Kitabı oku: «Kreuzweg zu anderen Ufern», sayfa 3

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SONNTAG

Seit Kurzem hatte der Papst (Johannes XXIII) eine Enzyklika herausgebracht, so ein Rundschreiben mit den neuesten Doktrinen für die Christenheit. Die Heilige Messe sollte von nun an in der Landessprache, bei uns also in Deutsch abgehalten werden. Was die einen als Fortschritt feierten, wurde von anderen als gotteslästerlich bezeichnet, das heilige Latein, das ‚Esperanto der Christenheit‘ abzuschaffen! Auch wurde der Altar umgedreht, so dass der Priester zum Volk schaute, wenn er die Messe feierte. Und, wo das nicht möglich war, ein anderer Altar im Chorraum aufgestellt. Da man gerade schon beim Abschaffen war, wurde auch die Kommunionbank entfernt, wo sich vorher alle in einer Reihe hingekniet hatten, um den Leib Christi zu empfangen, den der Pfarrer jedem in Form einer Hostie, einer kleinen runden Oblate, auf die herausgestreckte Zunge legte. Darin sollte Jesus in Fleisch und Blut vorhanden sein. Das nannte man das Wunder der Transformation. Schwierig für uns heranwachsende Zweifler, das zu glauben… Aber so war es und man hatte uns ja von klein auf eingebläut, dass für Gott kein Ding unmöglich ist und diejenigen, die das bedingungslos glaubten, waren die Seligen, denen das Himmelsreich offenstand. Die Skeptiker erwartete die ewige Verdammnis, bestenfalls das Fegfeuer, aus dem einen eventuell die Fürbitten der Gläubigen und Heiligen retten konnten…

Bei meinen evangelischen Freunden gab es beim Abendmahl wenigstens einen Schluck Wein dazu (und nicht gerade den schlechtesten), wie es Jesus beim letzten Abendmahl auch gemacht hatte. Bei uns trank ihn nur der Pfarrer (oder heimlich die Mutigsten der Messdiener). Ja und dann hatte das Konzil auch noch beschlossen, dass der Pfarrer den Gläubigen die Hostie in die Hand legen sollte, welche diese sich dann selber in den Mund steckten. Widerstrebend nur fügte sich unser Seelenhirte dieser Anweisung und, wenn es irgendwie ging, schob er die Hostien weiterhin in die offenen Münder. „Corpus Christi“, sagte er jedes Mal, „Der Leib Christi“, hieß es jetzt und man antwortete „Amen!“ Dieses Wort wenigstens blieb. Das Konzil hatte beschlossen, die Gläubigen von nun ab als „mündige“ Christen zu behandeln, was unser Pfarrer halt so auslegte, dass man ihnen die Kommunion weiterhin in den Mund schob. Manchmal, wenn ich dann endlich als erster in der Reihe stand, zögerte er eine Weile. Er überlegte wohl, ob ich auch gebeichtet hatte und des Empfangs des Herrn würdig wäre…

*

Unsere Kirche, im Großen und Ganzen im spät-barocken Stil ausgestattet, steht gewissermaßen im Zentrum des Dorfes, auf einer leichten Erhöhung. Es ist schon erstaunlich, wie ein so kleines Dorf eine so stattliche Kirche hatte bauen können. Denn damals, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, musste die Gemeinde nicht einmal tausend Einwohner gezählt haben! „Glauben versetzt Berge“, heißt es irgendwo in der Bibel. Und der Glaube (verbunden mit Ablasshandel und anderen kommerziellen Tricks) verhalf den Menschen solche Bauwerke zu schaffen wie unsere Kirche oder den Petersdom in Rom, den Protz-Bau der katholischen Kirche.

