Kitabı oku: «Die Pyrenäenträumer - Band 2», sayfa 6

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DER MARKT

Das Frühjahr war da. Für den 1. Mai war in Castillon der ‚Maiglöckchen-Markt‘ angesetzt. Doris machte den Stall fertig, ich fuhr hin, um noch einen Platz zu bekommen.

In der Hauptstraße, wo der Markt ablief, herrschte Chaos. Lieferwagen waren mitten auf der Straße abgestellt, weil die Händler ihre Stände aufbauten. Andere Fahrzeuge wollten durchfahren. Ich schien einer der letzten zu sein. Ich fand eine Lücke von knapp zwei Metern, wo ich mein Zeug erst mal nur abstellte, um das Auto irgendwo zu parken. Dann ging ich daran, meinen Stand aufzubauen. „Was verkaufst du?“, wollten die nächsten Nachbarn wissen. Irgendwie spürte ich, dass sie misstrauisch waren, neidisch gegenüber jedem Neuen, der eine Konkurrenz darstellen konnte. „Käse und Honig!“, erwiderte ich. „Das passt dann ja! Ich verkaufe Brot, Patrick ist mein Name!“ Der andere Nachbar verkaufte Gemüse. Also hatten sie nichts gegen mich.

Im Vorbeifahren hatte ich schon gesehen, welche anderen Waren angeboten wurden. Eigentlich alles Mögliche an Lebensmitteln, auch mehrere Käsestände waren da. Zu Anfang des Marktes standen Eisenwarenhändler, ebenso am anderen Ende und auf dem Platz oberhalb der Schule, wo auch Tiere angebunden waren. Zwischendrin verteilt die bunten Stände von Kleiderhändlern, unter anderem mit Saris und anderen indischen Klamotten. Auch unsere Freunde Emil und Rosa hatten einen winzigen Platz gefunden, wo sie billige portugiesische Waren anboten, Schuhe mit Sohlen aus Autoreifen, Ledertaschen und den Rest Waren aus ihrem früheren Lädchen in Lindau. Wir begrüßten uns kurz im Vorbeigehen.

Ich machte mich ans Aufbauen des Standes. Ich hatte zwei zusammenklappbare Holzböcke als Unterstand besorgt, darauf ein paar 2 Meter lange Bretter aus dem Käse-Keller gelegt, darüber eine Tischdecke, worauf die Käse zu liegen kamen, zur Hälfte bedeckt mit einem kariert gemusterten Geschirrtuch. Das sah auf jeden Fall rustikal aus! Daneben stellte ich die Honiggläser, aber nur nebeneinander, weil die Straße ziemlich geneigt war, und ich Bedenken hatte, dass diese sonst umfallen würden. Ich hatte einen anderen Imker bemerkt, der seine Gläser zu Pyramiden aufgebaut hatte. Er hatte seinen Stand gut unterkeilt. Das kam mir trotzdem gewagt vor, musste aber zugeben, dass es den Blick der Kunden auf sich zog. Wenn da mal jemand gegenlief… Etwas hinter die Honiggläser stellte ich das Holzschildchen mit unserer Adresse. Daneben die Waage. Vor dieser stellte ich die Kasse auf. Ich machte mir zur Angewohnheit, sie auf dem Stand nicht abzuschließen, denn falls jemand sie mal ergreifen sollte, würde sie aufgehen und das Geld rausfallen. Hinter dem Käsestapel lag ein Küchenbrett und ein langes Messer zum Schneiden des Käses und ein Stapel Pergamentpapierbögen zum Einpacken. Ich hatte einen runden Sonnenschirm dabei, den ich etwas seitlich stellte, um die Sonne vom Käse abzuhalten. An diesen hängte ich einen Wechselrahmen mit einem Dutzend Fotos von unserem Hof. Diese zogen die meiste Aufmerksamkeit auf sich, von den Händlern und den Passanten.

