Kitabı oku: «Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane», sayfa 9
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"Holst du uns noch ein Bier, Heiner?", fragte Kalli Radowski kauend.
Heiner verzog das Gesicht und knurrte etwas Unverständliches. Dann murrte er: "Warum muss eigentlich immer ich das Bier holen?"
Kalli blickte auf. Will wohl den Aufstand im Gemüsegarten proben, der Kleine, schoss es ihm durch den Kopf.
Dann sagte er ziemlich gallig: "Weil du der Lehrling bist. Deshalb."
"Auszubildender heißt das", knurrte Heiner. Aber es klang schon ziemlich kleinlaut.
"Was auch immer. Jedenfalls holst du das Bier. Ob als Auszubildender oder als Lehrling. Hauptsache, du brauchst nicht den ganzen Tag und bist vor Feierabend noch zurück. Hast du mich verstanden?"
"Ja, ja..."
Heiner zog mit schlurfenden Schritten ab. Als er weg war, wandte sich Kalli an Thomas Hansen.
"Sag mal, Chef, war das der Bäumer heute Mittag?"
Aber der Chef schien mit den Gedanken meilenweit entfernt zu sein. Er brauchte volle zwei Sekunden, um zurückzukehren.
"Was?" Er blickte Kalli verständnislos an. "Wovon sprichst du eigentlich?"
"Na, von dem Anruf."
Thomas starrte ins Leere.
"Nein", murmelte er.
"Ach, wirklich nicht? Ich hätte darum gewettet!"
"Da hättest du verloren."
"Wer war's denn? Klang wie so'n arroganter Sack. Aber wenn du sagst, dass es der Bäumer nicht wahr... Also, die Stimme klang jedenfalls ganz ähnlich!"
Thomas atmete tief durch. Meine Güte, musste der denn immer tiefer in der Sache herumbohren?, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf.
Er sah Kalli ins Gesicht.
"Können wir nicht über etwas anderes reden?"
"Klar."
"Na, also!"
"Aber ich versteh das nicht..."
"Da gibt's nichts zu verstehen!"
Kalli verdrehte die Augen. Er war wirklich erstaunt. So kannte er den Chef gar nicht und er hatte geglaubt, ihn wirklich gut zu kennen.
Lange, korrigierte er sich. Ich kenne ihn schon ziemlich lange.
Aber gut?
Er war sich nicht mehr sicher.
Trotzdem machte er einen letzten Versuch. Das konnte er ruhig riskieren, glaubte er.
"Was machst du denn für ein Geheimnis draus? Wer war's denn nun? Man wird ja richtig neugierig! Ich habe den Wagen vom Bäumer nämlich heute extra fertig gemacht, weil ich angenommen habe, dass er es gewesen ist!"
"Er war's aber nicht! Kapiert?", brauste Thomas plötzlich auf. Seine Nerven schien blank zu liegen.
"Meine Güte", meinte Kalli erstaunt. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen! So kenn ich dich ja gar nicht!"
Thomas machte nur eine wegwerfende Handbewegung und sah zur Seite.
"Vergiss es!"
"Nun sag schon... Sind wir nun Freunde oder was?"
Thomas wurde etwas ruhiger.
Er sagte in gedämpftem Tonfall: "Sicher sind wir Freunde."
Kalli schlug ihm auf die Schulter.
"Na, also!"
"Ach komm! Der Anruf war nicht so wichtig!"
Aber Kalli ließ nicht locker.
"Wer war's denn nun? Mir kannst es doch sagen! Wir kennen uns doch schon eine Ewigkeit, also was soll das Versteckspiel! Auch wenn's was Unangenehmes ist!"
Kalli war sich eigentlich ziemlich sicher, dass es etwas Unangenehmes sein mußte. Fragte sich nur, wie unangenehm.
Und falls es die Firma betraf, dann betraf es auch Kalli Radowski. Schon deswegen hatte er ein Recht darauf nachzuhaken, so fand er.
