Kitabı oku: «Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane», sayfa 8
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Roberto Tardelli entdeckte einen Toten vor der Hintertür und den zweiten in der Halle. Mit entsicherter 38er lief er auf die offenstehende Tür des Arbeitszimmers zu. Dort redete Kowalski. Die geräuscharmen Kreppsohlen an Robertos Schuhen verhinderten, dass der Killer ihn vorzeitig kommen hörte. Gleich würde es zur dritten und letzten Begegnung mit Mel Kowalski kommen. Die Ereignisse von Miami Beach, Chicago und Baltimore schwirrten durch Roberto Tardellis Kopf. Es waren viele bedauerliche Dinge passiert, doch nun wollte der Mafiajäger hinter all diese Geschehnisse einen dicken Schlusspunkt setzen.
Roberto glitt in Patanas Arbeitszimmer.
Der Boss von „Black Friday“ saß leichenblass an seinem Schreibtisch.
Mel Kowalski stand davor. Er hielt eine Beretta mit Schalldämpfer in seiner Rechten.
Ein Mann ohne Gewissen hätte zuerst den Killer tun lassen, weswegen er in dieses Haus gekommen war und hätte erst anschließend eingegriffen. Doch Roberto widerstrebte es, Patanas Leben zu opfern, obgleich dieser Mann für den Tod vieler Menschen verantwortlich war.
Roberto war kein Richter.
Patana würde seine Strafe bekommen – aber von einem ordentlichen, vom amerikanischen Volk autorisierten Gericht!
Ein kurzes Zucken in Patanas Augen, ein kleiner Hoffnungsschimmer verrieten dem wachsamen Killer die Anwesenheit des Mafiajägers. In keiner anderen Situation wäre Roberto Tardelli dem Boss von „Black Friday“ so willkommen gewesen wie jetzt.
Patana wagte aufzuatmen, denn er glaubte, sein Leben nunmehr behalten zu dürfen. Alles andere war nicht so schlimm. Das konnte eventuell noch geregelt werden. Ein Schuss aus der Beretta hingegen war eine unwiderrufliche Angelegenheit.
Kowalski verschraubte den Körper.
Er drehte sich halb zu Roberto Tardelli um. „Du schon wieder? Verdammt, wie hast du das so schnell geschafft?“
„Schon mal was von einem fliegenden Teppich gehört? Ich besitze einen“, erwiderte Roberto, während er den gefährlichen Killer keine Sekunde aus den Augen ließ. „Lass die Waffe fallen, Kowalski!“
Der Vertragskiller von „Black Friday“ grinste. „Eine ähnliche Situation hatten wir schon mal.“
„Zum Unterschied dazu wirst du es diesmal nicht mehr schaffen, Kowalski. Diesmal kommen dir ganz bestimmt keine Cops zu Hilfe.“
Kowalski lachte. „Das war ein Gag, was?“
„Die Kanone, Mel!“, sagte Roberto ernst.
„Noch nicht. Erst lege ich dieses Schwein um.“
„Das wirst du nicht tun!“, knurrte Roberto.
„Er wollte mich killen lassen!“, schrie Kowalski wütend.
„Du willst dich an ihm rächen?“
„Ist das nicht ein verständlicher Wunsch?“
„Okay, du sollst deine Rache haben, Mel“, sagte Roberto eindringlich. „Sag gegen ihn vor Gericht aus. Du weißt verdammt viel über ihn und seine verdammte Organisation. Mit deinem Wissen kannst du Patana fix und fertig machen!“
Kowalski überlegte. Er schien alle Für und Wider von Roberto Tardellis Vorschlag gewissenhaft abzuwägen.
In Wirklichkeit dachte der Killer jedoch keine Sekunde daran, Robertos Angebot zu akzeptieren. Hier bot sich ihm die einmalige Möglichkeit, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Er konnte Patana und Tardelli erledigen.
Dann hatte er seine Rache – und frei war er außerdem.
Im anderen Fall wäre er nämlich genauso ins Zuchthaus gewandert wie der Boss von „Black Friday“. Da sich dies mit zwei schnellen Kugeln bestens regeln ließ, dachte Kowalski nicht im Traum daran, sich zu ergeben.
