Kitabı oku: «Volles Rohr», sayfa 4

Yazı tipi:

„Kacke, verdammte! Das ist uns hier durch die Lappen gegangen. Wir beackern nämlich gerade ziemlich intensiv den Fall mit dem Drogenkurier, den wir in Hoheleye mit Euren Kollegen zusammen festgenommen haben.“

„Und da hängt der Hummer-Kutscher mit drin? Klar, der war das Ende der Kurierkette“, sinnierte der Kollege. „Ach, übrigens. Der Typ hat sich ein ordentliches Loch in den Kopf gehauen. Der blutet wie verrückt und wird wahrscheinlich einen Arzt oder ein Krankenhaus heimsuchen.“

Dienstag, 8. März

„Was ist denn hier los?“ Vor dem Polizeirevier spielten sich fast tumultartige Szenen ab, als Klaus Klaiser die von Menschen nur so triefende Treppe zum Portal hinauf wollte. Er hatte noch keine Stufe erklommen, als er von rechts einen Ellbogencheck abbekam. Absender war ein junger Fotograf, der ihm mit stinksaurer Miene bedeutete, sich hinter ihm zu halten. Kurz darauf ein Griff nach seinem Jackenkragen, der ihn rüde nach hinten riss. „Weg hier!“, brüllte es in seinem Rücken.

Blitzartig drehte sich Klaiser um und griff nach der Hand, die ihn fast zu Fall gebracht hätte. „Ey Arschloch, was soll das?“, schrie deren Besitzer auf, der schmerzhaft daran erinnert wurde, dass ein auf den Rücken gedrehter Arm gelegentlich Bücklinge provoziert. „Ich zeig Dir gerade, was das soll und wer ich Arschloch bin. Kannste lesen?“ Mit der Linken hielt er dem Mann seinen Dienstausweis unter die Nase, vor der zwei Kameras knapp über dem Boden baumelten. „So, komm´ hoch und benimm Dich.“

Nur mit Mühe erklomm Klaiser unter Hochhalten seines Ausweises die Treppe, auf deren Podest zwei Kollegen in Uniform standen. „Was ist denn das hier für ein Aufstand?“, fragte er Harry Senftleben, der ihm am nächsten stand.

„Josephine Meierling wird nach Siegen überführt. Die Frau, die gestern in Aue rumgeballert hat.“

„Ja, ja, ich weiß, wer das ist. Glückwunsch noch zu dem glimpflichen Ausgang der Geschichte. Habt Ihr prima gelöst. Aber wer hat denn verfügt, dass Frau Meierling verlegt wird?“

„Soweit ich weiß, hat da der Staatsanwalt kräftig dran rumgerührt. Nachdem klar war, dass ihre Schussverletzung doch nicht so schlimm ist und ihr Transportfähigkeit attestiert wurde.“

„Aha. Und der Staatsanwalt hat auch die Presseleute alarmiert. Oder wie?“

„Nee, das hat gestern spät abends ein Reporter eines Siegener Anzeigenblattes getwittert. Weiß der Deiwel, wo er das her hatte.“

Das Gedränge auf der Treppe wurde immer unerträglicher. Fotografen, Reporter und andere Schaulustige hauten sich gegenseitig in die Seite und beschimpften einander.

„Harry, weißt Du, wann Abfahrt ist?“

„Jetzt“, grinste der und zeigte auf die Hofausfahrt in Richtung Gymnasium. Fast gemächlich rollte dort ein grüner Krankenwagen des Justizvollzugsdienstes von dannen. Dann kam der Aufschrei der Meute. Irgendjemand war auf das Fahrzeug aufmerksam geworden und hatte Alarm gemacht.

In wenigen Sekunden war die Treppe leer. Und auf der Straße im Herrengarten setzte ein Massensprint ein. Dem Gefängnis-Sanka hinterher bis zur Poststraße. Dort waren längere Aufenthalte an der Tagesordnung, bevor man die Chance hatte, sich in den Verkehr einzufädeln.

„Auch klasse gelöst“, klopfte Klaus seinem Kollegen anerkennend auf die Schulter. „Aber beim nächste Mal bitte erst die Schläger rausfiltern“, legte er grinsend nach und verschwand im Revier.

Die Morgenrunde bei der Kripo war komplett. Und das, obwohl einige der Kollegen am Tag zuvor zwölf und mehr Stunden abgerissen hatten. Aber die Arbeit machte ihnen Spaß. Was Wunder auch, wenn man gleich deren Früchte ernten konnte.

