Kitabı oku: «BGB Allgemeiner Teil II», sayfa 7
3. Umfang
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Der Umfang der Vollmacht bestimmt sich nach der Erklärung des Vollmachtgebers. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird diese nach den allgemeinen Regeln gem. §§ 133, 157 vom jeweiligen Empfängerhorizont ausgelegt. Die Reichweite einer Innenvollmacht bestimmt sich also nach dem redlichen Verständnis des Vertreters, die Reichweite einer Außenvollmacht nach dem Verständnis des Geschäftspartners.[27]
2. Teil Die Stellvertretung › C. Vertretungsmacht › III. Verbot des Insichgeschäfts, § 181
III. Verbot des Insichgeschäfts, § 181
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In der Klausur haben Sie nach Bearbeitung der bisherigen Prüfungsschritte in einem Zwischenergebnis festgestellt, ob der Vertreter bei Vertragsschluss überhaupt gesetzliche Vertretungsmacht oder eine Vollmacht hatte und ob die sich daraus ergebende Vertretungsmacht das Geschäft grundsätzlich abdeckt.
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In der Prüfung ist nun an eine Beschränkung der Vertretungsmacht nach dem allgemeinen Verbot des Insichgeschäfts in § 181 zu denken. Das Verbot des § 181 schränkt sowohl die gesetzliche als auch die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Vertreters ein, mit der Folge, dass dieser beim Insichgeschäft als Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.d. §§ 177, 180 gehandelt hat.[28]
1. Insichgeschäft
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Ein Insichgeschäft liegt bei Vertragsschlüssen dann vor, wenn der Vertreter auf beiden Seiten tätig ist, indem er entweder selbst Vertragspartei ist und zugleich den anderen Vertragspartner vertritt (sog. „Selbstkontrahieren“) oder indem er auf beiden Seiten als Vertreter der Vertragsparteien (sog. „Mehrvertretung“) auftritt.
Beispiel
„Selbstkontrahieren“: Der Vormund des M kauft dem M eine wertvolle Uhr ab, indem er den Vertrag im eigenen Namen als Käufer und gleichzeitig als Vertreter des M in der Rolle des Verkäufers schließt.
Beispiel
„Mehrvertretung“: Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er den Vertrag im Namen seiner Frau als Käuferin und gleichzeitig als Geschäftsführer der X GmbH in deren Namen als Verkäuferin schließt.
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Der Vertrag als Insichgeschäft kommt durch die Erklärungen derselben Person zustande. Das ändert aber nichts daran, dass die Erklärungen – wie sonst auch – nach außen zutage getreten sein müssen. Das Insichgeschäft kann sich also nicht allein gedanklich im Kopf des Vertreters abspielen.[29]
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass grundsätzlich niemand die Interessen von zwei verschiedenen Personen gleichzeitig mit der gebotenen Sorgfalt und Umsicht wahrnehmen kann. Beim Insichgeschäft droht für eine Partei typischerweise ein wirtschaftlicher Nachteil, weshalb in § 181 ein generelles Verbot ausgesprochen wurde.
2. Analoge Anwendung bei Umgehungsgeschäften
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Ein Vertreter könnte auf die clevere Idee kommen, den Tatbestand des § 181 zu umgehen, indem er einen weiteren Vertreter einschaltet und damit das Geschäft nicht mehr alleine vornimmt.
Beispiel 1
„Selbstkontrahieren“: Im Beispiel oben kauft der Vormund des M dessen wertvolle Uhr ab, indem er den M in der Rolle des Verkäufers vertritt und sich selbst als Käufer von einem eigens hierfür beauftragten Stellvertreter vertreten lässt.
Beispiel 2
„Mehrvertretung“: Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er bei Vertragsschluss seine Frau als Käuferin vertritt. Außerdem bevollmächtigt er als Geschäftsführer der X GmbH einen Dritten, der im Namen der Gesellschaft auf Verkäuferseite handelt.
Da derartige Umgehungstatbestände den Vertretenen im Ergebnis denselben Gefahren aussetzen wie reine Insichgeschäfte, wendet man § 181 hier analog an.[30]
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Eine Umgehung liegt aber dann nicht vor, wenn der weitere Vertreter nicht eigens für dieses Geschäft eingeschaltet wurde und dem Vertretenen aufgrund eines besonderen Grundverhältnisses selbstständig verantwortlich ist.
