Kitabı oku: «COLLEGIUM.», sayfa 5

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*

Wie zwei verwundete Krieger, die sich vom Schlachtfeld schleppen, humpelten sie den Gang entlang. Von Weitem sahen sie die LED-Scheinwerfer der Fernsehstationen. Ein wenig abseits unterhielten sich vier Männer. Einer in feinsten Zwirn gehüllt, Anzug mit Krawatte, der andere trug eine schlammgraue Uniform, auf dessen Rücken mit großen Buchstaben ›WILDLIFE-CONTROL‹ aufgedruckt war. Ihre Funkgeräte blinkten und rauschten unentwegt.

Sie sprachen mit zwei Polizisten.

»Schau, da sind alte Bekannte von mir«, flüsterte Peter und nahm seine Hand von Lucas' Schulter. »Das ist aber ein Zufall ...«. Er stupste die beiden Uniformierten von hinten an.

Rudolf Ophaus und Thomas Hene fuhren gleichzeitig herum.

»Oh, der Herr Oberstleutnant Dr. Holzinger. Was treibt euch auf den Flughafen?«, begrüßte ihn der eine.

»Ich ... Wir waren in der Unglücksmaschine. Darf ich euch vorstellen, das ist unser IT-Spezialist, Sprachentalent und Profiler Hauptmann Perez.«

Sie schüttelten sich die Hände.

»Das sind Flughafensprecher Karl Stein und der Leiter der Wildlife-Control, Dr. Elias Grünwald. Er ist für die ›tierische‹ Sicherheit am Flugfeld verantwortlich«, sagte Hene.

Peter nickte grüßend und wandte er sich den Polizisten zu. »Und was treibt euch beide hierher? Scheint dienstlich zu sein ...«

»Ja, unsere Expertise ist gefragt. Die Experten glauben nicht an ein technisches Versagen«, antwortete Thomas.

Peters Neugier war geweckt. Er legte seine Stirn in Falten. »Sondern?«

»Entweder war es ein Unfall, der von einem Vogelschlag ausgelöst wurde, oder aber ...«

Hene ließ eine theatralische Pause entstehen.

Mit einer rollenden Handbewegung forderte ihn Peter auf, weiterzusprechen.

»Oder es war ein Anschlag.«

»Wi … Wie? Ein Anschlag?«, mischte sich Lucas ins Gespräch.

»Ein Attentat mithilfe einer Drohne. Herr Stein hat uns erzählt, dass die Austro-Control eine Anomalie bei der Landung des Jets auf dem Radarschirm hatte. Deshalb sind wir hier. Wie du weißt, leiten wir – Rudolf und ich – die Drohnenabteilung der Exekutive.«

»Jetzt verstehe ich. Und diese Anomalie sagt nichts über Vögel oder Drohne aus?«

»Ist schwer zu unterscheiden«, antwortete der Flughafensprecher. »Die Experten untersuchen bereits die Aufzeichnungen. Dr. Grünwald hat uns versichert, dass das Flugfeld um 18:00 Uhr frei von Vogelschwärmen war. Der letzte Schwarm wurde um fünf gesichtet. – Sie sagten, sie waren in der Unglücksmaschine?«

»Ja. Wir saßen in der Reihe, wo sich der Notausstieg befindet. Hinter dem Flügel, – wegen meines Beines.«

»Haben Sie etwas Ungewöhnliches beobachtet? Ist Ihnen etwas aufgefallen?«

»Natürlich«, antwortete Holzinger, der sich plötzlich in die Rolle eines Verdächtigen gedrängt sah, den man verhörte. »Es gab, kurz vor dem Aufsetzen, einen Knall und dann schlugen Flammen aus dem Triebwerk, links unter uns.«

In diesem Moment wurde nach Stein gerufen. Peter schaute in die Richtung, aus dem der Ruf kam. Zwei grüne Augen, umrahmt von einem blonden Ponyhaarschnitt, fixierten ihn. Er wandte seinen Blick nicht ab. Sah sie länger an, als er es sonst getan hätte. »Claudia?«

Die Reporterin sprach ein tonloses ›Peter‹ zurück und nickte ihm zu.

Lucas verfolgte das Schauspiel und boxte seinem Chef in die Rippen, der noch immer auf die Frau mit dem Mikrofon starrte. »Ha ... Habe ich soeben etwas versäumt?«

Rudolf huschte ein Lächeln über die Lippen.

