Kitabı oku: «Romeo und Juliette»
Personen
Escalus, Fürst von Verona.
Paris, ein junger Cavalier, dem Fürsten verwandt, und Juliettens Liebhaber.
Montague und Capulet, die Häupter von zween edlen Geschlechtern, die in Feindschaft mit einander stehen.
Romeo, Montaguens Sohn.
Mercutio, ein Verwandter des Fürsten, und Romeos Freund.
Benvolio, Vetter und Freund des Romeo.
Tybalt, Neffe des Capulet.
Bruder Lorenz und Bruder Johann, Mönche.
Balthasar, Bedienter von Romeo.
Ein Edelknabe des Paris.
Sampson und) Gregorio(, Capulets Bediente.
Abraham, ein Bedienter von Montague.
Ein Apotheker.
Simon Kazen-Darm, Hug Leyermann und Samuel Windlade, Musicanten.
Peter, der Amme Diener.
Lady Montague.
Lady Capulet.
Julietta, Capulets Tochter.
Die Amme derselben.
Bürger von Verona, Masken, Trabanten, Wache, und andre stumme Personen.
Die Scene ist im Anfang des fünften Aufzugs in Mantua, und sonst immer in Verona.
Erster Aufzug
Erste Scene
(Eine Strasse in Verona.) (Sampson und Gregorio, zween Bediente der Capulets, treten mit Schwerdtern und Schilden bewaffnet auf, und ermuntern einander sich tapfer gegen die Montägues zu halten; ihre ganze Unterredung ist ein Gewebe von Wortspielen, Doppelsinn und Zoten.) (Abraham und Balthasar zu den Vorigen.)
Gregorio (zu Sampson.)
Zieh vom Leder, hier kommen ein Paar von den Montägischen —
Sampson. Meine Fuchtel ist heraus; fang nur Händel an, ich will dir den Weg weisen —
Gregorio.
So? Willt du davon lauffen?
Sampson. Sey ohne Sorge, ich will stehen wie eine Mauer; aber es ist doch das Sicherste, wenn wir das Gesez auf unsrer Seite haben; wir wollen sie anfangen lassen.
Gregorio. Ich will die Nase rümpfen, indem ich bey ihnen vorbeygehe; sie mögen's dann aufnehmen, wie sie es verstehen.
Sampson. Oder wie sie das Herz dazu haben. Ich will meinen Daumen gegen sie beissen, welches eine Beschimpfung für sie ist, wenn sie's leiden.
Abraham.
Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampson.
Ich beisse meinen Daumen, Herr.
Abraham.
Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampson (zu Gregorio leise.)
Ist das Gesez auf unsrer Seite, wenn ich sage, ja?
Gregorio.
Nein.
Sampson (laut.) Nein, Herr, ich beisse meinen Daumen nicht gegen euch, Herr: Aber ich beisse doch meinen Daumen, Herr.
Gregorio.
Sucht ihr Händel, Herr?
Abraham.
Händel, Herr? Nein, Herr.
Sampson. Wenn ihr's thut, Herr, so bin ich auch da, ich diene einem so brafen Mann als ihr.
Abraham.
Keinem bessern.
Sampson.
Gut, Herr. (Benvolio zu den Vorigen.)
Gregorio (zu Sampson leise.)
Sag, einem bessern: Hier kommt einer von unsers Herrn Neffen.
Sampson (laut.)
Ja, einem bessern, Herr.
Abraham.
Ihr lügt.
Sampson. Zieht, wenn ihr Männer seyd – Gregorio, das war eine Ohrfeige, die du nicht einsteken must —
Benvolio. Aus einander, ihr Narren, stekt eure Degen ein, ihr wißt nicht was ihr thut. (Tybalt zu den Vorigen.)
Tybalt. Wie, du ziehst deinen Degen gegen diese verzagten Hasen? Kehre dich um, Benvolio, und sieh deinen Tod an.
Benvolio.
Ich mache nur Frieden; stek deinen Degen ein, oder brauch' ihn, mir Friede unter diesen Leuten machen zu helfen.
