Kitabı oku: «Durchgeknallt», sayfa 5
„Nun gehöre ich nicht zu denen, die gerne allein sind. Daher mache ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Augen auf und schaue mal, was der Markt so hergibt.“ Dabei schaute er Corinna um Verzeihung bittend an. „Nicht übel nehmen bitte, das mit dem ‚Markt’. Du weißt hoffentlich, was ich meine.“
„Klar, kein Problem.“ Corinna nickte lächelnd. „Erzähl‘ weiter, bitte.“
„Das erste Mal, dass sie mir auffiel, war, glaube ich, im ‚Tonkrug‘. Ihr kennt die Kneipe in der Hochstraße oben sicherlich.“ Beide nickten. „Sie stand dort, an einen dieser Fachwerkbalken gegenüber der Theke gelehnt und unterhielt sich angeregt mit einem Mann, der mir den Rücken zugekehrt hatte. Ein Bild von einer Frau. So ein richtiger Eyecatcher – mit einer unheimlichen Ausstrahlung. Mein Interesse wuchs von Minute zu Minute. Aber plötzlich sah ich, wie sie den Mann gegenüber sehr intensiv küsste. Kurz darauf zahlte der Mann bei Rico, der sich noch einen Moment mit ihm unterhielt. Dadurch konnte ich ihn genauer ansehen und feststellen, dass der wohl nicht die schlechteste Wahl war. Dann gingen die beiden Hand in Hand an mir vorbei hinaus. Der Traum war erstmal geplatzt.
Das nächste Mal sah ich die beiden auf dem Berleburger Schützenfest. Sonntagnachmittag, es war Sauwetter. Und die beiden standen eng umschlungen in einer dieser Zelthallen auf dem Schützenplatz. Hatten einen Riesenspaß – und er ständig seine Hände irgendwo an ihrem Körper, wo´s andere eigentlich nicht hätten sehen sollen. Er hatte wohl ziemlich einen im Horn.“
Zwischenzeitlich waren ihre Getränke gekommen. Alkoholfreie, versteht sich. Sie prosteten sich dennoch zu und tranken alle einen tiefen Schluck. Denn es war recht warm im Restaurant. Am Nachbartisch wurde gerade gezahlt. ‚Ist gut, wenn die Leute gehen‘, dachte Klaus. ‚Die haben ohnehin schon ziemlich lange Ohren gehabt. Und sie müssen ja nicht unbedingt mitbekommen, wer wir sind und in welchem Zusammenhang das Gespräch geführt wird.’ Zum Glück war der Name Mönkemann noch nicht gefallen.
„Und wie geht es weiter?“, wollte er von Bernhard wissen.
„Wie gesagt, ich bin eigentlich auf der Suche nach einer neuen Partnerin. Und wo macht man das in Wittgenstein besser als auf den Festen? Ich also zwei Wochen später nach Berghausen zum Schützenfest. Zum Vogelschießen in der Krimmelsdell. Das sei ein wunderschöner Platz, hatten mir Kollegen gesagt und um diese Zeit ein Treff für Menschen aus der ganzen Umgebung. Man könne sich da auch als Fremder nach und nach mit der einen oder anderen Pils-Runde mit eingrooven, wenn man das möchte. Aber zwingend sei das nicht. Wichtig wäre nur, dass man zügig Kontakt zu den Leuten finde. In Berghausen sei das überhaupt kein Problem.
Und das stimmt. Ich habe jede Menge netter Menschen kennengelernt und mich bestens unterhalten. Es gab Runde um Runde, hab’ mich selbst natürlich auch beteiligt. Und als ich ein Tablett Bier an einem der Rondells holen wollte, da sah ich die beiden plötzlich wieder. Arm in Arm und mit einigen Leuten plauschend.
Am Abend war ich dann zum Eierbacken eingeladen – bei einem Kalli unten im Dorf. Kam mir richtig zuhause vor bei dem. Und plötzlich waren die beiden auch wieder da. Aber da war mein Interesse nicht mehr so groß. Ich hatte eine ganz nette Frau kennengelernt. Mit der treffe ich mich heute noch regelmäßig. Könnte vielleicht was werden für die Zukunft.“
Klaus Klaiser hatte mit fast geschlossenen Augen intensiv zugehört und an verschiedenen Stellen der Schilderung über das Berghäuser Schützenfest und Berghäuser Bräuche beifällig genickt. „Würdest Du die Frau denn unter Umständen auf Fotos wieder erkennen?“
Das Essen kam. Spaghetti Vongole. Corinnas Augen weiteten sich, als der Teller vor ihr Platz fand. Cola light war dazu allerdings eher ein Sakrileg – jedoch dem Dienst geschuldet.
