Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit im Kontext des Kurmancî-Kurdischen und des Deutschen», sayfa 7

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5.5 Bedeutung des (mehrsprachigen) Spracherwerbs

Spätestens seit der ersten PISA-Studie von 2000 ist bekannt, dass Kinder mit Migrationshintergrund im Durchschnitt nicht das gleiche Bildungsniveau erreichen wie Kinder ohne Migrationshintergrund. Als wesentliche Ursache dafür werden die mangelhaften Deutschkenntnisse gesehen (vgl. Jeuk 2003: 9, Herwartz-Emden 2007: 13, für Hinweise schon in den frühen 90er Jahren siehe Şenol 1992: 107). Seit dieser Zeit werden unterschiedliche Anstrengungen unternommen, um auf der einen Seite diese Tatsache genauestens zu erfassen, zum Beispiel durch verschiedene Diagnostikverfahren (vgl. Grimm/Schulz 2014: 35). Auf der anderen Seite werden Konzepte entwickelt, Projekte ins Leben gerufen und Initiativen gegründet, um der Problematik zu begegnen und die Deutschkenntnisse von Kindern mit Migrationshintergrund zu fördern (vgl. Apeltauer 2012, Kaltenbacher/Karas 2014).

In diversen Untersuchungen wird auch der Frage nachgegangen, worin der Ursprung mangelhafter Deutschkenntnisse von Kindern mit Migrationshintergrund liegt. Die Forschung hat dafür im Wesentlichen zwei Ursachen ausgemacht: Zum einen verfügen Migrant*innen durchschnittlich über einen niedrigen sozioökonomischen Status und haben daher nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, um ihre Kinder sprachlich, aber auch in anderen Kompetenzbereichen ausreichend zu fördern (vgl. Eulenberger 2013: 154). Zum anderen wird/werden die Erstsprache(n) der Kinder seitens der Bildungseinrichtungen nicht berücksichtigt. Dies versperrt den Weg, den Deutscherwerb auf oder mit den soliden Kenntnissen der Erstsprache(n) aufzubauen (vgl. Gogolin 2010: 541, Meyer-Ingwersen 1995: 327). Das Ablegen der Erstsprache(n) an der Türschwelle der Bildungseinrichtungen scheint insofern weder für den Erwerb der Erstsprache(n) noch für den des Deutschen hilfreich zu sein (vgl. Jeuk 2003).

Die Diskussion über die Relevanz von Erstsprache(n) und Mehrsprachigkeit führt letzten Endes in der Gesellschaft und der Bildungslandschaft zu einem Spannungsfeld, in dem zwei gegensätzliche Positionen aufeinandertreffen. Einerseits bestehen die Bildungseinrichtungen – seien es Kindertageseinrichtungen oder Schulen – weiterhin mehrheitlich darauf, die Erstsprache(n) der Kinder mit Migrationshintergrund nicht zu berücksichtigen (vgl. Lengyel 2018: 469, Reich 2009: 9). Dies wird damit begründet, dass die anderen Sprachen des Kindes – bis auf einige wenige wie etwa Englisch – für seinen Bildungs- und Lebensweg keine bedeutende Rolle spielen und daher in der Kita auch unberücksichtigt bleiben können (vgl. Montanari/Panagiotopoulou 2019: 17f.). Die Position der Abwertung der Erstsprache(n) findet ihren Niederschlag durchaus auch in der Forschung wie z.B. durch Esser: „Bilinguale Kompetenzen von MigrantInnen, also die zur Sprache des Aufnahmelandes zusätzliche Beherrschung der Muttersprache, sind über den Effekt der Beherrschung der Sprache des Aufnahmelandes hinaus für den Schulerfolg und den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt weitgehend irrelevant.“ (Esser 2006: IV) Eine ähnliche Sichtweise findet sich bei Christensen/Stanat (2007). Sie spielen die Bedeutung und Möglichkeiten der Bilingualität/Mehrsprachigkeit schon im Diskurs herunter, indem sie ein Pro-Argument im gleichen Zug ins Leere laufen lassen: „For some students, bilingualism might open up additional opportunities for their educational and professional development and could improve their chances on the job market, although the evidence supporting this assumption is unclear.“ (Christensen/Stanat 2007: 3)

