich eine tiefe Erregung, sie schien einen so baldigen Besuch nicht erwartet zu haben. Sie nahm einen Brief aus der Tasche.

»Ich finde viel geheimes Wissen in Ihnen,« sagte sie zu Mr. Null. »Sie müssen einst mancherlei Erfahrungen mit falschen, lügenhaften Engländerinnen gemacht haben. Was zum Beispiel meint dieser Wortschwall in die Sprache des reinen Gewissens übersetzt?« Sie reichte ihm den Brief:

Mit einigem Widerstreben las er:

»Mrs. Gallilee verweigert jedes Zugeständniß an die Person, welche früher im Hause des verewigten Mr. Robert Graywell die Stellung einer Amme inne hatte. Mrs. Gallilee erkennt Abbitte und Unterweisung insoweit an, als sie von einem gerichtlichen Vorgehen augenblicklich Abstand nimmt. In diesem Entschlusse wird sie auch wesentlich von dem Wunsche geleitet, ihrer Nichte jede Aufregung, die die ärztliche Behandlung störend unterbrechen könnte, zu ersparen. Wenn die Umstände es gestatten, wird sie nicht versäumen, ihre Autorität geltend zu machen.«

Die Handschrift verrieth Mr. Null, daß dieses Manifest von Mrs. Gallilee nicht selbst geschrieben worden. Derjenige, der ihm in seiner Vertrauensstellung als Amanuensis der Dame gefolgt war, war Jemand, der auch vernünftigen Rath ertheilen konnte. Wenig ahnte er, daß dieser Herr Geheimsekretär mit jenem unternehmenden Pianisten identisch sei, der ihn einstmals veranlaßt hatte, ihm ein Billet zum Konzert abzunehmen – Preis fünf Schillinge.

»Nun?« fragte Teresa.

Mr. Null zögerte noch.

Die Amme stampfte ärgerlich mit dem Fuße auf. »Sagen Sie mir nur eins,« rief sie, »wenn sie herkommt, wird sie mich dann von Carmina trennen? ist das ihre Absicht?«

»Möglich,« sagte der vorsichtige Mr. Null.

Teresa wies nach der Thür.

»Guten Morgen» sagte sie. »Weiter wünsche ich nichts von Ihnen. »O, Mann, Mann, gehen Sie und überlassen Sie mich mir selbst!«

Kaum war Jener hinaus, so warf sie sich auf die Knie nieder. Und mit dem Ausdruck völliger Verzweiflung betete sie wieder und wieder: »Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Uebel! Gott, Gott erhöre mich! Mutter Gottes erhöre mich. O, Carmina! Carmina!«

Sie erhob sich und öffnete die zum Schlafzimmer führende Thür. Furchtsam zitternd, hielt sie ihr Auge unverwandt auf die sanft schlafende Carmina gerichtet; dann wandte sie sich nach einer Ecke des Zimmers, wo ein hölzerner Kasten stand. Sie nahm ihn auf, und nachdem sie damit nach dem Wohnzimmer zurückgekehrt, schloß sie die Thür wieder.

Nach einer kurzen Zögerung schritt sie zum Oeffnen des Kastens. Angst und Verwirrung hatten sich ihrer bemächtigt; sie ergriff den falschen Schlüssel. Nachdem sie den richtigen gefunden und den Kasten geöffnet hatte, zeigten sich, und zwar mit den leichteren Gegenständen ihrer Garderobe bunt durcheinander geworfen, eine Menge Papiere, darunter Briefe und Rechnungen, sowie Vorschriften für die Bereitung von Malfarben mit verblichener Tinte.

