Kitabı oku: «Die neun», sayfa 4

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„Wir verdanken es nur Prias Intuition, dass unsere Mission nicht endgültig noch vor ihrem Beginn gescheitert ist.“ Müde wischt sich der Professor über die von dunklen Ringen überschatteten Augen. Er blickt in die Runde der Neun und setzt seine Brille wieder auf. „Wir danken dir, Pria.“

„Dankt nicht mir“, erwidert Pria verlegen, „dankt lieber dem Göttlichen. Es schenkte mir diesen Einfall.“

Qori schüttelt kaum merklich den Kopf. Sie versteht es nicht! Sie will es einfach nicht verstehen! Sie alle werden es nie verstehen! Sie haben nie verstanden! Sie wissen immer noch nicht, was sie hier tun!

Pria mustert Qori besorgt und auch Professor Zulgor lässt seinen Blick nicht von ihm. Qoris Schweigen dauert nun schon zwei Tage, seit dem Unfall im Labor. Nur mit Mühe konnten sie ihn dazu bringen, den Platz im Palmenhain zu verlassen, um an der letzten Konferenz vor dem großen Tag teilzunehmen.

„Morgen ist es endlich soweit!“ Auch Miguel ist die Aufregung anzuhören. „Dann ist es nur noch die Frage von Zeit.“

„Ich habe es mir so oft ausgemalt.“ Versonnen blickt Malissa ins Leere. „Eine neue Welt.

Eine friedliche Welt. Voller Hoffnung, Liebe und Menschlichkeit.“

„Erwarte nicht zu viel von den Menschen, meine Liebe.“ Konstantin, dessen zweites Segment rot gefärbt ist, Organisator und Planer, Praktiker mit Leib und Seele und einem stets glücklichen Händchen, lehnt sich gemütlich in seinem Stuhl zurück. „Es sind noch viel zu viele Faktoren offen, die wir nicht beeinflussen können, weil wir sie nicht einmal erkennen.“

„Ich gebe dir Recht, Konstantin.“ Professor Zulgor nickt bedächtig. „Und deshalb geben wir diese in die Hand des Göttlichen. Nur es alleine ist in der Lage ...“

Ihr Narren! Das laute Scharren von Qoris Stuhl unterbricht ihn. Qori eilt wortlos aus dem Raum, die Miene versteinert.

Pria will ihm nach, doch Miguel legt seine Hand auf ihre.

„Lass ihn, Pria.“

„Ich verstehe ihn nicht, Miguel!“ Pria wischt sich über die feuchten Augen. „Nicht dass ich ihn je verstanden hätte, aber in den letzten Tagen ist er mir noch fremder geworden.“

„Wie würdest du dich denn an seiner Stelle fühlen?“ Miguel sucht ihren Blick.

Pria erwidert ihn verständnislos. „Wie meinst du das?“

„Es ist sein Klon, der die Welt verändern wird. Ohne seine Entscheidung wäre das Projekt niemals verwirklicht worden. Er ist ein Teil von ihm. Er ist er. Und damit ist es seine Verantwortung, was aus der Welt werden wird.“

„Aber das ist doch Unsinn!“ Aufgebracht rutscht Pria auf ihrem Stuhl herum. „Wir alle hier tragen gleichermaßen die Verantwortung, egal was auch geschieht!“

Titel - 2
Titel

„So siehst du es. Qori sieht es eben anders. Und das ist sein gutes Recht.“

Pria schüttelt den Kopf. „Zumindest trage ich nach seiner Ansicht die Hälfte der Verantwortung, denn ein Teil dieses Kindes ist von mir!“

„Jede andere Eizelle hätte diesen Zweck erfüllt, Pria. Du nimmst dich zu wichtig.“ Zynisch lächelt Konstantin ihr zu.

„Mag sein.“ Ihre Stimme zittert. „Vielleicht bin ich emotional zu sehr eingebunden.

