Kitabı oku: «An Willem», sayfa 3

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Boye, der sich in diesem Fall einmal eher und etwas näher im Bereich des Ausführbaren aufhielt, verband in einem erneuten Redebeitrag die Erfindung seiner Pumpe mit der Erfahrung um die Dampfausnutzung, Eisengießerei und Schienenkarre. Er schilderte Sieke die Möglichkeit einer dampfbetriebenen Brandwehr in der Stadt, die schnell und auf Schienen zu jedem Haus des Ortes gelangen könne.

Obwohl die Männer immer neue und fantasiereichere Umsetzbarkeiten ihrer Arbeiten aufzeigten und sogar auf den schon erprobten Nutzen in anderen Ländern hinwiesen, schienen sie damit Sieke nicht umstimmen zu können, die darauf hinwies, sie würde ihre Hausarbeit trotz allem in Kürze komplett einstellen, wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändere.

Damit waren Boye und Bendix nun vor existentielle Probleme gestellt, die sie noch weiter als die sich zunehmend verzweigenden Vorbereitungsarbeiten von ihrem Plan, der Schiffshebung, abbrachten. In langen und tiefschürfenden Debatten versuchten sie, eine für alle tragbare Lösung zu finden, die ihnen sowohl die Arbeitskraft Siekes wie die Fortführung ihrer wegweisenden Entdeckungen sichern sollte.

Doch erst ein Gespräch mit Pedersen brachte ihnen einen zeitlichen Aufschub der Arbeitsniederlegung Siekes.

Pedersen schickte ein junges Mädchen von vierzehn Jahren in die Stadt, Ingke Ketels, die Sieke nun im Haus half. Außerdem schlug er den beiden Männern vor, sich ähnlich wie mit der Kippkarre mehr Gedanken darüber zu machen, wie die neuen technischen Erkenntnisse auch für die Hausarbeit Siekes nützlich werden könnten. Damit eröffnete Pedersen bei Boye und Bendix zwar einen neuen Beschäftigungsbereich, der nichts mehr mit dem eigentlichen Plan gemein hatte, hoffte aber, mit einiger Verzögerung den großen Traum umso günstiger und schneller verwirklicht sehen zu können.

Der gesamte Sommer und Herbst 1824 verging damit, Erfindungen für den Haushalt auszudenken und wieder zu verwerfen. Dabei war man auf die Idee gestoßen, mit einem Räderwerk wie bei einer Uhr eine Bewegung fortzusetzen, die die Wäsche in einem Bottich sich drehen ließ, bis sie gesäubert war, die aber auch gleichzeitig eine Mangel, einen Webstuhl, ein Mahlwerk und rotierende Messer bedienen konnte.

Zur technischen Weiterbildung reisten die beiden Erfinder sogar in die umliegenden Städte, besuchten Uhrmacher und hielten sich stundenlang in den Uhrwerken der großen Kirchen auf. Ebenso erkundeten sie die umliegenden Mühlen und untersuchten genau den Mechanismus, der durch das Drehen der Flügel in Gang gesetzt werden konnte, studierten die Übergänge von der Flügelwelle und dem Kammrad auf das Kronenrad und die Königswelle und schließlich auf das Spindelrad und die Spindel. Zu Hause saßen sie dann zusammen, um die Geheimnisse der Übersetzung von Zahnrädern rechnerisch und zeichnerisch zu entschlüsseln. Dabei kamen sie auf den Gedanken, die Drehbewegungen auch zum Antrieb einer Scheibe zu nutzen, auf der die Kinder im Garten spielen könnten und auf der kleine Pferdewagen und Segelschiffe langsam im Kreis fahren würden. Schließlich reifte in den beiden Männern aber ein Vorhaben, das – so weit bekannt - in den Herzogtümern Schleswig und Holstein und weit darüber hinaus nicht seinesgleichen fand.

Es war die Idee einer kombinierten Wasser-, Heißwasser- und Heizversorgung des Wohnhauses, ein Vorhaben, die sofort in Angriff genommen wurde.

Zunächst jedoch mussten Gartengrundstücke aus der Nachbarschaft erworben werden, um mehr Platz zu schaffen und Siekes Ablehnung weiter zu mindern. Dafür nahm Boye Geld bei seinem Schwiegervater auf. Dann begann man mit der Errichtung eines Lagerplatzes für Holz, Torf und englische Steinkohle sowie eines Heizkessels mit darüber liegendem Wasserkessel. Außerdem wurde ein neuer und sehr tiefer Brunnen gegraben. Bendix beschäftigte sich mit der Herstellung und Verlegung der Rohre, weil Boye eine neue Pumpe konstruierte, die das Wasser sowohl zum Kessel wie auch zum Wohnhaus drücken und nicht mehr von einem Menschen, sondern durch Wasserdampf bewegt werden sollte.

Als die weitere Arbeit in dem strengen Winter unterbrochen wurde, hatte sich das gesamte Grundstück verändert. Der Hof, der Stall und die Latrine waren wieder frei zugänglich. Nur die ehemaligen Gärten sahen für einen ungeübten Betrachter aus wie ein Schlachtfeld. Der für die Rauchabführung geplante Schornstein ragte schon zehn Fuß aus allem hinaus und deutete den Anwohnern und zufälligen Besuchern an, dass sich hier etwas sehr Bedrohliches anbahnen würde.