Aber er tat so, als gefiele ihm Robertos Vorschlag. „Wie viel kriegt er, wenn ich auspacke?“, wollte der Killer wissen. Gespannt wartete er auf seine Chance. Sie würde kommen, davon war er überzeugt, und dann würde er sich seine Rache und die Freiheit holen.
„Lebenslänglich“, sagte Roberto Tardelli.
„Und wie viel wird man mir aufbrummen?“
„Das kommt darauf an, was du alles über die Mafia zu erzählen weißt.“
Kowalski griente. „Oh, eine ganze Menge.“
„Dann wird man eventuell mit einem Handel einverstanden sein. Du bist zwar nicht gerade ein kleines Licht, aber wenn du‘s schaffst, ein paar großen Bossen ein Bein zu steilen, wird man verschiedene Punkte aus der Anklageschrift eliminieren.“
„Eine Hand wäscht die andere, eh?“
„So ist es“, bestätigte Roberto. „Darf ich dich daran erinnern, dass du dich von deiner Kanone immer noch nicht getrennt hast?“
Kowalski nickte.
Roberto war auf der Hut. Diesem gefährlichen Killer hätte er nicht einmal dann getraut, wenn er vor ihm im Sarg gelegen hätte. Mel Kowalski hatte noch nicht aufgegeben. Das bekundete die Beretta in seiner Hand, die er nicht hergeben wollte.
Das Gespräch diente Kowalski anscheinend nur dazu, um Roberto einzulullen, ihn in Sicherheit zu wiegen.
Die Spannung im Raum verdichtete sich.
„Ich warte!“, sagte Roberto bohrend.
Kowalski nickte wieder. „Okay, Tardelli. So machen wir‘s. Wir hauen Sergio Patana in die Pfanne!“
Er griff mit der Linken nach dem Schalldämpfer, als wollte er die Beretta aus seiner Hand lösen und sie mit dem Kolben voran Roberto entgegenhalten. Dabei seufzte er schwer.
Doch bevor sich die Finger seiner rechten Hand öffneten, schlug auf Sergio Patanas Schreibtisch das Telefon an. Mel Kowalski dachte, die schrille Klingel würde Roberto genügend ablenken, damit er seinen Plan blitzschnell in die Tat umsetzen konnte.
Sofort ließ die Linke den Schalldämpfer wieder los.
Die Beretta schwang in Gedankenschnelle herum. Sergio Patana riss entsetzt die Augen auf.
„Kowalski!“, brüllte Roberto. Es nützte nichts.
Die Beretta hatte bereits Feuer gespien und zuckte schon in Roberto Tardellis Richtung. Eine kaum messbare Zeitspanne entschied über Tod und Leben. Mel Kowalski war unvorstellbar schnell. Erst jetzt erschlaffte Patanas Körper. Der Boss von „Black Friday“ sackte zur Seite und fiel vom Stuhl.
Roberto Tardelli hasste Situationen wie diese, aus denen es nur einen einzigen Ausweg gab.
Er war gezwungen, schneller zu schießen als Mel Kowalski. Er musste den Mann so treffen, dass er ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.
Robertos Luger krachte um den lebenserhaltenden Sekundenbruchteil früher als Kowalskis Beretta. Die Zeit hatte nicht gereicht, um einen gezielten Schuss abzufeuern.
Mel Kowalski hatte es erzwungen.
Seine Pistole nieste, aber der Schuss ging in die Decke. Verstört starrte der Killer auf das Loch in seiner Brust, aus dem nun dunkelrotes Blut zu fließen begann. Der Stoff seines Hemdes saugte die klebrige Flüssigkeit wie ein Löschblatt auf. Der rote Fleck wurde schnell größer.
Kowalski hielt sich krampfhaft auf den Beinen. Er wollte die Beretta noch einmal auf Roberto Tardelli richten, doch er hatte nicht mehr die Kraft, die Waffe zu heben.
Ächzend fiel er auf die Knie.
Dann kippte er nach vorn und fiel aufs Gesicht. Roberto eilte zu ihm und drehte den Sterbenden auf den Rücken. Er nahm ihm die Beretta aus den vibrierenden Fingern.