Andererseits wird von der (Spracherwerbs-)Forschung der/den Erstsprache(n) überwiegend und zunehmend ein positiver Einfluss beigemessen und damit einhergehend die Mehrsprachigkeit „vom Störfall zum Glücksfall“ hochgestuft (Tracy 2014: 13). Eine Reihe von Studien befasst sich inzwischen auch mit Erstsprache(n) der Kinder mit Migrationshintergrund (vgl. u.a. Kuyumcu 2014, Maas/Mehlem 2013, Reich 2009). Weiterhin werden Instrumente entwickelt, um die Sprachkompetenz in Erstsprache(n) zu messen (vgl. Reich/Roth 2004a, 2004b). Zu erwähnen sind ferner Studien, die auch in den Herkunftsländern durchgeführt wurden, um Bezüge zur Sprachkompetenz der Kinder hierzulande herzuleiten (vgl. Sürig et al. 2016).

Die Studie von Sürig et al. (2016) wurde im Übrigen in der Türkei und in Deutschland durchgeführt, und sie hat auch die Sprachkompetenz kurdischer Grundschulkinder – genauer: ihre Schriftsprachenkompetenz – in Kurmancî und Türkisch untersucht. Es ist eine der wenigen Studien, die in Deutschland (aber auch jenseits von Deutschland) sich mit der Sprachkompetenz des Kurmancî befasst. Die Herangehensweise dieser Studie – neben der Staatssprache des Türkischen auch eine andere Sprache des Landes zum Forschungsgegenstand zu erheben – unterscheidet sie von den meisten Studien ihrer Art. Denn in der Spracherwerbsforschung wird in der Regel die „super-diverse Sprachumgebung“ der Migrant*innen außer Acht gelassen (Gogolin 2010: 537). Daher ist in der Spracherwerbsforschung in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund aus einem bestimmten Land die Rede meistens von einer einzigen Erstsprache. Ungeachtet dessen plädiert die Spracherwerbsforschung dafür (vgl. Reich 2009), dass die Sprachkompetenz der Kinder mit Migrationshintergrund sowohl in der Erstsprache als auch in Deutsch ausgebaut werden müsse, um sie besser auf die Schule vorzubereiten. Diese mit wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauerte Forderung hat auch bis zu einem gewissen Grad Wirkung gezeigt, die sich z.B. dadurch äußert, dass die Anzahl der bilingualen Kitas zunimmt (siehe den nächsten Abschnitt). Insofern wird die Sprachkompetenz in der ersten Sprache im Vorschulalter betont und ein Stück weit in den bilingualen Kitas gefördert. Da aber die Schulsprache weiterhin fast ausschließlich Deutsch ist, stehen Ansätze/Projekte/Initiativen zur Förderung des Deutschen zwangsläufig viel mehr im Vordergrund (vgl. Montanari/Panagiotopoulou 2019: 59).

5.6 Spracherwerb in der Kita

Reich vertritt die Meinung, dass die Institution Kita nach der Familie die zweitrelevanteste Instanz ist, in der die sprachliche Sozialisation des Kindes vonstattengeht (vgl. Reich 2009: 13). Die Relevanz der Kita ist seit August 2013 insofern gestiegen, als seither jedes ein- und zweijährige Kind einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz hat. Mit dieser Änderung geht auch einher, dass die Kindheit in Deutschland ein Stück weit mehr institutionalisiert wird (Bildung in Deutschland 2014: 45). Somit ist die Kita ein fester Bestandteil bereits der frühen Kindheit in Deutschland. „Der Besuch einer Kindertageseinrichtung zählt zur Normalbiografie eines in Deutschland aufwachsenden Kindes, und das weitgehend unabhängig von seiner sozialen Herkunft.“ (König/Friederich 2014: 11)

