Kitabı oku: «Durchgeknallt», sayfa 3

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Zunächst hatte der Mann im weißen Anzug (den trugen die Kollegen offenbar immer) darauf bestanden, alle Fingerabdrücke von dem iPhone 5 zu nehmen. Darüber hinaus wollte er wissen, ob der Gangster damit Gespräche geführt hatte. Hatte der aber nicht, wie sich anhand der Anrufliste schnell feststellen ließ. Und auch keine SMS oder Fotos verschickt. Hätte er aber auch nicht können. Weil er den vierstelligen Code des Gerätes nicht kannte.

Doch Spusi-Leute sind gründlich. Und auch erst nach Rückversicherung bei seinem Vorgesetzten rückte er das Handy raus. Kleisers Dienstwaffe aber blieb im Asservatenbeutel. Und damit bei der Spurensicherung und der KTU.

Klaus kannte den SOKO-Leiter schon seit Jahren. Jetzt saß er ihm direkt gegenüber. Ein Super-Kriminalist, bei dem er einige Lehrgänge besucht hatte. Jörg Gabriel hatte richtig Karriere gemacht. Und das nicht zu Unrecht. Denn er konnte auf eine lange Reihe spektakulärer Ermittlungserfolge und damit verbundener Fallaufklärungen verweisen. „Die Unterwelt zittert vor ihm“, hatte eine nicht gerade kleine Boulevardzeitung unlängst getitelt.

„Ich kann Dir auch nicht sagen, wo er herkam. Ich glaube nur, dass er wahnsinnig unter Zeitdruck war, als ich mich an ihn rangehängt habe“, erklärte der Hauptkommissar seine erste Begegnung mit dem Mann im Porsche. „Obwohl er wohl nicht so genau wusste, wo‘s lang geht. Sonst wäre er nicht irgendwo in Raumland rumgegurkt. Denn er war ja so abgebogen, dass er erst später wieder über den Stöppelsweg von Berleburg her auf die Hauptstrecke zurückkam. … Wenn es denn überhaupt seine Hauptstrecke war. Immerhin war das Navi aber eingeschaltet. Hab´ ich in Berghausen im Wagen festgestellt.“

„Oder er wusste sehr genau, wo´s her geht“, warf Gabriel ein. „Wir suchen gerade an diesem Stöppel und in der Umgebung eine junge Frau, die an dem Wagen von einem Anlieger in der Weststraße gesehen worden war. Nur, ob die ausgestiegen war oder der Fahrer sie nur nach dem Weg gefragt hat, wissen wir wohl erst, wenn wir sie gefunden haben. Der alte Mann hatte auf der Wache angerufen und sich über einen abartigen Raser mit Porsche und Olper Kennzeichen beschwert. Als die Kollegen hier in der Wache wussten, um wen es sich bei dem Fahrer handelt, haben sie den Herrn später noch mal angerufen und etwas genauer befragt.“

„Dass er die Frau dort hingebracht hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, entgegnete Klaus und nahm erstmal einen richtigen Schluck aus der Kaffeetasse, die ihm Gabriel hingestellt hatte. Schwarz und stark. Für die sonst bei der Polizei üblichen Verhältnisse eine wahre Labsal. „Ich habe in Dotzlar und beim Hinterherfahren nur diesen Koloss im Auto gesehen“, erzählte er dem nachdenklich dreinschauenden Chefermittler, der mit abgespreiztem kleinem Finger einen Espresso aus einer winzigen Tasse trank.

Erst vor zwei, drei Wochen hatten sie alle auf der Wache zusammengelegt und eine wirklich gute gebrauchte Profi-Kaffeemaschine bei einem hiesigen Gastroservice erstanden. Dessen Chef spielte mit ihnen zusammen bei den Freizeit-Kickern und hatte ein Faible für die „Bullerei im Herrengarten“, wie er sie fast liebevoll nannte. Außerdem war Bernd Dickel, der Dienststellenleiter, einmal sein Fußballtrainer gewesen. So etwas kann unter Freunden schon mal zu größeren Rabattaktionen führen. Nur für die Kaffeebohnen mussten sie den normalen Preis berappen. Wieder nahm Klaiser einen Schluck dieses köstlichen Gesöffs, das ihn ein wenig auf Vordermann bringen sollte. Denn er war, trotz aller Anspannung, schon ziemlich kaputt. ‚Eine solch tolle Crema kriegen wir zuhause niemals hin‘, bedauerte er in Gedanken.