Tybalt. Wie, mit gezogenem Degen von Frieden schwazen? Ich hasse diess Wort wie die Hölle, wie alle Montägues und dich – wehr dich, H**
(Sie fechten.)
(Drey oder vier Bürger mit Knitteln treten auf.)
Ein Bürger.
Knittel, Spiesse, Hellebarden her! Schlagt zu! Schlagt sie nieder!
Zu Boden mit den Capulets! Zu Boden mit den Montägues! (Der alte Capulet in einem Schlafrok, und Lady Capulet.)
Capulet.
Was für ein Lerm ist das? Gebt mir meinen langen Degen, he!
Lady Capulet.
Eine Krüke, eine Krüke – was wollt ihr mit einem Degen machen?
Capulet. Meinen Degen, sag ich; da kommt der alte Montague, und fuchtelt mir mit seiner Klinge unter die Nase —
(Der alte Montague, und Lady Montague.)
Montague.
Du nichtswürdiger Capulet – Halt mich nicht, laß mich gehn!
Lady Montague.
Du sollt mir keinen Fuß rühren, um einen Feind zu suchen.
(Der Fürst von Verona mit seinem Gefolge tritt auf, erzürnt sich gewaltig über diesen Unfug, wirft den beyden Alten vor, daß sie ihrer Familien-Feindschaft wegen Verona schon dreymal in Aufruhr gesezt, verbietet ihnen bey Todes-Straffe die Strassen nicht mehr zu beunruhigen, und tritt, nachdem er sie geschieden, wieder ab.)
Zweyte Scene
(Der alte Montague, Lady Montague, und Benvolio bleiben zurük.)
Lady. Wer brachte diesen alten Handel wieder in Bewegung? Redet, Neffe, war't ihr dabey, wie er angieng?
Benvolio. Hier fand ich die Bedienten euers Gegentheils, und die eurigen, die sich mit einander herumschlugen, wie ich kam; ich brachte sie aus einander: In dem nemlichen Augenblik kam der feurige Tybalt mit gezognem Degen, den er unter drohenden Herausforderungen über meinem Kopf schwang, und damit auf die Winde zuhieb, die so wenig nach seinen Streichen fragten, daß sie ihn noch dazu auszischten. Wie wir nun an einander waren, so kamen immer mehr Leute, und fochten zu beyden Seiten, bis der Fürst kam, und uns aus einander sezte.
Lady. O wo ist Romeo? Habt ihr ihn heute nie gesehen? Ich bin recht froh, daß er nicht bey dieser Schlägerey war.
Benvolio. Madam, eine Stunde eh die1 Sonne aufgieng, trieb mich ein beunruhigtes Gemüth aufzustehen, und vor die Stadt hinaus zu gehen; und da traf ich auf der West-Seite der Stadt euern Sohn einsam unter einem Gang von Egyptischen Feigen-Bäumen an. Ich gieng auf ihn zu; aber kaum ward er mich gewahr, so schlich er sich in das dichteste Gehölze. Ich urtheilte von seiner Gemüths-Beschaffenheit nach der meinigen, (denn wir sind innerlich nie mehr beschäftigst, als wenn wir die Einsamkeit suchen,) und anstatt ihm nachzugehen, gieng ich meinen Gedanken nach, und war so vergnügt, daß er mich ausgewichen hatte, als er selbst.
Montague. Schon manchen Morgen ist er dort gesehen worden, wie er den frischen Morgenthau mit seinen Thränen, und die Morgen-Wolken mit tieffen Seufzern vermehrte; aber kaum fängt die alles erfreuende Sonne an, im fernsten Osten die Vorhänge von Aurorens Bette wegzuziehen, so schleicht sich der schwermüthige Jüngling vom Licht nach Hause und kerkert sich in sein Zimmer ein, versperrt seine Fenster, schließt das schöne Tageslicht hinaus, und macht sich selbst eine erkünstelte Nacht. Er muß nothwendig in einen schwarzen und Unglük-brütenden Humor verfallen wenn nicht bey Zeiten darauf gedacht wird, die Ursache des Übels wegzuräumen.
Benvolio.