Sonntags war unsere Kirche der Treffpunkt der katholischen Bewohner der Umgebung. Wer nicht viel mit Religion am Hut hatte, kam trotzdem her und stellte sich eine Weile hinten in den Mittelgang oder traf sich gleich mit Gleichgesinnten im Gasthof „zum Hasen“, der genau gegenüberlag. Hier saß man lachend um die weißgescheuerten Tische und erzählte lauthals im dicken Qualm von Stumpen oder Villinger-Kiel die letzten Schwänke, ein Glas Bier vor sich. Man fischte sich ein Wienerle aus dem in der Mitte der Tafel stehenden Topf heraus, tauchte es in den blaugrauen Steingut-Senftopf mit dem bayrischen Wappen darauf und führte es sich zum Munde. Während gegenüber in der Kirche im Weihrauchnebel der Pfarrer den Kelch hob, die Ministranten ihre Schellen klirren ließen und sich die braven Bäuerlein schuldbekennend an die Brust klopften. „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“. Neuerdings: „Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld!“ Alles war sehr feierlich und bis ins Kleinste geregelt, so dass ein unabsichtliches Husten oder Nießen fast wie eine Gotteslästerung aufgenommen wurde.

Auf der Empore ging es etwas lockerer zu. Hier fanden sich die Ober- oder Mittelschüler ein, ein paar Arbeiter, weniger Bauern, von denen aber trotzdem ein deftiger Kuhstall- oder Silo-Geruch ausging. Manchmal mischte sich darunter ein leiser Furz. Das schelmische Grinsen eines Kumpels wies uns schon im Voraus auf das Ereignis hin, bevor die Duftnote mit unseren Geruchsnerven in Berührung gekommen war. Ein verliebtes Paar in einer Ecke hielt sich an der Hand, flüsterte sich leise Liebesworte zu, bisweilen vom Zischen eines der überall anwesenden Betweiber zur Ruhe gemahnt.

Der Sonntag fing wie jeder Tag früh um sechs mit dem Angelusläuten an, dem Engel des Herrn, eigentlich zu Ehren der Heiligen Jungfrau gedacht, aber sonntags besonders kräftig geläutet, um die Schläfer davon abzuhalten, einen gemütlichen Vormittag im Bett zu verbringen. Dreimal täglich (morgens, mittags und abends) verkünden die Glocken den Besuch des Erzengels Gabriels, der Maria die frohe Botschaft ihrer Schwangerschaft überbrachte. Die Frühmesse war um sieben Uhr, hauptsächlich besucht von den Bauersfrauen, die als erste ihrer Sonntagspflicht nachgingen, während der Mann noch die Kühe molk. Hier bediente die Mina, eines der ‚Betweiber‘ oder auch ‚Hörgerät‘ des Pfarrers, wie wir sie aus leicht erkennbaren Gründen nannten, die Register der Orgel. Sie hatte ein Bein etwas kürzer als das andere, ein Mangel, der durch einen besonderen Schuh wieder ausgeglichen wurde. Dadurch hatte sie eine etwas holprige Gangart. „Beim Orgelspielen hörst du genau heraus, wenn die Mina spielt!“, klärte mich mal ein Freund auf. „Horch, das ist genauso wie wenn sie läuft!“

Mich wunderte immer, dass niemand sonntags arbeiten durfte, außer den Bauern, die eh schon während der Woche genug Arbeit am Hals hatten. Das wurde als ein Privileg hingestellt, als eine ihnen gewährte Ausnahme. Diese Messe, werktags ohne Orgelspiel oder Weihrauch, dauerte rund eine Dreiviertelstunde und wurde vom alten Pfarrer gehalten, der nicht mehr so gut auf den Ohren und den Beinen war. Um neun Uhr folgte das feierliche Hochamt. Hier amtierte der hochwürdige Pfarrer selber, der nebst Ehrenfunktionen auch eine Menge Ehrentitel wie ‚Dekan‘ und ‚Geistlicher Rat‘ trug, neuerdings zudem noch den des ‚Erzbischöflichen Kämmerers‘, die sich, unvermeidlich wie der Staub auf den Heiligenfiguren im Laufe der Zeit angesammelt hatten. Er bestand darauf, mit diesen angeredet zu werden oder zumindest aber, dass sie auf den an ihn adressierten Briefen standen.