Sie fuhr erschrocken zurück. Warum war sie nicht Pater Patrizios Rathe gefolgt. Wenn sie nur noch einen Tag gewartet hätte; wenn sie ihres Gatten Papiere nur geordnet hätte, ehe sie sie mit den anderen Sachen, die in den Koffer nicht mehr hinein gingen, in den halb leeren Kasten geworfen! Wieviel bitteres Weh wäre ihr dann erspart geblieben! Ihr Auge irrte traurig nach der Schlafzimmerthüre zurück. »O, mein Liebling,« hauchte sie, »ich war ja in solcher großen Eile, zu Dir zu kommen!«

Endlich fand sie ihre Selbstbeherrschung wieder. Sie senkte ihre Hand in den Kasten. Ihn bis auf den Grund durchsuchend, holte sie eine kleine Blechdose hervor. Ein beschmutztes Etikett trug die folgende Inschrift in italienischer Sprache:

»Wenn etwas von dem Pulver, womit wir unsere schönsten Farben herstellen, hier drin verbleiben sollte, bitte ich meine liebe Gattin oder sonst eine vertrauenswürdige Person, es unter Siegel zu legen und mit des gewesenen Werkführers Kompliment an die Fabrik zurück zu liefern. Es sieht angenehm, wie Zucker, aus. Aber hüte Dich vor dem Aussehen – Du könntest Gift nehmen.«

Im Begriff, die Dose zu öffnen, hielt sie inne. Von einem unbewußten Drange getrieben, that sie, was ein Kind jetzt gethan haben würde, sie schüttelte die Dose und horchte hinein.

Das Rascheln des auf- und niedersteigenden Pulvers hielt sie – zugleich ihre Angst vermehrend – in einem fremden, unwiderstehlichen Bann.

»Der Todtentanz, der Tanz der Teufel,« murmelte sie mit einem häßlichen Lächeln. »Sanft auf und nieder und mich immer lockend, den Deckel abzunehmen! Warum läßt er mich nicht los?«

Diese Frage erweckte ihre Erinnerung an Carmina’s Vormünderin. Wenn Mr. Null Recht hatte, so durfte Mrs Gallilee’s Besuch in ein bis zwei Tagen entgegengesehen werden. Nachdem die Advokaten Teresa mit Trennung von Carmina bedroht hatten, hatte sie den Kasten zum ersten Mal durchsucht, um nur ihre Gedanken von dieser furchtbaren Aussicht ab- und auf etwas Anderes zu lenken. Dabei hatte sie die Dose entdeckt. Der Anblick des tödtlichen Pulvers hatte sie in Versuchung geführt. Da war das schreckliche Pulver, um Mrs. Gallilee’s Willen zu trugen, ihre Macht zu brechen! Andere Frauen an ihrer Stelle hätten Gebrauch davon gemacht. Obgleich sie jetzt nicht unter dem Banne des unmittelbaren Anblicks des Giftpulvers stand, fühlte sie doch diesen selben Gedanken sie noch einmal beschleichen Es gab nur eine Hoffnung für sie; sie mußte sich des Pulvers irgendwie entledigen. Aber wie?

In dieser Jahreszeit brannte kein Feuer im Kamin. In dem engen Umkreis des Zimmers fand sich auch kein Mittel, keine Handhabe zur gewissen Vernichtung. Ihr eigenes Entsetzen vor der Dose ließ sie den Verdacht Dritter befürchten, wenn sie nun, dieselbe in der Hand haltend, die Treppe hinabstieg. Aber sie war entschlossen, selbst wenn sie ein Feuer anzünden sollte, einen Ausweg zu finden. Ihre feste Entschlossenheit bekundete sich darin, daß sie den Kasten wieder schloß, ohne die Dose in ihr Versteck zurückzuthun.

Sich mit einem Messer bewaffnend, setzte sie sich in einer Ecke nieder – es war zwischen der Schlafzimmerthür und einem im Mauerwinkel befindlichen Schrank – und begann das Vernichtungswerk mit dem Abkratzen des beschriebenen Papieretiketts. Die Schnitzel konnten verbrannt werden und nach ihnen – wenn sie sich’s bei der heiligen Jungfrau gelobte – auch das Pulver. Die leere Dose konnte keinen Schaden bringen.