Mein edler Oheim, kennt ihr die Ursache?
Montague.
Ich kenne sie nicht, und kan sie auch nicht aus ihm herausbringen.
Benvolio.
Habt ihr schon in ihn gedrungen?
Montague. Durch euch selbst und durch viele andre Freunde, aber vergebens; seines eignen Herzens geheimer Rathgeber, ist er gegen sich selbst, ich will nicht sagen so getreu, aber doch so geheim und verschwiegen, so entfernt sich selbst zu verrathen, oder nur einer Muthmassung Grund zu geben, als eine Blumen-Knospe, die von einem inwendig verborgnen Wurm gebissen worden, eh sie ihre zarten Schwingen an der Luft ausspreiten, und ihre Schönheit der Sonne wiedmen konnte. Könnt' ich nur erfahren, woher sein Kummer entspringt, es sollte ihm augenbliklich abgeholfen werden. (Romeo tritt auf.)
Benvolio. Hier kommt er selbst; wenn's euch beliebt, so gehet bey Seite; ich will sein Geheimniß ausfündig machen, oder ich müßte mich sehr betrügen.
Montague. Ich wünsche, daß du so glüklich seyn mögest – Kommt Madam, wir wollen gehen.
(Sie gehen ab.)
Benvolio.
Guten Morgen, Vetter.
Romeo.
Ist der Tag noch so jung?
Benvolio.
Es hat eben neune geschlagen.
Romeo.
Weh mir! Wie lang scheinen uns Kummer-volle Stunden! War das mein Vater, der so eilfertig sich entfernte?
Benvolio.
Er war's; aber was für ein Kummer verlängert Romeo's Stunden?
Romeo.
Der Kummer, das nicht zu haben, was sie verkürzen würde.
Benvolio.
Seyd ihr verliebt?
Romeo.
Ohne Hoffnung wieder geliebt zu werden.
Benvolio. Wie Schade, daß die Liebe, die von Ferne so reizend anzusehen ist, so grausam und tyrannisch seyn soll, so bald sie uns erreicht!
Romeo. Wie Schade, daß die Liebe, mit verbundnen Augen, Pfade zu ihrem Unglük sehen soll! – Wo werden wir zu Mittag essen? – Weh mir! – Was für ein Tumult war vorhin? – Doch sagt mir nichts davon, ich hab alles schon gehört. Der Haß macht hier viel zu thun, aber die Liebe noch mehr: Wie dann, o mißhellige Liebe! o liebender Haß! O unwesentliches Etwas, und würkliches Nichts! So leicht und doch zu Boden drükend! So ernsthaft und doch Tand! Du ungestaltes Chaos von reizenden Phantomen! Bleyerne Feder, glänzender Rauch, kaltes Feuer, kranke Gesundheit, immer-wachender Schlaf – o! du wunderbares Gemisch von Seyn und Nichtseyn! – Das ist die Liebe die ich fühle, ohne in dem was ich fühle die Liebe zu erkennen – Lachst du nicht?
Benvolio.
Nein, Vetter, ich möchte lieber weinen.
Romeo.
Du gutes Herz! Worüber?
Benvolio.
Dein gutes Herz so beklemmt zu sehen.
Romeo. Du vermehrest meinen Kummer durch den deinigen, anstatt ihn zu erleichtern.2– Liebe ist ein Rauch, der vom Hauch der Seufzer erregt wird, aber gereinigt ein Feuer das in der Liebenden Augen schimmert – Unglükliche Liebe ist eine See, die mit den Thränen der Liebenden genährt wird; was ist sie noch mehr? Eine vernünftige Tollheit, eine erstikende Galle, eine erquikende Herzstärkung – Lebt wohl, Vetter.
(Er will gehen.)
Benvolio. Sachte, ich will mitgehen. Ihr beleidigt meine Freundschaft, wenn ihr mich auf eine solche Art verlaßt.
Romeo. Still! Ich habe mich selbst verlohren, ich bin nicht hier; das ist nicht Romeo, er ist sonst irgendwo.
Benvolio.
– 3 Aber wer ist dann die Person, die du liebst?