„Okay, schau‘n wir mal, was bei der Suche nach der Frau rauskommt.“ Gabriel nestelte in seiner rechten Sakkotasche herum und beförderte sein Handy heraus, das im Stakkato zu klingeln begonnen hatte. Typ „american phone“, ‚ring-ring, ring-ring’. „Ja bitte? … Ach, Bertram, grüß Dich. … Nee, noch nichts. Keine Ahnung, wo der Mann ist. … Nein, weiß ich auch nicht. Das machen die vom Ermittlungsdienst. Aber die kommen offenbar auf keinen grünen Zweig mit dem Typen. … Nee, keine Pause. Dem werden wir durchgehend Druck machen. Ich fahr‘ da gleich persönlich hin und schalte mich in die Vernehmung mit ein. Hab‘ hier noch einen Moment in Bad Berleburg zu tun. … Ja, das war ’n echter Hammer hier. Super gemacht, von allen Kollegen. Kann man nicht anders sagen. … Nein, dem geht es wieder besser, wie ich höre. Ist operiert und steckt das wohl ganz gut weg.“

Kurz darauf war das Telefonat beendet. „War Bertram Klotz aus dem Innenministerium. Die sind da ganz schön angefressen wegen dieses Scheißkerls. Deppe ist vor drei Monaten aus dem Knast in Attendorn abgehauen. Saß schon zwei Jahre wegen eines außerordentlich brutalen Überfalls auf einen Juwelier in Hagen. Dem hat er damals fast den Schädel eingeschlagen und dessen Mitarbeiterin beide Arme gebrochen. Nur, weil sie ihm den Schmuck aus dem Tresor zu langsam in einen Beutel gesteckt hatte“, ereiferte sich der SOKO-Leiter.

„Ein wahnsinnig brutaler Kerl. Wahnsinnig! Sei froh, dass Deine riskante Nummer so ausgegangen ist und die Kollegen und die Ärztin nicht noch mehr abgekriegt haben.“

Klaus kriegte rote Ohren. „Ich konnte doch bei der geplanten Überprüfung eines Verkehrsrowdies nicht ahnen, dass ich es mit einem solchen Typen zu tun habe.“

„Nach der Schießerei im Dorf aber schon, mein Lieber. Auch wenn das SEK ohne Dich wahrscheinlich noch immer ergebnislos durch die Botanik gurken würde.“ Er konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. „Trotzdem, Klaus, das war hochgradig riskant. Mach‘ einen solchen Scheiß möglichst so schnell nicht noch mal, okay? Bin stolz auf dich, Blödmann.“

Er schaute abwechselnd auf sein Handy und auf seine Uhr. „Wird Zeit, dass ich abhaue. Ich will dem Deppe noch ein bisschen auf den Zahn fühlen. Wir müssen wissen, wo der entführte Industrielle Bernd Mönkemann ist. Und ob der überhaupt noch lebt. Es wird jetzt Nacht. Wer weiß, wo er den hingebracht hat – und in welchem Zustand.“

Da fiel Klaus ein, was der Entführer mit seiner demolierten Gosche gebrabbelt hatte, als er ihn zum ersten Mal in Berghausen festgenommen hatte. „Er hat gesagt: ‚Jetzt ist alles im Eimer‘, wenn ich mich recht erinnere.“ Und geflucht hatte er gotterbärmlich. „Für mich sah er in diesem Moment seine Felle davon schwimmen“, sinnierte der Hauptkommissar. „Ich habe mir die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, warum der Irre den Trucker so unter Druck gesetzt hat. Er hätte doch umdrehen und anderswo herfahren können. Aber er kannte wahrscheinlich keinen anderen Weg. Und dass er mich hinter sich überhaupt richtig wahrgenommen hat, halte ich nach seiner Reaktion in Berghausen für ausgeschlossen.“

Jörg Gabriel schabte wieder seinen grauen Schopf. „Die Geschichte wird immer komplizierter. Erst schnappt er sich den Mönkemann in Kirchhundem, wie der nach dem Zigarettenholen etwa 10.20 Uhr von einem Supermarkt auf den Parkplatz zurück kommt und zwingt ihn offenbar, von der Beifahrerseite her in den Porsche einzusteigen und auf die Fahrerseite durchzurutschen, damit er selbst einsteigen kann. Wie sich erst später herausstellte, hatten das Passanten beobachtet, der Sache aber irgendwie keine Bedeutung beigemessen. Erst am Nachmittag, als sich im Ort die Kunde von der Entführung wie ein Lauffeuer verbreitete, hatten sie der Polizei von der Beobachtung erzählt. Aber sie waren zu weit weg, um zu sehen, ob und was für eine Waffe der Mann dabei hatte.