„Klaus, wir sollten dringend mit dem Staatsanwalt über einen Schutz für diesen ‚Monkey’ Schneider reden“, meldete sich Jürgen Winter zu Wort, nachdem Morgenlage und Aufgabenverteilung besprochen waren. „Der Mann hat tierische Angst davor, dass er diesem ‚Klaf’ in die Finger fallen könnte. Du weißt, das ist der Mann, dessen Gras wir in der Asservatenkammer haben.“

„Hat er sich irgendwelche besonderen Verdienste erworben, dass wir ihm verpflichtet wären? So, wie die Strafverfolger damals beim großen Medellin-Deal?“

„Nicht in dieser Größenordnung und leider auch viel zu spät für einen Zugriff. Immerhin hat er uns den Abnehmer genannt, ihn grob beschrieben und den etwas außergewöhnlichen Typ seines Wagens.“ Dann brachen erst Jürgen und dann der ‚Freak’ in lautes Gelächter aus.

„Was ist denn mit Euch los?“

„‚Nuttenpanzer’ hat er dessen Offroader genannt“, platzte es aus Sven Lukas heraus. „‚Nuttenpanzer’. Das hatte ich auch noch nicht gehört.“ Und die anderen Kollegen ebenfalls nicht. Das Gelächter war bis hinunter in den Keller zu hören.

Als auch Klaiser sich wieder gefangen hatte, berieten sie weiter, wie man dem Staatsanwalt einen Schutz für diesen Dealer schmackhaft machen könnte.

Die Gefahr, die von Klaf ausging, war sprichwörtlich. Das begriff, wer sich die Berichte zu dem Vorfall tags zuvor in Langewiese zu Gemüte führte.

„Alles klar, ich werde mich sofort darum kümmern“, beendete Klaus die Debatte. „Allerdings erst, nachdem wir hier reinen Tisch gemacht haben.“ Während sich die Kollegen erschrocken und achselzuckend anschauten, holte Klaiser unter seinen Unterlagen einen grauen Aktendeckel hervor, öffnete ihn und begann mit extrem ernster Miene: „Kriminalhauptmeister Sven Lukas, stehen Sie bitte auf.“

Der Angesprochene schaute um sich und blickte in fragende Gesichter, als er sich langsam erhob. „Im Namen des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen befördere ich Sie hiermit rückwirkend zum 1. März 2017 zum Kriminalkommissar.“ Jubel brandete auf. Der ‚Freak’ stand mit hochrotem Kopf da und nahm die Umarmungen und Schulterklopfer der Kollegen entgegen. „Du hast es Dir verdient“, sagte Klaus, während er dem ‚Freak’ die Hand schüttelte. „Nicht nur, weil Du Bester beim Kommissarslehrgang warst. Dein Engagement, Deine Arbeitsweise und Deine sehr kollegiale Ader sind beispielgebend. Herzlichen Glückwunsch.“

Sven merkte, wie sich etwas Wasser auf den Unterlidern seiner Augen sammelte. Aber er wollte unter keinen Umständen losplärren.

„Danke, vielen Dank, Hauptkommissar Klaiser“, gab er so förmlich zurück, wie der das Beförderungszeremoniell eröffnet hatte. „Danke Euch, liebe Kollegen. Damit hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Ich glaube, darauf sollten wir in sehr absehbarer Zukunft einen oder zwei trinken.“ Die Kollegen stimmten mit Beifall zu.

„So, das war´s.“ Doktor Joe Kalbrenner klappte seinen ‚Doc-Adams-Koffer’ zu und ging rüber zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. „Was ist denn jetzt los? Hier gab’s doch vorhin noch brühend heißes Wasser.“

„Musst Du erst mit dem Boiler heiß machen“, nuschelte Klaf ziemlich schlapp. „Der schaltet aus Sicherheitsgründen immer ab, wenn er länger nicht gebraucht wird.“

„Ah. Sehr vernünftig“, meinte der Tierarzt, drückte auf den roten Knopf an dem Gerät und setzte sich wieder an den Küchentisch. Nur grob hatte der Veterinär die Plastiktischdecke mit der OP-Abdeckung abgewischt. Und auf dem Boden lagen einige blutige Tupfer und Reste vom Nahtmaterial.

Klaf hatte diese Unordnung zu verantworten. Weil er plötzlich um sich geschlagen und alle Instrumente und OP-Utensilien vom Tisch gewischt hatte. ‚Ein Muffengänger vor dem Herrn’, stellte Kalbrenner fest, der in dieser Situation nicht übel Lust hatte, sein nun weitgehend schmutziges Instrumentarium sofort zusammenzupacken und abzuhauen.