Ich schnitt einen Käse durch und legte ihn so, damit man gut sein Inneres sah. Ich schnitt eine dicke Scheibe von der anderen Hälfte, zerkleinerte sie in Streifen, die ich auf ein Blatt Papier legte. Damit ging ich zu den nächsten Nachbarn und bot ihnen davon an. Das lockerte etwas die gespannte Atmosphäre, man sprach miteinander, bot mir Obst an oder eine Kostprobe von ihren Waren. Auf jeden Fall war es noch ruhig, kaum ein Kunde vor den Ständen, die eng aneinander die ganze Straße entlang aufgebaut waren. Aber so ist es auf jedem Markt. Die Händler kommen viel zu früh, manche hatten sogar die Nacht in ihrem Lieferwagen geschlafen, um die besten Plätze zu haben oder die ersten Kunden zu erwischen…

Jemand von einem Weinstand entkorkte eine Flasche Wein, andere schnitten ein Brot oder eine Hartwurst an, und mit meinem Käse ergab das eine kleine, heitere Brotzeit. Nebenbei hatte ich mich nach den Preisen von Käse und Honig umsehen können, aber nicht viel erfahren. Jeder schien darauf zu warten, dass der andere endlich seinen Preis anschrieb, um sich danach auszurichten. Ich hatte etwas Lampenfieber, denn Märkte hatte ich bisher kaum gemacht, mehr das von Haus zu Haus-Fahren, wo man spätestens bei der zweiten Tour schon den Käufer kennt.

Langsam ging ich auf der anderen Straßenseite zu meinem Stand zurück. Ich beobachtete das Verhalten der Marktleute. Einer schnäuzte sich mit den Fingern in den Rinnstein und putzte sich die Hand an der Hose ab. Gut, wenn er nur Grünpflanzen verkauft, die brauchten ja etwas Dünger. Ein anderer griff sich schon zum dritten Mal an den Sack oder bohrte sich mit dem Daumen die Nase. Andere rauchten eine Zigarette. Eigenartig, was man für ein Verhalten hat, wenn keine Kunden vorm Stand stehen! Ich nahm mir vor, wachsam zu sein, um nicht genauso zu werden, denn das bewirkte eher, dass ein Kunde weitergeht! Auch wenn jemand hinterm Stand saß oder sich mit anderen unterhielt, schien so mancher Kunde nicht stören zu wollen und lief weiter. Am ärgsten war es, wenn manche Händler den Vormittag in einem Bistro verhockten und ihr Stand unbesetzt war. Doch deren Kunden kannten meist deren Stammkneipe oder waren schon dort…

Auch sah ich mir genauer die verschiedenen Standsysteme an. Es gab da die ganz einfachen, sagen wir mal systemlosen, ein paar leere Kisten mit Brettern darauf, wie sie meist die Gärtner aufgebaut hatten, bis hin zum Anhänger, den man aufklappte und alles war fertig! Ein Kleiderverkäufer benutzte eine Art Ziehharmonika-Unterbau, auf den er eine Matte, bestehend aus dünnen Leisten abgerollt hatte. Die meisten benutzten Tapeziertisch-Böcke mit Brettern oder Sperrholztafeln darauf. Das Wichtigste war wohl, dass es in das Fahrzeug passte! Am schönsten erschienen mir die Stände, die vorne mit einer Plane geschlossen waren, vielleicht noch mit einem Bild oder Inschrift darauf und so die dahinter gelagerten Kisten verbargen. Das gab mir neue Ideen, den eigenen Warenstand zu verbessern und vor allem zu verschönern, denn schöne Stände fielen, ebenso wie die hässlichsten ins Auge!

Ich hatte einen Campingsessel mitgebracht, worin ich es mir dann bequem machte, in Erwartung des Kommenden. Und der erste der kam, war der Platzwart, der Garde Champêtre, wie er sich vorstellte. Er wollte wissen, ob ich mich für den Markt eingeschrieben hatte. Natürlich hatte ich das nicht. Wie hätte ich das überhaupt wissen sollen? Und wie ich von den anderen Händlern erfahren hatte, waren auch sie so gekommen. Es war ja überall angeschrieben, dass heute der große Markt war! Als er dann meinte, in diesem Fall müsste ich wieder einpacken, wurde ich etwas laut. Darauf kamen die Nachbarn mir zu Hilfe und meinten, auf einem öffentlichen Markt hat jeder das Recht, sich zu installieren! Etwas kleinlaut verlangte er nun die Länge meines Standes und ließ mich 20 Francs Standgebühr zahlen. Dann ging er, den nächsten abkassieren. „Bist du nicht von hier?“, fragte mich einer der Händler. „Doch!“, sagte ich und zeigte auf mein Holzschild, „von Augirein!“ „Der Gauner! Der weiß genau, dass die aus dem Kanton keine Standgebühr zahlen müssen und kassiert dich trotzdem ab!“