Um 11 Uhr hätte der Unternehmer in Altenhundem beim Notar sein müssen. Kam aber nicht. Anrufe bei ihm daheim und in der Firma Fehlanzeige. Sein Handy war aus. Kurz nach 12 Uhr kam dann der Erpresseranruf. Von Deppe. Die Sekretärin des Entführten hatte Teile des Gesprächs gedankenschnell mitgeschnitten. Deppes Stimme. Später eindeutig als solche identifiziert. Er habe Mönkemann entführt und wolle eine Million Euro Lösegeld. Bis 16 Uhr – in einer Streugutkiste, mitten auf dem Parkplatz des Siegener Leimbachstadions. Begleitet natürlich von den üblichen Drohungen. Keine Polizei und so weiter.

Dann taucht der Entführer gegen 16 Uhr samt Porsche aber ohne den Unternehmer hier in, … wie heißt das?“… Gabriel schaut in seine Papiere „… ach ja, in Dotzlar, auf und vollführt ein Autorennen der Extraklasse. Mit bekanntem Ausgang. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Oder Deppe handelt nicht alleine. Trotzdem scheint das irgendwie nicht so“, erzählte der SOKO-Leiter weiter. Denn bis jetzt sei noch niemand am genannten Versteck in Siegen aufgetaucht. Ob dort Geld deponiert worden war, sagte er nicht.

„Vielleicht hat er sich von unterwegs mit jemandem in Verbindung gesetzt und den Plan geändert“, warf Klaus ein. „Er hatte allerdings kein Handy dabei, als wir ihn kurz abgeklopft haben bei der Festnahme. Und im Wagen hab‘ ich auch keins gefunden.“

„Da war aber eins. Versteckt zwischen den Polstern des Rücksitzes. Aber es wurde, wie wir mittlerweile vom Netzbetreiber wissen, seit dem Erpresseranruf um 12.03 Uhr nicht mehr benutzt und kurz danach ausgeschaltet. Um es nicht orten zu können, vermuten wir.“

Klaiser lief rot an. Mist. Da war er bei der Durchsuchung doch zu oberflächlich gewesen. Anfängerfehler. Verdammt. ‚So was darf einem nicht passieren.’

„So, ich muss wirklich weg. Wir bleiben aber in Kontakt. Morgen will ich genau wissen, welche Route der Typ hier in Eurem Beritt gefahren ist. Bevor er Dir vor die Flinte gekommen ist“, grinste er. „Ihr werdet einen Haufen Dreck fressen müssen. Wie wir alle. Aber wir müssen rauskriegen, wo Mönkemann ist. Das dürfte wohl klar sein. Seht Euch bitte im erweiterten Kreis der SOKO.“

Die beiden Männer umarmten sich kurz. „Halt‘ die Ohren steif, mein Lieber. Und grüß’ mir Bernd Dickel. Der ist noch im Krankenhaus und kümmert sich. Ich werde ihn morgen früh anrufen.“

Sprach´s und verschwand. Kurz darauf fuhr sein Wagen im Herrengarten sachte um die Kurve vor dem Kino. „Fack ju Göhte 2“ lief in dem altehrwürdigen „Capitol“, das als Programmkino durchgestartet hatte. War wohl, gemessen an der Menge der falsch an beiden Fahrbahnrändern geparkten Fahrzeuge, ein echter Publikumsrenner.

Wenig später war auch Klaus heimgefahren. Nachdem er hektographiert die Ereignisse des Tages zu einem Kurzbericht für die SOKO zusammengefasst und dorthin gemailt hatte. Mit den Kollegen auf der Wache hatte er sich darauf verständigt, alle weiteren Berichte und Formalitäten morgen zu erledigen. Er war zu platt und wollte einfach nur zu Ute. Die ziemlich aufgedreht wirkte, als er nach dem Einsatz endlich mit ihr telefonieren konnte.

Seine Frau wollte keine Einzelheiten mehr hören. Ihr reichte es, dass Klaus heil aus dem Schlamassel herausgekommen und jetzt bei ihr war. Während sie das Geschirr in die Spülmaschine räumte, telefonierte Klaus mit Heiner. Sein Kumpel war natürlich längst informiert über die Vorgänge am späten Nachmittag und am Abend. Und er hatte großes Verständnis dafür, dass der gemeinsame Fernseh-Fußballabend nun ausfallen würde. Wäre ohnehin nur eine Notlösung gewesen. Anstelle ihres Skatabends bei Ele in der „Linde“, dem ältesten Gasthaus im Dorf. Ihre Skatpartner hatten schon am Wochenende abgesagt. „Lyndi“, weil er mit seiner Frau das Berleburger Literaturpflaster besuchte. Und „Lulli“, weil er irgendwo zu einem Geburtstag eingeladen war. Und Bayern-Fan war nun wirklich keiner von ihnen. „Bayern kann jeder“, war die vorherrschende Meinung.