„Tardelli, du verdammtes Aas!“, gurgelte der Killer hasserfüllt. „Eines Tages wird es einer schaffen. Dann – dann sehen wir uns wieder. Ich geh jetzt nur voraus!“
Er seufzte ein letztes Mal. Dann war es vorbei mit ihm. Er hatte seine Rache bekommen, aber sein Leben verloren.
Roberto richtete sich auf. Er dachte an Mel Kowalskis Worte, und er hoffte, dass der Vertragskiller des „Black Friday“ damit nicht recht behielt.
ENDE
Der Killer und sein Zeuge
Thriller von Alfred Bekker
Die Hauptpersonen des Romans:
Thomas Hansen - ein Gebrauchtwagenhändler.
Katja Hansen - seine Frau.
Marc Hansen - sein Sohn, der Mühe haben wird, das Abi zu schaffen.
Kalli Radowski - sein angestellter Kfz-Meister.
Heiner Mahn - ein Azubi im Autohaus Hansen.
Jörn Brandes/Der Anrufer - kommt aus Thomas düsterer Vergangenheit im Dienst der Stasi.
Bremshey - ein Kriminalbeamter.
Grameier - seine Verstärkung.
Polizist - er muss eine schlechte Nachricht überbringen.
1
Bartels machte ein grimmiges Gesicht und lief rot an. Jörn knallte noch schnell den Hörer auf die Gabel, aber es war zu spät.
"Hören Sie...", fing Jörn Brandes ziemlich schwach an und hob dabei abwehrend die Hände.
"Nein, jetzt hörst du mir zu, Bürschchen! Und zwar Wort für Wort, klar?"
Was für eine Frage? Jörn wusste nur zu gut, dass er überhaupt keine andere Wahl haben würde, als seinem Arbeitgeber zuzuhören, wollte er den Job behalten. Er holte tief Luft, während Bartels den Verkaufstresen des kleinen Ladens für Surfzubehör umrundete.
"Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du Privatgespräche von diesem Apparat aus führst, dann bist du draußen! Kapiert?"
"Ja...", murmelte Jörn
"Schreib dir das hinter die Ohren!"
"Kommt nicht wieder vor."
Bartels machte eine wegwerfende Handbewegung und lachte heiser.
"Ja, das hast du beim letzten Mal auch gesagt!", versetzte er gallig.
"Ehrlich!", erwiderte Jörn.
Er kannte Bartels gut genug, um zu wissen, dass sich sein Zorn wieder legen würde, wenn man ihm keinen Widerstand entgegensetzte.
Bartels kratzte sich auf seiner Halbglatze. Dann nahm er die Rechte und hielt Jörn den Zeigefinger ziemlich dicht unter die Nase. Ein Zeichen dafür, dass es wirklich ernst war, soviel wusste Jörn.
"Ich habe dir eine Chance gegeben, Jörn!"
"Ja, ich weiß..."
"Ja, aber zu schätzen weißt du es nicht, verdammt noch mal!", schrie Bartels dann plötzlich los.
Gut so!, dachte Jörn. Er lässt Dampf ab! Vielleicht würde würde der Anfall dann schneller zu Ende gehen!
"Herr Bartels, ich weiß sehr wohl, was Sie für mich getan haben!", murmelte Jörn kleinlaut in eine Pause hinein.
Bartels stemmte seine kurzen, kräftigen Arme dorthin, wo vor vielen Jahren sicherlich mal so etwas wie eine Taille gewesen war, schüttelte stumm und mit hervorquellenden Augen den Kopf und meinte dann schließlich in gedämpftem Tonfall: "Jörn, ich bin ein gutmütiger Kerl, aber jede Gutmütigkeit hat ihre Grenzen, verstehst du?"
"Sicher."
"Und bei mir ist die Grenze jetzt erreicht."
"Herr Bartels..."
"Wenn ich dich irgendwann noch einmal mit dem Hörer in der Hand erwische, dann fliegst du in einem so hohen Bogen, dass du es dir jetzt vielleicht noch gar nicht vorstellen kannst!"
Jörn nickte.
"Ich sagte ja: Es kommt nicht wieder vor."
Bartels nickte jetzt auch, schien aber alles andere als überzeugt. Dafür kannte er Jörn zu genau.
"Die neuen Surfanzüge hast du auch noch nicht richtig ausgezeichnet! Ich frage mich, was du hier die ganze Zeit eigentlich so machst - außer Telefonieren, natürlich!", kartete Bartels dann noch nach. Aber das klang schon viel versöhnlicher. Fast schon freundlich.