Beispiel
Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er bei Vertragsschluss seine Frau als Käuferin vertritt, während die X GmbH durch den bei ihr angestellten Prokuristen P vertreten wird. Der Prokurist ist hier in eigener Verantwortung für die Gesellschaft als seiner Arbeitgeberin tätig, so dass im Hinblick auf die arbeitsvertraglichen Pflichten gerade nicht davon auszugehen ist, die Gesellschaft werde durch ihn unsachgemäß vertreten.[31]
3. Ausnahmen
a) Gestattung durch Einwilligung
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Das Verbot des Insichgeschäfts setzt nach der Formulierung in § 181 voraus, dass dem Vertreter dieses Geschäft nicht gestattet ist.
Die Gestattung kann sich zunächst aus einer vorherigen Zustimmung (= Einwilligung gem. §§ 182, 183) des Vertretenen ergeben.[32] Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 181, der ja den Vertretenen vor einer unsachgemäßen Vertretung schützen will. Dem Vertretenen steht es frei, auf diesen Schutz freiwillig zu verzichten. Die Gestattung durch Einwilligung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das durch empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vertreter vorgenommen wird, § 182 Abs. 1. Im Fall der Mehrvertretung ist nach § 182 Abs. 1 auch eine Erklärung gegenüber dem anderen Vertretenen möglich. Die Gestattung ist selbst bei Formbedürftigkeit des vom Vertreter geplanten Rechtsgeschäfts formfrei möglich, § 182 Abs. 2. Sie kann deshalb auch „konkludent“ erteilt oder mit der Vollmachtserteilung verbunden werden.
Beispiel
A erteilt dem V Innenvollmacht „unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181“. Darin liegt einmal eine Bevollmächtigung nach § 167 Abs. 1 Var. 1 und eine Gestattung nach §§ 182 Abs. 1, 183, Insichgeschäfte vorzunehmen.
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Bis zur Vornahme des Insichgeschäfts ist die Gestattung grundsätzlich widerruflich, § 183 S. 1.
b) Gestattung durch Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag
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Die Mitglieder juristischer Personen oder rechtsfähiger Personengesellschaften können in ihren Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen bestimmen, dass ihre Organe von den Beschränkungen des § 181 befreit sind.[33] Dann gilt dies automatisch für jedes Organ und muss nicht eigens gegenüber jedem neuen Organmitglied erklärt werden. Möglich ist auch eine Regelung, dass die Befreiung im Einzelfall von dem für die Bestellung zuständigen Organ erteilt werden kann.[34]
c) Gestattung kraft Gesetzes
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Auch durch das Gesetz werden bestimmte Insichgeschäfte gestattet. Dies geschieht zum einen außerhalb des § 181, etwa in § 1009 Abs. 2 oder in § 10 Abs. 3 BBiG.
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Viel wichtiger ist aber die Ausnahme in § 181 Hs. 2 für den Fall, dass das Rechtsgeschäft lediglich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient. Denn durch die Erfüllung droht dem Vertretenen in der Regel keine zusätzliche wirtschaftliche Gefahr mehr, da es lediglich um den Vollzug dessen geht, was bereits verbindlich geregelt ist. Dem Vertretenen bleibt ohnehin keine andere Wahl, als zu erfüllen. Es kann nicht mehr anders entschieden werden. Das setzt aber stets voraus, dass die Verbindlichkeit auch tatsächlich besteht.
Beispiel 1
Der nach dem Gesellschaftsvertrag nicht allgemein von den Beschränkungen des § 181 befreite Geschäftsführer G der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau F ein Firmenfahrzeug ab, indem er den Vertrag im Namen der F als Käuferin und gleichzeitig als Geschäftsführer der X GmbH in deren Namen als Verkäuferin schließt. Wenn der G den Pkw an F im Wege des Insichgeschäfts zur Erfüllung des Kaufvertrages nach § 929 übereignet, ist auch die Einigung i.S.d. § 929 S. 1 nach §§ 177 Abs. 1, 181 schwebend unwirksam. Da der Kaufvertrag wegen §§ 177 Abs. 1, 181 noch nicht wirksam ist, besteht auch noch kein vertraglicher Anspruch der F auf Übereignung. Die Übereignung des Pkw fällt dann nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahme nach § 181 Hs. 2, so dass es beim Vertretungsverbot bleibt.
Beispiel 2
Wäre die F bei der Übereignung hingegen selbst im eigenen Namen aufgetreten und hätte G nur für die GmbH gehandelt, läge insoweit kein Insichgeschäft vor. Die Übereignung wäre wirksam, sofern kein sonstiger Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht vorliegt (dazu sogleich unter Ziff. IV). Genehmigen die Gesellschafter den nach §§ 177, 181 schwebend unwirksamen Kaufvertrag über den Pkw nicht, müsste F Eigentum und Besitz am Pkw wieder an die Gesellschaft zurückgeben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1). Die Rückübereignung nach § 929 S. 1 könnte G nun im Wege des Insichgeschäfts nach § 181 Hs. 2 vornehmen, da damit die Verbindlichkeit der F gegenüber der Gesellschaft aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 erfüllt wird.