Seine Zeremonien wurden feierlich durchgeführt, das heißt, in Prunkgewändern, mit der dazugehörigen Langsamkeit, oft noch mit der Beihilfe eines anderen Pfarrers oder Zeremoniars und mit der doppelten Anzahl von Ministranten. Die Predigt von der Kanzel zog sich ewig hin. So manches Bäuerlein schlief dabei ein, da an einem Sonntag deren Arbeit schon früher losging, um um neun Uhr für die Messe frei zu sein. Die Ansprachen waren immer etwas verschieden, aber die Schlussworte jedes Mal die gleichen: „…um in die ewige Herrlichkeit einzugehen!“ „Amen!“ antwortete dann die versammelte Menge und erhob sich unter einem lauten Raunen, welches die Kirche erfüllte. Jetzt endlich trauten sich die Erkälteten zu husten oder zu niesen.

Bisweilen kam es vor, dass der Pfarrer schon vorher von der ewigen Herrlichkeit sprach, und zwar so inbrünstig, dass die, welche ihm zuhörten, glaubten, er kenne sie aus persönlicher Erfahrung. Diejenigen, die ihm nur halb zugehört hatten, erhoben sich bei dem Wort, und manchmal fing auch schon die Orgel an zu spielen. Das waren jedes Mal peinliche Momente, bis alle dann wieder saßen und auch die Orgel verstummt war. Denn einfach sich das Wort nehmen lassen, entsprach nicht dem Wesen unseres herrischen Pfarrers! So ein Hochamt dauerte schon mal 1½ Stunden oder mehr. Unter dem Deckengewölbe sammelte sich dann der Weihrauch und es schien, dass die Engel des Deckenfreskos in Wolken schwebten. Die Orgel schmetterte zum Abschluss ein Lied, das alle kannten und unendlich viele Strophen hatte. Das konnte wirklich ergreifend sein, wenn die Orgel aus allen Registern dröhnte, unterstützt vom Gesang aus hunderten Kehlen, man wurde vom Strom der Menschen erfasst und schwebte schier hinaus. Man fühlte sich gestärkt für die Woche und in totalem Einklang mit dem lieben Gott.

Bisweilen aber hängte der Pfarrer an die Messe noch Fürbitten an, die mit einem Ave-Maria und einem Vaterunser-Gebet verstärkt empor an Gottes Ohr dringen sollten. Oder eine Litanei, so ein Bittgebet, schier ohne Ende. Der Pfarrer rief die Namen der Heiligen auf, das Volk antwortete mit „Bitt‘ für uns!“ oder „Wir bitten dich, erhöre uns!“ Manchmal war das die Bitte um Regen für die Felder, die Hilfe für einen Kranken, oder dass die Juden endlich einsichtig werden und Jesus als den Messias anerkennen sollten, um endlich zum wahren Glauben zu finden. Oder während des Vietnamkrieges: Dass der Vietkong, diese gottlosen Kommunisten und mit ihnen der Antichrist endlich von den christlichen Heeren besiegt würden und ein für alle Mal Frieden auf Erden einkehren könne, wie Jesus, unser Herrgott es verheißen hatte…

War einmal der Schlusssegen gesprochen, strömten alle hinaus, man diskutierte mit Freunden vor der Kirche oder begab sich in eines der nicht weit entfernten Gasthäuser zu einem Bier oder auf einen Schafskopf. Das konnte bis zum Mittagessen dauern oder für manche bis zum Abend oder bis in die Nacht. Das war nicht gerade heilsam für den Haussegen, der dann für den Rest der Woche schief hing…