Vielleicht bin ich nicht die Richtige für dieses Projekt.“

„Das ist Unsinn“, wendet Malissa ein. „Und das weißt du auch. Gerade eure Liebe zueinander wird uns allen dabei helfen.“

„Oder aber sie steht uns allen im Weg.“ Konstantin zuckt gemächlich die Schultern. „Wo Emotionen ins Spiel kommen, ist der klare Blick meist versperrt.“

„Deine Einwände sind zur Kenntnis genommen, Konstantin“, mischt sich Professor Zulgor in den beginnenden Streit ein. „Wie auch alle vorherigen. Kommen wir nun zu dem letzten, zur Zeit wichtigsten Punkt der heutigen Sitzung: der Unfall im Labor.“ Sein Blick in die Runde verheißt keine guten Nachrichten. „Dieser Unfall hätte so nie passieren können und dürfen.“

„Was soll das heißen?“ Sedhoo streckt seine kleine Gestalt, um an dem wuchtigen Konstantin vorbei dem Professor in die Augen blicken zu können. „Dass es kein Unfall war?“

„Das wissen wir noch nicht“, muss der Professor eingestehen. „Aber es gibt zu viele ungeklärte Faktoren – zu viele Zufälle, die es nicht geben dürfte.“

Konstantins Blick wandert misstrauisch durch die Runde der Anwesenden. „Und die wären?“

„Nach dem derzeitigen Stand kam es durch einen nicht ordnungsgemäß gewarteten Filter der Abgasanlage zu einer Überhitzung und damit zu der Explosion.“

„Den Schuldigen herauszufinden, sollte kein Problem sein.“ Konstantins laute Stimme übertönt das ansetzende Stimmengewirr.

„Es geht nicht um Schuld oder Unschuld. Fehler passieren jedem. Wer noch nie einen Fehler begangen hat, der mag seine Stimme hier anklagend erheben“, erwidert der Professor streng. „Aber hinzu kommt noch, dass auch die Alarmanlage versagt hat. Ebenso wie die automatische Abschaltung der gesamten Stromzufuhr für die Anlage.“

„Das sind zu viele Zufälle auf einmal“, meint Miguel nachdenklich. „Sabotage?“ Professor Zulgor seufzt tief und vernehmlich. „Wir wissen es nicht. Noch nicht.“

Er muss hier raus! Raus an die frische Luft! Die warmen Strahlen der Sonne tröstend auf seiner Haut spüren! Den Geruch der Lebendigkeit mit dem Wind in jeder Faser seines Körpers aufnehmen! Der aufbereiteten Luft der künstlichen Welt entkommen! Echtes Leben spüren!

Qori fragt nicht nach einer Erlaubnis. Er eilt an den Wachen vorbei, eine Geste von ihm macht jede Frage nach einem Passierschein unnötig. Sie starren ihm nach, sind des Denkens für einige Momente beraubt. Er erlaubt ihnen keine Frage, kein eigenständiges Handeln. Sie gehorchen ihm.

Den Befehl als Gedanke kaum in Sichtweite den Wachen am äußeren Tor zugeworfen, öffnen diese es wortlos. Qori drängt sich hinaus. Tief zieht er die salzige Luft in seine ausgehungerten Lungen und klettert gleich neben dem versteckten Eingang den Berg hinauf. So hoch wie nur möglich.

Auf der Spitze eines kegelartigen Berges findet er eine Lichtung. Er hebt seinen wunden Blick in die hoch stehende Sonne, breitet die Arme aus und empfängt die warmen Strahlen des Lebens. Spürt die Lebendigkeit in jeder Zelle seines Körpers. Wie sich ihre Energie mit

der seinen verbindet.

Alles ist eins und alles ist miteinander verbunden. Ohne Sonne kein Leben. Wenn die Sonne stirbt, sterben wir. Doch das Universum wird weiterleben. Es wird unseren Untergang so wenig bemerken wie wir den Verlust eines einzelnen Haares. Wer sind wir, uns so wichtig zu nehmen, dieses kleine Staubkorn im All beherrschen zu wollen? Es formen zu wollen nach unseren Wünschen? Wer sind wir, dass wir uns anmaßen, den Großen Plan zu kennen? Wer werden wir sein, wenn wir getan haben, was wir als den einzig richtigen Weg erachten?