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Allerdings kann es Fälle geben, in denen allein mit dem Erfüllungsgeschäft Gefahren für den Vertretenen verbunden sind. Hier findet der Ausnahmetatbestand des § 181 Hs. 2 keine Anwendung.[35]
d) Ungeschriebene Ausnahme
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Schließlich findet § 181 dann keine Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen rechtlich lediglich vorteilhaft.[36] Nach seinem Sinn und Zweck ist in diesen Fällen keine Beschränkung gerechtfertigt, da dem Vertretenen kein Nachteil droht.
Hinweis
Man nennt diese Vorgehensweise methodisch eine „teleologische Reduktion“ des Tatbestandes. Sie ist das Gegenstück zur analogen Anwendung.
Beispiel
Die verheirateten Eltern der 4 Jahre alten T schenken ihr zum Geburtstag eine Puppe. Da T nach §§ 104 Nr. 1, 105 Abs. 1 den Schenkungsvertrag mit ihren Eltern nicht abschließen kann, muss sie von ihren Eltern vertreten werden. Gleiches gilt für die Übereignung der Puppe nach § 929 S. 1, da eine Einigung mit T nicht zustande kommen kann. Dem Wortlaut des § 181 folgend würde das Geschenk aber „platzen“: Die Eltern könnten ihre Tochter bei der Übereignung nicht vertreten, da ein Insichgeschäft (Fall des Selbstkontrahierens) vorliegt und die Ausnahme nach § 181 Hs. 2 nicht greifen kann. Der Schenkungsvertrag wäre wegen §§ 177, 181 und – wenn man § 518 Abs. 1 auch auf die vorliegende Handschenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 bezieht[37] – auch nach §§ 125 S. 1, 518 Abs. 1 unwirksam, so dass keine Verbindlichkeit besteht, die durch die Übereignung erfüllt werden könnte! Diesen juristischen Unsinn löst man nun wie folgt auf:
Aufgrund teleologischer Reduktion des § 181 sind die Eltern bei Abschluss des Schenkungsvertrages und bei der Einigung nach § 929 S. 1 von den Beschränkungen des § 181 befreit und können beide Verträge durch Insichgeschäft mit T schließen. Der Schenkungsvertrag wäre – sofern man eine Formbedürftigkeit nach § 518 Abs. 1 bejaht – auch nicht nach §§ 125 S. 1, 518 Abs. 1 unwirksam, da der Formmangel durch Vollzug nach § 518 Abs. 2 geheilt worden ist.
2. Teil Die Stellvertretung › C. Vertretungsmacht › IV. Missbrauch der Vertretungsmacht
IV. Missbrauch der Vertretungsmacht
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Die Fallgruppen des § 181 erfassen nicht alle möglichen Gefahren, die sich für den Vertretenen aus dem Handeln eines ansonsten berechtigten Vertreters ergeben können. Deswegen will man auch in anderen Fällen zu einem Schutz des Vertretenen gelangen und seine unmittelbare Bindung an das Handeln seines Vertreters verhindern.
Möglicherweise entspricht ein Rechtsgeschäft, das der Vertreter vorgenommen hat, nicht den Bestimmungen des Grundverhältnisses zwischen ihm und dem Vertretenen. Der Vertreter handelte zwar innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht, hat dabei aber Pflichten des Grundverhältnisses verletzt. Kurz: Der Vertreter handelte innerhalb seines rechtlichen Könnens, aber außerhalb seines rechtlichen Dürfens.
1. Grundsatz
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Nach §§ 164, 177, 180 kommt es nicht auf das Grundverhältnis an, sondern allein auf die Vertretungsmacht. Pflichtverletzungen des Vertreters allein in Bezug auf das Grundverhältnis haben damit auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts grundsätzlich keinen Einfluss, sondern lösen allenfalls Schadensersatzansprüche des Vertretenen gegen den Vertreter aus, insbesondere nach §§ 280 ff.