Romeo.
Ich will dir's sagen, Vetter; ich liebe – ein Weibsbild.
Benvolio.
Das errieth ich, sobald ich merkte, daß ihr verliebt wäret.
Romeo. Du hast eine vortreffliche Gabe zum Errathen – und sie ist schön, die ich liebe.
Benvolio.
Ein schönes Ziel ist desto leichter zu treffen.
Romeo. Aber sie wird von Cupido's Pfeile nicht getroffen werden; sie hat Dianens Sprödigkeit, und lebt in der wolgestählten Rüstung ihrer Keuschheit sicher vor Amors kindischem Bogen. Sie sezt sich keinen nachstellenden Bliken aus, sie öffnet ihr Ohr keinen Liebes- Erklärungen, noch ihren Schooß dem Golde, das sonst oft die Heiligen selbst verführt. O! Sie ist reich an Schönheit, und allein darinn arm, daß der ganze Schaz der Schönheit, in ihr versammelt, sterblich ist.
Benvolio. Hat sie denn geschworen, daß sie in ewiger Jungfrauschaft leben will?
Romeo. Sie hat, und macht sich durch diese Sparsamkeit einer ungeheuren Verschwendung schuldig. Denn Schönheit, die durch ihre eigne Strenge umkommt, vernichtet auf einmal die Schönheit einer ganzen Nachkommenschaft. Sie ist zu weise um so schön, oder zu schön um so weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit verdienen zu wollen, daß sie mich zur Verzweiflung treibt —
Benvolio.
Laßt euch einen guten Rath geben, und vergeßt, an sie zu denken.
Romeo. O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu erinnern.
Benvolio. Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit auf andre Schönheiten.
Romeo. Das wäre das Mittel, alle Augenblike an den Vorzug der ihrigen erinnert zu werden. Diese glüklichen Schleyer, die die Stirne schöner Damen küssen, erheben durch ihre Schwärze, die Schönheit, so sie verbergen. Wer durch einen Unfall blind worden ist, kan nicht vergessen, was für einen kostbaren Schaz er mit seinem Gesicht verlohren hat. Zeigt mir ein Frauenzimmer, das unter tausenden die schönste ist; wozu kan mir ihre Schönheit dienen, als zu einem Spiegel, worinn ich diejenige erblike, die noch schöner als die schönste ist? Lebe wohl, und gieb' es auf, mich sie vergessen zu lehren.
Benvolio.
Ich will diesen Unterricht bezahlen, oder als Schuldner sterben.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene
(Capulet, Paris, und ein Bedienter treten auf.)
Capulet. Montague ist so gut gebunden als ich; er hat die nemliche Straffe zu befürchten; und für alte Leute wie wir sind, sollt' es nicht schwer seyn, Frieden zu halten.
Paris.
Ihr seyd beyde rechtschaffne Männer, und es ist recht zu bedauren, daß ihr so lang in Mißhelligkeit gelebt habt – Aber nun, gnädiger Herr, was sagt ihr zu meiner Anwerbung?
Capulet. Ich kann euch nichts anders sagen, als was ich schon gesagt habe: Mein Kind ist noch ein neu angekommener Fremdling in der Welt, sie hat noch nicht vierzehn Jahre gesehen; laßt wenigstens noch zween Sommer verblühen, eh wir denken können, daß sie zum Braut-Stande reif sey.
Paris.
Jüngere als sie, sind schon glükliche Mütter geworden.