*

Es kam dann die Zeit, wo wir jungen Kerle nicht mehr in die Kirche gingen. Gut, die Kirche war immer noch voll, es waren also nur wenige, die sie schwänzten. Mein Bruder zog es vor, bis Mittag im Bett zu bleiben; ich traf mich mit Freunden, wir machten eine Radtour oder strolchten durch die umliegenden Wiesen oder Wälder. Damals wetteiferten die Atommächte im Bauen und Zünden von immer stärkeren Bomben in der Erdatmosphäre. Das nannte man das ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ oder ‚Kalter Krieg‘. Wir fragten uns, wie ein ‚Heißer Krieg‘ aussehen würde… Im Radio warnte man vor den radioaktiven Niederschlägen, die mit dem Regen zur Erde fielen. Es war Frühling. Überall blühten die Weidenkätzchen. Ihr gelber Pollen schwamm auf den Pfützen und lagerte sich am Rand der Schlaglöcher ab. Wir hielten das für die radioaktiven Niederschläge und fuhren jetzt lieber drum herum, anstatt wie früher mittendurch, um uns voll zu spritzen. Der Wahnsinn, man nannte ihn den ‚Overkill‘, ging so weit, dass die Supermächte so viele Atombomben produziert hatten, dass man hätte die Erde 60mal in ‚die Luft sprengen‘ können, bildlich ausgedrückt natürlich. Auf gut Deutsch hieße das, pulverisiert und als Sternschnuppen im Weltall verteilt. Für uns junge Leute war das eine schreckliche Vorstellung, vor allem, da die Generation unserer Eltern, die doch seit kurzem erst den totalen Krieg mit der fast völligen Zerstörung überlebt hatte, nun wieder Gleiches vorbereitete, aber um hunderttausendmal schlimmer. Gut, es ging diesmal darum, die gottlosen Kommunisten, also den Antichristen, im Zaum zu halten und, wenn es sein musste (oder wenn es möglich schien), zu vernichten. In den Augen mancher Christen eine gute Sache. Aber in diesem Fall würde es bestimmt keine Überlebenden mehr geben! Und dabei hatte Jesus doch gesagt: „Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen“. Völkerversöhnung, das wäre doch ein Weg zum Frieden!

Bald nahm ich nur noch an dem monatlichen Schulgottesdienst des Gymnasiums teil, da er gewissermaßen Unterricht war, wo jeder Klassenlehrer kontrollierte, wer da war. Es gab seit jüngerer Zeit auch die Möglichkeit, an einer am Samstagabend gehaltenen Messe teilzunehmen, damit man sonntags einen Ausflug machen konnte, ohne deshalb in den Stand der Todsünde zu fallen… Doch das war in der Stadt. Bei uns auf dem Land gab es das nicht. Der Pfarrer bezeichnete das als den Anfang des Zerfalls des Christentums, eine Sonntagsschändung. Unser Pfarrer herrschte wie ein Despot über seine Gemeinde. Und seinen lauten Worten ließ er oft genug eine Tat folgen, eine Kopfnuss, die es in sich hatte, oder eine Ohrfeige, eine Watsche, wie das in Bayern heißt, um seine aufmuckenden Lämmchen zum Gehorsam zu bringen. Von den Ministranten konnte das so mancher bestätigen… Er war von vielen gefürchtet, von ein paar wenigen aber echt verehrt. Er war der Vertreter eines strengen Gottes auf Erden, fühlte sich verantwortlich für das Seelenheil eines jeden.