Gott sei Dank!, dachte Jörn. Das wäre mal wieder überstanden.
"Ich gehe dann sofort an die Anzüge!", beeilte er sich.
"Möchte ich dir auch geraten haben."
Einen Augenblick später war Jörn dann bei dem Ständer mit den Surfanzügen und klebte Preisschilder auf. Aber mit den Gedanken war er nur halb dabei.
Bartels fragte: "Mit wem hast du denn diesmal telefoniert?"
"Niemand Wichtiges!"
"Wieder eine Nummer in den neuen Bundesländern?"
"Nein, ein Ortsgespräch", log Jörn.
"Sag mal...", druckste Bartels plötzlich herum.
"Ja?"
"Hast du irgendwie Probleme oder so?"
Jörn schüttelte den Kopf.
"Nein, warum?"
"War ja nur eine Frage."
"Es geht mir gut."
"Na, dann..."
"Wirklich!"
Bartels nickte nachdenklich. "Wenn was ist, dann kannst du es mir sagen, das weißt du!"
"Ja."
Bartels wollte sich umdrehen und in Richtung des Lageraums gehen, aber Jörns Stimme ließ ihn innehalten.
"Herr Bartels..."
"Ja?"
"Vielleicht kein günstiger Moment, um damit zu kommen, aber..."
Bartels seufzte. "Na, komm schon, auf den Tisch damit!"
"Ich bräuchte dringend etwas Urlaub!"
"Schon wieder?"
"Ja."
2
"Nein!"
"Jörn!"
"Nein!"
"Wach doch auf, verdammt noch mal!"
Er war schweißgebadet und als er jetzt die Augen aufmachte, wirkte er, als wäre er geradewegs von einem Besuch in der Hölle zurückgekehrt.
"Es ist alles gut", sagte Lisa und atmete dabei hörbar auf.
"Du hast nur wieder geträumt!"
Jörn nickte langsam, fast wie in Trance. Dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht und setzte sich auf.
"Wieder ein Alptraum?", fragte sie.
"Ja."
"Du hast lange keine mehr gehabt! Wie kommt es, dass sie jetzt wieder da sind?"
Jörn lächelte matt.
Du hast sie nur nicht bemerkt, Lisa!, dachte er bitter.
Aber sie waren nie fort, diese Träume. Nie!
Er fragte: "Wie spät ist es?"
"Zehn Uhr."
Er sprang auf und fing an, sich anzuziehen.
"Was ist los?", fragte sie kopfschüttelnd. "Welche Tarantel hat dich jetzt gestochen, wenn ich mal fragen darf!"
Sein Blick sagte: Du darfst aber nicht fragen!
Sein Mund formulierte das eine Spur freundlicher.
"Ich habe eine Menge zu tun", sagte er lakonisch. Mit den Gedanken schien er sehr weit weg zu sein.
Sie runzelte die Stirn und strich sich das gelockte Haar zurück. "Du hast Urlaub!", sagte sie.
Als er sich das Hemd zuknöpfte, sah er sie plötzlich an und meinte, wie beiläufig: "Ich bin noch nicht dazu gekommen, mit dir darüber zu reden..."
In Ihre Stimme mischte sich jetzt ein misstrauischer Unterton. "Wovon sprichst du eigentlich?"
"Ich fahre einige Zeit weg."
"Schön, das ich das auch mal erfahre!"
"Ich sag's dir ja jetzt", meinte er schulterzuckend.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
"Und wie lange diesmal?"
Er zuckte die Achseln.
"Ich weiß noch nicht...", murmelte er abwesend und fuhr sich dann mit der flachen Hand über das Gesicht.
"Und wahrscheinlich hast du auch nicht vor, mir zu sagen, wo es hingeht."
Er zuckte die Achseln und schien nach den passenden Worten zu suchen. Er fand sie nicht. Stattdessen sagte dann Lisa etwas.
"Was denkst du dir eigentlich? Wir leben zusammen, aber du lässt mich nicht wirklich an deinem Leben teilhaben!"
Er wich ihrem Blick aus. "Red' nicht so einen Unfug!"
"Ist doch wahr!"