Capulet. Und verderben auch desto früher, je frühzeitigere Früchte von ihnen erzwungen werden. Die Erde hat alle meine andern Hoffnungen verschlungen; ich habe kein Kind als sie; sie ist das einzige Vergnügen meines Alters, indeß bewirb dich bey ihr selbst um sie, mein lieber Paris, such ihr Herz zu gewinnen; wenn du ihren Beyfall hast, so hast du meine Einwilligung. Diese Nacht geb' ich, einer alten Gewohnheit nach, ein Gastmahl, wozu ich viele werthe Freunde eingeladen habe: Vermehret ihre Anzahl, unter allen soll mir keiner willkommner seyn. Ihr werdet diese Nacht in meinem armen Haus irdische Sterne sehen, welche die himmlischen selbst verdunkeln können.4 Ihr werdet mit dem Vergnügen, das muntre junge Leute fühlen wenn der schmuke April den hinkenden Winter vor sich hertreibt, unter einem Frühling voll neu entfalteter Mädchen- Knospen wandeln; betrachtet sie alle, höret alle, und laßt euch diejenige am besten gefallen, die es am meisten verdient; ihr werdet so viele liebenswürdigere finden, daß die meinige sich unbemerkt in der Menge verliehren wird. Kommt, geht mit mir – Du, Bursche, geh, trotte ganz Verona durch, und lade die Personen zu mir ein, deren Namen auf diesem Zettel stehen —
(Capulet und Paris gehen ab.)
Bedienter. Lade mir die Personen ein, die auf diesem Zettel stehen – Es steht geschrieben, der Schuster soll sich mit seinem Ellen-Stab abgeben, der Schneider mit seinem Leist, der Fischer mit seinem Pinsel, und der Mahler mit seinem Nez. Aber ich soll die Personen finden, deren Namen hier geschrieben sind, und kan doch nicht finden, was für Namen die schreibende Person hieher geschrieben hat. Ich muß mich bey den Gelehrten Raths erholen – Da lauffen mir gerad ihrer ein Paar in die Hände —
(Benvolio und Romeo treten auf.)
Benvolio. Still, Mann! Eine Hize treibt die andre aus, und die Pein eines Schmerzens wird durch einen andern Schmerz vermindert; wenn dir taumlicht ist, so hilfst du dir damit, daß du dich wieder zurük drehest, und deiner Hoffnungslosen Liebe kan nicht besser als durch eine neue geholfen werden.
Romeo.
Wegbreit-Blätter sind unvergleichlich für das.
Benvolio.
Für was, wenn man bitten darf?
Romeo.
Für euern Beinbruch.
Benvolio.
Wie, Romeo, bist du toll?
Romeo. Nicht toll, aber fester angebunden als irgend einer im Tollhause; in ein Gefängniß eingesperrt, zur Hunger-Cur verurtheilt, gepeitscht und gepeinigt: Und – guten Abend, Camerad —
(Zum Bedienten.)
Bedienter. Einen guten Abend geb' euch Gott: Ich bitte euch, Herr, könnt ihr lesen?
Romeo.
Ja, mein Schiksal in meinem Unglük.
Bedienter. Vielleicht habt ihr ohne Buch lesen gelernt; aber ich bitte euch, könnt ihr alles lesen was ihr seht?
Romeo.
Ja, wenn ich die Buchstaben und die Sprache weiß.
Bedienter.
Das ist gesprochen wie ein Bidermann – Gott behüt' euern guten Humor!
(Er will gehen.)
Romeo. Bleib, Bursche, ich kan lesen – (Er ließt das Papier.) Signor Martino und seine Frau und Töchter: Graf Anselmo und seine schönen Schwestern; die verwittibte Donna Vitruvia; Signor Placentio und seine liebenswürdige Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentin; mein Oheim Capulet mit Frau und Töchtern; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia, Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio, und die lebhafte Signora Helena – Eine hübsche Assamblee, und wohin sollen sie kommen?
Bedienter.
Herauf —
Romeo.
Wohin?
Bedienter.
Zum Nacht-Essen in unser Haus.
Romeo.
In wessen Haus?
Bedienter.
In meines Herren seines.
Romeo.
In der That, das hätte ich dich vorher fragen sollen.
Bedienter. Nein, ich will euch eine Müh ersparen. Mein Herr ist der grosse reiche Capulet, und wenn ihr keiner vom Haus der Montägues seyd, so bitt' ich euch, kommt, und helft uns die Gläser ausleeren. Eine gute Zeit.
(Geht ab.)