Mit dieser Änderung geht auch einher, dass der sukzessive Spracherwerb eventuell mehr und mehr durch den simultanen Spracherwerb ersetzt wird. Denn ein Kind, das vor dem zweiten Lebensjahr in die Kita kommt, hat seinen Erstsprach(en)erwerb noch nicht abgeschlossen (vgl. Rothweiler/Ruberg 2014). Welchen Einfluss der frühe Kitabesuch auf die Entwicklung der Familiensprache(n) haben wird, die nicht Deutsch ist/sind, könnte eine wichtige Fragestellung der zukünftigen Spracherwerbsforschung sein.

Zugleich gilt jedoch, dass immer mehr Kinder in Deutschland zu Hause eine andere Sprache bzw. Sprachen als das Deutsche oder neben dem Deutschen sprechen. In Großstädten wie Berlin ist die Zahl dieser Kinder aufgrund des großen Migrationsanteils besonders hoch (vgl. Bildung in Deutschland 2016: 166f., Riehl 2014: 19). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Kitas auf diese Situation reagieren. Grundsätzlich zeichnen sich in dieser Hinsicht zwei Wege ab. Der erste Weg legt den Fokus einzig auf eine Sprache, auf das Deutsche, so dass mit Gogolin (1994) ausgedrückt „der monolinguale Habitus“ forciert wird (für eine ausführliche Diskussion siehe den obigen Abschnitt).

Der andere Weg ist, die Mehrsprachigkeit als eine Ressource zu erachten und ausgehend davon die Sprache(n) des Kindes in den Kita-Alltag miteinzubeziehen bzw. sie in den bilingualen und mehrsprachigen Kitas zu fördern. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die Mehrsprachigkeit „möglichst früh“ aufgegriffen und gefördert wird (Riehl 2014: 145). Dies ist zwar ein neuerer Weg; er scheint aber überzeugend zu sein. Dies lässt sich daran erkennen, dass sich die Anzahl der bilingualen Kitas zwischen 2004 und 2014 mehr als verdreifacht hat: Während es im Jahr 2004 nur 340 bilinguale Kitas gegeben hat, konnte 2014 eine Anzahl von 1035 bilingualen Kitas verzeichnet werden.1

Die allmähliche Anerkennung des Mehrwerts der Mehrsprachigkeit seitens der Gesellschaft, der Wunsch nach ihrer Förderung sowie die Bedürfnisse der mehrsprachigen Kinder stellen die Kitalandschaft in Deutschland vor eine neue Herausforderung, auf die auch Chilla/Niebuhr-Siebert eingehen: „Die Bildungsbedürfnisse mehrsprachiger Kinder und die gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Realitäten verlangen nach einer pädagogischen Antwort auf die Frage nach optimaler Unterstützung mehrsprachiger Kinder in der KiTa.“ (Chilla/Niebuhr-Siebert 2017: 12) Die Herausforderung ist hier klar formuliert. Aber ob die Kitas darauf vorbereitet sind, ist eine andere Frage (vgl. Montanari/Panagiotopoulou 2019: 33).

Im Folgenden wird die Kita Pîya als Forschungskontext dieser Studie dargestellt. Diese Kita versucht, eine einzigartige Erwerbskonstellation Kurmancî-Deutsch zu etablieren. Die Praxis der Kita kann ein stückweit ein Beispiel dafür sein, womit Kitas bei der Förderung von Mehrsprachigkeit konfrontiert sein könnten – wobei die Förderung des Kurmancî in vieler Hinsicht besonders und zugleich auch komplexer sein dürfte.