Allerdings hinderte ihn zweierlei daran. Zum einen die durchgeladene ‚08’, die neben Klaf auf der Küchenbank lag. Und zum anderen der versprochene Lohn. 5.000 Euro und eine Monatsration Koks. Zugkräftige Argumente, seine Operation fortzusetzen. ‚Doc Fury’, wie er im Reit- und Fahrverein Schwarzenau genannt wurde, bot dafür alles an Antiseptika auf, was er bei sich hatte.

Eine Narkose hatte Klaf abgelehnt. Er wollte alles unter Kontrolle behalten. Im Übrigen traute er dem Arzt nicht, was die Verträglichkeit des Narkosemittels für Pferde beim Menschen anbelangte. Also örtliche Betäubung, rund um die klaffende Platzwunde an der Stirn, die über die dick geschwollene Augenbraue hinwegreichte.

„Wenn Du da was versaust, bringe ich Dich um“, hatte der König der Dealer mehrfach gedroht.

„Dann musst Du zulassen, dass ich die Wundränder gerade schneide. Anders ist das nicht zu machen. Dann bekommst Du nämlich eine zombiemäßige Narbe ins Gesicht.“

Dem anderen ging der Stift. Das sah der Arzt.

„Ja, okay, dann mach.“ Aber schon, als der Doc die erste Betäubungsspritze ansetzte, flogen in der Jagdhütte die Fetzen.

Das war mittlerweile Geschichte. „Die Wunde ließ sich trotz der gewaltigen Schwellung sauber verschließen“, referierte der Operateur seinem Patienten. „Ich gehe davon aus, dass Du nach einiger Zeit allenfalls einen Strich als Narbe übrig behältst.“

Hinter ihm bullerte das kochende Wasser im Boiler. Doch das brauchte Doktor Kalbrenner nicht mehr. Denn just in dem Moment, in dem er sich erheben wollte, traf ihn ein Schuss in die Stirn. Es folgten ein zweiter und ein dritter in die Brust. Der Veterinär fiel vom Stuhl. Er war auf der Stelle tot. „Du hast doch nicht im Ernst geglaubt, dass ich für so was auch noch zahle“, war der zynische Kommentar des Schützen, der Sekunden später das Bewusstsein verlor. Das Narkosemittel, das ihm der Doc ins Wasserglas gekippt hatte, war leider zu schwach dosiert worden.

„Es ist einfach nicht zu fassen. Im gesamten Kreisgebiet gibt es gerade mal 43 solcher Hummer, davon 12 in silber, neun von denen mit SI-Kennzeichen. Und wir finden den Besitzer unseres Wagens nicht.“ Sven Lukas raufte sich die Haare und schaute zu Klaiser auf, der hinter ihm stand und über dessen Schulter auf die Liste der Zulassungsstelle schaute.

„Schau her“, meinte der ‚Freak’, „kein Klaf dabei. Zweimal Benner, Dreute, Dambach, Engert, Falk, Fries, Gernsbeck, Gauls …“

„Stoooop!“, rief Klaiser. „Halt mal an. Guck mal hier.“ Mit langem Finger zeigte der Kripo-Chef auf einen Namen. „Wie wär´s denn hiermit? FALK.“

„Ja, prima. Aber … Ach du dickes Ei. Natürlich. Einfach umdrehen, das Ganze.“ Sven war total konsterniert und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Mann, Mann, Mann, dass mir das nicht selbst aufgefallen ist. Aber das ist ja auch sooo billig. Da kommt doch normal kein Schwein drauf. Oh, ‘tschuldigung.“

„Tja, manchmal ist ‚einfach‘ eben unheimlich schwer. Aber jetzt müssen wir erst mal rauskriegen, ob dieser Falk auch tatsächlich unser Mann ist.“

„Da kannste drauf wetten, Chef. Denn einen Dealer, der offen mit seinem Klarnamen operiert, habe ich noch nicht erlebt. Meist haben die Typen ja gar keinen. In der Regel läuft das so: ‚Wie heißt´n Du eigentlich?’ ‚Was is´n jetzt los? Biste´n Bulle oder was? Zisch ab, Du Arsch!’ Das war´s dann. Und deshalb sind wir die ganze Zeit davon ausgegangen, dass ‚Klaf’ so ‘ne Art Spitzname ist. Gott oh Gott, waren wir blöd.“

„Ja, ja, nun komm. Genug Asche auf´s eigene Haupt gestreut. Sieh zu, dass Du die Personalien geklärt und Fleisch an die Geschichte kriegst. Und wenn wir richtig liegen mit der Annahme, dann fangen wir den Typen.“