Ein paar Augenblicke lang sagte keiner der beiden Männer ein Wort.
Schließlich murmelte Thomas wenig überzeugend: "Es war irgend so ein Idiot."
Kalli legte die Stirn in Falten und kratzte sich hinter dem Ohr. Er begriff nicht ein einziges Wort.
"Wieso?", fragte er.
"Er hat sich nicht gemeldet."
"Überhaupt nicht?"
Thomas schüttelte den Kopf. "Er hat nur geatmet, der blöde Hund. Und dann aufgelegt."
Kalli zuckte die Achseln, nahm seine Zigaretten hervor und zündete sich eine an.
"Was soll's", meinte er leichthin. "Da wollte dich jemand ärgern! Ich würde das nicht so ernst nehmen."
Thomas antwortete fast tonlos. Und Kalli spürte instinktiv, dass sein Chef Angst hatte.
"Er hat das schon dreimal gemacht", presste Thomas heraus. "Bisher immer abends, wenn ich zu Hause bin. Und jetzt zum ersten Mal in der Firma."
Kalli pfiff durch die Zähne.
"Hast du in letzter Zeit mal jemandem böse auf die Füße getreten?"
"Nein."
"Überleg mal!"
"Jedenfalls nicht, dass ich wüsste!"
Kalli versuchte heiter zu wirken.
"Vielleicht einer, der mit dem Auto nicht zufrieden war, das du ihm angedreht hast!"
"Quatsch!", erwiderte Thomas.
"Naja..."
"Ich fahre heute früher nach Hause. Du schaffst das hier auch alleine, oder?"
"Sicher, Chef!"
"Okay."
5
Thomas Hansen parkte den Wagen in der großzügigen Einfahrt seines Bungalows, drehte den Motor ab und saß dann einige Augenblicke lang einfach nur da.
Er fühlte sich scheußlich. Ein ungutes Gefühl machte sich sehr deutlich in seiner Magengegend breit. Er hatte kalten Schweiß auf seiner Stirn.
Thomas versuchte, ruhig zu atmen. Schließlich fühlte er sich ein wenig besser.
Mach dich nicht verrückt, sagte er sich.
Dann stieg er aus, knallte die Wagentür zu und schloss mit einer nachlässigen Bewegung ab.
Als er dann vor der Haustür stand, musste er feststellen, dass er mal wieder seinen Schlüssel vergessen hatte. Da er mit wechselnden Wagen fuhr, die er im Fuhrpark seiner Firma hatte, war der Haustürschlüssel nicht bei denen für das Auto.
Thomas fluchte leise vor sich hin.
Aber die Sache war halb so schlimm. Erstens hatte er einen Ersatzschlüssel auf der anderen Hausseite deponiert und zweitens musste Katja, seine Frau, jetzt bereits zu Hause sein.
Also klingelte Thomas einfach.
Es dauerte ein bisschen, bis Katja auftauchte, um ihm zu öffnen.
"Hallo, Schatz", sagte sie.
Sie lächelte und er versuchte es auch. Aber bei ihm blieb es beim Versuch.
Ein ziemlich kläglicher Versuch, um genau zu sein.
Katja war drei Jahre jünger als er und für ihr Alter immer noch sehr attraktiv. Früher war sie eine richtige Schönheit gewesen - einer der beiden Gründe, aus denen Thomas sie geheiratet hatte.
Der andere war, dass Katja einen ausgesprochenen Sinn fürs Praktische hatte. Das hatte ihn von Anfang an ihr angezogen.
"Na, wie war dein Tag?", fragte sie mit ihrer warm klingenden Stimme.
Thomas zuckte mit den Schultern.
"Nicht so besonders", murmelte er mit hängenden Schultern. "Und bei dir?"
Er nahm sie kurz und etwas nachlässig in den Arm und gab ihr schließlich einen Kuss. Dann trat er ein, pfefferte den Wagenschlüssel auf eine Anrichte und kratzte sich hinter dem rechten Ohr.