"Es wird nicht lange dauern. Eine Woche vielleicht."
Sie seufzte. "Es ist irgend etwas Krummes, worin du da verwickelt bist, nicht wahr?"
"Quatsch!"
"Und warum sagst du es mir dann nicht?"
Er schwieg.
Und sie sagte: "Na, also!"
"Es ist anders, als du denkst", erwiderte er schwach.
"Außerdem..."
Sie sah ihn prüfend an.
"Außerdem was?" fragte sie und ihre Stimme
"Ach komm, hör auf!"
3
Als es klingelte, hob Kalli Radowski den Kopf.
"Telefon, wa?", meinte Heiner, der Azubi, während Kalli langsam nickte.
Kalli erhob sich und blickte auf den aufgebockten VW.
"Zieh du die Reifen an", murmelte er und bewegte sich dann in Richtung des unansehnlichen Glaskastens, der dem Autohaus Hansen als Büro diente.
Ein Büro, das seit einer Woche nicht besetzt war, weil die Bürokraft ein Kind bekam. Seitdem regierte hier das vollkommene Chaos.
Es klingelte erneut.
Kalli beeilte sich, stieß die Tür auf, stolperte dann fast über die Rollen des Drehstuhls und war endlich am Ziel.
Er riss den Hörer von der Gabel und ächzte seinen Text herunter: "Hallo? Hier Autohaus Hansen. Kalli Radowski am Apparat. Sie wünschen?""
"Kann ich Herrn Hansen mal sprechen?", krächzte es von der anderen Seiter durch die Leitung.
Kalli atmete erst einmal tief durch und versuchte dabei verzweifelt, die Stimme des Anrufers irgendwo einzuordnen.
Aber es wollte ihm einfach kein Kunde einfallen zu dem sie gepasst hätte.
Auf jeden Fall klang sie recht unzufrieden - und das zusammen mit der Tatsache, dass der Mann den Chef sprechen wollte, konnte eigentlich nur Schlechtes bedeuten. Wahrscheinlich eine Reklamation oder so etwas.
Kalli nutzte die nächsten zwei Sekunden, um sich innerlich zu wappnen.
"Hm... Den Chef?", meinte er gedehnt.
"Ja", meinte der andere mit frostigem Unterton.
Kalli zuckte die Schultern.
"Also... Vielleicht kann ich Ihnen ja auch helfen, Herr...
Wie war nochmal Ihr Name?"
Der Anrufer tat, als hätte er das Letzte nicht gehört.
"Ist Herr Hansen da?", fragte er völlig ungerührt.
"Hören Sie..."
"Ja oder nein?"
Die Stimme des Anrufers hatte Klang von Metall und klirrendem Glas.
Kalli schluckte.
Er gab sich geschlagen, obwohl der Chef ihm die ausdrückliche Order gegeben hatte, Anrufe möglichst von ihm fernzuhalten und selber zu erledigen.
"Also gut, ich seh mal nach...", knurrte er, legte den Hörer auf den unordentlichen Schreibtisch und lief mit zwei Sätzen zur Tür.
"Chef?" Nach kurzer Pause rief er zum zweiten Mal: "Chef?"
"Was ist?", echote irgendwo die genervte Stimme von Thomas Hansen persönlich.
"Ein Anruf!"
"Mach du das, ich hab zu tun!"
"Ich bin ihm nicht gut genug!"
In der Werkstatthalle ließ irgendjemand einen Schraubenschlüssel fallen, ein Geräusch das an dem kahlen Beton mehrfach widerhallte.
"Ich komme!", rief Thomas Hansen.
Und Kalli grummelte indessen halblaut vor sich hin: "Der Kunde ist eben König!" Dann ging er zum Telefon. "Hallo? Noch da?"
"Ja."
So ein arroganter Sack! ging es Kalli dabei durch den Kopf. Aber so war das nun einmal, wenn man etwas verkaufen wollte: Immer freundlich sein, wenn es einem auch noch so sehr stank.
"Der Chef kommt sofort", kündigte Kalli also mit einem geschäftsmäßig höflichen Tonfall an und damit schien der Kerl auf der anderen Seite zufrieden zu sein.
Jedenfalls erwiderte er nichts darauf und das hielt Kalli für ein gutes Zeichen.