Sie hatte mit dem Abkratzen kaum begonnen, als es ihr einfiel, daß das Anzünden eines Feuers an diesem warmen Herbsttage Verdacht erwecken könnte, wenn zufällig die Wirthin oder Mr. Null hereinkämen. Es war doch sicherer, die Nacht abzuwarten, wo Jedermann schlief.

Indem sie diesen Vorsatz faßte, ließ sie unwillkürlich das Messer sinken. In der nun folgenden Stille hörte sie Jemand durch die auf die Treppe mündende Thür ins Schlafzimmer eintreten. Gleich darauf wurde von derselben Hand die Klinke der neben, ihr befindlichen Thür herabgedrückt. Sie hatte kaum Zeit, den Schrank zu öffnen und die Dose darin zu verstecken, als schon die Wirthin eintrat.

Teresa starrte sie wild an. Die Wirthin sah nach ihrem Schrank; sie war stolz auf ihren Schrank.

»Raum genug da,« sagte sie stolz, »kein anderes Haus in der Nachbarschaft könnte Ihnen so viel Bequemlichkeit bieten. Ja – das Schloß ist nicht in Ordnung; ich weiß es. Meine letzte Mietherin gethan! Sie hat mein Tischtuch verdorben und das Tintenfaß darauf gestellt, um die Stelle zu verdecken. Kreatur! Da haben Sie Ihren Charakter in einem Wort. Sie haben mich wohl nicht an die Schlafstubenthür klopfen hören? Ich freue mich so, sie so ruhig schlafend zu sehen; armes Kind. Ihre Hühnersuppe ist fertig und bereit, wenn sie erwachen sollte. Sehen Sie, wir haben oben viel zu thun gehabt, um das Schlafzimmer für einen neuen Miether zurecht zu machen. Solch ein Kontrast gegen den eben Ausgezogenen! Ein vollkommener Gentleman diesmal. Und wie gütig, eine ganze Woche zu warten, bis ich ihn unterbringen konnte. Meine Parterrezimmer waren leer, wie Sie wissen, aber er sagte, die Bedingungen seien ihm zu hoch. O, ich habe nicht vergessen, ihm mitzutheilen, daß wir eine Patientin im Hause haben! Ruhige Gewohnheiten – sagte ich – sind in Wahrheit eine wohlthuende Eigenschaft bei einem neuen Einwohner in solchen Zeiten wie jetzt. Er verstand mich schon. »Ich bin selbst leidend gewesen«, sagte er, und der wahre Grund, warum ich meine innegehabte Wohnung aufgebe, ist, weil sie mir nicht ruhig genug war.« ist das nicht etwa der Herr, den wir suchen? Und, das muß ich noch erwähnen, auch ein hübscher Mann; allerdings etwas kahlköpfig, aber solch einen Bart und solch eine bezaubernde Stimme – Pst! hörte ich sie rufen?«

Endlich gestattete die Wirthin auch noch anderen Tönen, als denen ihrer Stimme, vernehmbar zu werden. Man konnte jetzt endlich die Ueberzeugung gewinnen, daß Carmina erwacht sei. Teresa eilte in das Schlafzimmer.

Im Sprechzimmer allein gelassen, öffnete die Wirthin – »aus «purer Neugierde« wie sie später ihrem neuen Miether erklärte – den Schrank und blickte hinein. Die Blechdose stand ihr gerade gegenüber in einem höheren Fach. Hatte Miß Carmina’s Amme die üble Gewohnheit zu schnupfen? Sie untersuchte die Dose. Die italienische Inschrift sprach in fremden Zungen. Sie besah das Pulver – benetzte ihren Finger – kostete es, und führte rasch ihr Taschentuch zum Munde. Der Geschmack auf ihrer Zunge war bitter und von brennender Schärfe. Sie stellte die Dose zurück und verschloß den Schrank. »Sicher Medizin,« argumentierte sie. »Warum sie es nur in solcher Eile versteckte, als ich herein kam?«

Capitel LI

Acht Tage nach seinem zweiten Besuch bei Mrs. Gallilee nahm Mr. Le Frank Besitz, von seinem neuen Logis.