6 Forschungsfeld, methodisches Vorgehen und Studienkinder
6.1 Forschungsfeld: Die Kita Pîya und ihre bilinguale Praxis

Die dieser Studie als Forschungsfeld zugrunde liegende Kita Pîya hat ihren ersten Standort im Berliner Stadtteil Wedding im November 2014 in Betrieb genommen. Der zweite Standort in Kreuzberg (Berlin) wurde im Oktober 2018 eröffnet. Die Daten für die vorliegende Studie wurden am Standort Wedding akquiriert, der eine relativ kleine Kapazität mit einer maximalen Belegungszahl von 25 Kindern hat.

Gegründet wurde die Kita Pîya vom Yekmal e.V. Die Kita bietet neben dem Deutschen auch Kurmancî an. Ihr Name stammt allerdings aus dem Zazakî (auch Kirmanckî oder Dimilî genannt), dessen Status – kurdische Varietät oder eigenständige Sprache? – für Diskussionsstoff in der Linguistik und der Gesellschaft sorgt (vgl. Akın 2017: 161f., Skubsch 2002: 265f.). Auf diese Diskussion wird hier nicht eingegangen, es soll aber angemerkt werden, dass der Verein in der Gründungsphase bemüht war, Zazakî am Standort Wedding ebenfalls zu integrieren (vgl. Kırgız 2017: 145). Diese Bemühungen gibt es derzeit für den Standort Kreuzberg. Wenn auch aktuell in der Kita – an beiden Standorten – Zazakî nicht angeboten wird, so ist es doch im Namen der Kita vertreten. Übersetzt ins Deutsche bedeutet Pîya „zusammen“ oder „gemeinsam“.

Die Kita Pîya ist bundesweit die einzige Kita, die neben dem Deutschen auch das Kurmancî konsequent fördert. Daher bemerkt der Verein im Konzept der Kita zu Recht, dass es sich um ein Pilotprojekt handele: „Die Umsetzung einer Kita zur bilingualen Förderung in dieser Form kann als Pilotprojekt betrachtet werden.“ (Yekmal e.V. 2014: 6) Zu erwähnen ist jedoch, dass es auch schon zu Beginn der 1990er Jahre seitens der Kita Hêlîn den Versuch gab, ein solches Konzept umzusetzen (siehe hierzu den Abschnitt 4.1.3).

Die Kita Pîya – Standort Wedding – hatte zum Zeitpunkt der Erhebung (ca. Februar bis Dezember 2017) ein Kernteam von vier Personen. Zwei dieser Personen hatten eine staatlich anerkannte Erzieher*innenausbildung abgeschlossen. Eine Person war im letzten Jahr ihrer Ausbildung und eine Person war als Erzieherhelfer beschäftigt. Jeweils zwei Personen waren für das Deutsche bzw. für das Kurmancî zuständig und haben die Methode der Zwei-Wege-Immersion angewendet (Rothweiler/Ruberg 2014: 264). Hierunter ist zu verstehen, dass der Tagesablauf der Kita in beiden Sprachen erfolgt und entsprechend die Kinder in beiden Sprachen durch den Alltag der Kita geführt werden. Mit dieser Methode wurde gewährleistet, dass jede Person in der Sprache mit dem Kind kommuniziert, für die er oder sie zuständig ist. Mit der Zeit hat sich die Personalsituation der Kita ein wenig geändert, aber der Grundsatz der Zwei-Wege-Immersion und die Regelung „eine Person: eine Sprache“ wurde beibehalten.