»Frau Bigler, wir kommen sofort«, rief Stein zur Reporterin und wandte sich an die Gruppe: »Sie sehen, unser Typ wird verlangt. KURIER-TV lechzt nach einer Erklärung, die wir nicht geben können. Solche Interviews liebe ich. Und es wird heute nicht das Einzige sein«, seufzte er und hob grüßend die Hand.

Grünwald nickte und wackelte dem Sprecher, wie ein treuer Dackel seinem Herrn, hinterher.

»I ... Ich hab dich etwas gefragt, Herr Oberstleutnant: Was habe ich versäumt?«, spöttelte Lucas erneut, während Peter noch immer zur Reporterin schaute.

»Ich glaube, er wird soeben von seiner Vergangenheit eingeholt«, flüsterte Rudolf ihm zu, ohne dass das Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. »Die Frau dort, die hätte ihm beinahe seinen Job gekostet.«

»So ... So schlimm?«, raunte Perez zurück.

Rudolf setzte eine ernste Miene auf, nickte und wandte sich an Holzinger, der seinen Blick noch immer nicht von der Interviewerin abwenden konnte. »Anscheinend gefällt sie dir nach wie vor ...«

Peter schüttelte den Kopf und warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Jein!«, stieß er zornig hervor.

»Wa ... Was nun? Ja oder Nein?«, ließ Perez nicht locker.

»Sie ist meine Ex. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Und jetzt Ruhe im Karton ...«

»Warum seid ihr in Amsterdam gewesen?«, wechselte Rudolf das Thema.

»Wir waren in Den Haag. Antrittsbesuch bei der Europol. Unser erster Einsatz gilt einem Kongress in Laxenburg, Ende der Woche.«

»Economy-Club? Dann sehen wir uns vielleicht. Gut möglich, dass Thomas und ich für die ›Luftüberwachung‹ verantwortlich sind«, meinte Rudolf augenzwinkernd.

»Gut möglich? Wovon hängt das ab?«

»Ob die ›Europol‹ uns anfordert oder nicht.« Der Drohnenpilot grinste wie ein kleiner Bub, dem ein schelmischer Streich gelungen war.

»Botschaft angekommen. Ihr beide hört von mir. Versprochen.« Peter verzog seine Mundwinkel zu den Ohren.

Ophaus Funkgerät brummte. Er stöpselte sich den winzigen Hörer ins Ohr und führte das Mikrophon zum Mund.

»Ja bitte? … Verstanden ... Sind unterwegs.« Er schaute zu Hene und deutete mit der Hand nach oben. »Komm, die Austro-Control erwartet uns auf dem Tower.«

Er wandte sich Holzinger zu.

»Nichts für ungut! … Und vergiss uns nicht. Wir unterstützen dich gerne.«

»Passt schon. Wir lassen uns etwas einfallen, damit ihr an die frische Luft kommt«, grinste Peter.

Die beiden winkten ihnen zu und bahnten sich ihren Weg durch die Menge.

5

Die untergehende Sonne überzog die Landschaft mit einem warmen Rotton. Die fernen Bergketten schillerten in den unterschiedlichsten Blautönen, je weiter entfernt, desto dunkler. Schemenhaft erkannten sie den finsteren Wald, der die Kuppe des Hügels krönte. Das kniehohe Gras, von der Hitze ausgedörrt, bedeckte – wie ein Weizenfeld kurz vor der Ernte – den harten Boden. Der Wind pfiff um die zahlreichen, mannshohen Findlinge, spielte eine synthetische Melodie und warf die Halme von einer Seite zur anderen. Kleine Windteufel wirbelten den Sand auf und zogen Staubfahnen hinter sich her. Die beiden ignorierten das Naturschauspiel, stiegen von einem Felsen zum nächsten bergan. Wiederholt legten sie eine Pause ein, musterten die Umgebung und ließen ihre Blicke in die Ferne schweifen, als befürchteten sie, verfolgt zu werden.