Es war verabredet, daß er seine ersten Wahrnehmungen und Schritte Mrs. Gallilee schriftlich mittheilen sollte. Persönliche Mittheilungen an sie konnten möglichenfalls (wenn zufällig entdeckt) Teresa’s Verdacht erwecken, schon aus dem Grunde, weil sie ihn von Ansehen kannte. Sie hatten einander mehr als einmal gesehen, als Carmina eben nach England gekommen und die Amme noch im Hause war.

Den nächsten Tag verwandte er darauf, um Material für seinen ersten Bericht zu sammeln. Am Abend schrieb er an Mrs. Gallilee, aber unter der Adresse eines Freundes, der den Brief an seine richtige Adresse weiter geben sollte.

»Persönlich und vertraulich. Madame, ich habe mir Zeit und Gelegenheit zu Nutze gemacht, wie Sie gleich sehen werden.

»Mein Schlafzimmer liegt unmittelbar über den von Miß Carmina und ihrer Amme innegehabten Zimmern. Noch von verschiedenen eigenen kleinen Angelegenheiten in Anspruch genommen, wurde es etwas spät, ehe ich mein Zimmer beziehen konnte. Ehe noch die Lampen auf der Treppe ausgelöscht wurden, nahm ich mir die Freiheit, mich einmal eine Treppe tiefer umzusehen. Mein Gewissen hätte mich nicht ruhig schlafen lassen, wenn ich nicht wenigstens den Versuch einer wenn auch noch so un bedeutenden Entdeckung gemacht hätte.

»Erinnern Sie sich aus den ersten Schreibversuchen Ihrer Kindheit vielleicht einer Zeile in Ihrem Uebungsheft, welche lautet: »Tugend belohnt sich selbst? Nun, diese alberne Behauptung traf in meinem Falle wirklich zu. Noch ehe fünf Minuten in meiner beobachtenden Stellung verstrichen waren, sah ich die Amme die Thür öffnen. Sie blickte die Treppe hinauf und hinab (es ist fast überflüssig zu bemerken, ohne mich zu sehen) und ging, als sie Niemand gewahr wurde, in ihre Zimmer zurück.

»Nachdem sie die Thür hinter sich verschlossen hatte, stahl ich mich die Treppe hinab und horchte an der Thür.

»Eine meiner beiden Zimmerkolleginnen (Sie wissen, daß ich an Miß Carmina’s Krankheit nicht glaube) zündete eben ein Feuer an – und eine so warme Herbstnacht, daß selbst das Treppenfenster offen bleiben konnte! Ich bin dessen vollständig versichert, was ich sage; ich hörte das Prasseln brennenden Holzes und witterte Kohlendunst. Das Motiv zu dieser heimlichen That kann man unmöglich errathen. Hätten sie Dokumente von einem kompromittierenden oder gefährlichen Charakter verbrannt, so würde ein Liebt genügt haben. Wollten sie nur heißes Wasser haben, so mußte doch in einem Krankenzimmer eine Spiritusmaschine vorhanden sein. Vielleicht zeigt Ihnen Ihre feinere Divinationsgabe den richtigen Weg, den ich vergebens suche.

»So viel von der ersten Nacht.

»Heute Nachmittag plauderte ich ein wenig mit der Wirthin. Meine professionellen Gewohnheiten haben mich darauf eingeübt, mich dem zarteren Geschlecht angenehm zu machen, und ich darf wohl ohne Selbstüberhebung sagen, daß ich einen sehr günstigen Eindruck erzielte. Der jungen Lady Krankheit war bereits Erwähnung geschehen, um die Frage zu rechtfertigen, ob meine Gewohnheiten auch wirklich ruhige seien. Es war nur natürlich, daß ein theilnehmender Fremder sich erkundigte, wie es ihr gehe und ob sie keine liebe Mutter habe, um sich ihrer anzunehmen. Dies war Anregung genug, um meine Wirthin gesprächig zu machen.