Im Konzept der Kita hebt der Verein den Mehrwert der Mehrsprachigkeit hervor und knüpft somit an den neueren Weg im Umgang mit Mehrsprachigkeit an, der bereits im vorherigen Abschnitt geschildert wurde. Darüber hinaus wird im Konzept hervorgehoben, dass Mehrsprachigkeit eine gesellschaftliche Realität der globalen Welt sei. Der beste Umgang mit ihr sei deshalb, sich möglichst in jungem Alter beginnend mehrere Sprachen anzueignen. Dieser Standpunkt wird im Kitakonzept auch mit dem Beschluss der Europäischen Union von 2003 untermauert:

Ferner ist die Förderung der bilingualen Erziehung im Zeitalter der Europapolitik, Globalisierung und der multikulturellen Gesellschaft von großer Bedeutung. Dies geht vom Beschluss 2003 der Regierungs- und Staatschefs der Europäischen Union auch hervor. Neben der Muttersprache sollen die Kinder der Europäischen Union die Möglichkeit haben, zwei weitere Sprachen zu erlernen. (Yekmal e.V. 2014: 1)

Somit stehen das Kitakonzept, der Beschluss der Europäischen Union und die Feststellung von Chilla/Niebuhr-Siebert (2017) im Einklang: Die globale Welt ist mehrsprachig, und Kinder sollten demnach mehrsprachig erzogen werden. Wie kann aber eine mehrsprachige Erziehung implementiert werden unter Einbeziehung des Kurmancî, das kaum die Möglichkeit hatte, sich als eine Bildungssprache zu etablieren? Wie können das Personal und die Eltern überzeugt werden, ein Kitaprojekt mit der Förderung des Kurmancî zu entfalten oder in Anspruch zu nehmen? In dem Leitfadeninterview erwähnte die Geschäftsführerin des Vereins einige Aspekte, die eine Antwort auf diese Frage geben. In erster Linie brachte sie zum Ausdruck, dass das Personal der Kita seine Zeit gebraucht habe, um Kurmancî als eine gleichberechtigte Sprache neben dem Deutschen zu fördern. „Immer wieder bei Teamtreffen oder bei einzelnen Gepräche(n), sie erwähnten, naja, die Kinder sollen Deutsch lernen, also nicht Kurdisch.“ Es ist offensichtlich, dass das Personal eine zusätzliche Motivation und Überzeugung benötigte, um das bilinguale Konzept mit Kurmancî konsequent umzusetzen.

Auch die Eltern zeigten zunächst kein großes Interesse an dem Vorhaben. Die Anzahl der Anmeldungen war zunächst mit nur drei Kindern so gering, dass die Existenz der Kita gefährdet war. Mittlerweile ist die Kita gut besucht und nicht mehr in ihrer Existenz bedroht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie ihre Angebote bereichert und optimiert hat (Kırgız 2017: 147). Vor allem die Vorbereitung des zweiten Standortes hat eventuell bei den Eltern die Vorstellung stimuliert, dass eine Kita mit Förderung des Kurmancî funktionieren kann – auch nachhaltig.

Die bilinguale Praxis der Kita erhellt aus den Leitfadeninterviews mit den Erzieher*innen. Da die Praxis der Kita in erster Linie von ihren materiellen sowie personellen Ressourcen abhängig ist, werden die Interview-Aussagen dazu bei den folgenden Ausführungen in den Vordergrund gestellt.

Hinsichtlich der materiellen Ressourcen haben die Erzieher*innen zum Ausdruck gebracht, dass sie über einiges Material in Kurmancî verfügen, beispielsweise über Kinderbücher. Diese wurden aus Schweden bestellt, das als eines der ersten Länder Europas Kurmancî bzw. andere kurdische Varietäten als muttersprachlichen Unterricht in den Schulen eingeführt hat (vgl. Skubsch 2002: 256, siehe auch den Abschnitt 4.1.3). Ebenso wurden einige Kinderbücher aus der Türkei bezogen, in der zwischen 2013 und 2015 einige Kindergärten und Grundschulen als Pilotprojekte in Kurmancî eingerichtet waren (vgl. Derince 2017: 190). Darüber hinaus hat auch der Träger Yekmal e.V. kurmancî-deutsch bilinguale Kinderbücher vorbereitet und publiziert, die ebenso in der Kita angewendet wurden. Allerdings merkten die Erzieher*innen an, dass ihnen nicht genügend Fingerspiele, Tischlieder, Spiele und Hörbücher in Kurmancî zur Verfügung stünden. Daher adaptierten sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten beispielsweise einige Spiele aus dem Deutschen oder recherchierten im Internet, wobei sie nicht immer etwas Passendes fanden. In Bezug auf das Deutsche hingegen hatte die Kita reiche Materialauswahl.