Die Baumgruppe auf der Anhöhe bot den beiden Schutz. Sie suchten hinter den Stämmen Deckung, spähten an den Akazien vorbei und nahmen den flachen Talkessel in Augenschein, der sich vor ihnen ausbreitete. Sie erblickten einen fensterlosen Steinbau mit Flachdach, mehr Turm als Haus, den ein Holzwall umgab. Gefechtsplattformen fehlten. Für eine Festung war er an der falschen Stelle errichtet worden, denn jeder der umliegenden Hügel hätte einen besseren Rundumblick geboten. Weit ins Land hinein. Feinde wären nicht in der Lage gewesen, sich unbemerkt zu nähern. Oder steckte Absicht dahinter?

Diese Frage stellte sich den beiden hinter den Baumstämmen nicht. Im Gänsemarsch setzten sie sich in Bewegung, direkt auf das Haus zu. Ein Gebüsch, das sich an den Wall schmiegte, verbarg das Schlupfloch. Sie krochen hindurch und stiegen die vier Stufen zur Veranda hinauf. Die schmiedeeiserne Tür, die von einem Wellblechdach beschattet wurde, stand einen Spalt weit offen. An einigen Stellen hatte sich Rost durch die äußere Blechschicht gefressen, ohne das Tor zu schwächen.

Mit einem prüfenden Blick zurück zum Hügel vergewisserten sie sich, dass ihnen niemand gefolgt war. Sie traten in einen engen Raum und ließen die schwere Tür ins Schloss fallen. Der pfeifende Wind verstummte. Totenstille.

Gegenüber der Eingangspforte erhob sich eine blankpolierte Stahlwand, die ihr Spiegelbild zurückwarf. Den schmalen Durchschlupf in der Ecke sicherte ein schweres Eisengitter, verhangen mit dicken, filzigen Laken. Es war ein Leichtes, den Verschlag zur Seite zu schieben. Sie zwängten sich hindurch und zerrten das Gitter zurück an seinen Platz. Die Kammer war kaum größer als ein Badezimmer in einem spottbilligen Motel. Unmöbliert wie die Erste. Doch diesmal hörten sie aus dem nächsten Raum leises Tapsen. Sie folgten dem Geräusch und traten durch die hölzerne, halb geöffnete Pforte.

Die Schritte verstummten.

Ein großer Saal lag vor ihnen. Durch die Oberlichten flutete rötliches Licht, das die Wände und den Boden wie mit flüssigem Kupfer überzog. Den Mosaikboden zierte ein monströser silberner Kreis, in dem ein goldenes Dreieck eingelassen war. Entlang des Ringes standen fünf grobgezimmerte Sessel mit hohen Lehnen, die von Baststreifen zusammengehalten wurden.

Der Krieger lehnte an der Wand und trommelte mit seinen Fingern auf die Militärhose, die ein Camouflagemuster zierte. Die dazugehörige Jacke hing über dem Stuhl, der ihm am nächsten stand. Als die beiden eintraten, schob er seinen beigen Wüstenhelm in den Nacken.

»Volto – Jester! Endlich. Warum seid ihr so spät?«

»Seit wann sprechen wir? Keine Bilder an der Wand?«, erwiderte Jester.

»Eine Vorsichtsmaßnahme. Letztens haben wir vergessen, eine Tafel ab- und mitzunehmen«, wandte Bauta ein.

»Was stand darauf?«

»Das heutige Datum.«

»Aus solcher Info kann niemand etwas ableiten.«

»Doch, wenn er kombinieren kann.«

»Bauta, die Bilder sind mir lieber als das gesprochene Wort.«

»Ich habe die Umgebung abgesucht. Wir sind die Einzigen in der Gegend. Mach, wie du glaubst. Wir schreiben und sprechen.«

Volto trat an die Wand und befestigte eine Tafel: ›Heute gab es Tote, aber der Häuptling entkam.‹

»Sei's drum. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wenn ihr wollt, korrigiere ich den Fehler. Ich erledige den Anführer. Zeitnah!«

›Achtung: Man könnte unsere Fährte finden‹, schrieb Jester mahnend auf sein Bild.

»Aber wenn sich so viele Feinde an einem Platz versammeln, dann dürfen wir uns die Chance nicht entgehen lassen«, flüsterte Bauta.

Während er sprach, platzierte Volto ein weiteres Bild auf der Mauer: ›Wir sollten unsere Strategie überdenken.‹

»Was meinst du damit?«, fragte Bauta.