Klaus bekam seine geliebte Pizza Salami mit extra scharfem Öl. Und Bernhard hatte einen Nizza-Salat mit reichlich Thunfisch und Oliven bestellt. „Natürlich würde ich sie wieder erkennen. Gar keine Frage. Sogar mit einer anderen Frisur. So tief hat sich ihr Gesicht bei mir eingebrannt“, setzte Bernhard Trefz die Unterhaltung fort.
Ich habe nämlich selten eine so hübsche, um nicht zu sagen schöne Frau gesehen.“ Sein Blick ging in die Ferne und hatte etwas sehr Verliebtes an sich.
„Aber jetzt sagt mal, warum wollt Ihr das eigentlich alles wissen? Hat die Frau etwa etwas mit der Entführung von Mönkemann zu tun? Das kann ich mir nun überhaupt nicht vorstellen. Die ist alles andere als eine Kidnapperin.“
„Das wissen wir noch nicht“, antwortete Corinna und handelte sich einen strengen Blick von Klaus ein. „Und wir dürften es Dir auch gar nicht sagen“, hoffte sie, alles wieder in Ordnung gebracht zu haben. Klaus nickte. ‚Gerade noch mal die Kurve gekriegt‘, hoffte die Kollegin.
„Habt Ihr den Mann denn mittlerweile gefunden?“
„Nee, haben wir noch nicht.“
„Aber den Entführer habt Ihr. Da warst Du doch maßgeblich dran beteiligt, wie man hört. Und an der Schießerei in Berghausen. Hast eine tolle Presse bekommen.“
„Na ja, so hammerhart, wie sich das auf den ersten Blick liest, war es nicht ganz“, versuchte Klaus ganz bescheiden das Gesprächsthema wieder ein wenig auf die Gesuchte zu fokussieren. „Wärst Du denn bereit, bei der Identifizierung der Frau mit zu machen. Falls wir ein Foto von ihr in die Hand bekommen sollten.“
„Aber natürlich. Es interessiert mich ja selbst, wer und vor allem was sie ist.“
Klaus hatte da schon einen Plan. Thomas Knebel, der Vorsitzende des Schützenvereins Berghausen, hatte ein gigantisches Fotoarchiv in seinem PC. Mit allen nur möglichen Bildern von Schützenfesten, Generalversammlungen, Knobelturnieren und so weiter. Er kannte Knebel ein wenig, hatte sich schon öfter mal mit ihm unterhalten. Vor allem in seiner Eigenschaft als Gebietsrepräsentant einer großen Brauerei nahm Thomas öfter an Veranstaltungen teil, die von Menschen besucht wurden, bei denen Personenschutz angeordnet war. Politiker zum Beispiel. Klaus Klaiser zeichnete, was das anbelangte, verantwortlich für die Polizei Bad Berleburg und war häufig genug persönlich mit dabei. Gleich heute Abend wollte er ihn anrufen oder mal bei ihm vorbei fahren.
Nach einem gemeinsamen Espresso bestellten sie die Rechnung. Klaus zahlte für Bernhard Trefz mit. Er hatte ihn ja schließlich zu diesem Treffen veranlasst und nahm dem Kollegen seiner Frau das Versprechen ab, in dieser Sache möglichst nichts weiter heraus zu posaunen. Man wollte zusammen telefonieren, wenn es nötig würde.
„Willst Du mit ins Krankenhaus, den angeschossenen Kollegen besuchen?“ Klaus konnte sich den Namen von Markus Schröder partout nicht merken und musste immer wieder unter den Kontakten in seinem Handy suchen. Dort hatte er ihn und Philipp Schmitz unter „Kölner“ eingegeben.
Corinna war einverstanden, fragte während der Fahrt zum Hospital aber, ob es nicht vielleicht besser wäre, noch am Nachmittag in Raumland nach der Fremden Ausschau zu halten.
„Werden wir noch, werden wir noch. Wenngleich wir dort wahrscheinlich allenfalls etwas darüber erfahren, wer die Frau hat vorbei kommen sehen. Falls sie überhaupt jemand gesehen hat. Nach allem, was wir von Herrn Schneider wissen, wohnt sie ja wohl nicht dort in der Nähe.“
„Wir haben halt auch so wenige Anhaltspunkte – bis auf die Beschreibungen von Schneider und Trefz“, sinnierte die junge Kollegin weiter.