Wohin wird er uns führen? Ins Licht? Oder in die Finsternis einer noch dunkleren Zukunft? Oder gleich ins Verderben? Wird diese unsere Welt noch existieren oder haben wir sie schon längst ausgelöscht?

Er fällt auf die Knie, den Blick hoch erhoben, die Arme weit von sich gestreckt. Als würde er ein Urteil erwarten, welches ihm den Tod bringt. Doch so verlockend ihm dies auch erscheinen mag, er weiß, jeder Tod ist letztendlich nur ein neuer Anfang.

Ein neuer Kampf in einem neuen Körper. Nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Vollkommenheit. Es gibt keine Vollkommenheit in der Natur. Wie können wir nur glauben, es gäbe sie für uns? Wie anmaßend von uns zu glauben, diesem Kreislauf von Werden und Vergehen entkommen zu können! Vollkommenheit ist Stillstand! Stillstand ist Tod! Tod ist ein neuer Anfang! Aber wie neu anfangen, wenn das Leben still steht?

Niemand sieht die Tränen, die ihm heiß über die Wangen laufen, doch spürt sie jeder, der mit ihm verbunden ist. Seine Trauer erstickt ihre Fröhlichkeit, sie versinken in Schwermut, den sie nicht verstehen. Erdrückt von seinen Gefühlen scheint plötzlich nur noch Traurigkeit in ihnen zu sein. Sie verharren, unfähig etwas zu tun. Unfähig zu verstehen, woher diese Gedanken kommen. Sie weinen mit ihm, ohne es zu wissen.

Doch Qori fühlt ihre Verbundenheit und die Kraft ihres Mitgefühls. Tief atmet er durch und saugt die ihm geschenkten Energien in sich auf. Fühlt wie die Kraft zu ihm zurückkehrt. Die Kraft durchzustehen, was er begonnen hat. Die Sehnsucht, der Welt eine bessere Ordnung zu verschaffen. Die Liebe zu den Menschen zurückzubringen, von denen er sich distanziert, weil er ihre Unvollkommenheit nicht ertragen kann. Denn sie sind der Spiegel zu seiner eigenen unvollkommenen Seele ...

Letzte Tests vor dem großen Countdown. Sie blicken vom Überwachungsraum aus auf die jetzt laufenden Maschinen. Die Vibrationen durchlaufen das Vulkangestein bis hin zu ihren Zehen, den Körper hinauf und verstärken nur noch die ohnehin herrschende Spannung jedes Einzelnen.

Das tiefe Summen wie von tausend Hornissenschwärmen durchbricht selbst die dicke Panzerverglasung. Nichts scheint der tosenden Macht dieser Maschine standhalten zu können. Am allerwenigsten ihr Wille, diese Kraft beherrschen zu wollen.

Qoris Blick geht suchend zu Pria. Sie befindet sich im unteren Teil, in der Desinfektionskammer. Sie können es nicht riskieren, harmlose Krankheitserreger der heutigen Zeit in die Vergangenheit einzuschleusen, mit vermutlich verheerenden Folgen für die Bewohner dieser Zeit. Und damit auch für jeden von ihnen in der Gegenwart.

Ihre Nervosität überträgt sich auf ihn. Qori kann sie deutlich von den Anderen unterscheiden. Er schließt kurz die Augen, atmet tief durch, schickt ihr einen Schwall Ruhe.

Pria blickt zu ihm hoch, schenkt ihm ein zärtliches Lächeln, das er zögernd erwidert.

Sie soll seine Angst nicht spüren. Die Angst, sie zu verlieren. Zuzusehen wie ihr schöner Körper in diesem Ungeheuer von Maschine in seine Einzelteile zerlegt wird. Wie jedes Neutrino mit unvorstellbarer Wucht in eine andere Zeit geschleudert wird und den kaum erträglichen Schmerz des Zusammenflickens spüren.

Und doch wird er bei ihr sein. In jeder Sekunde. Alles spüren, was sie spürt. Sie mit seiner Kraft schützen und stärken. Niemals würde er sie alleine gehen lassen. Er weiß, wenn das Experiment missglückt und Pria in den Weiten des Raumes und der Zeit vergeht, wird auch ein Teil von ihm für immer sterben.