Ute hatte sich langsam an ihren Mann herangeschlichen und ihn von hinten liebevoll umfasst. Sie mochte seinen athletischen Körper, der nur winzig kleine Pölsterchen an den Hüften aufwies. Und sie mochte seine sonore Stimme, der sie jetzt, mit einem Ohr an seinem Brustkorb, lauschte. Hörte sich klasse an, wie sich seine „innere Stimme“ mit seinem Herzschlag mischte. Wie sehr sie ihn doch liebte, diesen gut aussehenden, intelligenten, aber leider viel zu risikobereiten Mann. Und er liebte sie.

Während er noch mit Heiner redete, fasste Klaus nach ihrer linken Hand und führte sie zum Mund, um sie mit kleinen Küssen zu überdecken. Der Freund am anderen Ende der Leitung hatte ganz schnell begriffen, was da lief und sich diskret verabschiedet. ‚Heiner ist eine Seele‘, dachte Klaus. ‚Ein richtig guter Freund halt.’

In inniger Umarmung hatten die beiden noch eine ganze Weile im Arbeitszimmer zusammengestanden, hatten herum geschmust und geturtelt. Eher unbewusst bauten sie so die innere Spannung ab, die beide noch fühlten. Und es gefiel ihnen. Der Tag war doch unerwartet hart gewesen. Und dann folgten Stunden, die die beiden atemlos und glücklich machten. Irgendwann waren sie total erschöpft eingeschlafen.

Donnerstag, 17. September

Als Klaus wach wurde, zog ein herrlicher Duft von frischem Kaffee und Toastbrot durch das sonnendurchflutete Schlafzimmer. Seine süße Frau hatte längst unter der Dusche gestanden und in einem hauchdünnen Morgenmantel das Frühstück zubereitet, das sie jetzt auf einem Tablett servierte. Ihr langes blondes Haar fiel verlockend leicht über die Schultern ihres wunderschönen Körpers, der sich unter dem Nichts aus weißer Seide abzeichnete. Sie war so topfit und durchtrainiert. Und alles an ihr war wohl proportioniert und schön. Das Bild einer Frau, die ihn jetzt auf eine harte Probe stellte.

„Komm, lass uns schnell frühstücken. Ich habe um halb acht den ersten Patienten auf dem Behandlungstisch liegen.“

„Aber vorher ziehst Du Dir bitte noch was ordentliches an“, scherzte er. „Sonst erleidet der Mensch auf Deinem Tisch einen weiteren Schlaganfall. Und das wollen wir doch nicht riskieren.“ Beide lachten. Mit einem Blick auf den Wecker war ihm klar, dass sie wohl recht zügig frühstücken mussten. Es war zwanzig vor sieben. Und er eigentlich schon viel zu spät dran. In zwanzig Minuten hätte er zum Dienstbeginn in Berleburg sein müssen. Doch heute würde man ihm die halbe Stunde später ja wohl hoffentlich verzeihen.

Ute hatte sich schon mit ganz lieben Küssen verabschiedet und war mit ihrem weißen VW Beetle Cabrio bereits gestartet, als Klaus das Haus verließ. Seinen Dienstwagen hatte er an der Straße geparkt. Das war locker möglich. Denn sie wohnten in einer Sackgasse. Einer recht kurzen obendrein. Und als er einsteigen wollte, fiel sein Blick im Neubaugebiet „Auf dem Brunkel“ auf einen Kran, der dort gerade aufgerichtet wurde. ‚Ohne Dich hätten wir Deppe nie gekriegt’, dachte er fast in Dankbarkeit. Denn das gelbe Stahlgerippe konnte nur das sein, mit dem der LKW-Fahrer gestern so unheimliche Mühe hatte.

Als er über den Stöppel nach Berleburg fuhr, musste er an die junge Frau denken, die dort in unmittelbarer Nähe von Deppe gesehen worden war. Hatte sie zuvor wirklich in dem Porsche gesessen? Für Klaus unvorstellbar. Es sei denn, durchfuhr es ihn siedend heiß, es sei denn, sie hätte in dem Wagen gelegen. Aber warum hätte sie das machen sollen?