Lächelnd klopfte Klaus dem ‚Freak’ auf die Schulter und verschwand. Draußen auf dem Flur traf er Born am Kaffeeautomaten. „Komm, mach´ mir auch einen“, bat er den Kollegen. „Hier, kannst schon mal meinen nehmen. Ist noch jungfräulich“, grinste Pattrick und reichte ihm seinen Becher. „Hab´ sowieso die falsche Taste gedrückt.“

Während der Automat jetzt eine Latte Macciato braute, fragte Klaiser: „Und, schon was über die Herkunft dieses Haschischkuchens rausgekriegt?“

„Das ist nicht ganz so einfach. Diese Anna Berg spreizt sich noch, was die Tour gestern anbelangt. Sie bestätigt uns immer nur, was wir ohnehin schon wissen und was wir ihr nachweisen können.“

„Geht´s ein bisschen konkreter?“, fragte der Chef nach, während er in seinen Kaffee-Becher pustete und beiläufig „Mensch ist der heiß“, vor sich hin flüsterte.

„Okay. Konkret: Anna Berg ist gestern um 10:56 Uhr mit der Rothaar-Bahn in Erndtebrück abgefahren und war um 11:24 Uhr in Berleburg. Das ist sicher. Wir haben bei ihr eine Einzelfahrkarte gefunden, die mit Datum- und Uhrzeitstempel geknipst war. Etwa eine Dreiviertelstunde zuvor war sie in der Metzgerei Müller, das ist unweit des Bahnhofs, um sich ein Wurstbrötchen zu kaufen. Sie habe vor Kälte gezittert, erfuhren die Kollegen von der Frau, die sie bediente.“

„Aha. Konnte die Verkäuferin denn sehen, woher Anna Berg kam und wohin sie ging?“

„Nur, wohin sie gegangen ist. In eine Bäckerei gegenüber nämlich. Enne Womelsdorf, so heißt die Zeugin, hatte ihr den Laden empfohlen. Weil die Berg nach einem Kaffee fragte. Und dabei war ihr aufgefallen, wie schmuddelig unsere Drogenkurierin gekleidet und wie schmutzig ihre Hände gewesen seien. Sie habe den Eindruck gehabt, die Frau habe irgendwo draußen geschlafen. In einem Zelt vielleicht.“

„Draußen? Bei diesen Temperaturen. Da würde mir aber was Besseres einfallen.“

„Mir auch. Aber wenn Du nichts anderes hast. … Die Theorie ist im Übrigen nicht ganz von der Hand zu weisen“, merkte Pattrick an. „Anna Berg ist nämlich ziemlich erkältet.“

„Ist dieser Frau … äh … Womelsdorf sonst noch was aufgefallen?“

„Eigentlich nur, dass die Berg ihren Rucksack vor der Brust getragen hat. Wundert mich aber nicht, bei dem Inhalt.“

„Nee, das wundert mich auch nicht“, antwortete Klaus und fragte gleich: „War´s das?“

„Ja, das war´s. Ist nicht gerade rasend viel. Aber …“

„Das ist schon jede Menge. Für die Zeit, die Euch zur Verfügung stand, ist das sogar richtig viel. Gestern war schließlich für uns alle noch eine ganz andere Action angesagt. Wär´ natürlich schön zu wissen, wo die Frau herkam und ob uns das unter Umständen weiterhilft bei der Suche nach der Quelle für den Stoff.“

„Hat Ihr Mann denn überhaupt nichts an Informationen hinterlassen?“ Der Polizeibeamte, der sich krampfhaft an seinem Notizbuch festhielt, wirkte etwas angefressen. Seit gut zehn Minuten versuchte er, irgendetwas über die Umstände des Verschwindens von Doktor Kalbrenner aus dessen Frau Kathrin herauszubekommen. Der Veterinär aus Arfeld war spurlos verschwunden, nicht über sein Handy zu erreichen und hätte schon vor zwei Stunden seine Sprechstunde beginnen sollen. Doch die Dame weinte nur ein Taschentuch nach dem anderen voll.

„Nein, er hat keine Informationen hinterlassen. Wenn ich es doch sage.“ Schon wieder überkam sie eine Serie von heftigen Schluchzern, die ihr jedes weitere Wort unmöglich machten.

„So kommen wir nicht weiter, Frau Kalbrenner. Am besten ist, ich komme noch mal wieder, wenn Sie sich ein wenig beruhigt haben.“

„Nein, ich bitte Sie, bleiben Sie hier“, jammerte sie. „Sie müssen mir helfen meinen Mann zu finden. Ich werde sonst noch verrückt vor Angst.“

‚Oh’, dachte Polizeimeister Dirk Finkbeiner, ‚das waren jetzt schon mal drei zusammenhängende Sätze ohne Unterbrechung.’