Die Tür ging auf und schlug dann mit einem scheppernden Geräusch wieder zu.
"Wer isses?", flüsterte Thomas Hansen, Ende vierzig, kräftig und noch mit vollem Haar, das allerdings in den letzten Jahren einen deutlichen Graustich bekommen hatte.
Kalli flüsterte ebenfalls.
"Keine Ahnung!"
"Wahrscheinlich der Bäumer!", vermutete Thomas. "Dessen Wagen hätte schon letzte Woche fertig sein sollen!"
Kalli grinste.
"Na, dann: Viel Vergnügen!"
Thomas verzog das Gesicht und nahm den Hörer.
"Hallo?"
"Ich geh noch an den Wagen vom Röder, okay?", rief Kalli dazwischen, während er sich zum Gehen wandte.
Thomas nickte knapp.
"Okay!"
Während Kalli das Büro verließ und die Tür hinter zufallen ließ, murmelte Thomas in den Telefonhörer: "Autohaus Hansen. Wer spricht da bitte?"
Pause.
Keine Antwort.
Durch den Hörer war nur das regelmäßige Atmen eines Menschen zu hören.
"Sind Sie noch dran?", fragte Thomas ungeduldig. "Hier spricht Thomas Hansen. Was möchten Sie, bitte?"
Pause.
Nichts geschah. Aber auf der anderen Seite war jemand, daran konnte es keinen Zweifel geben.
Dann machte es klick.
Das Gespräch war zu Ende.
"Seltsamer Kauz!", murmelte Thomas Hansen halblaut zu sich selbst. Es war nicht der erste Anruf dieser Art, den er bekam und er begann sich zu fragen, was das zu bedeuten haben konnte.
Die Tür ging auf.
Heiner kam herein, der schlaksige Azubi. Er kaute auf einem Kaugummi herum und das konnte Thomas Hansen auf den Tod nicht ausstehen. So eine Undiszipliniertheit, ging es ihm durch den Kopf. Zu unserer Zeit...
Aber wen interessierte das noch? Niemanden, wenn man ehrlich war. Aber Thomas Hansen stand heute nicht der Sinn nach Ehrlichkeit. Die war ein Luxus für bessere Tage.
Thomas blickte kurz auf.
"Was ist?
"Also, äh..."
"Kannst du nicht reden oder was?" Thomas verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln und fügte noch hinzu: "Mit dem DING da zwischen den Zähnen ist das auch schwierig, was?"
"Hm."
"Und wenn ich jetzt ein Kunde wäre? Der wär' doch längst über alle Berge bei der Konkurrenz, ehe du das Scheißding so in deinem Rachen platziert hast, dass du was 'rauskriegst!"
Heiner schluckte. Sein Adamsapfel wippte dabei auf und nieder.
Dann sagte er: "Sie sind aber kein Kunde, sondern nur der Chef, woll?"
"Wie wahr", seufzte Thomas. Bei jüngeren Leuten zog er irgendwie immer den Kürzeren. Das war mit seinem Sohn so und auch mit Heiner. Er hatte auch keine Ahnung, woran das lag. Es war einfach so.
Zu meiner Zeit...
Aber er hatte heute nicht die Energie, sich wirklich darüber aufzuregen. Ein lähmender Schatten lag schwer auf seiner Seele und drückte ihn nieder.
Heiner machte mit dem Kaugummi im Mund eine Blase, ließ sie mit einem knall platzen und meinte dann: "Ich fahre zur Pommesbude. Wollen Sie wieder ein halbes Hähnchen, wie immer?"
Thomas schüttelte den Kopf. Er schien gedanklich abwesend zu sein und nur halb hinzuhören.
"Nein", murmelte er.
Heiner runzelte die Stirn.
"Was dann?", fragte er.
"Nichts."
"Was?"
"Ich hab keinen Appetit."
Heiner zuckte die Achseln und machte ein ungläubiges Gesicht.
"Sind Sie krank oder was?
"Hau schon ab und lass mich in Frieden!"
"Ist ja schon gut!"
Heiner wandte sich um, steckte die Hände in die Taschen seines Blaumanns und ging hinaus.
Thomas Hansen sah ihm kurz nach.
Verdammter Mist!, dachte er dabei. So ein gottverdammter Mist!