Ein wehmütiges Lächeln huscht über sein Gesicht. Er erinnert sich noch gut an ihre erste Begegnung. Hier im Stützpunkt. Sie war grade acht Jahre alt. Trotzig, rotzfrech, steckte sie nicht nur ihre Altersgenossen, sondern auch ihre Lehrer spielend in die Tasche.

Ihr Wissen, von dem niemand wusste, woher sie es hatte, weckte den Unmut der Wölfe.

Dem Professor blieb nichts Anderes übrig, als sie aus ihrem bisher gewöhnlichen Leben in die Tiefe des Berges zu entführen. Etwas, das er so nie gewollte hatte. Ihnen allen erschien es zu früh, doch das kleine Mädchen fügte sich erstaunlich gut ein.

Sie war so neugierig, erinnert sich Qori, sie wollte immer alles genau wissen. Hier gab es so vieles, das sie noch nicht wusste. Hier wurde sie gefordert. Ich forderte sie. Ich mochte sie. Spürte ihren starken Willen und ihr Potenzial. Sie wollte sich mit mir messen, von der ersten Sekunde an. Versuchte immer mich auszustechen, egal wobei. Sie hat mir nie verziehen, dass ich fort ging. Doch diesmal geht sie. Dahin, wohin ich ihr mit all meinen Fähigkeiten nicht folgen kann. Wie stolz sie darauf ist!

Gleich ist es soweit. Ein letzter Testlauf, bevor der erste Mensch den Schritt in die Vergangenheit wagt. Prias Ausrüstung liegt zwischen den ovalen Ringen, deren Metalllegierung durch die hohe Energiezufuhr in allen Regenbogenfarben schillert. Als würden sie sich verformen, sich selbst unter dem Feld auflösen.

Dann ist es soweit. Das Summen hat sich zu einem unerträglichen Brummen gesteigert, das in den Zähnen schmerzt. Ein greller Blitz zerreißt die einzelnen Moleküle der Ausrüstung.

Noch bevor die Augen wieder richtig sehen können, ist der Transport abgeschlossen. Der Platz zwischen den Ringen ist leer.

Gebanntes Starren aller.

Qoris Blick sucht Pria. Sie können kaum glauben, was sie gerade getan haben. Sie verstehen es nicht. Sie benutzen eine Kraft, die sie mit ihren Formeln zu erklären versuchen, aber sie verstehen noch immer nicht das wahre Prinzip dessen. Dabei ist es so einfach ...

Leichte Euphorie mischt sich unter die nervöse Spannung der Mitarbeiter. Qori versucht sich abzuschotten. Er konzentriert sich ganz auf Pria und erlaubt sich keine anderen Gedanken.

Neben ihm beobachten die anderen Mitglieder das plötzliche Aufblenden in der nächtlichen, kargen Landschaft einer fremden, vergangenen Zeit. Weit genug von dem Dorf entfernt, um nicht gesehen zu werden. Leiser Jubel ertönt. Die erste zaghafte Freude über ein geglücktes Experiment.

Qori interessiert es nicht.

Die Maschine wird neu justiert. Mehrmals haben sie den Zeitpunkt auf die Sekunde genau überprüft. Es gibt keine Abweichung und es darf auch keine geben. Sie dürfen keine Aufmerksamkeit erregen. Noch nicht.

Das Brummen vergeht zu einem leisen Summen. Die Ringe verlieren ihre Farbenpracht.

Kalter Stahl, dem man nicht ansieht, zu was er fähig ist.

Pria geht zögernd auf die Ringe zu. In ihren Händen hält sie behutsam eine Miniaturausfertigung der Säule aus dem Palmenhain. In ihr ihrer aller Hoffnung. Prias Schritte werden langsamer, stocken. Noch einmal blickt sie zu Qori hoch.

Sie hat Angst, erkennt Qori voller Zärtlichkeit. Wer hätte sie nicht? Geh mit dem Göttlichen, mein Engel, und pass gut auf unseren Boten auf ...