So langsam belebte sich die Straße. Ein paar Passanten kamen näher, es war Feiertag und Franzosen lieben es, am ersten Mai Maiglöckchen zu kaufen. Das hatte sich der Junge vom Kramladen zu Nutze gemacht und verkaufte aus einer umgehängten Kiste Sträußchen mit Maiglöckchen. Er machte heute wohl das meiste Geschäft, denn oft verschwand er, um einen neuen Vorrat zu holen. Wo die wohl herkamen? Aus China, oder Marokko?

Doch die Leute liefen vorbei. Sie schauten erst mal, was es alles gab, verglichen vielleicht auch die Preise, die inzwischen jeder angeschrieben hatte. Gingen vielleicht mit ihren Kindern erst mal die Schafe am Platz hinter der Schule streicheln. Ich setzte mich wieder hin. Wahrscheinlich würden die Leute erst auf dem Heimweg etwas kaufen! Ein paar Bekannte hielten an, probierten, wir diskutierten. Andere gesellten sich zu uns, man redete und probierte wieder. „Mach mir ein Stück fertig, ich hole es am Mittag ab!“, meinte dann einer. „Gib mir gleich eines, so 500 Gramm, dann vergesse ich es wenigstens nicht!“, sagte ein anderer. „Komisch!“, dachte ich, „wenn jemand am Stand steht, stellt sich bald noch einer dazu. Ich würde eher an einen anderen Stand gehen, um nicht warten zu müssen…“ Doch Zeit hatten sie heute anscheinend alle. Zeit zu einem Plausch, einer Zigarette, einem Glas oder zweien in der Kneipe…

Die mich kannten, hielten fast alle an, auch wenn sie nichts kauften. Andere schauten nur von fern und fragten anschließend jemanden der mich verließ, wer das sei. „L’Allemand d‘Augirein! Tu le connais pas?“ Doch mit der Zeit kannten sie mich alle! Und mein Stand wurde zu einem Treffpunkt der Bauern und der Neos. So manchmal reichte mir einer einen Joint rüber und ich versuchte, ganz diskret einen Zug zu nehmen. „Was soll‘s!“, dachte ich, „die denken ja eh, dass wir den ganzen Tag nur kiffen!“ Heute jedenfalls rauchte ich nicht mit. Es war sozusagen die Generalprobe. Wenn diese gut ablief, würde auch in Zukunft alles wie geschmiert gehen!


Aber auch heute schon lief es gut! Gegen 11 Uhr überkam die Leute ein Kauffieber. Kleine Trauben bildeten sich vor den Ständen, die Verzweiflung der Marktleute war verschwunden, die Nasen blieben ungeputzt, die Filzläuse hatten ihre Ruhe! Zum Glück war Doris mit den Kindern gekommen, welche mit der Kleinen zu den Tieren liefen. Einer von uns schnitt ab, ließ probieren, der andere verpackte, wog, kassierte und unterhielt sich zugleich noch mit den Kunden, denn deren Neugier war langsam erwacht, vor allem, als sie ein Stück gekostet hatten. Sie stellten alle mögliche Fragen und wir luden sie ein, den Hof zu besuchen. Zum Glück kamen am Ende nur wenige zu uns hoch!