›Hast du die nachträgliche Drohung abgesetzt? Das war nicht vereinbart‹.

Die Bilder von vorhin verschwanden.

»Ja. Improvisation. Ein Booster. Wir haben trotz des Fehlschlags unser Ziel erreicht. Sie wissen nun, dass wir es ernst meinen.«

›Ich glaube, sie haben noch gar nicht die Zusammenhänge erkannt‹, stand auf Jesters Tafel.

»... ihr habt behauptet, dass sie vernetzt sind. Sie hätten längst begreifen müssen, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist«, zischte Bauta und ging zu dem Sessel, an dem seine Hellebarde lehnte. »Nach dem heutigen Chaos werden sie es verstehen. Ich bin mir sicher.«

›Das grenzt an Kaffeesudleserei. Ich bezweifle das‹, stand auf Voltos Grafik.

»Glaubst du? Wenn nicht, könnten wir ihnen auf die Sprünge helfen.«

›Bist du übergeschnappt? Willst du sie auf unsere Spur führen?‹

Alle Tafeln verschwanden von der Mauer.

Bevor Volto das nächste Bild aufhängen konnte, zischte Jester: »Seid still, ich habe ein Geräusch gehört.«

›Das gefällt mir nicht‹, poppte eine neue Tafel von Volto an der Wand auf.

›Ich traue der Sache auch nicht‹, hängte Jester daneben.

Die Bilder verschwanden. Nur leises Rauschen war zu hören. Keine Schritte. Kein Quietschen eines Tores. Keine Stimmen.

Angespannt warteten sie und lauschten in die Stille.

Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sie nicht abgehört wurden, verzichtete Volto auf das Schreiben: »Einerseits läuft zu viel schief. Andererseits stellt sich auch kein Erfolg ein.« Sie seufzte.

»Richtig.«

»Außerdem: Ich traue diesem Loch hier nicht mehr«, meldete sich Jester zu Wort.

»Wie kannst du mein Haus als Loch bezeichnen. Ich habe es eigenhändig erbaut«, empörte sich Bauta. »Lassen wir das. – Hast du einen besseren Vorschlag?«

›Nein. Später vielleicht‹, stand auf dem Bild.

›Wir müssen den Häuptling töten. Heute oder morgen.‹

›Wir können nicht. Es würde uns verraten.‹

›Das übernehme ich. Ich weiß auch schon wie. Ich schleiche mich unbemerkt in ihr Lager.‹

»Selbstmord oder Gift? Vergiften würde mir gefallen«, kicherte Volto.

›Lasst euch überraschen. Der Kurier wird euch die Botschaft überbringen‹, hängte Bauta daneben.

6

Holzinger massierte sich sein Knie und schaute auf die Uhr. »Es ist spät geworden. Ich glaube, für heute haben wir genug erlebt. Ich habe Hunger. Darf ich dich zum Grenadier einladen?«

»Grenadier?«

»Ist eine nette Spaghetteria in der Innenstadt.«

»Nehme ich gerne an.«

»Her mit deiner Schulter, wir haben einen weiten Weg zu meinem Auto. Kannst du mit der Hand fahren?« Peter zeigte mit dem Kinn auf Lucas' Verband.

»We … Wenn ich tippen kann, sollte ich auch lenken können. Jedenfalls besser, als du mit deinem Bein bremsen kannst«, lachte er.

»Gut. Du fährst.« Peter hielt ihm seine Wagenschlüssel vor die Nase.

Es hatte aufgehört zu grieseln. Als sie mit dem Wagen vom Freigelände-Parkplatz fuhren, ertönten aus der Ferne Sirenen.

Mit 120 km/h rollten sie auf der A4 hinter einem Rettungsfahrzeug her, Wien entgegen.

»Hier gilt eine 80 km/h Beschränkung.«

»Pro … Pro Person? – Hast hast du kein Blaulicht im Auto?«, scherzte Lucas, ohne den Gasfuß zu heben.