Pria nickt ihm zu. Sie hat seine Worte verstanden. Noch einmal atmet sie tief durch, dann nimmt sie ihren Platz zwischen den Ringen ein.

Der Projektleiter blickt hinauf zum Professor. Dessen Nicken ist kaum zu erkennen, doch ist es das Signal für alle. Klare Anweisungen erschallen im unteren Teil der Zentrale. Jeder kennt seinen Posten, jeder weiß, was er zu tun hat. Kein Fehler darf ihnen jetzt noch unterlaufen.

Ruhe breitet sich unter den arbeitenden Menschen aus. Routine. Sie haben gelernt, jeden anderen Gedanken zu verdrängen, sich ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Prias Leben hängt davon ab. Und auch das des kleinen Lebens, das ihrer aller Leben so nachhaltig verändern soll.

„Geht mit dem Göttlichen Segen“, flüstert Miguel neben Qori, der mit versteinerten Zügen den starren Blick nicht von Pria lässt.

Miguel spürt die starken Energiewellen, die Qori ihr schickt, und macht einen behutsamen Schritt zur Seite, um Qori mehr Raum zu geben. Aus seiner Aura zu treten, damit sein eigenes Energiefeld sich nicht mit deren vermischt.

Pria blickt auf die Säule in ihrer Hand, als das gleißende Licht der energetisch geladenen Ringe Tränen in ihre Augen treibt. Ihr letzter Blick flüchtet sich hilfesuchend zu Qori, noch bevor ihr der reißende Schmerz der Entmaterialisierung einen grauenvollen Schrei von den Lippen lockt, der jedem, der ihn hört, das Blut in den Adern stocken lässt.

Als das Licht vergeht, ist auch Pria fort. Sie starren auf die Stelle, an der sie eben noch stand.

Fort. Einfach fort ... Über Qoris Wangen laufen Tränen. Tränen des Schmerzes. Der Angst.

Der Hoffnung. Er lässt sie laufen. Er spürt sie nicht einmal.

Sie hat Angst. Sie spürt die Freude. Den Schmerz. Das Leid. Liebe. Das allumfassende

Eine. Das Göttliche.

Sie spürt keinen Körper. Kann nichts mit ihren Sinnen erfassen. Und doch erfasst sie alles.

Ihre Seele, ihr Wesen, ihre innere Stimme, alles ist eins. Verschmolzen mit allem, was existiert.

Sie fühlt die Kraft dieser Existenz, die sie gemeinhin als das Göttliche bezeichnen. Weil es keine angemessenen Worte für dieses unendliche Wesen gibt. Ein hilfloser Versuch, sich mit ihm zu verbinden. Doch sie sind es. Sie waren nie getrennt. Sie sind eins. Endlich versteht Pria.

Sie sieht alles um sich herum, doch hat sie keine Augen zum Sehen. Sie fühlt nur die Bilder, die jeder Materie beraubt scheinen. Und doch sind sie schöner als alles, was ihre Augen je erblickt haben.

Sie weiß nicht, wo sie ist, aber sie fühlt sich behütet, geborgen. Glücklich. Im Schoß des Einen aufgehoben. Zeit hat keine Bedeutung mehr. Sie ist überall und nirgends. Sie will nie wieder fort.

Doch dann zerreißt sie der erneute Schmerz. Als würde jedes Atom ihres Körpers mit einem gleißenden Hammer gewaltsam zusammen geschmiedet. In eine Form gepresst, die ihr wahres Sein nur begrenzt. Sie fühlt sich hinein gezerrt in diese viel zu enge Hülle aus Fleisch und Blut. Sie will nicht. Aber sie hat keine Wahl. Etwas zwingt sie dazu. Sie muss sich fügen.

Hart schlägt ihr Körper auf den sandigen Boden einer fremden Welt. Gnädig umfängt sie tiefe Bewusstlosigkeit.