Bei den Interviews sind in Bezug auf die personellen Ressourcen interessante Erkenntnisse festgehalten worden, die mit der Sprachbiografie der Erzieher*innen zusammenhängen. Die beiden Erzieher*innen, die für das Deutsche zuständig waren, sind in Deutschland geboren, aufgewachsen und hatten ihre Schulbildung und berufliche Ausbildung in Deutschland absolviert. Einer davon hatte seine Ausbildung als Heilerziehungspfleger und die andere als staatlich anerkannte Erzieherin abgeschlossen. Entsprechend ihrer Qualifikation waren der Erstere als Erzieherhelfer und die Letztere als Erzieherin angestellt, wobei sie gleichzeitig die Leitung der Kita innehatte. Diese Erzieherin kam aus einer zazakî-kurmancî bilingualen Familie, hatte aber weder Kurmancî noch Zazakî erworben, so dass es zwischen ihr und ihren Eltern zu einer Sprachverschiebung bzw. einem Sprachwechsel kam. Ihre Eltern haben mit ihr hauptsächlich Türkisch gesprochen, so dass sie Türkisch als Erstsprache erworben hat. Das Deutsche hat sie als Zweitsprache erworben.

Von den beiden Erzieherinnen, die für Kurmancî zuständig waren, hatte eine ihre Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin in Deutschland abgeschlossen und die andere befand sich im letzten Jahr der Ausbildung. Die erstgenannte Erzieherin wurde in Nordkurdistan (Südosttürkei) geboren und lebte dort bis zu ihrem neunten Lebensjahr. Obwohl ihre Eltern kurmancîsprachig waren, hat der Vater, der Lehrer war, die Kommunikation in Kurmancî in der Familie verboten. Dieses Verbot behielt der Vater bei, als die spätere Erzieherin mit neun Jahren mit ihrer Familie im Jahr 1974 nach Deutschland kam. Hier hat sie die Schule fortgeführt und im Anschluss ihre Ausbildung absolviert. Entsprechend der Tatsache, dass sie bis zum Alter von neun Jahren nur Türkisch sprach und dass ein Teil ihrer Schulbildung sowie ihre Berufsausbildung in Deutschland in der deutschen Sprache erfolgte, hat sie zum Ausdruck gebracht, dass Türkisch ihre Erstsprache sei, während sie Deutsch als ihre Zweitsprache angegeben hat. Kurmancî war in ihrer Kindheit eine Art Begleitsprache, die sie im Umfeld beispielsweise von ihrer Großmutter hörte, aber selbst nicht sprach. Nach ihren Aussagen hatte sie erst mit ihrer Heirat einen konsequenten Zugang zu Kurmancî und fing an, auch in dieser Sprache zu sprechen. Denn die Kommunikationssprache der Familie ihres Ehemannes war hauptsächlich Kurmancî. Bevor sie dann ihre Stelle in der Kita Pîya als Erzieherin für Kurmancî angetreten hat, wurde ihr ein Kurmancî-Kurs von Yekmal e.V. zur Verfügung gestellt, den sie auch für drei Monate besucht hat.

Die zweite kurmancîsprachige Erzieherin, die sich in der Ausbildung befand, ist ebenso in der Türkei, aber in Zentralanatolien in einem kurmancîsprachigen Dorf auf die Welt gekommen. Als sie sieben Jahre alt war, zog sie mit ihrer Familie in eine Stadt im Westen der Türkei. In dieser Stadt ist sie zur Schule gegangen und hat dort auch ihr Abitur erworben. Danach hat sie auch ein Studium in der Türkei angefangen, das sie aber nicht abgeschlossen hat. Im Jahr 2005 ist sie im Alter von 35 Jahren nach Deutschland gekommen, wo sie zunächst einen Deutschkurs besucht und dann ihre Ausbildung zur Erzieherin begonnen hat.