»Nein, das ist mein Privatauto.« Peter verdrehte die Augen und überlegte, ob es eine gute Idee gewesen war, seinem Kollegen das Steuer zu überlassen. »Denk daran: Die Schüttelstraße ist mit Radarkästen gespickt. Bei der Urania links, über den Ring vor zur Oper.« Nach einer kurzen Pause sprach er weiter: »Eine Frage: Wo hast du deine Zelte aufgeschlagen? Hast du schon eine Bleibe gefunden?«

»Gu … Gute Frage. Ich wollte mir ein Zimmer im Neustifter Landhaus buchen. Nur für ein paar Tage. In der Hektik heute Morgen, habe ich es total verdrängt. Vorhin am Flughafen hatte ich keinen Empfang. Gut dass du mich daran erinnerst.« Lucas griff nach dem Mobile in der Mittelablage, doch Peter legte seine Hand auf seinen Arm.

»... Sabine hat heute Bereitschaftsdienst. Du kannst bei mir auf der Couch übernachten.«

»Sa … Sabine?«

»Ja, Sabine, meine Freundin.«

Perez nickte. »Ne … Nehme dankend an. Ich störe sicher nicht?«

»Nein. Ich gebe ihr gleich Bescheid«, versicherte ihm sein Chef und tippte auf ihren Namen. »Der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später wieder.«

Seufzend nahm er sein Smartphone vom Ohr. Beim ersten Radarkasten bremste Lucas scharf ab. Peter schüttelte den Kopf. »Sie dürfte einen Einsatz haben und hat ihr Handy ausgeschalten. Ich probiere es später nochmals.«

»Ein ... Einsatz?«

»Ja, sie ist medizintechnische Assistentin und Diplomkrankenschwester. Einmal im Monat leistet sie Bereitschaftsdienst beim Roten Kreuz. Freiwillig.«

»Ke … Kenne mich aus. – Und was hat es mit der Reporterin auf sich?«, überrumpelte er seinen Kollegen.

»Nichts weiter. Ich habe sie vor zwei Jahren bei Ermittlungen am Bergsee kennengelernt. Claudia hat für den KURIER geschrieben. Wir haben uns verliebt. Aber – ihre beste Freundin war die Tochter der Toten, was ich ursprünglich nicht wusste. Und dann stellte sich heraus, dass die beiden auf eigene Faust recherchiert hatten. Die Beziehung zu ihr ließ sich in der Dienststelle nicht verheimlichen und wenn ich nicht Tomacic, meinen damaligen Boss gehabt hätte, würde ich heute nicht neben dir sitzen.« Peter fuhr sich mit den Fingern durch sein langes Haar, als wollte er die Erinnerungen beiseite wischen.

»Naja, je ... jetzt wird mir so manches klar«, antwortete Lucas.

In der Kurve vor dem Hotel Imperial wimmerten die Reifen.

»Hey, langsamer, hier rechts. Fahr in die Operngarage«, befahl Peter.

»Ja ... Jawohl Chef«, erwiderte Lucas, trat hart auf die Bremse und bog in die Kärntner Straße ein. Ein Fußgänger sprang erschrocken zurück auf den Gehsteig.

Vorsichtig zirkelte Perez den Wagen über die Rampe in die dritte Etage hinunter. Ein grünes Lämpchen an der Decke zeigte ihm den nächsten freien Parkplatz an.

»I ... Ist der Grenadier weit von hier?«, wollte er wissen, während sie aus dem Wagen kletterten.

»Nein«, beruhigte ihn sein Freund. »Hast wohl Angst, dass du mich den ganzen Weg schleppen musst? – Ich sehe es dir an. – Es sind nur drei Häuserblocks. Ich werde dir auch nicht um den Hals hängen.«

Peter öffnete die Heckklappe und griff nach einem kleinen Täschchen.

»Schau her, was ich hier habe.«

Er zog ein Plastikteil aus der Hülle, drückte auf einen Knopf, und es entfaltete sich ein dreiteiliger Gehstock. Er schob die Aluteile ineinander und stützte sich ab.

»Be … Benutzt du das als Waffe?«, hänselte Lucas.

»Hat dir schon jemand gesagt, dass du zeitweise sehr naiv daherredest? Das Ding hat mir bereits bei so mancher Observation hervorragende Dienste geleistet.«

»Ve ... Verstehe ich nicht.«

Peter klappte den Griff auseinander, der eine Sitzfläche zum Vorschein brachte. Breit grinsend nahm er in der Mitte der Fahrbahn Platz und streckte die Arme zur Seite. »Verstehst du jetzt, was ich damit meine?«

»Je ... Jetzt verstehe ich«, gab Lucas kleinlaut zurück. »Aber schau, da kommt ein Auto.«

Die Fernlichter des Wagens blitzten zweimal auf.