Er hatte Durst auf ein Bier.
"Was soll ich dir erzählen?", hörte er Katja indessen sagen. "Wie's bei der Post eben zugeht! Nicht gerade aufregend."
Thomas lächelte dünn.
Dann atmete er tief durch und ließ anschließend einen Teil der aufgesogenen Luft wieder ab. Wie ein ächzender Lastwagen vor der Ampel, der die überschüssige Bremsluft ins Freie ziehen ließ.
Er sagte: "Ich hab dir ja gesagt: Gib diesen Scheiß-Job auf und komm zu mir in die Firma. Die Kramer kriegt doch jetzt ihr Kind, dann will sie erst mal ein halbes Jahr aufhören und unsere Buchhaltung ist jetzt schon einziges Chaos.
"Immerhin ist dieser Scheißjob unkündbar, Thomas", gab Katja lächelnd zurück.
Thomas hob die Augenbrauen. Er versuchte auch zu lächeln, aber es wollte nicht so recht werden.
"Und wer sollte mir kündigen?", fragte er. Er strich mit einer schnellen Bewegung die Haare zurück.
Katjas Antwort ließ ihn dann stutzen.
"Du dir selbst", erklärte sie kühl.
Thomass Lachen wirkte gequält.
"Sehr witzig", murmelte er. In seiner Stimme war ein düsterer Unterton.
Katja sah ihn offen an. "Ich meine es ernst", erklärte sie dann nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. "Ein paar Fehler und du bist ganz schnell pleite. Heute steht das Haus von Grote in der Zeitung. Es wird demnächst versteigert."
Thomas hob die Augenbrauen.
"Ach...", machte er erstaunt.
"Ja, dein ehemalig schärfster Konkurrent mit der Peugeot-Vertretung!"
"Das er pleite ist, ist ja nichts Neues, aber dass er jetzt auch noch sein Haus..."
"Siehst du und wenn es bei uns mal soweit ist, haben wir wenigstens das, was ich bei der Post verdiene!", gab Katja selbstsicher zu bedenken.
"Was man uns dann wahrscheinlich sofort pfänden würde!", erwiderte Thomas.
Katja verschwand im Wohnzimmer. Thomas ging in die Küche.
Er machte den Kühlschrank auf und seufzte hörbar.
"Sag mal, haben wir kein Bier mehr?", rief er zu seiner Frau hinüber.
"Ist alle!", rief Katja zurück. Dann kam sie ebenfalls in die Küche und erklärte: "Tut mir leid, ich musste auf dem Rückweg eine Umleitung fahren und die führte leider nicht nur um die Baustelle, sondern auch um den Supermarkt herum."
"Macht ja nichts", log Thomas und machte eine wegwerfende Handbewegung. Irgendwie schien sich im Augenblick alles und jeder gegen ihn verschworen zu haben.
Aber so eine Phase musste ja auch irgendwann mal zu Ende gehen.
"Mal was anderes", meinte Katja jetzt. "Mit deinem Herrn Sohn wird's wahrscheinlich Probleme mit dem Abi geben..."
"Das ist ja nicht neu."
"Das nicht. Aber es scheint ernst zu sein. Er hat mir nichts gesagt. Nichts Konkretes. Eben nur so Andeutungen. Aber ich habe das im Gefühl.“
"Ich habe immer gesagt, dass er sich das blöde Abi sonstwo hinschmieren kann! Er hätte bei mir im Betrieb lernen können, dann hätte er etwas Handfestes gehabt. Und was ist jetzt? Nur Flausen im Kopf!“
"Thomas..."
"Ja, ist doch wahr!"
"Aber wo ihn Autos doch gar nicht interessieren."
"Ja, meinst du, ich träume nur von Autos?"
"Nein, aber..."
"Aber Geld verdienen lässt sich damit!" Er seufzte und fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. "Wenn er wenigstens noch Aussichten hätte, das Abi auch zu bestehen. Aber er quält sich doch nur so herum auf der Schule. Das ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes."