SÜNDE

Es gab da Familien oder alleinstehende Frauen in der Gemeinde, deren Religiosität übertrieben war, süß und klebrig und bunt wie Zuckerwatte. Das hatten wir Kinder schnell erkannt und hielten Abstand von ihnen. Denn sie hinterbrachten alles dem Pfarrer und hielten ihn informiert über all das, was ihn eigentlich nichts anging. Doch gab es auch Familien, ebenfalls katholische, deren Kinder normal waren und mit uns an vielem Unsinn teilnahmen. Und bei diesen war die Tür offen für andere, nicht wie bei uns daheim, wo wir keine Freunde mitbringen durften. Es war ein reges Kommen und Gehen bei diesen, nicht nur, um die Kinderprogramme im Fernseher anzuschauen (Fernsehapparate gab es in unserer Siedlung nur drei), sondern auch bei sonntäglichen Ausflügen durfte man mitfahren. Und das war was ganz Besonderes. Denn wer hatte damals schon ein Auto? Man fuhr mit dem Bus, der Bahn, dem Rad, oder ging zu Fuß in die Arbeit und zum Einkaufen.

Toni war einer der Buben aus so einer Familie. Er hatte mein Alter, machte aber eine Lehre als Anstreicher. Er sprach mich mal an, warum ich nicht mehr in die Messe ginge. Ich war etwas geniert. „Das interessiert mich nicht. Das ist doch alles nur scheinheiliges Getue. Schau doch mal an, wie die Leute sich nachher benehmen! In fast jedem Haus wird sonntags nur rumgebrüllt!“ „Die so sind, haben nichts von der Lehre Christi begriffen, sonst wären sie anders!“, meinte er. „Komm nächsten Sonntag mal mit, und du wirst sehen, wie schön ein Gottesdienst sein kann!“ Da er ein guter Freund von mir war (zwar etwas weichlich, da er nie schweinische Worte gebrauchte), machte ich mich am nächsten Sonntag fertig und ging mit ihm in die Kirche. Irgendwie tat mir das sogar gut. Endlich mal wieder was für das Heil meiner Seele getan! Auf jeden Fall nicht so langweilig wie den ganzen Vormittag im Bett zu liegen und eventuell etwas für meine ewige Verdammnis zu tun, indem ich mir einen runterholte. Oder die ganze Zeit unkeuschen Gedanken nachhing, weil ich mich mal nicht abreagiert hatte, da ich, wie es sich für einen jungen Christen gehört, versucht hatte rein zu bleiben. Unkeusches tun und auch daran zu denken waren bekanntlich Todsünden, von denen eine einzige schon reichte, um in die Hölle zu geraten.

„Wie lange hast du schon nicht mehr gebeichtet?“, wollte mein neuer Freund ein anderes Mal wissen. „Das ist wohl schon ein paar Jahre her“, erwiderte ich. „Da hast du ja bestimmt eine Menge Sünden auf dich geladen!“, stellte er fest. „Weißt du, was ist eigentlich Sünde?“, sinnierte ich, „wenn ich nicht in die Kirche gehe oder wichse oder mir das Foto eines nackigen Mädchens anschaue, tu ich doch keinem weh. Das hat doch mit den wahren Sünden wie Mord oder Stehlen nichts zu tun!“ „Das ist aber trotzdem ein Verstoß gegen die zehn Gebote, die Gott dem Moses nach dem Auszug aus der Sklaverei in Ägypten auf dem Berge Sinai gegeben hat. Auch wenn das nur dich betrifft, tust du auf jeden Fall Jesus damit weh. Auch wegen deiner Sünden hat er am Kreuz leiden müssen und sterben!“ „Er ist aber wieder auferstanden, also sollte man das doch nicht so tragisch sehen!“, witzelte ich. „Durch seinen Tod hat er jedenfalls uns alle von der ewigen Verdammnis, die uns durch unsere Erbsünde bestimmt war, erlöst und uns den Himmel und die ewige Herrlichkeit zugänglich gemacht“, erwiderte er. „Weißt du, die zehn Gebote in der Bibel, das ist ja noch eine klare Sache“, warf ich ein, „aber die Erbsünde? Wenn ich den Beichtspiegel im Gebetbuch anschaue, dann dreht sich mir der Kopf! Da hat jemand ganz schön hineininterpretiert! Da ist ja schier alles Sünde was man tut! Vom Gezeugt werden bis hin zu etwas Leckeres essen!“, gab ich zurück.