Jemand vom Organisations-Komitee fragte nach einem Stück Käse für die Tombola um 13 Uhr. Wir gaben noch ein Gläschen Honig dazu. Irgendwer hatte Musik aufgelegt, die aus den überall in der Straße aufgehängten Lautsprechern plärrte. Das machte die Verständigung fast unmöglich, man musste schreien oder sich mit Zeichen verständigen. Aber irgendwie schuf das eine Jahrmarktstimmung, die auch mich nach dem zweiten Glas Wein von einem wohlmeinenden Nachbarn ergriff. Die Sonne schien, die wenigen Autos auf der Straße waren in der Menschenmenge gefangen, die Kinder zerrten quengelnd ihre Eltern zum Käsestand zurück, weil ihnen die Probe so geschmeckt hatte! Und irgendwann war der Tisch leer, bis auf ein paar Gläser Honig. Wir stopften das Papiergeld aus der Kasse in die Hosentasche, versteckten die Kasse unterm Tisch und schlenderten an den anderen Ständen vorbei zum Marktplatz, wo es einen Gratisaperitif gab und anschließend Preisverteilung. Der Credit Agricole, die Bauernbank, vergab Ölkanister mit Zweitaktöl an die Bauern, die die schönsten Herden hatten, Crama, die Bauernversicherung, verteilt Pokale für die schönsten Tiere. Dann kommt die Ziehung der Tombola. Der erste Preis ist ein Schinken, gestiftet von einem der lokalen Metzger, der zweite Preis unser halber Käse mit dem Glas Honig, gestiftet von ‚Le Pourteres‘ aus Augirein. Diejenigen, die uns erkannt haben, prosten uns zu. Und irgendwie fühlen wir uns plötzlich alle hier auf diesem Platz wie eine große Familie.

Von nun an ging ich regelmäßig auf den Markt. Anfangs stellte ich mich nahe der Apotheke hin, da war auch eine Metzgerei und ein Restaurant mit Bistro, gut besucht, vor allem abends. Doch stank es hier herum dermaßen nach Urin, dass ich es vorzog, mich an das andere Ende des Marktes zu stellen. Der Markt fand jeden dritten Dienstag statt und 14 Tage später. Das war eine Regelung, die noch auf früher zurückging und die abzuändern kompliziert war, wegen des nationalen Märkte-Registers. Es kam vor, dass mal niemand da war und auch die Stammkunden nicht recht wussten, ob Markt war oder nicht.

Im Sommer war an den marktfreien Dienstagen Markt in Sentein, einem Dorf am Ende des Biros-Tales. Auch hier gewöhnten sich die Einheimischen bald an unsere Anwesenheit. An Regentagen kam es vor, dass wir die einzigen Verkäufer waren, was die Anwohner damit belohnten, dass sie bei uns kauften. Auch der Kramladen vom Dorf nahm uns Käse ab. Hier diente ebenfalls die Hauptstraße als Verkaufsort als auch der angrenzende Platz. Meist waren es die gleichen Verkäufer, die auf diesen kleinen Märkten zusammenkamen, man machte Brotzeit zusammen, tauschte untereinander Waren aus. Kam mal einer zu spät, konnte er sicher sein, dass ihm die anderen seinen Platz freihielten. Bewässerungsgräben flossen entlang der Straße und verliefen sich dann in den Wiesen oder Gärten. Gestutzte Akazien gaben etwas Schatten und ermöglichten einem das Aufhängen von Bildtafeln. Außer der mit den Käsefotos hatten wir bald eine zweite mit Honig-Fotos. Inzwischen hatte ich eine wasserfeste Sperrholzplatte zurechtgeschnitten, die ich aber auf dem Dachträger des R 4 transportieren musste, ebenfalls den fast neuen Marktschirm mit breitem Klappfuß, den ich einem Kumpel, der mal Bonbon-Händler gewesen war, abgekauft hatte, der für ein Jahr im Dorf wohnte. Wochenlang aßen wir seine letzten Reste auf, wenn wir Jungen uns bei ihm trafen. Außerdem hatte ich jetzt auf dem Markt immer einen Wasserkanister mit Hahn dabei, um bisweilen das Messer zu waschen oder die Hände.