"Thomas, sieh das Ganze doch mal aus seiner Sicht - oder versuche es zumindest. Ich meine..."
Thomas Hansen war empört. "Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?"
"Es geht doch nicht darum, wer auf welcher Seite steht!"
"Doch, Katja! Genau darum geht es! Und um sonst gar nichts!"
Sie schwiegen eine Weile. Katja kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass es jetzt Beste war, erstmal nichts zu sagen. Sie wartete einfach, so wie sie schon oft genug, abgewartet hatte, bis sich der Sturm wieder legte.
Aber diesmal hatte sie wohl nicht genug Geduld damit.
"Er will studieren", sagte Katja schließlich in die Stille hinein.
Für Thomas war das wie ein Schlag vor den Kopf.
"Was sagst du da?", fragte er ungläubig. Er konnte es nicht fassen, glaubte sich verhört zu haben.
"Ja. Hat er mir gesagt. Theaterwissenschaft."
"So'n Quatsch! Ich muss ihn wohl mal wieder in die Mangel nehmen!"
"Das bringt doch nichts!"
"Das werden wir ja sehen! Glaubst du, ich will, dass er uns auf der Tasche liegt, bis er fünfunddreißig ist?"
"Es gibt Wichtigeres", behauptete Katja allen Ernstes und Thomas machte ein Gesicht, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf.
"Ach, ja?", schnaubte er. „Dann möchte mal wissen, was zum Beispiel!"
"Zum Beispiel, dass er ein glücklicher Mensch wird und etwas macht, was ihn befriedigt, wo er sich verwirklichen kann."
"Sag bloß, du verwirklichst dich in den Büroräumen der Postdirektion!", gab Thomas ironisch zurück.
Sie verzog das Gesicht.
"Leider nicht", erwiderte sie. "Um so mehr wünsche es allerdings meinem Sohn."
Thomas hatte keine Lust, sich weiter darüber zu unterhalten. Heute war einfach nicht in Form, um argumentativ mithalten zu können.
Aber Katja schien auch wenig Freude an der Sache zu haben.
Auf jeden Fall beendete sie das Ganze ziemlich abrupt, indem sie beiläufig sagte: "Es hat übrigens jemand für dich angerufen."
"Und wer?"
Auf einmal war Thomas Hansen wieder mit allen Sinnen präsent. Und das ungute Gefühl in der Magengegend war auch wieder da. Ganz deutlich sogar.
"Moment", meinte Katja und schien einen Augenblick nachzudenken. Dann fuhr sie fort: "Nee, den Namen hab ich vergessen. Der sprach auch nicht sehr deutlich. Er wollte zurückrufen."
Das Telefon klingelte.
Einmal, zweimal...
Katja sagte: "Das wird er sein."
Der Anrufer schien Geduld zu haben.
Er gab nicht auf und ließ es immer wieder klingeln, während Thomas Hansen wie erstarrt dasaß und sich nicht einen Millimeter rührte.
"Willst du gar nicht dran gehen?", fragte Katja.
"Doch, doch..." Er ging die paar Schritte bis zum Telefon sehr langsam. Dann nahm er ab. In seinem Hals steckte ein dicker Kloß, der ihn kaum sprechen ließ.
"Ja?", krächzte er.
Thomas hatte intuitiv gewusst, dass er es war.
Auf der anderen Seite atmete jemand einige Augenblicke lang und legte dann auf. Klick und Ende.
Katja fragte: "Wer war's?"
"Verwählt."
Sie kam aus der Küche und stutzte unwillkürlich, als ihren Mann da so stehen sah. Dann trat sie an ihn heran. "Mein Gott, du bist ja ganz bleich", stellte sie unwillkürlich fest. "Was ist denn los?"
"Nichts ist los!"
"Hast du Ärger gehabt?"
"Komm lass mich in Ruhe!"
"War ja nur 'ne schlichte Frage!"