Klaus erzählte ihr von seinem Vorhaben, das Foto-Archiv des Schützenvereins nach Bildern von Mönkemann und seiner Bekannten, oder sollte man sagen „Geliebten“ zu durchforsten. „Aber wenn es seine Geliebte ist“, merkte Corinna an, „welches Spiel spielt sie dann jetzt? Mönkemann ist verschleppt, sie wird von dessen Entführer mit Mönkemanns Auto offenbar gewaltsam vom Motorrad geholt und danach sogar nach Raumland gefahren. Was machte denn das für einen Sinn?“
„Kann ich Dir nicht sagen. Dazu fällt mir im Moment nur ganz wenig ein“, entgegnete Klaus. Corinna dachte weiter laut vor sich hin. „Wenn er die Frau auch hätte entführen wollen, warum liefert er sie dann irgendwo in Freiheit ab? Die Nummer ist doch total abstrus. Oder war sie von Anfang an dabei - und zwar auf der Seite des Entführers?“
„Passt eigentlich nicht so ganz zu den Beschreibungen von Trefz. Demnach müssen sie und Mönkemann eher ein Liebespaar sein.“ Doch vielleicht hat Corinna ja recht, malte Klaus sich den möglichen Wechsel der Seiten durch die Frau aus. „Aber was hätte sie davon, wenn sie an der Entführung beteiligt wäre? Das Lösegeld am Leimbachstadion wollte offenbar niemand abholen.“
„Oder konnte nicht“, entgegnete Corinna. „Denk mal an die Unfälle.“
„Daran denken alle die ganze Zeit. Nur stimmen die zeitlichen Abläufe nicht. Das weißt Du doch. Um 16 Uhr, als wir noch nichts von der Entführung wussten, sollte das Lösegeld in Siegen bereitgestellt sein. Zu dieser Zeit raste der Entführer aber durch Wittgenstein. Und die Geliebte des Entführten hatte er wenige Minuten zuvor bei Stünzel vom Motorrad katapultiert, als sie Richtung Sassenhausen, also nach Osten unterwegs war, satt nach Westen. Auch die war also nicht in Siegen und wollte wohl auch nicht dort hin, um das Geld abzuholen.“ Klaiser schaute seine Kollegin mit fast verzweifeltem Blick an. „Verbessere mich, wenn ich falsch liege. Aber diese Fakten lassen mich an der Mittäterschaft der Frau zweifeln.“
Sie hatten einen Parkplatz unterhalb des Krankenhausküchentraktes gefunden. Und Klaus hatte schnell ein Ticket für eine Stunde gelöst und hinter die Scheibe gelegt. Dann gingen sie dem Bogen der Zufahrtsstraße nach zum Haupteingang. Klaus wäre dabei beinahe von einem Taxi gerammt worden, das von der Klinik her angebrettert kam. Mit einem Sprung zur Seite hatte er sich aus der Gefahrenzone gebracht. „Sag mal, geht‘s noch?“, schrie er dem Taxifahrer hinterher und drehte sich instinktiv herum, um nach der Taxinummer zu schauen. Die 36 hatte er unten rechts im Heckfenster erkannt. Und daneben den Kopf einer dunkelhaarigen Frau, die wohl den Beinahezusammenstoß mitbekommen und sich nach ihm umgesehen hatte.
„Ich weiß nicht was du willst. Hier gibt‘s schließlich Gehwege.“ Auf den leicht hämischen Kommentar seiner Kollegin konnte er verzichten. Schließlich gebe es ja auch ein Schild „Schritttempo fahren“ hatte er gekontert.
Markus Schröder saß auf der Bettkante, als sie sein Zimmer betraten. Das linke Bein dick bandagiert und auf einer Schiene liegend, die er mit einem Stuhl gestützt hatte. Er war gerade dabei, seinen Nachmittagskaffee zu trinken. Dazu gab es Zitronenrolle. „Wenn die he so weijter maachen, dann hann se misch jans schnell in eijner Kleijderjröße, die isch nie erreijschen wollte“, rief er den beiden Kollegen grinsend entgegen. „Jrüß Eusch. Dat is awwa nett, dat Ihr vorbeijkommt.“
„Schön, Dich so zu sehen“, sagte Klaus, der Markus die rechte Hand gab und ihm mit links die Schulter klöpfelte. „Das ist Corinna Lauber, Kollegin von hier“, wollte er vorstellen. Aber die beiden kannten sich bereits. „Grüß Dich, Du tapferer Schutzmann. Hat Dich ja ordentlich erwischt.“ Corinna zeigte auf das lädierte Bein und verzog ihr gespielt schmerzverzerrtes Gesicht.