Es klopfte. Eine ältere Dame mit Spitz auf dem Arm kam ins Sprechzimmer. „Wann geht es denn endlich los bei Ihnen? Mein armes Hundilein hat schlimme Schmerzen. Und wir beide waren als Erste da, heute Morgen.“

Die Frau des Tierarztes wollte etwas sagen. Doch ihre Stimme versagte. Also übernahm der Beamte die Antwort. Vorher schob er Frau und Hund hinaus auf den Flur und von dort aus ins Wartezimmer.

„Verzeihen Sie, aber es wird heute leider gar keine Sprechstunde stattfinden.“

„Ja wieso das denn nicht?“, erzürnte sich die Frau, deren Gesicht gewisse Ähnlichkeiten mit dem ihres Hundes aufwies.

„Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen. Bitte, haben Sie Verständnis.“

„Heißt das etwa, der Doktor ist tot? Wo schon die Polizei da ist und seine Frau weint, meine ich.“

„Meine Dame, es gibt keinen Grund zu dieser Annahme. Bitte gehen Sie jetzt.“

Fast beleidigt drehte die Hundebesitzerin ab und ließ ihren Vierbeiner mit den ach so vielen Schmerzen auf den Boden hopsen, wo er mit Karacho auf sein Körbchen zuschoss, das in der Warteecke geparkt war.

Drei weitere Personen saßen dort, einer mit Vogelkäfig und gegenüber zwei mit Katzenkörben. Auch denen gab Finkbeiner die Info, dass es heute wohl kaum zu einer Untersuchung oder Behandlung kommen könne. „Ja, aber er ist nicht tot“, krächzte die Spitz-Besitzerin. „Der Polizist hat´s gesagt.“ Irritiert schauten die Tierliebhaber zunächst einander, dann den Beamten an und verließen das Haus der Kalbrenners.

Keine Frage, in zwei, drei Stunden würden in Arfeld die wüstesten Gerüchte kursieren. Aber Finkbeiner, dem bei dieser saublöden Einmischung der alten Dame heiß und kalt geworden war, hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er das hätte unterbinden sollen.

„So, Frau Kalbrenner, lassen Sie uns bitte jetzt konzentriert weitermachen“, bat der Polizeimeister, als er wieder im Sprechzimmer war. Erzählen Sie doch einfach mal, wie der Tag für Sie begonnen hat.“ Das war eine gute Idee. Weil sie jetzt nicht mehr auf Fragen antworten musste, sondern frei von der Leber weg erzählen konnte.

„Ich wurde wach, weil das Telefon auf seinem Nachtschränkchen geklingelt hatte. Zwei-, dreimal. Dann war Joe, mein Mann, bereits dran. Es war so üblich, dass er bei nächtlichen oder so frühen Anrufen ins Bad ging, um mich nicht zu stören. Es kommt nämlich häufiger vor, dass nachts mal einer der Landwirte anruft, weil eine Kuh kalbt oder so.“ Ein Schauer schien durch ihren Köper zu laufen. Aber sie blieb tapfer und schniefte nur in ihr Taschentuch.

„Als ich auf meinen Wecker schaute, sah ich, dass es viertel vor fünf war. In einer Dreiviertelstunde wäre ich ohnehin aufgestanden. Deswegen dachte ich, dass ich meinem Mann schnell ein kleines Frühstück machen sollte. Ich stand also ebenfalls auf, zog meinen Morgenmantel über und ging am Bad vorbei, wo Joe hinter verschlossener Tür ziemlich heftig mit dem Anrufer zu diskutieren schien. Ich dachte mir aber nichts dabei und ging in die Küche.

Kaum waren Kaffee und Toast fertig, stürmte Joe die Treppe herunter und lief in die Praxis. Nach einiger Zeit kam er mit gepackter Arzttasche wieder heraus, trank in der Küche einen Schluck Kaffee und nahm mir einen Toast aus der Hand, den er mit Nutella bestrich. „Ich bin schnell wieder da“, sagte er, gab mir einen Kuss und …“ Frau Kalbrenner drohte in einem Weinkrampf zu versinken. „Das waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte.“ Weiter kam sie nicht mehr.

„Nicht, wer angerufen hatte, nicht, wohin er fahren würde?“

Die Antwort waren Kopfschütteln und Weinen.

Verlegen saß der junge Polizist ihr gegenüber und wusste nicht so recht, wie er jetzt weitermachen sollte. Nach einer Weile startete er einen erneuten Versuch.