"Ja, ja..."
"Thomas..."
Ihre Hände berührten seine Schultern, aber war wie ein steifes Brett.
"Ich fahr noch los, um eine Kiste Bier zu holen", meinte er schließlich.
Katja nickte langsam.
"Gut."
"Bis nachher dann..."
"Bis nachher!"
6
Thomas spielte nervös mit dem Autoschlüssel, als er ins Freie trat. Der Himmel hatte sich bewölkt. Es war und diesig geworden.
Gedankenverloren schlenderte er zum Wagen, schloss auf und stieg hinein. Mit einer nachlässigen Bewegung steckte er den Zündschlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und startete. Dann drehte er das Autoradio an.
Eine Staumeldung reihte sich an die andere. Der Feierabendverkehr setzte ein.
Thomas Hansen wollte gerade die Handbremse lösen und blickte auf, da knallte es plötzlich. Während die Frontscheibe zersplitterte, warf er sich zur Seite. Der Schaltknüppel fuhr ihm dabei schmerzhaft in die Rippen.
Dreimal wurde insgesamt geschossen.
Dann heulte der Motor eines davonbrausenden Motorrads auf.
Thomas schnellte hoch, sah vom Fahrer aber nur noch den Rücken.
"Verfluchter Hund!", murmelte Thomas leise vor sich hin.
Wenigstens hatte er keine der kleinen Glasscherben in die Augen bekommen.
Im nächsten Moment hörte er Schritte und die Stimme seiner Frau.
"Thomas!", rief Katjas helle, jetzt leicht hysterisch klingende Stimme.
Thomas öffnete die Wagentür und krabbelte hinaus.
"Ja?", ächzte er, als er wieder auf zwei Beinen stand.
"Thomas, was ist passiert? Die Schüsse..."
"Eine Fehlzündung, sonst nix", meinte Thomas in einem Tonfall, dem nicht anzumerken war, ob das eine ironische Bemerkung war, oder ob er es ernst gemeint hatte.
"Thomas, jetzt erzähl doch keinen Unfug! Ich war in der Küche, ich habe alles genau gesehen. Jemand hat auf dich geschossen und dann ist ein Motorradfahrer davongebraust! Sieh dir die Scheibe an! Und das da im Blech! Einschusslöcher."
"Katja...", murmelte Thomas schwach, während sie ihn an sich drückte, froh darüber, dass ihm nichts passiert war.
"Ich ruf die Polizei", meinte sie dann entschieden und blickte ihm dabei geradewegs in die Augen. "Vielleicht schnappen die den Kerl noch!"
Katja wollte gehen, aber Thomas gelang gelang es gerade noch, sie am Arm zu halten, ehe sie ihm davonschlüpfen konnte.
"Katja, so warte doch!"
Ihr Blick drücke Verständnislosigkeit aus. Sie runzelte verwundert die Stirn.
"Was ist denn?", fragte sie.
"Bleib hier!"
"Jede Minute ist kostbar!"
"Du kannst die Polizei nicht rufen!"
Pause.
Zwei volle Sekunden lang sagte keiner von ihnen auch nur ein Wort. Katja nicht, weil sie einfach zu baff war. Und Thomas nicht, weil ihm einfach nichts Gescheites einfallen wollte, so sehr er seine kleinen grauen Zellen auch anstrengte.
Natürlich war es Katja, die als erste die Fassung wiedererlangte.
"Sag mal, tickt's bei dir noch richtig? Jemand schießt auf dich und du willst die Polizei nicht rufen?“
"Ja, so ist es!"
Katja stemmte die Hände die geschwungenen Hüften.
"Das musst du mir schon erklären!", forderte sie.
Thomas zuckte die Achseln und machte eine unbestimmte Geste mit der Linken. Nachdem er dann tief Luft geholt hatte, meinte er nicht gerade überzeugend: "Die würden den ja doch nicht kriegen!"