„Sieht schlimmer ous als es is, jloub isch. Die han dat, wie se sagen, in da OP janz joot wieder hinjekrischt. Un der Schmerz hält sisch in Jrenzen.“
Schröder bot beiden einen Platz in dem richtig netten Zimmer an, das mehr an ein Hotelzimmer erinnerte als an eines in einem Krankenhaus. Auf dem Tisch vor dem Fenster stand eine Schale mit Obst. Und irgendwer hatte für den opulenten Blumenstrauß gesorgt, der daneben stand. Bilder von Klimt und Kandinsky zierten die Wände. Und einen großen Flachbild-Fernseher gab es, den der Patient bei ihrer Ankunft ausgeschaltet hatte. Nur das Krankenbett und das Nachtschränkchen mit schwenkbarer Platte störten das Ambiente.
Der Kollege lag auf der Privatstation. ‚Das ist auch in Ordnung so‘, dachte Klaus Klaiser. ‚Ein solch traumatisches Erlebnis musst man erst mal wegstecken. Da ist es sicher auch besser, wenn der Betroffene sich seine Gesprächspartner selbst aussuchen kann, statt ständig von neugierigen Mitpatienten und deren Besuchern ausgefragt und förmlich gelöchert zu werden.‘ Der Fall hatte in kürzester Zeit ohnehin schon gewaltig Staub in der Öffentlichkeit aufgewirbelt.
„Seit ihr denn schon en Stückschen weijter jekommen“, wollte er wissen. Klaus und Corinna erklärten Schröder in kurzen Zügen den Stand der Dinge. Und der schüttelte unablässig den Kopf. „Dat is doch nit normal“, sagte er schließlich. „Wenn de so jet veranstaltest, dann willste doch och an de Kohle ran.“ Der Kollege war verwirrt ob der Infos. „Un dann dä arme Hund, denn dä Typ entführt hät. Wo sollte dä dann bloß sein? Jiddet denn keijne eijnzije Spur?“
„Bis jetzt offenbar nicht“, meinte Corinna. „Der Entführer schweige dazu wie ein Grab, wird uns gesagt.“
„Dat is doch Wahnsinn, Mann. Oh nä. Wenn isch könnt‘, isch würde dat ous dem Doof oder Depp, oder wie dä Kerl heijßt, rousprüjeln. Un wenn isch dadursch meijnen Job verlieren würde“, ereiferte er sich.
Klaus lächelt versonnen und klopfte Schröder auf die Schulter. „Jetzt sieh Du erst mal zu, dass Du wieder ganz gesund wirst und auf die Beine kommst. Ist schon schlimm genug, was Dir da passiert ist. Und danke noch mal für Deinen Einsatz. Wer weiß, wie das alles abgelaufen wäre, wenn Du nicht so beherzt eingegriffen hättest.“
Zum Abschied umarmte Corinna den Kollegen und gab ihm einen Kuss auf die Wange, so dass dieser drein blickte wie im siebten Himmel und mit den Augenlidern klimperte.
„Eijentlisch schade“, sagte er, „dat isch bei solsch eijner Betreuung net he bleiwen kann. Isch werd‘ wahrscheijnlisch schon am Samstach in ’ne Klinik no Kölle verleescht. Minge Fründin hat dat veranlasst. Awwa losst ons bitte in Kontakt bleijwen.“
Das versprachen sie und verließen die Privatstation. Aber noch nicht das Krankenhaus. Denn Klaus schleppte schon die ganze Zeit ein komisches Gefühl mit sich herum. Seit der Begegnung mit dem Taxi und seiner Passagierin. ‚Was ist denn, wenn die Motorradfahrerin von gestern doch was abgekriegt hat bei dem Sturz und sich behandeln lassen muss?’ Als er Corinna davon erzählte, klatschte die sich mit flacher Hand an die Stirn. „Oh Mann, das gibt‘s doch gar nicht. Das wäre ja der Hammer, wenn die Dunkelhaarige im Taxi die Gesuchte war.“
Wie von sieben Teufeln gehetzt rannten die beiden die weiten Treppen des Krankenhauses herunter bis zur Notfall-Ambulanz. Dort war richtig was geboten. Ein Mann in typischer Schreinerkluft mit blutverschmiertem Verband an der rechten Hand wurde gerade von zwei Kollegen herein geführt. Der Arme hatte offenbar einen oder mehrere Finger verloren und krümmte sich vor Schmerzen. Auf fünf Stühlen im Wartebereich saßen fünf große und kleine Menschen. Alle mit notdürftigen Verbänden an allen möglichen Extremitäten. Und auf einer rollbaren Trage aus einem Rettungswagen lag ein kleines Mädchen mit Kopfverband und gefasstem Blick. Dafür weinte dessen junge Mutter.