Sie gab an, dass Kurmancî ihre Erstsprache sei und dass sie bis zum Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern in Kurmancî kommuniziert habe. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte sie hauptsächlich Kurmancî und ein wenig Türkisch. Türkisch hatte sie in der Schule in ihrem Dorf gelernt, die sie ein Jahr lang ohne Registrierung besucht hatte. Mit Registrierung wurde sie erst im Westen der Türkei eingeschult, nachdem ihre Familie dorthin umgezogen war. Mit dem Umzug und ihrem offiziellen Eintreten in die Schule im Alter von sieben Jahren haben auch ihre Eltern die Kommunikation in Kurmancî verboten. Somit befand sie sich am Anfang in einer schwierigen Lage, weil sie nicht über genügend Sprachkompetenz in Türkisch verfügte. Aber mit der Zeit hat sie das Türkische besser erworben, das auch später ihre dominante Sprache wurde. Kurmancî hat sie sich im Erwachsenenalter selbst und mithilfe von Freund*innen wieder beigebracht. Bevor sie ihre Ausbildung in der Kita Pîya aufnahm, hat sie ebenfalls den Kurmancî-Kurs für ein bis zwei Monate besucht, den Yekmal e.V. zur Verfügung gestellt hat.

Es wird deutlich, dass sowohl hinsichtlich des Materials als auch hinsichtlich der Sprachaneignung der Erzieher*innen zwischen Kurmancî und Deutsch ein Gefälle zugunsten des Letzteren bestand. Während die Erzieher*innen für das Deutsche diese Sprache als Medium in der Schul- und Berufsausbildung benutzt hatten, mussten sich die Erzieherinnen für Kurmancî diese Sprache außerschulisch und zumeist jenseits der institutionellen Möglichkeiten aneignen. Sie mussten sogar die Hürde des Verbots überwinden. Insofern waren die Erzieher*innen für das Deutsche in Bezug auf die Sprachkompetenz im Vorteil. Sie konnten in Deutsch selbstverständlich auch lesen und schreiben, während die Erzieherinnen für Kurmancî angaben, dass sie zwar Kurmancî lesen konnten, aber ihre Schreibkompetenz in dieser Sprache nicht ausgeprägt war.

Ein anderer Aspekt hinsichtlich der Sprachkompetenz war, dass die Erzieherinnen, die für Kurmancî zuständig waren, auch Deutsch verstehen, sprechen, lesen und schreiben konnten. Die Erzieher*innen, die für Deutsch zuständig waren, gaben hingegen an, dass sie lediglich einzelne Wörter oder Ausdrücke auf Kurmancî verstünden. Dies ist auch der Grund, warum die Teamkommunikation in der Kita zum Zeitpunkt der Datenerhebung auf Deutsch stattfand. Lediglich unter sich sprachen die beiden Erzieherinnen für Kurmancî in dieser Sprache. Die Kommunikation mit den Eltern lief überwiegend in Deutsch und in Kurmancî, manchmal auch in Türkisch, falls die Eltern diese Sprache besser sprechen konnten.