Da wir auch hier in Sentein viele kannten, schon von früher von der Alm her, begrüßte man sich, wie üblich, mit Handschlag. Nur wir Neos unter uns begrüßten uns mit einer Umarmung. Da ich mir schlecht nach jedem Händedruck die Hände waschen konnte, machte ich es mir zur Gewohnheit, mit der rechten Hand den Käse zu schneiden und das Geld zu nehmen, mit der linken aber ausschließlich das Packpapier und den Käse anzufassen. Somit war ich sicher, keine Bakterien auf die Käse zu übertragen. Für einen Gegenüberstehenden war das gar nicht erkenntlich, außer er war Muselman. Aber die aßen ja sowieso keinen Käse. Ich kippte den abgeschnittenen Käsekeil von oben mit einem Finger leicht zur Seite, damit ich die Unterseite mit dem Daumen zu fassen bekam. So berührte ich nur die Rinde, nicht aber die Schnittfläche. Manche Käse- oder Fleisch-Verkäufer wollten ganz hygienisch erscheinen und zogen Latex-Handschuhe an. Doch dann berührten sie damit den Käse an den Schnittflächen, um ihn einzupacken, kassierten das Geld ein und gaben raus. Und schon war der nächste Kunde dran…

Direkt hinter unserem Marktstand wohnte die alte Bäckerin, eine große Frau, die trotz ihrer 80 Jahre noch mit dem Fahrrad fuhr. Sie war eine der ersten, die zum Stand kam. Sie kaufte ein kleines Stückchen Käse, lebte sie doch alleine. Sie erzählte mir, dass sie entfernt mit dem letzten Bauern von ‚Pourteres‘, unsrem Hof, verwandt sei, und dass dessen Enkelin in St. Girons ihre Rente verbrachte. Diese käme sie mehrmals im Jahr besuchen. Sie würde ihr von mir erzählen, bestimmt würde sie sich freuen, dass der Hof der Großeltern wieder zu neuem Leben erwacht war!

DER KANADIER

Im Dorf lebte der ‚Canadien‘, der Kanadier, wie man ihn nannte. Er war seinerzeit nach Kanada ausgewandert, aber später wieder nach Frankreich zurückgekommen und lebte seit kurzem in einem winzigen Häuschen, die zwei einzigen Fenster nach Norden ausgerichtet, gleich gegenüber dem Café. Er hatte aber noch Land im Tal nach Bordebounaout und in Boutebonne und ein weiteres Haus an der anderen Seite des Dorfes, wo er eine Werkstatt eingerichtet hatte und nebenbei Betonfiguren goss, deren Formen er von Canada mitgebracht hatte. Er war von gedrungener Gestalt, dick, stoppelbärtig. Er galt als bärbeißig, sprach wenig mit den Leuten.

Eines Abends waren wir auf dem kleinen Platz vor dem Café versammelt, die wenigen jüngeren Leute vom Dorf, die Buben vom Wirt, Patrick, sein Cousin Pierre, ein paar andere Freunde. Es war ein milder Vor-Sommerabend, einer der Abende, an denen man nicht schlafen gehen will, von denen man wünscht, dass sie ewig dauern. Leise rauschte das Wehr des fast trockenen Flusses, ein paar Grillen zirpten ihren Grillchen ein Liebeslied, süß streifte uns der Atem des Dorfes, diese Mischung von kaltem Kaminfeuer, Stallgeruch, Heu und Moder aus offenen Kellertüren… Eine dreiblättrige Zigarette machte die Runde, langsam fielen die Grenzen von Raum und Zeit. Wir lehnten uns in den Stühlen zurück, unser Blick wanderte zu den Sternen. Patrick sprach von Nepal. Er hatte das Ticket schon gekauft, bald würde es losgehen… Manche beneideten ihn, andere meinten, schöner als hier könne es da kaum sein. „Die Berge sind etwas höher!“, sinnierte ich, „die Hänge sind rot vor Rhododendron, überall raucht man bestes Ganga, man läuft zu Fuß…“ „Das ist ja wie hier!“, warf nach einer Weile Charles ein, „habt ihr die Hänge der Estremaille gesehen? Rot vor Alpenrosen, zu Fuß laufen hier die meisten auch noch, und was das Ganga betrifft, ich frage mich, ob es dort noch besser sein kann als unser Eigenanbau!“ „Ich werde etwas mitbringen! In genau einem Monat werden wir es dann hier testen!“, meinte Patrick. Das fanden wir eine super Idee!