„Au Klasse“, entfuhr es Klaus. „Und jetzt kommen wir und wollen Infos. Das kann dauern.“
Corinna hatte da so eine Idee und erklärte Klaus, sie sei gleich wieder zurück. Weiter vorne in diesem Trakt hatte sie die Zentrale Aufnahme ausgemacht, in der sie jetzt eine nette junge Frau ansprach: „Entschuldigen Sie bitte. Ich bin Kommissarin Corinna Lauber von der Polizei Bad Berleburg“, begann sie wie in einem Fernsehkrimi und zeigte ihren Dienstausweis vor. „Meinem Kollegen und mir ist vor etwa zwanzig Minuten ein Taxi begegnet, das hier weg fuhr mit einem weiblichen Fahrgast mit dunklem langem Haar. War das eventuell eine Patientin von Ihnen, die sich hier hat ambulant behandeln lassen?“
Die junge Frau hinter dem Counter lächelte und antwortete mit leicht süffisantem Ton: „Dazu darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben. Sie wissen doch, dass es einen Datenschutz gibt und darüber hinaus auch noch den deutlich höher stehenden Schutz von Patientendaten. Und dann gibt es da noch ein Arztgeheimnis. Nur für den Fall, dass Sie auf die Idee kommen, jemanden vom medizinischen Personal auszufragen. Sie haben aber die Möglichkeit, mit einer richterlichen Verfügung über unseren ärztlichen Direktor oder über den Verwaltungsdirektor diese Frage erneut zu stellen.“
Mit allem hatte die junge Kommissarin gerechnet. Aber nicht damit, dass sie von einer lächelnden Notaufnahme-Mitarbeiterin mit leicht biestiger Stimme derart geschulmeistert werden würde.
„Aber vielleicht können Sie mir sagen, warum Sie so interessiert sind an dieser Frau“, ließ sich die Oberlehrerin hinter dem Tresen vernehmen.
„Tut mir leid, das ist aus ermittlungstaktischen Gründen leider nicht möglich“, sagte Corinna mit einem süffisanten Lächeln. „Im übrigen bin ich gehalten, zivile Personen nicht in Polizeimaßnahmen einzuweihen. Aber Sie haben jederzeit die Möglichkeit, ihre Frage an unsere Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu richten“, ließ sie die verdattert Dreinschauende stehen und ging zurück in die Notfall-Ambulanz.
Klaus war nirgends zu sehen. ‚Der wird sich sicher schon einen Arzt oder eine Schwester geschnappt haben und interviewen‘, dachte sie und setzte sich, um abzuwarten. Kurz darauf stürzte der Kollege von der Eingangsseite herein und forderte sie auf mitzukommen.
Als sie draußen vor der Klinik waren, informierte er sie kurz, dass er zwischenzeitlich von der Taxizentrale erfahren hatte, wohin Wagen 36 mit der dunkelhaarigen Frau gefahren war. Die Dame hatte sich ins Hotel Traumland bringen lassen, unten am Stöppel. „Nicht sehr weit weg von der Weststraße und von dort, wo der Entführer unsere Motorradlady abgeladen hat.“
Mit großen Augen entgegnete Corinna: „Also ist es die Gesuchte. Alles andere wäre Zufall. Aber den …“
„… gibt es nicht, wie wir alle wissen“, war sich Klaus ganz sicher. Und die Kollegin mochte ihm da nicht widersprechen.
Nele Schlüter hatte in der vergangenen Nacht wenig geschlafen. Nicht nur, dass der gestrige Tag immer wieder wie ein Film vor ihrem geistigen Auge ablief. Wie in einer Endlosschleife. Auch die Schmerzen im linken Knie und in der Schulter waren nahezu unerträglich und wollten nicht weichen. Und mit den beiden Ibuprofen-Tabletten, die sie von der Hotelbesitzerin bekommen hatte, war ihr nicht sehr geholfen. Ihre ganze linke Körperseite bestand mittlerweile aus einem einzigen Bluterguss und brannte wie die Hölle.
Eine gefühlte Ewigkeit hatte sie im Krankenhaus warten müssen, bis sie in der Notfall-Ambulanz endlich dran kam. Und dort hatte ihr ein zwar sehr netter aber nerviger Arzt nach eingehender Untersuchung und diversen Röntgenaufnahmen zu mindestens zwei, drei Tagen Krankenhaus geraten. Es war zwar nichts gebrochen, aber der Doc hatte jede Menge schwere Prellungen und Zerrungen bei ihr festgestellt und ihr ein paar sehr schmerzvolle Tage vorher gesagt. Das könne man aber mit der entsprechenden Medikation in den Griff bekommen. Wesentlich sei, dass dies unter ärztlicher Aufsicht geschehe.