Benvolio. Wie wohl sich das fügt! die schöne Rosalinde, in die du so verliebt bist, wird mit allem was das Schönste in Verona ist, diesem Familien-Gastmal der Capulets beywohnen. Geh du auch hin, vergleich mit unpartheyischen Augen ihr Gesicht mit einigen, die ich dir zeigen will, und du sollst finden, daß dein Schwan eine Krähe ist.
Romeo. 5 – Eine schönere als meine Liebe! die allsehende Sonne sah niemals ihres gleichen, seit die Welt begann.
Benvolio. Gut, gut! Ihr habt sie nur gesehen, wenn keine andre dabey war, und ihr sie, in beyden Augen, nur mit sich selbst abwoget; aber laßt ihre Reizungen in diesen crystallnen Waagschaalen gegen ein gewisses andres Mädchen, das ich euch bey diesem Gastmahl in seinem vollen Glanze zeigen will, abgewogen werden; so wird euch diejenige kaum noch erträglich vorkommen, die izt die beste scheint.
Romeo.
Ich will mit dir gehen, nicht weil ich dir glaube, sondern um das Vergnügen zu haben, dich von dem Triumph meiner Geliebten zum Zeugen zu machen.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Lady Capulet und die Amme treten auf.)
Lady.
Amme, wo ist meine Tochter? Ruffe sie zu mir heraus.
Amme.
Nun, bey meiner Jungferschaft, (wie ich zwölf Jahre alt war, meyn' ich;) ich sagte ihr, sie möchte kommen; wie, Schäfchen – he! Mein Däubchen – daß uns Gott behüte! Wo ist das Mädchen? he! Juliette!
(Juliette zu den Vorigen.)
Juliette.
Was ists? Wer ruft?
Amme.
Eure Frau Mutter.
Juliette.
Madam, hier bin ich, was ist euer Wille?
Lady. Das ist eben die Sache – Amme, verlaß uns eine Weile, wir müssen allein mit einander reden; Amme, komm wieder zurük, ich habe mich anders besonnen, du darfst wohl bey unsrer Unterredung zugegen seyn: du weist, meine Tochter hat ein artiges Alter.
Amme.
Mein Treu, ich kan ihr Alter bey einer Stunde sagen.
Lady.
Sie ist noch nicht vierzehn.
Amme. Ich will gleich vierzehn Zähne daran sezen, (und doch muß ich's zu meiner Schande sagen, ich habe nur noch vier,) sie ist nicht vierzehn; wie lang ist es noch von izt bis an St. Peters-Tag?
Lady.
Vierzehn Tage, oder noch ein paar drüber.
Amme. Sey es vierzehn Tage oder fünfzehn, das thut nichts, kommt St. Peters-Abend, so wird sie vierzehn seyn. Süßchen und sie (Gott tröst ihre Seele!) waren von gleichem Alter. Wohl, Süßchen ist im Himmel, sie war zu gut für mich. Aber, wie ich sagte, an St. Peters- Abend des Nachts wird sie vierzehn seyn, das wird sie, meiner Six, ich erinnre mich's als ob's seit gestern wäre. Es ist seit dem Erdbeben nun eilf Jahre daß sie entwöhnt wurde; unter allen Tagen im Jahr will ich den Tag nicht vergessen; ich hatte denselben Tag Wermuth an meine Brust gestrichen, und saß in der Sonne an der Mauer unter dem Dauben-Schlag; der Gnädige Herr und Eu. Gnaden waren damals zu Mantua – gelt, ich kan etwas im Kopf behalten? – Aber, wie ich sagte, wie das Kind den Wermuth an meiner Brustwarze kostete, und schmekte daß es bitter war, das artige Närrchen, da hättet ihr sehen sollen, wie es so gescheid war und augenbliklich die Brust fahren ließ. Schüttle dich, sagte der Dauben-Schlag – mein Treu! es mußte mir niemand sagen, daß ich hurtig lauffen sollte; und seitdem ist es nun eilf Jahre, denn sie konnte damals schon allein stehen; ja, bey meiner Treu, sie, konnte schon lauffen, und watschelte schon allenthalben herum; dann just den Tag vorher, da sie das Loch in ihre Stirne fiel, und da hub mein Mann (Gott tröst ihn, er war ein muntrer Mann) da hub er das Kind auf; so, sagt' er, fällst du auf die Nase? Du wirst auf den Rüken fallen, wenn du mehr Verstand haben wirst; wirst du nicht Julchen? Und, bey unsrer lieben Frauen! Das artige Tröpfchen hörte auf schreyen, und sagte, Ay – so daß man sehen kan, wie endlich aus Spaß Ernst wird – Da steh ich dafür, und wenn ich tausend Jahre leben sollte, so vergeß ichs nicht: Wirst du nicht, Julchen, sagt' er? Und das artige Närrchen, es hörte auf schreyen, und sagte, Ay!