Die Fragen würden ihnen in diesem, seinem ersten Fall dieser Art, mit großer Sicherheit nicht ausgehen.

Hektische Aktivitäten, als er in die Wache kam. Über alle zwei Etagen Betrieb wie in einem Bienenstock. „Gut, dass Du kommst“, begrüßte ihn Bernd Dickel, als er in dessen Büro hineinschaute. „Komm rein und setz Dich“, forderte er Klaus auf. „Hier überschlagen sich die Informationen. In Siegen kommen sie mit diesem Frank Deppe nicht weiter. Der macht einfach auf stur. Und heute Nacht hat er plötzlich dermaßen viel Blut gespuckt, dass er sofort in die nächste Klinik gebracht worden ist. Da liegt er noch immer. Super schwer bewacht. Aber von Mönkemann bisher keine müde Spur. Die Fahndung nach ihm läuft intensivst. Die SOKO wird mit Euch erweitert. Aber wir kümmern uns zunächst nur um all das, was den Entführer hier nach Wittgenstein getrieben und was er hier ‚veranstaltet’ hat. Das ist mit Jörg Gabriel so abgesprochen. Grüße soll ich Dir bestellen.“

Dickel wischte sich Schweiß von der Stirn. Dabei war es gar nicht so warm. Aber Klaus hatte den Eindruck, dass der Dienststellenleiter einfach nur platt war. „Wie lange warst Du gestern noch im Einsatz?“, fragte er. „Was heißt ‚warst’? Ich bin immer noch. Hab´ mich heute Morgen bloß mit Kaffee und Ibuprofen voll gepumpt. Eigentlich sollte ich im Bett liegen. Hab‘ nämlich seit zwei Tagen schon ’ne Grippe. Die erste seit Jahren. Und das ausgerechnet jetzt.“

„Was kann ich tun, um Dir zu helfen?“ Seine Frage kam ein wenig zaghaft und deshalb für Bernd auch nicht sehr glaubwürdig. Denn beide wussten sehr genau, dass er zunächst einmal all die Vorgänge von gestern haarklein in seinem Bericht in den PC zu tippen hatte. Alle. Auch die Gründe, die ihn dazu bewogen hatten, die Verfolgung des wieder ausgekniffenen Gangsters allein und ohne Eigenschutz aufzunehmen. Nichts, was ihm Freude bereitete.

„Was Du tun kannst?“ Bernd Dickel schaute ihn mit gerunzelter Stirn an und nahm einen Schluck aus der großen Kaffeetasse mit Polizei-NRW-Emblem. „Du machst Deinen Papierkram so schnell wie möglich fertig und dann schaust Du Dich am besten mal in und in der Nähe der Weststraße in Raumland um. Es muss doch irgendjemanden geben, der außer dem Hinweisgeber diese ominöse Frau gesehen hat.

Es hat übrigens auch keiner was dagegen, wenn du Markus Schröder mal im Krankenhaus besuchst. Der hat den Schuss ins Bein richtig gut weggesteckt. Macht schon wieder auf dicke Hose“, grinste er.

„Doch bevor Du das tust, schau mal in die Zeitungen, falls du‘s noch nicht getan haben solltest. Die sind verdammt gut informiert und wissen mehr als das, was unsere Pressestelle raus gegeben hat.“

Das erledigt Klaus sofort. Beim PvD lagen alle drei Gazetten aus der Region: Westfalenpost, Westfälische Rundschau und Siegener Zeitung. Von den beiden ersten brauchte er nur in eine zu schauen. Beide hatten einen identischen Lokalteil. Und der hatte auf der ersten Seite richtig fett mit dem Fall aufgemacht. „SEK beendet Flucht eines Kidnappers unblutig“ mit der Unterzeile „Verfolgung, Schießerei und Geiselnahme in Berghausen – Kripo-Mann Held des Tages“. Dazu zwei großformatige Fotos. Eines zeigte Frank Deppe von hinten, wie er mit Handschellen von den beiden kölschen Kollegen Richtung VW-Bus geführt wurde. Und das andere zeigte den quer stehenden Porsche vor dem Kranwagen-Gespann. Vermutlich beides Handy-Fotos von Passanten.

Der Artikel war gespickt mit jeder Menge guter Informationen. Von Dotzlar bis ins Altmühlbachtal. Nichts dramatisiert, nichts aufgebauscht. Detailgetreu und sauber recherchiert. Und angereichert mit jeder Menge Insiderkenntnis. ‚Da hat mal wieder jemand von den Uniformierten das Wasser nicht halten können‘, dachte er. Nichts jedoch von der gesuchten Frau.