Aber Frau Schlüter hatte das abgelehnt und sich, wenn man so will, auf eigene Gefahr entlassen lassen. Mit einem Privatrezept für etwas stärkere Schmerzmittel in der Hand und einer quittierten Rechnung. Denn sie hatte ihre Untersuchungen privat bezahlt. Eine gesetzliche oder private Krankenversicherung habe sie nicht, hatte sie dem Arzt vorgelogen. Sie zahle alles aus der eigenen Tasche.
Als Grund für ihre Verletzungen hatte Nele Schlüter eine missglückte Gleitschirm-Landung unterhalb des Entenbergs in Niederlaasphe angegeben. Eine Böe habe sie kurz vor Landung erfasst und dann „einfach auf die Seite geschmissen“. Auch das war nicht die Wahrheit. Aber für den Notfall-Arzt nicht so ohne Weiteres nachprüfbar. Und das war seit gestern wichtig in der Legende dieser Frau, die in Wirklichkeit Heike Nimmberg hieß. Möglichst ihre Identität und ihre Verwicklung in irgendwelche Ereignisse so gut wie möglich verschleiern und, wenn es geht, die Szenerie unauffällig wieder verlassen. Ihr Unfall war dabei alles andere als förderlich.
Das Taxi hatte noch schnell vor der Hof-Apotheke in der Poststraße angehalten. Und der Fahrer war so nett, ihr Rezept für Diclofenac und Tramadol-Tabletten einzulösen. Die einen gegen Entzündungen, die anderen gegen die Schmerzen. Dafür hatte der Mann am Ende der Fahrt ein stattliches Trinkgeld bekommen. Gerne versprach er der Schönen auf dem Rücksitz, eine Stunde später wieder vor der Tür zu stehen.
Nele Schlüter hatte schnell eine Kleinigkeit mit großem Hunger, aber wenig Appetit gegessen. Die Küche hier war wirklich ausgezeichnet. Davon konnte sie sich bisher mehrfach überzeugen. Extra für sie war an diesem Nachmittag die Küche noch mal angeheizt worden. Aber genießen konnte sie das Zürcher Geschnetzelte mit Rösti und einem bunten Salatteller heute nicht. Die Schmerzen setzten ihr gehörig zu. Und daher nahm sie, obwohl vom Arzt ausdrücklich davor gewarnt, von jedem der Medikamente gleichzeitig eine Tablette ein und stürzte sie mit einem Schluck Cola herunter.
Ihr weniges Gepäck hatte sie bereits vorher vom Zimmer herunter gebracht. Daher brauchte sie jetzt nur noch ihre Rechnung zu bezahlen. Für zwei Nächte. Eine mehr als ursprünglich geplant. Und für das Essen. „Taxi wartet schon“, hatte die Dame an der Rezeption gesagt und ihr eine gute Reise gewünscht. „Bis zum nächste Mal. Und gute Besserung.“
Dann saß Nele Schlüter wieder im Fonds des Wagens mit dem netten Fahrer. „Wohin soll es jetzt gehen?“, wollte der Mann am Steuer wissen. „Bringen Sie mich bitte nach Bad Laasphe zum Bahnhof.“ Als sie hinter der Ederbrücke links in die L553 einbogen, hätten sie beim Blick nach hinten noch sehen können, wie ein Audi A5 und kurz danach ein Streifenwagen beim Hotel vorfuhren.
„So ein Mist“, entfuhr es Klaus Klaiser, als er von Miriam Gandermann, der Hotelbesitzerin, erfuhr, dass Nele Schlüter schon abgereist war.
„Wie lange ist denn das her. Und wo wollte sie hin?“
„Das war gerade vor fünf Minuten, schätze ich. Keine Ahnung, wohin sie wollte“, sagte sie. „Warum wollen Sie das denn wissen? Die Frau wird doch wohl keinen Blödsinn gemacht haben.“
Klaus gab ihr darauf keine Antwort und fragte, wie der Gast abgereist sei.
„Mit einem Taxi.“
„Haben Sie das bestellt?“
„Nein, das muss sie getan haben. Es stand schon zehn Minuten vor Abfahrt vor der Tür.“
Hauptkommissar Klaiser bat die beiden mitgekommenen Kollegen aus dem Streifenwagen, bei der Taxi-Zentrale nachzufragen, welcher Wagen die Tour vom Hotel wohin unternommen habe und sich möglichst sofort an dessen Hacken zu klemmen. „Meldet Euch bitte, wenn Ihr mehr wisst.“ Die Männer nickten und verschwanden nach draußen.