Lady Capulet.
Genug hievon, ich bitte dich, stille!
Amme. Ja, Gnädige Frau; und doch kan ich mir nicht helfen, ich muß lachen, wenn ich dran denke daß es aufhörte zu schreyen, und Ay sagte; und doch bin ich gut dafür, daß es eine Beule an der Stirne hatte, so dik wie ein junger Hahnen-Stein, eine recht gefährliche Beule, und es weinte bitterlich. So, sagte mein Mann, fällst du auf die Nase? Du wirst rükwärts fallen, wenn du älter wirst, wirst du nicht, Julchen? Und da schwieg es, und sagte, Ay.
Juliette.
Und schweig du auch, ich bitte dich, Amme, sag ich.
Amme. Still, ich bin fertig: Gott zeichne dich zu seinem Segen aus! Du warst das holdseligste Kind, das ich gesäugt habe; und wenn ich nur so lange lebe, daß ich dich verheurathet sehe, so wünsch' ich mir nichts mehr.
Lady Capulet.
Diese Heurath ist eben die Sache, wovon ich reden wollte. Sagt mir, Tochter Juliette, habt ihr Lust zum Heurathen?
Juliette.
Es ist eine Ehre, von der ich mir nicht träumen lasse.
Amme. Eine Ehre? Wenn ich nicht deine leibliche Amme wäre, so würd' ich sagen, du habst die Weisheit mit der Milch eingezogen.
Lady Capulet. Gut, es ist nun Zeit daran zu denken; es giebt hier in Verona jüngere als ihr, und Frauenzimmer von Stand und Ansehen, die schon Mütter sind. Bey meiner Ehre, in dem Alter worinn ihr noch ein Mädchen seyd, war ich schon eure Mutter. Ich will's also kurz machen, und euch sagen, daß sich der junge Paris um euch bewirbt.
Amme.
Ein Mann, junges Fräulein, ein Mann, dessen gleichen in der ganzen Welt – Sapperment! es ist ein Mann wie in Wachs boßiert.
Lady Capulet.
Verona's Sommer hat keine schönere Blume.
Amme.
Das ist wahr, er ist eine Blume; mein Treu, eine wahre Blume.
Lady Capulet. Was sagt ihr dazu? Gefällt euch der Cavalier? Ihr werdet ihn diese Nacht bey unserm Gastmahl sehen; beobachtet ihn recht, ihr werdet gestehen müssen, daß nichts liebenswürdigers seyn kan. Er ist eurer würdig, und wird euch glüklich machen6 – Doch, ihr habt ihn ja sonst schon gesehen; sagt, mit einem Wort, könnt ihr euch seine Liebe gefallen lassen?
Juliette. Ich will ihn erst genauer betrachten; alles was ich izt sagen kan, ist, daß meine Augen allezeit durch euern Willen geleitet werden sollen. (Ein Bedienter zu den Vorigen.)
Bedienter. Gnädige Frau, die Gäste sind angekommen, das Essen ist aufgetragen, man wartet auf Euer Gnaden und mein junges Fräulein, man flucht auf die Amme im Speißgewölbe, und alles ist in der Extremität. Ich muß wieder zur Aufwartung; ich bitte euch, kommet augenbliklich.
Lady Capulet.
Wir kommen – Juliette, es wird den Grafen nach dir verlangen.
Amme.
Geh, Mädchen, und suche zu deinen guten Tagen auch glükliche Nächte.
(Sie gehen ab.)