„Dort ist sie!“ Aufgeregt deutet Malissa zum Monitor auf eine Senke nahe des Dorfes. „Sie hat es geschafft!“

„Gott sei Dank!“ Professor Zulgor überprüft mit Miguel stillschweigend die Daten. Ein wissender, erfüllter Blick wechselt zwischen ihnen. Schließlich wendet sich der alte Mann an seine Mitstreiter. „Der Transfer ist planmäßig verlaufen.“

Qori starrt noch immer auf die kalten Stahlringe, deren Energie gerade heruntergefahren wird. Plötzlich springt er auf, stürmt aus dem Beobachtungsraum hinaus, hechtet die Treppe hinunter und packt den Projektleiter grob am Arm.

„Nicht abschalten!“ Heisere, kaum verständliche Worte dringen aus Qoris trockener Kehle.

„Sie stirbt sonst!“

„Aber ...“ Der Mann schüttelt den Kopf. „Ihr geht es gut. Die Daten sagen ...“

„Die Daten interessieren mich einen Scheißdreck!“ Wütend reißt Qori ihm das Datenblatt aus der Hand und wirft es über die Schulter fort. „Sie stirbt, wenn Sie diese verfluchte Maschine abstellen!“

Miguel drängt sich durch die von allen Seiten heranströmenden Menschen, die ebenfalls nicht verstehen. Er nimmt den Projektleiter beiseite. „Tun Sie, was er sagt!“

„Aber ...“ Dessen Blick wechselt zwischen den Beiden. „Na gut. Aber auf Ihre Verantwortung!“

Er winkt den verantwortlichen Mitarbeitern und ruft ihnen die neue Order zu. Er versteht nicht. Aber wenn er eines während der vielen Jahre hier gelernt hat, dann auf die Worte dieses Mannes zu hören, der ihrer aller Schicksal in der Hand hält.

Miguel zieht Qori beiseite, damit die Leute ihre Arbeit machen können. „Was ist passiert?

Wieso dürfen wir das Feld nicht abschalten? Was ist uns entgangen?“

In Qoris Augen scheinen alle Lichter des Universum als kleine Punkte zu leuchten. Die

Tiefe erschrickt Miguel. Und doch beneidet er seinen Freund um diese Erfahrung.

„Sie ist immer noch ein Teil der Gegenwart. Solange sie der Energiestrahl hält, findet sie den Weg zurück. Doch wenn er versagt, dann ...“

Sein Blick entschleiert sich. Miguel erkennt die Angst darin.

„... dann verliert sich ihre Seele in den Weiten der Zeit und findet nie wieder zurück. In keine Zeit. Wir haben sie der Zeit beraubt. Sie wird zeitlos wie das Eine.“

„Du meinst ... sie erreicht die oberste Sprosse auf dem Weg zur Vollkommenheit?“, fragt Miguel fasziniert.

„Ohne vollkommen zu sein, verstehst du?“ Qori blickt zu den Ringen, deren jetzt sanftes Leuchten ihm Beruhigung für eine Weile verschaffen. „Ohne vollkommen zu sein ...“

Das Zittern ist kaum zu ertragen. Ihr ist kalt. Als wäre sie zu einem Eiswürfel gefroren.

Lautes, klapperndes Dröhnen schmerzt in ihren Ohren. Mühsam schlägt Pria die Augen auf.

Es dauert eine Weile, bis sie erkennt, dass es ihre Zähne sind, die dieses unselige Geräusch verursachen. Sie beißt sich auf die Hand, um es zu unterdrücken. Fühlt kaum den Schmerz, den ihre Zähne in das Gewebe drücken, weil jede Zelle ihres Körpers gepeinigt vor Schmerz aufschreit.

Pria versucht sich zu erinnern. Vage Bilder einer unglaublichen Erfahrung hängen wie verstaubte Spinnweben in ihrem Gedächtnis. Sie versucht sie zu greifen, doch sie zerreißen bei der leichtesten Berührung und verwehen im kalten Wind der nächtlichen Wüste.

Dann kommen erste Erinnerungen an das Davor zurück. Erschrocken tastet sie nach ihrem Begleiter. Ihrer aller Hoffnung. Was muss er erst erlitten haben? Ob noch Leben in ihm ist? Pria findet die Säule im weichen Sand, der den Sturz abgefangen hat. Sie hebt sie auf, wischt die Spuren fort und kontrolliert hastig die Werte.

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