2. Ausnahmen
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Von diesem Grundsatz macht man aber immer dann Ausnahmen, wenn der Geschäftspartner des Vertretenen nicht schutzwürdig ist und den Interessen des Vertretenen an einer Verhinderung seiner unmittelbaren Bindung durch das Vertretergeschäft der Vorzug zu geben ist.
a) Evidenter Missbrauch ohne Schädigungsabsicht
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Wenn der Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages den Pflichtverstoß des Vertreters im Innenverhältnis zum Vertretenen kannte oder dieser bei Abschluss des Vertrages objektiv evident war, erscheint er nicht schutzwürdig. Schließlich ist dem Vertragspartner in diesen Fällen ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242) anzulasten, da er sich nicht um einen direkten Kontakt mit dem Vertretenen bemüht hat, um dessen Zustimmung einzuholen. Eine objektive Evidenz ist immer dann anzunehmen, wenn sich dem Vertragspartner der Pflichtverstoß aufgrund „massiver Verdachtsmomente aufdrängen musste“ und er den Missbrauch der Vertretungsmacht damit zumindest grob fahrlässig verkannt hat.[38] Damit will man verhindern, dass sich der Vertragspartner – mit der praktisch nicht widerlegbaren – Behauptung herausreden kann, einen Missbrauch der Vertretungsmacht tatsächlich nicht gekannt zu haben.
Hinweis
Nimmt der Vertreter erlaubtermaßen ein Insichgeschäft vor, kann diese Fallgruppe ebenfalls zum Tragen kommen. Nämlich dann, wenn der Vertreter als Vertragspartner (Fall des Selbstkontrahierens) bzw. als Vertreter des anderen Vertragspartners (Fall der Mehrvertretung) bösgläubig im Hinblick auf die ihm gezogenen Grenzen im Grundverhältnis zum Vertretenen war.[39]
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Umstritten war bislang, ob und in welchen Fällen der Vertreter seinerseits in Bezug auf seine Pflichtverletzung und den damit verbundenen Missbrauch seiner Vertretungsmacht vorsätzlich gehandelt haben muss.
Nach herrschender Ansicht kommt es auf einen Vorsatz des Vertreters nicht an.[40] Schließlich geht es um die Schutzwürdigkeit des Vertragspartners, die nicht vom Vorsatz des Vertreters abhängt. Entscheidend ist allein das vorsätzliche bzw. grob fahrlässige Verhalten des Vertragspartners.
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In der Vergangenheit hatte der BGH aber beim Missbrauch einer im Umfang gesetzlich unbeschränkbar vorgegebenen Vertretungsmacht Vorsatz des Vertreters im Hinblick auf den Missbrauch seiner Vertretungsmacht und die damit verbundenen Nachteile für den Vertretenen gefordert.[41]
Beispiele
Im Umfang kraft Gesetzes unbeschränkbar vorgegeben sind beispielsweise die Vertretungsmacht der Organe einer OHG und KG (§§ 126 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), einer Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 126 HGB), des Geschäftsführers einer GmbH (§ 37 Abs. 2 GmbHG), des Vorstandes einer AG (§ 82 Abs. 1 AktG) und einer Genossenschaft (§ 27 Abs. 2 GenG) oder die Vertretungsmacht des Prokuristen (§§ 49, 50 Abs. 1 HGB).
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In einer jüngeren Entscheidung ist der BGH von diesem Erfordernis aber wieder abgerückt, so dass sich die Meinungsverschiedenheiten in diesem Punkt erledigt haben dürften.[42]
JURIQ-Klausurtipp
Die Differenzierung nach Art der missbrauchten Vertretungsmacht ist nicht plausibel, so dass die besseren Argumente für eine einheitliche Verneinung eines Vorsatzerfordernisses in allen Fällen sprechen. Allerdings werden kaum Fälle vorkommen, wo dem Vertreter der Missbrauch seiner Vertretungsmacht nicht bewusst, dafür dem Vertragspartner aber evident zutage getreten ist. Auf den Streit wird es in der Klausur daher kaum ankommen. Sollte es so sein, entscheiden Sie sich gegen ein Vorsatzerfordernis beim Vertreter, zumal auch der BGH diesen Weg wieder eingeschlagen zu haben scheint.