»Soll ich ihn observieren?«, spaßte Peter und rappelte sich auf. Seinem Bein gefiel der Scherz weniger.

Der Fahrer fuhr kopfschüttelnd an ihnen vorüber.

*

Während sie durch die Fußgängerzone schlenderten, setzte Schneefall ein. Vor dem Eingang zum Restaurant klopften sie ihre Kleidung ab, was mehr einer Alibihandlung gleichkam, als dass es den Schmutz aus dem Stoff entfernte.

Trotz der fortgeschrittenen Stunde war das Lokal gut besucht.

Die Tische standen dicht an dicht. Wie bei Italienern üblich, hing ein Fernsehapparat an der Wand. Milan, der Kellner – bis auf sein weißes Hemd – in schwarz gekleidet, hatte seinen rechten Daumen lässig in der Gilettasche eingehakt. Das dunkle, gegelte Haar streng nach hinten gekämmt. Es glänzte mit seinen polierten Schuhen um die Wette. Vom Unterarm baumelte ein weißes Geschirrtuch.

Als ihm die beiden Polizisten im schmalen Gang entgegenkamen, wich er zwischen zwei Sitzreihen aus. Im Vorbeigehen verbeugte er sich wie ein Torero vor seinen Fans.

Lucas entdeckte den letzten freien Tisch für sechs Personen. Er schaute zu Milan und streckte zwei Finger in die Höhe. »Wi ... Wir sind zu zweit.«

»Nessun problema«, erwiderte der Kellner und richtete sich seine schwarze Fliege.

»Da ... Danke.«

Sie hängten ihre Jacken über die Nachbarstühle und setzten sich gegenüber. Sie hatten freien Blick auf das TV-Gerät an der Wand. Das wackelige Bild zeigte eine Teleaufnahme eines Flugzeuges. Am unteren Rand einen roten Balken. In dem Laufband stand: ›TOTE BEI FLUGZEUGCRASH IN WIEN-SCHWECHAT – TERRORWARNUNG – FLUGHAFEN EVAKUIERT.‹

»Ü ... Übertreibung oder gab es tatsächlich eine Terrorwarnung? Würde erklären, warum wir eine Sirene gehört haben.«

Das Bild wechselte zu einer Aufzeichnung eines Interviews mit dem Leiter der Wildlife-Control. Der Name Dr. Elias Grünwald wurde eingeblendet.

»... Vogelschlag können wir ausschließen.«, ertönte es aus dem Lautsprecher.

»Sch … Schau Peter, du bist im Fernsehen«, rief Lucas aus und wies auf den Fernsehapparat.

Im Hintergrund, neben Grünwalds Kopf entdeckte sich Holzinger, wie er Claudia anstarrte.

Das Bild wechselte zur Liveschaltung und zeigte die Reporterin in Großaufnahme.

»Dei … Deine Ex?!«, sprudelte es amüsiert aus Lucas hervor.

»Ja«, gab sich Peter mit hochrotem Kopf einsilbig. »Alles Vergangenheit. Hier, schau dir lieber die Speisekarte an.«

»I ... Ich nehme eine Quattro Stagione«, entschied sich Perez, ohne einen Blick in die Karte zu werfen.

»Ich genehmige mir einen Thunfischsalat.«

»Verzeihung«, unterbrach sie der Kellner. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich eine junge Dame zu Ihnen an den Tisch setze?«

Peter schaute zu ihm auf. »Kein Problem. Wir sind nur zu zweit.«

Milan richtete sich auf und winkte. Eine Frau, Anfang dreißig, schritt durch die Tischreihen. Ihre knabenhaft frauliche Figur zog die Blicke auf sich. An manchen Tischen verstummten die Gespräche. Hälse wurden an ihren maximalen Anschlag gedreht. Ihr schulterlanges, brünettes Haar wiegte sich im Rhythmus ihrer Schritte. Der dunkelgraue Businessanzug betonte ihre Figur. Der Duft eines dezenten, teuren Parfums begleitete sie.

»Darf ich?«, bat sie mit ihrer leisen, aber nachdrücklichen Stimme, die nur eine Antwort zuließ.

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