„Chut! Habt ihr gehört, was ist denn das für ein Geräusch?“, fragte plötzlich Pierre. Auch wir hatten etwas bemerkt. Es klang wie ein Röcheln, oder die letzten Atemzüge eines verblutenden Schweines. Pause. Da wieder! Das Geräusch kam aus dem offenen Fenster des Canadiens. War der am Ersticken? Möglich, denn so gesund sah er ja nicht gerade aus! Wir standen alle auf und gingen hinüber. Sein Schlafzimmer lag ebenerdig. Wir warfen feixend einen Blick hinein. Da, wieder, dieses Röcheln! Unsere Augen hatten sich an das Dunkel gewöhnt. Da lag er, wie ein Bär im Winterschlaf, bedeckt mit silbergrauem Fell. „Wie ein Yeti!“, warf Patrick ein, in Gedanken schon in seinem Traumland. Wir konnten uns das Kichern nicht zurückhalten. Doch anscheinend war mit Roger alles in Ordnung. Das schienen seine normalen Schlafgeräusche zu sein.

Wir gingen zurück zum Café. „Ich hab´ ne Idee!“, rief Charles leise, schon vor Vorfreude erregt, „dem machen wir einen ‚Tustet‘!“ Was ein Tustet war, davon hatte ich eine vage Vorstellung. Eine Art Streich. Wir gingen ins Café. Dort standen auf den Tischen noch eine Menge Champagnerflaschen von den Feierlichkeiten des Abends. „Wir binden dem ‘ne Flasche an die Tür, ihr werdet sehen!“ Schon hatte jemand ein paar Stücke Bindegarn von Heuballen besorgt, aneinandergeknüpft. Eine Schlinge um einen Flaschenhals und unter unterdrücktem Lachen banden wir die Flasche an die Türklinke des Canadiens. Das Ende der Schnur zogen wir über die Straße, dann durch das Fenster in die Kneipe. Nun das Licht aus.

Charles zog mehrmals an der Leine. „Bumm, bumm!“, machte drüben die Flasche an der Tür. Nichts rührte sich. Nochmals. Nichts! „Der schnarcht so laut, dass er das Klopfen nicht hört! Warte etwas, bis er stiller wird, sonst geht die Flasche noch kaputt!“ Das Röcheln ließ nach, wahrscheinlich war er in Atemnot gekommen und holte Luft. „Bumm bumm bumm!“ Drüben rührte sich nichts. Nochmals: „Bumm bumm!“ Wir lauschten. Es war kein Schnarchen mehr zu hören, er schien wach zu sein. Und da erschien er am Fenster. Sein behaarter Oberkörper beugte sich hinaus, schaute nach beiden Seiten. Nichts zu sehen. Er ging zurück ins Zimmer. Bald hörten wir wieder sein Röcheln. „Bumm, bumm!“ Doch schon war er am Fenster; er hatte wohl nur so getan, als ob er schliefe. Er schaute in beide Richtungen über die verlassene, nächtliche Dorfstraße. Ihm schien etwas zu dämmern. Wir verhielten uns mäuschenstill. Wie würde er reagieren, wenn er den Trick merkte? Würde er die Polizei rufen wegen Ruhestörung? Manche taten das. Und er? Keiner kannte ihn näher, war es doch wohl dreißig oder mehr Jahre her, dass er ausgewandert war.