»Aus dem Wortschwall, mit welchem ich sogleich überschüttet wurde, tauchte nur eine Thatsache von Bedeutung auf.

»Erst am Tage vorher hatte meine Wirthin ihre ausländische Pensionärin überrascht, als sie eben im Begriff stand, etwas in dem Schranke zu verstecken. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit warf sie einen Blick hinein und fand eine kleine Blechbüchse, welche ein in einer ihr unbekannten Sprache beschriebenes Etikett trug. Die Büchse öffnend, fand sie darin ein weißes Pulver, daß sie zu kosten wagte. Sie meinte, das Pulver sei eine starke Medizin und bestimmt, in Wasser genommen zu werden. Aber warum die Amme solche Eile gehabt haben sollte, das Gefäß zu verstecken, vermochte sie nicht zu sagen.

»Ich würde auch nichts weiter sagen können, wenn mir da nicht ein Umstand einfiele, an den ich Sie hiermit erinnert haben möchte.

»In der Woche, welche verging, ehe mein Vorgänger sein Zimmer räumen konnte, hatten Sie die Güte, mich bei sich zu empfangen. Hauptgegenstand unserer Unterredung war meine ausgesprochene Ueberzeugung, daß die Italienerin, von Ihnen zum Aeußersten getrieben, im Stande sein könnte, Sie mit Gift zu bedrohen. Unter Anderem sagte ich, daß Teresa’s Vorleben geeignet sein könnte, meine Meinung zu rechtfertigen; und ich wagte einige Fragen zu stellen, die ihren Aufenthalt in Italien und die Leute, mit denen sie dort verkehrte, betrafen. Entsinnen Sie sich, daß Sie mir sagten, ihr Gatte sei Werkführer in einer Fabrik für Malfarben gewesen? Sie sagten, Sie haben die Nachricht von Carmina selbst erhalten, nachdem sie die seinen Tod meldende Depesche Ihnen gezeigt hatte.

»Eine Dame von Ihrer wissenschaftlichen Bildung braucht nicht daran erinnert zu werden, daß bei der Präparation von Malfarben auch Gifte verwendet werden. Gedenken Sie der Worte des Priesters, die er in seinem Briefe in Bezug auf Teresa’s Gefühle gegen Sie gebraucht, und dann fragen Sie sich, ob es so ganz unwahrscheinlich ist, daß sie eines oder das andere der von ihrem Gatten verarbeiteten Gifte mit nach England gebracht habe, ob es so ganz unvernünftig wäre, zu vermuthen, sie habe an Sie gedacht, als sie die Büchse vor ihrer Wirthin verbarg.

»Andererseits ist es gleich möglich (und ich bin stolz darauf, beide Seiten einer Frage erwähnen zu können), daß jenes weiße Pulver Chinin anstatt Arsenik gewesen. Diese Frage nun gedenke ich durch persönliche Nachforschung festzustellen. Die Wirthin hat nämlich einen Groll gegen die frühere Pensionärin, die ihre Möbel ruiniert hat. Indem sie des Schrankes Erwähnung that, bemerkte sie, daß hieran das Schloß von ihr zerstört worden. In meinem Nächsten werde ich Ihnen berichten können, daß ich mich in Besitz, einer Probe dieses Pulvers gebracht habe, ohne die Blechdose aus ihrer Lage zu bringen. Diese Probe soll von einem Chemiker untersucht werden. Wenn es sich herausstellt, daß das weiße Pulver Gift ist, habe ich Ihnen etwas von Kühnheit in Vorschlag zu bringen.