„Der Beichtspiegel ist die Auslegung der Kirche von den zehn Geboten, damit sie besser für uns verständlich sind. Die Kirchenväter und unser Heiliger Vater, der Papst, der ja der direkte Stellvertreter Gottes auf der Erde ist, haben das so ausgearbeitet. Du weißt ja, beim Heiligen Abendmahl hat Jesus den Petrus mit der Führung der Kirche beauftragt. Und die Päpste gehen in direkter Linie auf ihn zurück“. „Päpste sind auch nur Menschen und haben genug Scheiße gebaut in der Vergangenheit, haben wir in Geschichte gelernt, sonst hätte Luther keinen Grund gehabt, die Reformation zu machen! Es gab ja zeitweise zwei Päpste und auch mal eine Päpstin!“ „Es war Luther, der viel Leid und Zwietracht in die Kirche gebracht hat, aber du hast Recht, nicht immer ging es nur katholisch zu in der Geschichte der Kirche. Jedenfalls ist der Papst in seinen Entscheidungen, welche den Glauben betreffen, unfehlbar. Das ist auf das direkte Wirken des Heiligen Geistes zurückzuführen!“ Mein Freund, so sah ich, ließ nichts über die Kirche kommen. Jeder Zweifel, ja, eine bloße Frage ist für einen Katholiken fast schon eine Gottesleugnung.

„Wir hatten über die Beichte gesprochen“, sagte ich. „Eigentlich halte ich nicht viel davon. Warum machen die Katholischen es nicht wie die Protestanten, ab und zu im Jahr mal eine Gemeinschaftsbeichte, wo ein jeder sich besinnt und ihm dann vergeben ist!? Ich finde es übertrieben, jede Woche beichten zu gehen oder jeden Monat!“ „Bei uns ist es halt so, und ich finde die Ohrenbeichte besser. Denn da kann der Priester dir einen Rat geben oder dir sonst wie helfen, wenn du in einem Schlamassel steckst!“, erklärte er mir. „Der erkennt dich doch im Beichtstuhl. Und was geht den das an, wie viele Male ich gewichst habe oder nicht in der Kirche war? Jedes Mal will er wissen, wie oft, ob man das alleine gemacht hat oder mit anderen. Ich lüge ihn jetzt immer an, dass ich es alleine tue. Lügen ist ja eine kleinere Sünde. Oder ich beichte als letztes, dass ich gelogen habe. Einmal war ich ehrlich und hatte gesagt, dass es zusammen mit anderen war. Da wollte er wissen wo wir das gemacht hatten und wer die anderen waren. Ich werde doch nicht meine Freunde verraten! Also sagte ich, ich wüsste deren Namen nicht. Darauf wurde sein Ton dramatisch und mit heiserer Stimme meinte er, „so machen es die Strichjungen“. Ich weiß noch nicht mal, was das ist. Vielleicht einer der so mager ist wie ich? Letztens meinte jemand von den Erwachsenen zu mir: ‚Du bist so dünn wie ein Strich in der Landschaft!‘ Und ob ich Geld dafür genommen hätte, wollte der Pfarrer wissen. Ich wusste gar nicht, dass man seinen Samen verkaufen konnte!“

Mir kam da plötzlich ein Erlebnis in Erinnerung, das ich letztens gehabt hatte. Ich musste es unbedingt meinem Freund mitteilen, davon wusste der bestimmt noch nichts! Obwohl ich sicher war, dass meine evangelischen Freunde sich daran bestimmt mehr aufgeilen würden als er. „Letztens war ich beim Bauern Milch holen. Da hörte ich den Bauern jemandem erklären, dass er auf den Rucksackstier warte. Wetten, du weißt bestimmt nicht, was das ist! Rucksackdeutsche, die kennen wir ja. So nennen die Allgäuer abwertend die Flüchtlinge. Aber ein Stier aus dem Sudetenland? Schmarren! Ich dachte zuerst, er meinte ein Zebu, denn diese haben ja so einen Buckel, wie ein Rucksack. Doch dann kam mir das komisch vor. Ein Zebu, hier im tiefsten Allgäu? Nie und nimmer! Da musste etwas anderes dahinterstecken! Ich stellte die Kanne in den Schatten und spazierte über den Hof, in Erwartung was da passieren würde.