Eine weitere Herausforderung für Kurmancî in der Kita war, wie die dafür zuständigen Erzieherinnen zum Ausdruck brachten, dass für die Mehrheit der Eltern die Förderung des Deutschen vorrangig gegenüber der des Kurmancî war. Das lag zum einen daran, dass ein Teil der Eltern, wenn auch wenige, nur aufgrund der räumlichen Nähe ihre Kinder in der Kita Pîya angemeldet hatten, aber keinen kurdischen Hintergrund aufwiesen. Die Anmeldung erfolgte in diesen Fällen nicht aufgrund des Konzeptes. Die Eltern mit kurdischem Hintergrund waren am Kurmancî und am Konzept der Kita interessiert, aber auch bei den meisten dieser Eltern hatte das Deutsche den Vorrang. Es gab sogar einen Fall, in dem eine Familie mit kurdischem Hintergrund ihr Kind abgemeldet hat, da sie der Meinung war, dass ihr Kind in der Kita nicht genügend in Deutsch gefördert würde.

Ungünstig war der Umstand für Kurmancî auch noch dahingehend, dass dieses bis dahin kaum in einer Kita vermittelt wurde. Die Kita und insbesondere die Erzieherinnen für Kurmancî standen vor der großen Herausforderung, Kurmancî in einer Kita erst zu etablieren. Sie mussten zudem dieser Aufgabe außerhalb des Herkunftslandes bzw. der Herkunftsländer in der Migration gerecht werden. Es mussten beispielsweise Entsprechungen der Begriffe wie basteln, puzzeln und viele ähnliche alltägliche und pädagogische Begriffe gefunden werden, die in Kurmancî nicht geläufig waren. Um diese Entsprechungen zu finden, haben die Erzieherinnen für Kurmancî Wörterbücher zu Rate gezogen, im Internet recherchiert oder Personen gefragt, die sich mit dieser Sprache beschäftigten.

Trotz dieser ungünstigen Rahmenbedingungen haben sowohl der Träger als auch die Erzieher*innen in der Kita versucht, zwischen der Vermittlung des Kurmancî und des Deutschen das Gleichgewicht zu halten. Dies wurde vor allem dadurch gewährleistet, dass das Prinzip „eine Person: eine Sprache“ konsequent umgesetzt wurde. Der Morgenkreis wurde in zwei Sprachen durchgeführt, die pädagogischen Abläufe fanden in beiden Sprachen statt, ebenso wurde während des Frühstücks und des Mittagessens mit den Kindern in beiden Sprachen kommuniziert. Die pädagogischen Abläufe wurden nicht übersetzt, sondern ein*e Erzieher*in hat ein pädagogisches Angebot in einer Sprache geleitet und der/die andere Erzieher*in hat dies in der anderen Sprache unterstützt. Es wurde im Sinne der Gleichberechtigung der beiden Sprachen darauf Wert gelegt, dass der/die Leiter*in des Angebots sich abwechselten. Auch bei den Angeboten und Aktivitäten außerhalb der Kita – wie z.B. bei Parkbesuchen oder Ausflügen – wurde beachtet, dass beide Sprachen vertreten waren.

Das Bestreben nach Gleichgewicht zwischen den beiden Sprachen zog sich auch in den beiden pädagogischen Angeboten durch, die von zwei externen Fachkräften für etwa zwei Stunden pro Woche in der Kita durchgeführt wurden. Das Angebot der Tonarbeit (Basteln mit Ton) erfolgte in Deutsch und das der Musik in Kurmancî. In diesem Sinne gestaltete sich auch die Arbeit der Elternberaterin, die ihre Beratung in Kurmancî und Deutsch anbot und darüber hinaus Elterninfoveranstaltungen zu erziehungsrelevanten Themen wie z.B. Mediennutzung, Spracherwerb oder Übergang von der Kita zur Schule mit Unterstützung der Erzieher*innen in beiden Sprachen veranstaltete.

Trotz der Bestrebungen des Kitaträgers wie auch des Personals, die beiden Sprachen im Gleichgewicht zu halten, haben die Kinder mehrheitlich dazu tendiert, unter sich und mit dem Personal Deutsch zu sprechen. Auf diesen Aspekt wird in Bezug auf die Studienkinder bei der Ausführung der Rolle der Kita für ihren Spracherwerb und ihre Sprachkompetenz näher eingegangen.

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