»Sobald Ihnen möglich, kommen Sie her und geben Sie der Amme eine Gelegenheit, Sie zu vergiften.

»Ich bitte, theure Lady, daß Sie sich deswegen nicht beunruhigen wollen! Ich werde Sie begleiten und nehme alle Verantwortung auf mich. Wir werden unseren Besuch Abends, zur Theezeit machen. Gestatten Sie ihr, Ihnen eine Tasse Thee zu offerieren, und lassen Sie mich dann, der ich Ihnen die Tasse zureichen werde, im Besitz des vergifteten Trankes. Ehe sie noch Halt! rufen kann, bin ich auf dem Wege zum Chemiker. Die Strafe für versuchten Mord ist Zuchthaus. Wenn Sie dann auch noch ein öffentliches Hervortreten vermeiden wollen, so halten wir den Bericht des Chemikers, verbunden mit unserem eigenen Zeugniß, für Ihren Sohn in Bereitschaft. Wie wird er über seine Verlobung denken, wenn er entdeckt, daß Miß Carmina’s beste Freundin und Gesellschafterin – vielleicht mit ihrer Herrin Wissen und Willen – versucht hat, seine Mutter zu vergiften?

»Ehe ich meinen Bericht schließe, erwähne ich noch, daß ich vor zwei Stunden mit knapper Mühe einer Entdeckung durch Teresa auf der Treppe entgangen bin. Ich war natürlich auf solch eine Begegnung vorbereitet, als ich mich hier einlogirte, und ich bin auch nicht so dumm gewesen, mich unter einem falschen Namen ins Haus einzuschleichen. Im Gegentheil, ich beabsichtige (in Ihrem Interesse natürlich) eine gute Nachbarschaft zwischen uns herzustellen, wozu mir die Zeit behilflich sein wird. Aber die Vergiftungsangelegenheit gestattet keinen Verzug. Meine Manipulationen am und im Schrank könnten mich sehr stark kompromittieren (Sie wissen wie mißtrauisch Ausländer sind), besonders, wenn die Amme auf ihrer Hut ist. Mein Anblick könnte diese Wirkung auf den Geist einer solchen Frau wohl erzielen. Heute Abend oder morgen muß ich zu der Blechbüchse gelangen. – Ihr ergebener Diener L. F.«

Als er den Brief vollendet hatte, klingelte er nach dem Dienstmädchen und ließ ihn durch sie zur Post befördern.

Auf der Treppe, vielmehr auf dem nächsten Treppenabsatz, wurde sie von Mr. Null aufgehalten.

Auch er hatte einen fertigen, an Doktor Benjulia adressierten Brief in der Hand. Die finstere alte Amme folgte ihm auf dem Fuße, indem sie rief: »Geben Sie ihn sogleich zur Post!« Die bescheidene Dienerin fragte, ob Miß Carmina sich wohler befinde. »Schlimmer!« entgegnete roh die Ausländerin. Dabei warf sie einen Blick auf Mr. Null, der sagen zu wollen schien, daß er die Schuld daran trage.

Mr. Le Frank saß indessen in der Zurückgezogenheit seines Zimmers am Schreibtisch, seine Stirn runzelnd und an seinen Nägeln knabbernd.

Waren dies die Beweise eines verstörten Gemüths in Folge jenes Mrs. Gallilee gemachten schurkischen Antrages? Nichts dergleichen! Nachdem er seinen Bericht vollendet, hatte er nun Muße, seinen eigenen kleinen Sorgen nachzuhängen Er dachte an Carmina.