Nach einer Weile kam der Tierarzt angefahren und kruschte im Kofferraum von seinem Mercedes rum. Er nahm aus einem dampfenden Fass ein langes Stäbchen, schob seinen Arm in den Arsch einer Kuh, die sich das gefallen ließ, ihn mit großen Augen anschauend. Als er den Arm bis zur Schulter drinnen hatte, steckte er das Röhrchen in das untere Loch und drückte auf einen Kolben. „So, das wäre gemacht! Die war gut rinderig. Die ist geschwängert!“ Ich staunte. Ungewollt war ich Zeuge eines Wunders geworden, einer unbefleckten Empfängnis, wenn auch nur bei einer Kuh. Zwar so ganz unbefleckt auch wieder nicht, da der Besamer schon ein paar Fladenspritzer abbekommen hatte. Aber es ging hier ja um die Nichtbeteiligung eines männlichen Wesens beim Zeugungsakt und das ‚Empfangen ohne Sünde‘, also ohne ficken. Soeben hatte die Kuh noch gedacht wie damals die Maria, als der Engel aufgetaucht war: „Wie soll das geschehen, da ich hier im Stall keinen Stier erkenne? Und hops, schon ist sie schwanger. „Das macht 5 Mark!“, sagte der Tierarzt, und der Bauer gab ihm die Münze. Ich sinnierte weiter und sagte zum Freund: „Es muss da logischerweise irgendwo jemanden geben, der Stiere melkt und dann das Sperma in kleinen Portionen abfüllt und verkauft. Muss ja ein geiler Job sein! Hätte Lust, sowas mal als Ferienjob zu machen! Was meinst du, die Strichjungen, verdienen die so ihr Geld? Doch was macht man mit dem vielen Sperma“, ging es mir im Kopf um, „verkaufen?“...

Mein Freund hielt meine Ausführungen sicherlich für eine Erfindung meines von Pubertätshormonen überfluteten Gehirnes, bestenfalls für eine Übertreibung oder Aufschneiderei, mit der ich ihm imponieren wollte. Sicherlich hielt er es für mein Seelenheil als dringlicher, mal zu beichten und mich von solchen Vorstellungen, wie ich sie ihm soeben geschildert hatte, abzubringen. „Du weißt ja, die Priester sind an das Beichtgeheimnis gebunden! Nie würden sie etwas ausplaudern, was sie gehört haben, es gibt da genügend Beispiele in der Heiligengeschichte…“, kam er auf sein Thema Nummer 1 zurück. „Trotzdem hab´ ich keine Lust mehr, meine Schandtaten unserem Pfarrer ins Ohr zu flüstern, das ist halt so. Die kann ich doch Gott direkt beichten. Und, genau gesehen, ist das eigentlich gar nicht notwendig, denn der kennt sie eh alle, wahrscheinlich sogar schon im Voraus!“ „Du kannst sie ja dem alten Pfarrer beichten, der ist schon halb taub und vergesslich. Letztens, bei der Frühmesse, als ich ministriert habe, hatte er sogar mal den Faden verloren und ich habe ihm sagen müssen, was als nächstes zu tun war“. „Da frage ich mich, ob so eine Beichte dann überhaupt gültig ist, wenn er dich gar nicht verstanden hat. Stell dir vor, da denkst du, du bist frei von Sünden. Und plötzlich stirbst du, und kommst gar nicht in den Himmel, weil deine letzte Beichte ungültig war!“, gab ich zurück, halb scherzend, halb im Ernst.

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