Seine Rolle fand er selbst ein wenig zu dick aufgetragen. Wenngleich er natürlich stolz war wie Bolle. „Quasi vor der eigenen Haustür hatte er den Gewaltverbrecher zunächst im Alleingang zur Strecke gebracht.“

‚Stimmt ja auch‘, dachte er. ‚Wenn bloß dieser extrem humanitäre Zug der Ärztin nicht gewesen und dadurch der haarsträubende Bock mit den Handschellen nicht passiert wäre. Das hätte Schmerzen und Ängste verschiedener Menschen und Ressourcen der Polizei gespart.’

Ähnliches in der Siegener Zeitung. „SEK schnappt Entführer in Berghausen“, „Kriminalkommissar Klaus K. auf der richtigen Spur“, „Kein Lebenszeichen von IT-Entwickler Mönkemann“. Die Journalisten der „Siegener“ mussten denselben Informanten gehabt haben wie die aus Berleburg. Denn die Geschichte wies ähnliche Fragmente auf. Die Fotos waren zwar etwas anders, aber aus gleicher Position gemacht. Spätestens seit Beginn des Smartphone-Zeitalters haben die Zeitungen jede Menge neuer Freier Mitarbeiter.

Was Klaus Klaiser am wichtigsten fand: alle Zeitungen hatten an exponierter Stelle nicht nur über die Entführung in Kirchhundem berichtet. Sie brachten auch eine Personenbeschreibung und eine des Fahrzeugs. Dazu ein Passfoto des Gekidnappten.

„Gesucht wird Bernd Mönkemann, 42 Jahre alt, 1,88 m groß, schlank, hellblondes zurückgekämmtes Haar, Dreitagebart. Bei der Entführung trug der IT-Entwickler einen hellgrauen Anzug mit braunem Gürtel, ein weißes Kurzarmhemd und braune Slipper. Er war unterwegs mit seinem metallicblauen Porsche Panamera, amtliches Kennzeichen OE-JJ 276, mit breiter Bereifung.“

Als Klaus Klaiser sein Büro betrat, klingelte das Telefon. Er nahm ab und hatte Jürgen, einen Kollegen von der Wache dran. „Moin Klaus. Wollte Dir nur sagen, wir hatten heute Morgen mindestens zehn Anrufe, die allesamt mit dem Entführer zu tun haben. Und in allen wurde ähnliches berichtet: ein blauer Porsche, der mit hoher Geschwindigkeit durch die Dörfer und über Landstraßen gejagt ist. Ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer.“

„Hat sich denn daraus ein Profil ablesen lassen?“, wollte Klaus wissen.

„Ich denke schon“, war sich sein Gegenüber am Telefon ziemlich sicher. „Demnach ist der Wagen gegen 15 Uhr und kurz danach wenigstens viermal in Erndtebrück aufgefallen. Dort ist er wohl einfach quer über einen Verkehrskreisel gerast. Minuten später wurde er dann mehrfach in und bei Schameder, in der Nähe von Leimstruth, bei Stünzel und in Sassenhausen gesehen. Laut allen Beobachtern war übrigens immer nur eine Person im Auto.“

Lediglich eine ältere Dame habe laut Jürgen berichtet, der Porsche sei um 15.16 Uhr von Niederlaasphe her nach Bad Laasphe herein geschossen. Es war die einzige Meldung, die nicht zu den anderen passte.

„Von der Strecke her sind die übrigen Angaben aber durchaus schlüssig. Der Porsche kam ja dann auch bei Dir in Dotzlar vorbei“, sagte Polizeihauptmeister Jürgen Winter. „Das einzige, womit ich nicht klar komme ist, warum er so lange gebraucht hat, um bis zu Dir zu kommen.“

„Wie meinst Du das mit dem ‚um bis zu Dir zu kommen’? Verstehe ich nicht so richtig“, war Klaus jetzt ein wenig begriffsstutzig.

„Na ja, Du kennst doch die Strecke von Erndtebrück über Leimstruth und Stünzel bis nach Dotzlar. Dort hast Du doch den Porsche zum ersten Mal gesehen. Kurz nach 16 Uhr, wenn ich das richtig verstanden habe, ist er dann ‚bei Dir angekommen’.“

„Ach Gott, ich Hornochse“, schalt‘ sich Klaiser. „Natürlich. Jetzt weiß ich, was Du meinst. Klar. Stimmt. Das war ja fast eine Stunde von Erndtebrück bis da hin.“

„Wir haben das mal bei Google Maps nachgemessen. Das sind von Erndtebrück Ortsmitte bis Dotzlar knapp 16 Kilometer. Die hast Du bei normalem Verkehr und normaler Fahrweise in 18 Minuten gefahren“, berichtet Jürgen Winter. „Nun ist der aber allen Beschreibungen nach – und auch nach Deiner – gerast wie ein Irrer. Warum braucht er dann rund 60 Minuten für diese Strecke? Das stimmt doch vorne und hinten nicht.“ Damit hatte der Kollege recht.