Er verschwand wieder, die Tür öffnete sich. Da stand er, nur mit der Pyjamahose bekleidet. Seine Hand tastete zur Türklinke und fand die Flasche, fand die Schnur. Er verschwand wieder im Haus, kam mit einem Messer zurück und schnitt die Flasche ab. Dann zog er an der Schnur, die über die Straße durch das Fenster in die Kneipe ging. Wir ließen los. Er zog die ganze Schnur zu sich rüber, wickelte sie auf und verschwand wieder im Haus. Ließ aber die Tür offen. „Warum lässt er die Tür offen? Was hat der vor? Holt er das Gewehr?“, flüsterte einer. Und da erschien er wieder, immer noch halb nackt. In einer Hand die Champagnerflasche mit der Schnur, in der anderen Hand eine andere Flasche. So ging er durch den Hof der Kneipe zur offenen Tür und rief: „Kommt nur raus, ich hab euch schon gesehen!“ Etwas geniert schaltete Charles die Neon ein, die nach kurzem Flackern grell die Gaststube erleuchteten. „Bonsoir, Monsieur Lafforgue!“, meinte einer von uns. „Ich heiß Roger!“, stellte er klar. Das klang schon mal gut! „Ich bringe euch eure Flasche zurück! Und da sie leer ist, habe ich eine volle mitgebracht!“, meinte er, indem er die andere Flasche auf den Tisch stellte, eine Flasche besten Whiskys! „Ihr habt mir meinen Schlaf geraubt, jetzt raube ich euch euren!“, lachte er, „ich gehe erst wieder, wenn die Flasche leer ist!“

Es dämmerte schon, als ich heimkam… Seit diesem Abend war der Canadien bei jeder Fete dabei, sprach mit allen, war von allen akzeptiert. Manchmal, wenn irgendwo ein Aperitif lief, verschwand er kurz und kam dann mit seinem alten Plattenspieler und einem Stapel Vinyl-Platten zurück. Bisweilen schlief er im Sitzen ein, schnarchte vor sich hin, bis er plötzlich wieder voll da war. Oder er holte ein Paar Kastagnetten, setzte seinen Strohsombrero auf und animierte alle zum Tanzen.

Nach einer Weile verkaufte er einen Teil seines Landes billig an Thierry, der oben im Gelände ein Erdhaus gebaut hatte und Heilkräuter anbauen wollte. Angeblich hatte der schon mit einer Hanfkultur begonnen, um den Boden zu verbessern. Das restliche Land auf der gegenüberliegenden Seite wollte er an Joey, einen Deutschen, verkaufen, der da oben leben wollte, weil er die Schnauze voll hatte von der Zivilisation. Die Wiesen, die Roger im Tal nach Bordebounaout besaß, bot er uns an. Auch Clement, der Garde Champêtre bot uns zwei Parzellen in diesem Tal an, weil sie alle es satthatten, dass Jean ihr Land benutzte und es weder sauber hielt noch etwas dafür gab. Doch waren dazwischen noch zwei andere Parzellen, die unserem früheren Eigentümer gehörten. Könnten wir die auch haben, hätten wir zumindest den Talgrund, das flachere Land. Und bei Eigenbedarf konnte ein Bauer einen Pächter hinauswerfen! Und Jean war ja schon über 10 Jahre in Rente und hatte außerdem keinen Vertrag.

Da kam es wie gerufen, dass Elie mir sagte, er hätte Marinette getroffen, die frühere Eigentümerin. Ihr Mann André war seit kurzem gestorben und in der Familiengruft beigesetzt. Inzwischen hatte sie auch ihren Laden in Castillon aufgegeben, die ‚Bonnetterie‘, worin sie an Marktagen Knöpfe und Nähgarn verkaufte. Auch fuhr sie nicht mehr mit ihrem Lieferwagen, einer lindgrünen ‚Estaffette‘ über Land, um ihren Zwirn zu verkaufen. Mittwochs hatte sie immer das ‚Bellongue‘ abgefahren, unser Tal, wo sie ihre Stammkunden besuchte. Jeden Nachmittag sah man ihren Wagen im Steinbruch von St. Lary geparkt, neben dem Minibus vom Pépé Rives, der, weil schulfrei war, erst wieder abends fuhr. Den rhythmischen Bewegungen des Fahrzeuges nach zu schließen, gab sie hier bestimmt Nähunterricht auf ihrer Maschine. Böse Zungen wie Esther behaupteten, sie pflege das horizontale Gewerbe, sei eine puta…