Corinna hatte um den Meldezettel von Nele Schlüter gebeten und sich eilige Notizen gemacht: Nele Schlüter, geb. Schlüter, geboren am 23. Mai 1984, wohnhaft in Marburg, Lahnberge 24. Die Kommissarin hatte noch schnell nachgefragt, welche Kleidung die Gesuchte getragen hatte. Blaue Jeans, weißes Poloshirt, rosa Blousonjacke und blaue Sneakers mit weißer Sohle. Dann war sie vor die Tür gegangen und hatte die Wache per Handy über die Personalien informiert. Abfrage und Fahndung mit grober Personenbeschreibung liefen.
„Lassen Sie uns bitte kurz in ihr Zimmer sehen.“ Klaus war schon auf dem Weg zur Treppe nach oben, als ihn die Hotelbesitzerin stoppte. „Da ist schon der Zimmerservice drin. Frau Schlüter war ohnehin schon zu spät abgereist. In den nächsten Minuten kommt der nächste Gast für Zimmer 9.“ Oben hörte man Staubsauger brausen. „Stoppen Sie das bitte“, bat Klaus inständig. „Die Frau hat womöglich etwas mit der Entführung von gestern zu tun. Wir brauchen verwertbare Spuren.“
Miriam Gandermann wechselte die Gesichtsfarbe. „Wie bitte? Diese Frau? Das kann ich gar nicht glauben.“
„Ich kann mir im Moment beim besten Willen nicht leisten, über das zu diskutieren, was Sie glauben können und was nicht“, wurde Klaiser unruhig. „Bitte stoppen Sie die Zimmerreinigung. Sofort!“
Mit einem Kopfschütteln setzte sich die Angesprochene nach oben in Bewegung. Der Hauptkommissar hinterher. Die Zimmertüren 7 und 9 standen offen, drinnen heftiges Werkeln, Staubsaugen und Bettenaufschütteln waren zu hören. „Helga und Marianne, könnt Ihr bitte mal eben schauen.“ Kurz darauf schaute eine nette Frau im hellblauen Kittel aus Zimmer 7. „Okay Marianne“, rief Frau Gandermann gegen den Lärm des Saugers aus dem Nachbarzimmer an, „‚Du kannst weiter machen. Was ist denn mit Helga …? Heeeelgaaaaa!“
Im Zimmer lärmte es weiter. Bis die Hotelbesitzerin den Stecker direkt neben dem Zimmereingang gezogen hatte. Drinnen warf eine kleine drahtige Frau den Kopf herum – auf der Suche nach dem Grund für den Stromausfall. „Ach Sie waren das“, grinste sie dann ihrer Chefin entgegen. „Ist der Gast schon da? Ich bin gleich fertig.“
„Nein Helga, hier ist die Polizei. Die möchte dringend das Zimmer anschauen.“ Die Servicefrau zog den Kopf zwischen die Schultern „Polizei? Lieber Himmel, was ist denn passiert?“ Klaus Klaiser schaltete sich ein. „Kann ich Ihnen jetzt nicht erklären. Sagen Sie bitte, haben Sie hier alles nicht nur gesaugt, sondern auch gewischt?“ „Aber natürlich“, antwortete Helga fast beleidigt, „alles gewischt. Und zwar pikobello. Nachtschränkchen, Bettrahmen, Schrank, Fernseher, Fensterbank, Türrahmen, einfach alles. Und das Bad frisch geputzt von oben bis unten. Eben noch in den Ecken saugen. Dann bin ich fertig“, lächelte sie zufrieden.
Für den Kriminalisten absolut kein Grund zur Zufriedenheit. Da jetzt noch brauchbare Fingerabdrücke zu bekommen, das konnte er sich getrost abschminken. Schnell schaute er noch unter das Bett. „Wo ist denn bitte die Bettwäsche“, wollte er wissen. „Na, draußen im Container.“ Klaiser drehte sich um und sah den „Container“, einen fast mannshohen Sack aus Tuch, eingehängt in eine rollbare Gitterbox. „Welches ist denn die Wäsche aus Zimmer 9?“ „Die oben drauf. Marianne nebenan hat nur Betten gemacht“, kam die Antwort aus dem Zimmer.