„Frau Kalbrenner, mit welchem Ihrer Fahrzeuge ist denn Ihr Mann gefahren?“

Mit geröteten Augen schaute sie ihn an und holte tief Luft, um nicht schon wieder loszuheulen. „Mit seinem. Mit seinem Ford KUGA. Aber fragen Sie mich bitte nicht nach der Autonummer.“

„Aber die Farbe des Wagens, die kennen Sie sicher.“

„Oh, die kenne ich. Weiß. So ein Schwachsinn. Schneeweiß! Die Waschanlagen waren begeistert. Nach jedem zweiten Bauernhof eine Komplettwäsche.“

Dirk Finkbeiner war zufrieden. Mehr konnte er aus der total verzweifelten Dame nicht herausbekommen. Deshalb setzte er jetzt zum Schlussakkord an.

„Ich danke Ihnen, Frau Kalbrenner. Wir werden mit allen verfügbaren Kollegen Ausschau halten und nach Ihrem Mann suchen.“ Schließlich legte er noch seine Visitenkarte auf den Schreibtisch und verabschiedete sich. „Sie können mich jederzeit anrufen. Natürlich und ganz besonders auch, wenn Ihr Mann, wovon ich ausgehe, wieder auftaucht. Ein halber Tag ist da wirklich keine Zeit.“

„Es ist einfach nicht seine Art. Mein Mann ist sehr gewissenhaft“, schniefte sie.

Doch Dirk Finkbeiner stand bereits in der offenen Tür. „Also Tschüss!“

Noch auf der Fahrt zurück zur Wache bat er die Kollegen per Funk, die Autonummer von ‚Doc Fury’ bei der Zulassungsstelle zu erfragen und eine Fahndung nach Mann und Auto vorzubereiten.

Klaf hatte einen furchtbaren Dröhnschädel, als er langsam wach wurde. Er lag total verbogen auf der Eckbank der Küche, in der rechten Hand die ‚08’. Nur ganz langsam kam er zu sich und bemerkte, dass er vorne am Kopf einen besonderen Schmerz verspürte. Es stach und pochte unter dem aufgeklebten Mull, den er jetzt ertastete. Und je mehr er daran herumfummelte, umso heftiger verlangte diese Stelle nach einer schnell wirkenden Schmerztablette.

Der Drogenbaron brauchte Ewigkeiten, um sich in Raum und Zeit zu orientieren. Sein Mund war pulvertrocken. Doch das Wasserglas vor im lag in einer Pfütze. Es war umgekippt. Also versuchte er sich aufzurichten und mit wackeligen Beinen zum Waschbecken zu kommen. Mit wenig Erfolg. Nach einem zaghaften Schritt stolperte er über den toten Kalbrenner. Wie eine Rache des Ermordeten sah das aus, als Klaf mit dem linken Fuß an ihm hängen blieb und mit dem rechten gleich hinter der Leiche in deren Blut ausrutschte. Ein gewaltiger Schmerzensschrei entfuhr Klafs Kehle, während er in einem etwas verdrehten Spagat rückwärts auf den Toten stürzte und darauf sitzen blieb.

Dem Gangster wurde schwarz vor Augen. Doch da war keine gnädige Ohnmacht, die ihn in seiner Not umlullen würde. Da war nur Schmerz. Sein linker Oberschenkel brannte wie die Hölle. ‚Muskelriss – mindestens’, schoss es ihm durch den Kopf. ‚Und keiner da, der mir hilft.’

Nichts fand er in seiner aufsteigenden Panik, was ihm hätte helfen können, sich aufzurichten. Und jede Bewegung verursachte noch größere Pein. Bis er kapierte, dass er nur seinen Körper etwas drehen musste, um das überspannte Bein zu entlasten und sich seitlich abrollen zu können.

Als er sich vom Tierarzt hatte herunterrutschen lassen, blieb er eine Weile auf dem Boden liegen. In dem verletzten Bein pumpte es. Dort baute sich wohl ein riesiger Bluterguss im Muskel auf.

Die Luft im Verhörraum war verbraucht. Sauerstoff Mangelware. Doch Staatsanwalt Puhlmann ließ zunächst kein Durchlüften zu. Er hatte eine heftige Bronchitis und war eingepackt, als wolle er zu einer Polarexpedition aufbrechen.

„Kommen Sie mit rüber ins Spiegelzimmer“, bot ihm Klaiser an. „So lange kann man vorne mal einen richtigen Durchzug machen. Und Sie bekommen einen Tee.“ Peter Puhlmann, der ahnte, dass das hier seine letzte Amtshandlung vor der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit war, willigte schließlich ein. Also wurden Fenster und Türen aufgerissen. Und dann zog frische, aber immerhin keine eisige Luft mehr durch das Untergeschoss.