"Ach! Aber wenn dir jemand beim Autofahren den Stinkefinger zeigt, dann bist immer gleich mit einer Anzeige da!"
Thomas schluckte, machte einen verlegenen und etwas ratlosen Eindruck. Zweimal setzte er zu einer Erwiderung an, dann sagte er schließlich: "Ich bring jetzt den Wagen in die Werkstatt!"
Eigentlich kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass er die Sache so nicht abtun konnte! Nicht bei Katja!
Sie fasste ihn am Oberarm.
"So kommst du mir nicht davon! Du erklärst mir das jetzt erst mal!"
Thomas zuckte die Achseln.
"Was soll's da zu erklären geben?"
"Kennst du den Kerl auf dem Motorrad?"
Er hob die Augenbrauen. Und seine Antwort kam um den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um noch überzeugend wirken zu können.
"Wie kommst du denn darauf?", meinte Thomas schwach.
Katja fuhr sich mit der rechten durch das dichte Haar.
"Na, irgendeinen Grund muss es doch haben, dass du ihn nicht anzeigen willst", war ihr messerscharfer Schluss.
"Ich hab doch die Nummer gar nicht!"
"Er hatte keine Nummer."
"Was?"
"Wie gesagt, ich stand am Küchenfenster und hab's genau gesehen."
Thomas atmete tief durch.
"Na, siehst du!"
"Quatsch!", meinte Katja entschieden und äffte ihren Mann dann nach: "Na siehst du!"
"Ich meine ja nur, dass die Polizei dann wohl kaum eine Chance hat, den Kerl zu fassen."
Katja runzelte die Stirn.
"Wieso DEN KERL?"
"Häh?"
Als Katja das Gesicht Ihres Mannes sah, dachte sie unwillkürlich an einen Schuljungen, den man dabei erwischt hatte, wie er seine Hausaufgaben abschrieb.
Katja sagte schließlich: "Na, ich konnte unter der Motorradkluft mit dem Helm und so weiter nicht zweifelsfrei sehen, ob das nun ein Männlein oder Weiblein war. Kennst du IHN vielleicht doch?"
Er wurde jetzt gereizt, was sie nur noch mehr in der Auffassung bestätigte, dass hier etwas nicht stimmte.
"Sag mal, was soll das hier?", meinte er. "Wird das ein Detektivspiel oder was?"
"Irgend etwas verheimlichst du mir."
"Ach, Unsinn."
"Hat es vielleicht etwas mit den Anrufen zu tun? Die, bei denen sich keiner meldet?"
"Ach, Quatsch!"
"Ich hab das Gefühl, wir müssen miteinander reden, Thomas!", meinte sie.
Thomas nickte zögernd. "Gut, aber nicht jetzt."
"Und wann dann?"
"Nachher. In Ruhe."
Sie verdrehte die Augen.
"Ach ja, das musste ja kommen! Nachher!"
"Schatz..."
"Du weichst mir aus, Thomas! Und ich frage mich, warum! Jeder von uns kennt den anderen wie seine Westentasche. Wir hatten nie Geheimnisse voreinander und jetzt..."
Sie sprach nicht weiter und er nahm die willkommene Gelegenheit wahr, das Gespräch erst einmal zu beenden.
"Ich bring jetzt erstmal den Wagen in die Werkstatt und hol mir einen Kasten Bier", sagte er tonlos, während er sich bereits halb zum Gehen gewandt hatte.
Katja machte indessen einen letzten Versuch.
"Soll ich nicht doch die Polizei..."
Aber Thomas schüttelte energisch den Kopf.
"Keine Polizei, hörst du?", wies er sie sehr eindringlich an. "Ich erklär's dir ja. Aber nicht jetzt."
Katja seufzte.
"Du verlangst eine ganze Menge!"
"Versprichst du mir, dass du den Hörer auf der Gabel lässt?“
Katja überlegte einen Moment lang.
Dann sagte sie: "Okay."
Aber sie sah ihn dabei nicht an.