Er schaute in den Sack und zog nacheinander ein Laken, einen Kissen- und einen Deckenbezug heraus. „Den Kissenbezug würde ich gerne für die Kriminaltechnik ausleihen. Da sind eventuell wichtige DNA-Spuren dran. Sie bekommen den wieder, Frau Gandermann.“
„Kein Problem. Nehmen Sie mit, was sSe brauchen. Kann Helga jetzt weitermachen? Wir brauchen das Zimmer.“
„Ja, okay. Wir haben sehr wahrscheinlich ohnehin keine Chance mehr, hier noch irgendetwas zu finden. Danke für Ihre Hilfe.“ Nebenan sprang erneut der Staubsauger an. Klaiser faltete den Kissenbezug mit spitzen Fingern zusammen, stibitzte aus dem Servicewagen der Reinemachefrauen einen frischen Müllbeutel und steckte die Textilie hinein, um sie sich anschließend unter den Arm zu klemmen.
Als er gemeinsam mit Miriam Gandermann die Treppe herunter kam, stand dort am Counter ein älterer Herr mit Reisegepäck. Er war bereits von einer Angestellten begrüßt worden und gerade dabei, seinen Meldezettel auszufüllen. Sein Personalausweis lag ordentlich neben dran auf der Theke. Er hatte gehört, dass die Polizei im Hause war.
„Haben Sie noch einen Moment Zeit, Frau Gandermann? Ich würde gerne noch ein paar Fragen an Sie loswerden.“ Sie nickte und wandte sich dem Neuen zu. Klaus Klaiser wartete geduldig, bis sie den Gast begrüßt und einige Sätze mit ihm gewechselt hatte. Nein, nein, es habe sich kein Verbrechen im Hotel abgespielt, hörte er sie sagen. Alles sei in bester Ordnung. Und als der ältere Herr zu ihm herüber schaute, nickte Klaiser zustimmend. „Alles bestens“, bestätigte er.
Dann hatte Miriam Gandermann den Beamten nach nebenan ins Restaurant gebeten. Letzte Kaffeegäste waren gerade von ihren Tischen aufgestanden und eine Dame vom Service kam mit abgeräumten Geschirr bei ihnen vorbei. „Ach, Claudia, bringen sie uns doch bitte … äh, Herr Kommissar, darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“ „Danke, gerne.“ „Okay, bringen sie uns bitte dreimal Kaffee. Die Kollegin möchte sicher auch einen. Und dazu bitte Mineralwasser.“ Die Mitarbeiterin nickte und verschwand, als Klaisers Smartphone leise dudelte. Eine SMS war gekommen.
„Erbitte umgehend Infos über Fortgang bei Euch. Staatsanwalt, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen stehen uns hier auf den Zehen. Grüße Jörg Gabriel.“ ‚Oh Shit, den habe ich ja total vergessen‘, dachte Klaus. „Ich muss gerade mal dringend telefonieren, entschuldigen Sie bitte“, sagte er, stand auf und ging raus.
Draußen telefonierte Corinna noch immer mit der Wache in Berleburg. „Eine Nele Schlüter aus Marburg gibt es nicht, hat es auch nie gegeben“, tuschelte sie Klaus zu. „Die Berleburger Kollegen haben gerade zwei Streifenwagen in Richtung Taxi geschickt, das offenbar nach Laasphe unterwegs ist. Und sie versuchen irgendwie an ihre Krankenakte in der Klinik heran zu kommen.“
Klaus machte große Augen und ließ anerkennend die Unterlippe raus rutschen, während er nickte. Die Kollegin machte einen Klasse-Job. Und alle anderen zogen offenbar mit. Er neigte sich kurz über ihre Schulter und flüsterte ihr in das freie Ohr: „Ich rufe mal eben bei der SOKO an, um sie zu informieren. Die Spuren hier kannst Du vergessen. Alles clean. Bitte geh‘ rein zur Hoteliere und befrage sie zu unserer Flüchtigen. Da steht auch ein Kaffee für Dich.“ Dann verschwand er in Richtung Wagen.
Schnell hatte er Jörg Gabriel am Apparat, dem er ausführlich berichtete. Der SOKO-Leiter hatte ihm zunächst Vorhaltungen gemacht, dass seit Mittag keine Info aus Berleburg gekommen sei. Aber irgendwie passe das ins Gesamtbild. Denn es gebe nach wie vor nichts, aber auch rein gar nichts an Ergebnissen bei der Suche nach Bernd Mönkemann. „Hinweise aus der Öffentlichkeit Fehlanzeige. Und Frank Deppe tut nach wie vor das Maul nicht auf. Ich könnte auswachsen. Wie weit seid Ihr denn mit Euren Recherchen?“
Gabriel hörte aufmerksam zu, als Klaus ihm von den beobachteten Auftritten des Unternehmers aus dem Sauerland bei verschiedenen Anlässen in Wittgenstein erzählte. Mit besagter schöner Frau im Arm. Die zweifelsohne nicht seine Ehefrau war und nach der jetzt gefahndet wurde, nachdem sie das Hotel verlassen hatte.
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