„So“, beschied der Staatsanwalt, als seine Teetasse leer war, „lassen Sie uns anfangen.“ Klaus Klaiser und Jürgen Winter folgten ihm in den Verhörraum. Als der Kripo-Chef aber bat, Cornelius Schneider hereinzuführen, erntete er nur verblüfftes Staunen bei dem Kollegen, der Zellendienst hatte. „Der saß doch schon im Flur. Haben Sie den nicht mit rüber genommen, als gelüftet wurde?“

Puhlmann traute seinen Ohren nicht. „Wie bitte, der Mann ist weg? Das gibt es doch gar nicht. Sind Sie sicher, dass er nicht zurück in seine Zelle ist?“

„Kann er gar nicht, die ist nämlich zu“, rief der Beamte zurück, während Winter bereits an ihm vorbei in den Zellentrakt spurtete. Klaiser war in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. Um am Hinterausgang zu schauen, ob dieser ‚Monkey’ eventuell dort raus war. Unterwegs drückte er im Gang den Alarmknopf. „Bäääääp, bääääp, bääääp …“, ein scheußlicher Ton durchdrang Mark und Bein.

Als Jürgen Winter um die Ecke bog, traute er zuerst seinen Augen nicht. Am hinteren Ende des Zellentraktes kauerte ein Mann, der seinen Kopf unter den Händen vergraben hatte. Jürgen zwinkerte ein-, zweimal. Aber das Bild blieb. Es war Schneider. Der musste in panischer Angst dort hin geflüchtet sein.

Langsam näherte er sich dem zitternden Drogenkurier, der ihm plötzlich irgendwie leid tat. „Bäääääp, bääääp, bääääp …“ brüllte die Sirene weiter. Bei jedem Laut zuckte der Körper dort unten am Boden zusammen. Als er dicht neben ihm stand, tippte Jürgen auf die Schulter des Mannes und sagte gleichzeitig „Herr Schneider, alles ist gut.“ Doch der schoss hoch wie von der Tarantel gestochen und schlug mit seinen nicht unbedingt muskulösen Armen um sich. Schneider schrie in seiner Panik wie ein verwundetes Tier.

Erst als Winter dessen beide Arme zu fassen und unter Kontrolle gekriegt hatte, stierte der Mann den Polizisten an, als könne er nicht begreifen was er sah. Augenblicklich verlor sein Körper an Spannung und er sackte zu Boden. Winter konnte seine Arme loslassen. Von Schneider ging in diesem Zustand keine Gefahr aus. Da war er sicher.

Ein letztes Mal röhrte die Sirene ihr grausames „Bääääp“. Dann war Stille im Bau. Der Zellenwärter hatte vom anderen Ende des Flures beobachtet, dass er mit seiner Theorie falsch gelegen hatte und Entwarnung gegeben.

Sven Lukas tanzte innerlich Rock´n Roll. Er war nicht nur in kürzester Zeit hinter Falks Wohnadresse gekommen, obwohl der bei mindestens zwei Umzügen auf Ummeldung verzichtet hatte. Er hatte über alle möglichen Kontakte auch einiges über die Vergangenheit des Mike Falk erfahren. Dessen aktenkundige Karriere hatte nach unauffälligen Jahren bei der Handelsmarine in der Herbertstraße auf St. Pauli begonnen. Dort war er zunächst als Rausschmeißer in einem Puff mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Versuchter Totschlag war ihm zur Last gelegt worden. Doch in letzter Sekunde hatte ihn ein windiges Alibi vor schwedischen Gardinen bewahrt. Ein Jahr später allerdings befand ihn ein Gericht der schweren Körperverletzung für schuldig. Er hatte einen renitenten Freier so zusammengeschlagen, dass der monatelang nicht arbeiten konnte.

Vier Jahre später tauchte sein Name in holländischen Gerichtsakten auf. Klaf hatte einen Coffeeshop in Amsterdam ausgeräumt und den Stoff auf eigene Rechnung an der holländisch-belgischen Grenze vertickt. Und dreieinhalb Jahre später wurde er bei einer Razzia mit einem Säckchen Koks erwischt und von einem Standgericht in Leiden, Holland, zu zwei Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Danach verlor sich seine Spur in den Amtsregistern.

Kein Zweifel also: Klaf war Mike Falk, 46 Jahre alt, wohnhaft in Arfeld, Zur Delle 42, Kfz-Kennzeichen SI-YO 223.