„Hast Du das schon mit Bernd Dickel besprochen?“

„Klar. Die Infos haben wir auch schon alle an die SOKO weitergegeben. Jetzt sind Kollegen unterwegs, um sich mit den einzelnen Zeugen noch mal intensiver zu unterhalten.“

„Super. Ich danke Dir. Werde jetzt erst mal meine Berichte schreiben. Dann komm‘ ich runter.“

Kurz vor zehn Uhr hatte er seine Aufgabe erledigt, die Berichte wieder und wieder durchgelesen, korrigiert und schließlich ausgedruckt, unterschrieben und an den Chef, SOKO „Lenne“ und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Als er kurz darauf nach unten zu Jürgen Winter ging, hing der gerade am Telefon. Auch der Kollege gegenüber telefonierte und schrieb eifrig mit. Soweit Klaus Klaiser verstehen konnte, kamen auf beiden Leitungen neue Infos zu dem Porsche rein. Winter winkte ihm zu, deutete ihm an, sich kurz zu setzen und warf vor Klaus zwei Aktendeckel auf den Tisch. „Schau mal rein“, flüsterte er ihm zu. „Nein, nein, ich meinte nicht Sie, erzählen Sie bitte weiter.“

Der Hauptkommissar öffnete die oberste Kladde und sah plötzlich auf Fotos zwei „alte Bekannte“ wieder. Einen links heftig angekratzten silbergrauen Ford Mondeo neuerer Bauart und einen auf der gleichen Seite ziemlich demolierten karminroten VW Passat. Die Autos, die Frank Deppe auf seiner rasenden Fahrt durch Berghausen beim Überholen touchiert hatte. Es waren mehrere Fotos aus verschiedenen Perspektiven, samt Unfallmeldungen und samt Beschwerde über einen vorbeijagenden Fahrer, offenbar Polizist, in einem Audi mit Blaulicht.

Klaus war etwas ratlos, wusste nicht, ob er da nicht doch einen Fehler gemacht hatte. Hätte er etwa stehen bleiben und sich um den Crash kümmern sollen? Aber dann wäre ihm der Porsche sicher erneut durch die Lappen gegangen. Im

Übrigen hatte er ja kurz nachgeschaut und gesehen, dass die Fahrer offenbar keine Verletzungen davon getragen hatten. Und die Wache war per Funk darüber informiert worden.

Im anderen Aktendeckel waren nur Fotos. Richtig große. Fotos vom Porsche. Auf dem Dach liegend und auf den Rädern stehend. Von allen Seiten. Nahe und Totale. Ein Bild des Jammers. Dieses schöne Auto so arg zugerichtet.

„Ja, hab‘ ich im Original schon gesehen. Sieht übel aus, der Schlitten.“ Klaus war etwas irritiert. Wusste nicht, was Jürgen mit dieser Bildershow bezwecken wollte. Als der sein Telefonat beendet hatte, kam er um den Tisch herum und nahm drei Bilder in die Hand, die die rechte Flanke des Porsche zeigten. „Schau mal genau auf den Farbabrieb, den die beiden Wagen der Länge nach hinterlassen haben. Hier ein wenig silber. Das war eindeutig der Mondeo. Und hier karminrot. Das war der Passat. Unsere Techniker haben keinerlei Zweifel, dass diese langen Striemen von den beiden Fahrzeugen stammen, die er in Berghausen abgedrängt hat.“ Bis dahin konnte Klaus den Ausführungen seines Kollegen folgen. Dann aber wurde es für ihn etwas kryptischer.

„Sieh mal hier vorne unten – am rausgezogenen Kotflügel und hier oben an der A-Säule, neben der Frontscheibe. Das ist schwarzer Gummi, der richtig mit Wucht da rein geknallt ist. Und am hinteren Kotflügel finden sich in dieser Macke hier Chromreste.“ Jürgen zeigte mit einem Kuli auf die Stelle, die aussah, als sei sie mit einer Flasche der Länge nach in das Blech gehauen worden.