Jedenfalls hatte Marinette zu Elie davon gesprochen, das restliche Land im Tal verkaufen zu wollen. Ich fuhr also in die Stadt, um sie in ihrem Altenteil, das sie vom Verkauf unseres Hofes erworben hatten, zu besuchen. Es war ein regnerischer Tag und kühl. Nach einem Austausch von Neuigkeiten aus dem Tal kam auch Jousepoun, ihr Bruder herein. Patschnass vom Regen, die von Tropfen beperlte Baskenmütze auf dem Kopf, die nasse, erloschene Kippe im Mundwinkel. Er stellte sich vor den rotglühenden Elektroheizer, um seine Sachen zu trocknen und nahm eher schweigend an unserer Unterhaltung teil. Irgendwie roch es brenzlich. Aber hier in der Stadt waren andere Gerüche als auf dem Land! Nach einer Weile bemerkten wir Rauchfähnchen von seiner Kleidung aufsteigen. Wir sprangen auf. Marinette drehte ihn um und wir versuchten, mit unseren Händen die Flammen auszuschlagen, die auf dem Filz seines Umhanges tanzten. Mit einem nassen Handtuch schafften wir es schließlich. Wir rissen ihm den Mantel vom Rücken. Zum Glück war er so dick angezogen, dass er selber nichts abbekommen hatte! Nachdem Marinette eine Schimpfkanonade abgefeuert hatte, brachen wir alle in Lachen aus und kamen zum Thema.

Marinette und Joseph hatten noch einen anderen Bruder, der im Gers wohnte. Da ihr Mann verstorben war, war es mit den Besitzverhältnissen einfacher geworden, und sie wollten ihr restliches Land im Tal verkaufen. Außer den zwei besagten Wiesen im Tal hatten sie noch ein paar Hektar uns gegenüber, mit Scheunenruinen darauf. Das war günstig für uns! Mit dem Land vom Canadien und dem des Garde Champêtre könnten wir da wohl 10 Hektar zusätzlich zusammenbringen! Mit dem anderen inzwischen dazugekauften Land kämen wir auf 2 SAU und Doris könnte sich ebenfalls installieren und die Installationsprämie bekommen. Dann hätte sie auch mal einen Rentenanspruch, den hatte sie so, nur als Familienhilfe, nicht. Wir diskutierten eine Weile und einigten uns dann auf 6000 Francs. Sie bestand darauf, da sie ja mit den Geschwistern teilen müsse, und ihr dann nur noch 2000 blieben. „Im Augenblick hat aber Adrien seine Kühe darauf!“, warf ich ein, „da müssen Sie mit ihm vorher reden, damit es nachher keinen Ärger gibt!“ „Mit dem rede ich nicht! Der squattet das Land, dem haben wir nie die Erlaubnis gegeben! Außerdem ist der ja auch schon halb in Rente! Ich habe gehört, seit dem Infarkt bekommt er eine Pension!“ Sie wollte mit ihrem Bruder alles klären, damit wir bald zum Notar könnten.

Auf dem Rückweg hielt ich bei Adrien an. „Marinette will uns ihr restliches Land verkaufen“, sagte ich ihm, gespannt auf seine Reaktion. Er lief rot an, aus seinen himmelblauen Augen schossen Blitze. Er fasste sich dann aber und rief: „Die werde ich anscheißen, die hat mich schon mal hintergangen, als sie euch den Hof verkauft hat!“ „Du hättest ja nur den Hof zu kaufen brauchen!“, meinte ich. „Ich geb´ doch kein Geld für Land aus, wenn man es auch so haben kann!“, gab er zurück, „damals hast du mir mein Land genommen, diesmal werde ich es zu verhindern wissen! Dieser ‚Garce‘ werde ich das Leben schwermachen, das kannst du ihr ruhig sagen!“ Und er ließ mich stehen. Zumindest war mir jetzt einiges klarer! Ich rief Marinette an und teilte ihr das Gespräch mit. „Dem wird ichs zeigen! Der denkt gerade, er kann machen, was er will! Es bleibt beim Verkauf!“ Doch dessen war ich mir nicht mehr so sicher…

Drei Tage später sah ich ihr Auto vor Adrien seinem Haus stehen. Am nächsten Morgen stand es immer noch da. Mehrere Jahre später erbte es Adrien, und ihr Land dazu…

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