„Junge, wir kommen!“, jubilierte der ‚Freak’ und wählte Klaus´ Büronummer. Die hatte der Chef auf sein Handy umgeleitet, wenn er erreichbar sein wollte. Wollte er jetzt aber offenbar nicht. Das Telefon klingelte sich einen Wolf. Sven konnte es durch die geschlossene Tür des Chefbüros hören. „Mist, verdammter.“

Auch Jürgen Winter war nicht erreichbar. Und Pattrick Born telefonierte schon seit über einer Stunde ohne Unterlass, signalisierte aber per Zeichensprache Redebereitschaft, sobald er fertig sei. Sven Lukas saß auf heißen Kohlen. Jetzt müsste man zuschlagen, um den Vogel einzufangen. Jetzt, wo er doch so schwer angeschlagen war. Apropos angeschlagen. Hatten sich eigentlich alle Kliniken und Arztpraxen im Umkreis auf die automatisierte Anfrage nach einem Mann mit Kopfplatzwunde gemeldet? Hätte er fast vergessen in seinem Jagdfieber.

Mit drei Klicks war er an seinem Laptop in der Datei und schaute nach. Tatsächlich, der Rücklauf war komplett. Und in der schnellen Übersicht stellte sich heraus, dass es zwar insgesamt sieben Kopfplatzwunden zwischen Winterberg, Biedenkopf, Siegen und Bad Berleburg gegeben hatte. Doch keiner der Verletzten konnte Falk sein oder war bereits gestern vor der Attacke in Langewiese behandelt worden. ‚Dann schleppt der Typ sich nach wie vor mit dem Loch im Hut in der Gegend rum oder hat´n riesiges Pflaster draufgeklebt’, überlegte Sven. Doch das mit dem Pflaster konnte nach der Schilderung der beiden Retter von Langewiese nicht sein.

„Poch, poch“, rief´s vom Flur her. Born kam herein. „Wo brennt´s, mein Lieber?“

Der ‚Freak’ weihte den Kollegen in seine Rechercheergebnisse ein und erzählte ihm auch von seinen Mutmaßungen. „Irgendwo hängt der jetzt rum und wartet darauf, dass ihm irgendein Illegaler die Rübe flickt.“

„Oder schon geflickt hat. Denn die Illegalen hast Du ja wahrscheinlich nicht auf Deiner Liste.“

„Stimmt. Verdammt. Was machen wir denn jetzt?“

„Vor allem nichts überstürzen. Ruhig bleiben und genau überlegen.“

Ruhig wäre der Gesuchte auch gern geblieben. Ging aber nicht. Er schrie immer wieder vor Schmerzen. Denn der Sturz hatte offensichtlich nicht nur einen Muskel im linken Oberschenkel zerbröselt. Falk hatte sich dabei ganz offensichtlich das Hüftgelenk gebrochen. Beim Griff in die Leiste fühlte er eine seltsame Wölbung nach vorn. Und jede noch so kleine Bewegung peinigte ihn auf unerträgliche Weise.

Unentschlossen stand er auf seinem rechten Bein vor der Leiche des Veterinärs. Von Fortschaffen konnte keine Rede sein. Er hätte nicht mal sich selbst über mehr als zwei, drei Meter bewegen können. Denn er war ‚einbeinig’ und wusste nicht, ob sein lädiertes Bein die Hopserei vertragen würde.

Obwohl er die ganze Nacht hindurch über teils schneeglatte Wald- und Feldwege Richtung Arfeld gefahren war, hatte er noch immer keinen blassen Schimmer gehabt, wer ihm mit Nadel und Faden hätte behilflich sein können. Der Eingriff musste sein. Daran ging für ihn kein Weg vorbei. Denn die Wunde schmerzte und blutete unablässig.

Gegen vier Uhr morgens war er in Arfeld und drauf und dran, zu seiner Wohnung zu fahren. Den Plan verwarf er aber ganz schnell wieder. Weil ihm die Gefahr zu groß erschien, dass sich einer von den Männern in Langewiese seine Nummer gemerkt hatte und die Polizei vorm Haus stand.

Als er auf dem Hommertshäuser Weg kehrtmachte, sah er zwei dort geparkte Pferdeanhänger. Und da kam ihm die Erleuchtung. Na klar! Er würde Tierarzt Doktor Kalbrenner zu seinem Chirurgen machen. Denn der war ihm aus manchem Deal in der jüngeren Vergangenheit bekannt. Der Doc zog nämlich ganz gerne mal die eine oder andere Linie und versorgte sich vornehmlich auf Umwegen über Klaf.

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