„Ja – und was soll das jetzt? Das sind doch offenbar typische Unfallspuren, die er sich in Berghausen eingefangen hat. Hier an der A-Säule, das war der Spiegel von einem der beiden. Ich glaube, ich bin sogar über den drüber gefahren.“

„Eindeutiges Nein“, konterte Jürgen. „Beide haben zwar ihre Spiegel verloren. Aber die waren in Fahrzeugfarbe lackiert.

Auch das ist aktenkundig.“ Er schaute sein Gegenüber bedeutungsvoll an. „Die Jungs von der KTU sind felsenfest davon überzeugt, dass diese Spuren von einem dritten Unfall stammen. Und zwar einem, der schon v o r den anderen stattgefunden hat. Höchstwahrscheinlich mit einem Motorrad. Wahrscheinlich hat der Wahnsinnige irgendwo einen Biker von der Straße gefegt.“

Klaus Klaiser war sprachlos. „Ein Motorrad? … Wie um alles in der Welt haben sie denn das rausgefunden?“

„Eigentlich ganz einfach. Man muss nur die richtige Eingebung haben. Schau mal. Das hier vorne am Kotflügel war die Fußraste und das hier am Holm der Frontscheibe war der linke Griff des Motorradlenkers. Hinten am Kotflügel ist dann das Auspuffrohr eingeschlagen.“

„Nicht zu fassen.“ Klaus war sprachlos und dachte gleichzeitig an das arme Schwein, das da möglicherweise irgendwo in eine Wiese, einen Wald, womöglich sogar eine Böschung hinab gedrängt worden war und dort vielleicht immer noch, eventuell sogar schwer verletzt, hilflos herum lag. Das war sogar sehr wahrscheinlich. Denn Motorradunfälle waren laut Winter in den letzten 24 Stunden in ganz Südwestfalen keine gemeldet worden.

„Können wir denn ausschließen, dass der eigentliche Besitzer, also dass Bernd Mönkemann, vielleicht schon diesen Crash mit einem Motorrad hatte?“

„Offenbar schon, sagen die Kollegen. Der Wagen war gestern Morgen vor der Entführung noch in der Werkstatt. Das wäre denen dort aufgefallen, haben die den Beamten in Kirchhundem vorhin noch versichert. Vor allem auch, wenn dort der rechte Außenspiegel schon gefehlt hätte. Der ist jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwo an der unbekannten Unfallstelle zu finden. In Berghausen zumindest lag er nicht rum. Dort gab es nur Fetzen von einem linken Mondeo-Spiegel.“

„So ein Mist. Das hätte mir doch auffallen müssen, wenn dem rechts der Spiegel gefehlt hätte. Aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern.“

Doch das kümmerte jetzt eigentlich auch niemanden mehr. Viel interessanter war zu erfahren, ob irgendwo an der Fahrstrecke des Porsche eventuell ein hilfloser, verletzter Motorradfahrer lag. Oder vielleicht sogar ein toter. Klaus erinnerte sich, dass nicht an allen Passagen der Route freier Blick ins Gelände möglich war. Und längst nicht überall waren Leitplanken entlang der Straßen.

„Wir müssen unbedingt die Streifenkollegen informieren und sie bitten, verstärkt die uns bekannte Route abzufahren und dort jeder Auffälligkeit und jeder Fahrzeugspur ins Gelände nachzugehen“, rief Klaus zu Jürgen Winter herüber, der sich schon wieder ans Telefon geklemmt hatte.

Zwei Minuten später standen sie beim PvD. Und mit ihnen der Dienststellenleiter und Corinna Lauber. Die war trotz Spätdienst schon am Morgen auf der Wache erschienen. Von wegen, „ein Fall, der mich nicht interessiert“.

„Passt auf, wir machen Folgendes“, ordnete Bernd Dickel jetzt die Lage. „Klaus und Corinna, Ihr fahrt jetzt nach Raumland und kümmert Euch um die Frau, die dort mit dem Entführer gesehen worden sein soll. Wir müssen dringend wissen, mit wem er Kontakt hatte und warum. Und wir sorgen hier dafür, dass die Kollegen verschärft nach dem vermeintlichen Motorradfahrer Ausschau halten.“

Der wunderschöne Morgen hatte einem grauen, regnerischen Vormittag Platz gemacht. Corinna hatte gebeten, fahren zu dürfen. Sie durfte. Natürlich. Klaus mochte diese nette und unkomplizierte Kollegin. Corinna war in Girkhausen geboren. Gerade einmal zehn Kilometer von Berleburg entfernt. Eine recht hübsche Ausgabe der großen Lauber-Sippe, die schwerpunktmäßig den Nordwesten Wittgensteins bevölkerte.

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