Indem er Mrs. Gallilee seine Dienste anbot, wurde er in erster Linie von einem Gefühl bitterer Enttäuschung beseelt. Er hatte nämlich beim Durchsuchen von Carmina’s Zimmer nicht den geringsten Anhalt für seinen eigenen Verdacht gefunden. Er war ihr jetzt nach Teresa’s Wohnung gefolgt, dabei sein Interesse mit dem seiner Auftraggeberin verschmelzend und wie immer entschlossen das Geheimniß von Carmina’s Betragen gegen ihn zu ergründen. Zum hundertsten Male wiederholte er sich: »Ihre teuflische Schadenfreude läßt sie mich hinter meinem Rücken verhöhnen und mir ins Gesicht freundlich thun, selbst meine Hand drücken.« Und je mehr der zur Verzweiflung treibende Einfluß der Ungewißheit seinen Verdacht zu den unsinnigsten brutalsten Ausschreitungen anspornte, um so fester klammerte sich seine gemeine, rachsüchtige Natur an die ihn beherrschenden Illusionen.

Nach seiner Begegnung mit ihr in der Halle hatte er wirklich geglaubt, daß sie ihre Krankheit nur geheuchelt habe, um ihm nicht begegnen zu zu müssen. Und Teresa hatte er sehr stark in Verdacht, die Verbündete ihrer Herrin zu sein. Er war sogar darauf gefaßt, eines Tages zu entdecken, daß die schlechte Aufnahme seines Liedes seitens der Musikalienhändler nur auf die Intrigen dieser beiden Frauen zurückzuführen sei. Wenn ihn ein Freund gefragt hätte: »Aber was für einen Grund haben Sie zu solch einem Verdacht?« – er würde ihn mitleidig lächelnd als unverbesserlichen Flachkopf aufgegeben haben.

Er schlich sich noch einmal hinaus und horchte, von Niemandem bemerkt, an ihrer Thür. Carmina sprach; aber ihre Worte waren in diesem schwachen Tone unverständlich. Teresa’s kräftigere Stimme aber traf sein Ohr. »Mein Lieb,« sagte sie, »das Sprechen ist Dir nicht gut. Ich werde die Nachtlampe anzünden, versuche zu schlafen.«

Als er dies gehört, kehrte er nach seinem Zimmer wieder um; er wollte noch ein wenig warten. Teresa’s Wachsamkeit konnte nachlassen, sobald Carmina schlief. Sie konnte sogar zum Zwecke eines kleinen Klatsches zur Wirthin hinabgehen.

Nachdem er eine Cigarre aufgeraucht hatte, machte er noch einen Versuch. Die Lampen auf der Treppe brannten jetzt nicht mehr; es war elf Uhr.

Sie schlief auch jetzt nicht. Die Amme las ihr aus einem frommen Buche vor. Er gab sein Vorhaben für diese Nacht auf. Sein Kopf schmerzte; seine eigenen verabscheuungswürdigen Gedanken hatten ihn fieberhaft erregt. Feige Furcht vor den unbedeutendsten Krankheitssymptomen war eine seiner Hauptschwächen. Der ganze nächste Tag lag noch vor ihm. Er befühlte seinen Puls und beschloß in Gerechtigkeit gegen sich selbst – zu Bett zu gehen.

Zehn Minuten später ging die Wirthin auf ihrem Weg zur Ruhe die Treppe hinauf. Auch sie hörte die Stimme, noch immer laut lesend – und leise klopfte sie an die Thür. Teresa öffnete.

»Schläft die Aermste noch nicht?«

»Nein.«

»Ist sie irgendwie gestört worden?"

»Oben ist Jemand hin und her gegangen,« antwortete Teresa.

»Der neue Miether!« bestätigte die Wirthin. »Ich werde mit Mr. Le Frank sprechen.«

Im Begriff die Thür zu schließen und »Gute Nacht« zu wünschen, hielt Teresa noch einen Augenblick inne.

»Ist er Ihr neuer Miether?« fragte sie.

»Ja. Kennen Sie ihn?«

»Ich sah ihn einmal gelegentlich meiner letzten Anwesenheit in England.«

»Nun, und?«

»Nichts weiter,« erwiderte Teresa. »Gute Nacht!«

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06 aralık 2019
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