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Ein evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht führt dazu, dass der Vertrag entgegen der Regel des § 164 keine unmittelbare Wirksamkeit für und gegen den Vertretenen entfaltet. Methodisch wird dieses Ergebnis dadurch erreicht, dass dem Vertragspartner die Berufung auf die tatsächlich bestehende Vertretungsmacht nach Treu und Glauben (§ 242) wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verwehrt ist.[43] Das führt dann zur Anwendung des § 177 und eröffnet dem Vertretenen auf diese Weise die Möglichkeit, den Vertrag doch noch zu genehmigen und damit wirksam werden zu lassen.[44]
Beispiel
Die X GmbH (X) will auf einem ihrer Grundstücke ein Bürogebäude errichten lassen. Ihr Geschäftsführer G holt bei verschiedenen Architekten Angebote ein. Der Architekt A will sich den Auftrag unbedingt „sichern“ und verabredet mit dem G, dass er ihm 25 000 € zahlt, wenn er ihn mit den Architektenleistungen beauftragt. Dem kann G nicht widerstehen und schließt im Namen der X mit A den (Werk-) Vertrag, der die übliche Vergütung für Architekten und eine bei Vertragsschluss zu zahlende Abschlagszahlung von 50 000 € vorsieht. Das an G zu zahlende „Schmiergeld“ findet in der vertraglichen Vergütung keine Berücksichtigung, sondern wird von A „aus eigener Tasche“ gezahlt. Als den Gesellschaftern der X die Bestechung des G bekannt geworden ist, berufen sie den G als Geschäftsführer ab (§§ 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 GmbHG). Der als neuer Geschäftsführer bestellte Y verlangt von A die bei Vertragsschluss geleistete Vorauszahlung in Höhe von 50 000 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 zurück. Er meint, dass der Vertrag zwischen X und A nicht wirksam zustande gekommen sei.
Der Anspruch ist begründet. Zwar hat G im Namen der X einen Vertrag mit A geschlossen, der die X zur Vorauszahlung der 50 000 € verpflichtete. Der Vertrag ist jedoch nach § 177 schwebend unwirksam. Dem A ist es nach § 242 verwehrt, sich auf die im Außenverhältnis unbeschränkbare und umfassend ausgestaltete Vertretungsmacht des G nach §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2 GmbHG zu berufen. Der G hatte als Geschäftsführer nach § 43 Abs. 1 GmbHG in der Auswahl des Architekten die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Dem widerspricht es, den Vertrag mit einem Architekten zu schließen, der ihn gerade bestochen und damit den Straftatbestand des § 299 Abs. 2 StGB verwirklicht hat.[45] Auch wenn mit dem Vertrag eine konkrete Schädigung der Gesellschaft nicht verbunden ist, bestand die allgemeine Pflicht, an strafbaren Handlungen nicht mitzuwirken, geschweige denn, diese selbst zu begehen (§ 299 Abs. 1 StGB). Da A vorsätzlich handelte, konnte er kein schutzwürdiges Vertrauen in das wirksame Zustandekommen des Vertrages entwickeln. Da auch G seinen Pflichten vorsätzlich zuwider handelte, kann die Frage, ob und welches Verschulden den Vertreter treffen muss, um dem Vertretenen den Einwand des Rechtsmissbrauches nach § 242 zu eröffnen, dahin gestellt bleiben.
Da die X GmbH den Vertrag in der Folge nicht genehmigt, sondern die Genehmigung mit ihrem Rückzahlungsbegehren konkludent verweigert hat, ist der Vertrag endgültig unwirksam.
b) Kollusion
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Der Missbrauch der Vertretungsmacht kann so weit gehen, dass Vertreter und Vertragspartner bei Vertragsschluss vorsätzlich und einvernehmlich die dem Vertreter im Grundverhältnis gezogenen Grenzen überschreiten, um dem Vertretenen „hinter seinem Rücken“ Schaden zuzufügen. Man spricht hier von einem „kollusiven Zusammenwirken“ oder kurz von „Kollusion“. Die herrschende Meinung erklärt den unter diesen Umständen geschlossenen Vertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten kurz und bündig nach § 138 Abs. 1 für nichtig.[46] Vertretbar ist es methodisch aber ebenso, die Wirksamkeit des Vertrages wie oben an § 177 Abs. 1 und der regelmäßig fehlenden Genehmigung des Vertretenen scheitern zu lassen.[47]
Beispiel
Stellen Sie sich vor, im vorstehenden Beispiel der Geschäftsführerbestechung hätten G und A ausgemacht, dass an G zu zahlende Schmiergeld in entsprechend erhöhte Architektenhonorare versteckt „einzurechnen“ und damit im Ergebnis von der Gesellschaft bezahlen zu lassen. Dann folgt die Unwirksamkeit des Vertrages nach herrschender Ansicht aus § 138 Abs. 1 und nicht aus § 177. Da eine Genehmigung des Vertretenen in diesen Fällen erst recht nicht zu erwarten ist, werden sich die beiden Lösungsvarianten im Ergebnis nicht unterscheiden.
2. Teil Die Stellvertretung › C. Vertretungsmacht › V. Vertretungsmacht aufgrund entstandenen Rechtsscheins