Eine gesamte Wandlänge meines Raumes fasst die Bibliothek Jasper Jaspersens. Hinter großen, verglasten Türen habe ich mir diese Bücher erhalten, von denen sehr viele aus dem Besitz seines Vaters, eines alten jütischen Apothekers aus Skagen, stammen. Alle Bücher haben einen Wasserschaden. Noch wertvoller sind mir aber die Bücher Pedersens und natürlich die von Anders. Sie stehen ebenfalls hinter Glas an der anderen Wandseite. Es sind Schätze – was immer daraus wird.

Im neu angebrochenen Jahr 1825 hatte sich Jasper Jaspersen ein Herz gefasst, um endgültig das Gespräch mit Pedersen einzufädeln. Trotz einer drohenden Sturmflut hatten sich die Lehnsleute unter Vorsitz des Pfennigmeisters in den ersten Februartagen versammelt, um über die Hebung der Abgaben und die allgemeine Rechnungsführung für die einzelnen Kirchspiele zu beraten. Jaspersen hatte an diesem Tag die Apotheke geschlossen, weil er sich mithilfe seiner Bibliothek gut auf das Zusammentreffen vorbereiten wollte. Nach Einbruch der Dunkelheit zögerte er aber sein Fortgehen immer weiter hinaus, bis er sich endlich entschloss, sich neu ankleidete und in großer Hast durch den Sturm zur Gaststätte, dem Ort der Versammlung, peste.

Zum Glück saß Pedersen noch dort vor einem dampfenden Grog und befand sich in einem langsam auslaufenden Gespräch mit mehreren Kleinbauern der Umgebung. Auf den ersten Blick registrierte der Apotheker, dass die Bauern vor leeren Gläsern saßen und sich offensichtlich auf den Nachtweg vorbereiten wollten. Jaspersen, dessen Erscheinen in der Gaststube für ungewöhnlich gehalten wurde, weil er solche Orte in der Regel mied, erregte sofort großes Aufsehen und wurde von Pedersen zu einem starken Getränk eingeladen, während die Bauern planmäßig ihren Rückzug durchführten.

Von Pedersen auf die Wirtschaftlichkeit der Apotheke angesprochen pries er den guten Ruf seines Geschäftes und seiner eigenen Erfindungen, über die tatsächlich viel gesprochen wurde. Dann versuchte er, den alten Mann sehr geschickt auszufragen und sich nach dem Wohlergehen der Familie Deletre zu erkundigen, wobei er, wie jeder andere auch, die Vokale des Nachnamens breit aussprach. Auf seine Frage, woher wohl dieser ungewöhnliche Name käme und ob etwa ein französischer Soldat oder Seemann dahinterstecken würde, erntete er einen langen Vortrag über die Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich und über die schon immer liberale Grundhaltung der Menschen in diesem Teil des Landes, die offen gegenüber Fremden seien und jedem Tüchtigen eine gute Chance gäben, so auch dem Apotheker, der sich ja prächtig eingelebt habe und sehr schnell Ratsmann geworden war.

Diese Äußerung empfand Jaspersen als boshaften Angriff, wollte aber wegen der Verfolgung seines eigentlichen Ziels nicht darauf eingehen. Dennoch verlor er zunächst sein Konzept, denn immer wieder mischte sich der ketzerische Gedanke des Altbauern in seine Strategie ein.

Bei einem weiteren Grog verließ ihn schon seine Diplomatie, und er fragte geradeheraus, wo denn die versunkene CAROLINE MATHILDE eigentlich liege, auf schleswigscher oder auf holsteinischer Seite des Flusses, und ob es bei dieser Unklarheit nicht rechtlich bedenklich sei, die erhofften Schätze privat vereinnahmen zu wollen. Pedersen antwortete sehr spontan und fragte: „Was geht denn das den Apotheker an?“

Dennoch verlor Jaspersen auch jetzt nicht seine Fassung: „Hier handelt es sich doch um dänisches Nationalgut, Herr Pedersen. Liegt dieses jedoch auf holsteinischer Seite, dann kommt doch eventuell Ihre Abmachung mit Kopenhagen nicht zur Geltung, weil Holstein dem deutschen Bund angehört.“

Pedersen wies darauf hin, dass die CAROLINE MATHILDE ein dänisches Schiff gewesen und mit dänischer Ladung versunken sei. Entsprechend habe er dänische Verträge abgeschlossen, und das Herzogtum Holstein würde - wenn auch Mitglied im Deutschen Bund - von Dänemark verwaltet werden.

Doch gerade das zuletzt genannte Argument nahm Jaspersen zum Anlass weitschweifender Ausführungen. Er ging zunächst darauf ein, dass die Verwaltung großer Teile von Schleswig und Holstein trotz eines 1776 erlassenen Gesetzes, das nur in Dänemark Geborenen erlaubte, Ämter im Königreich einzunehmen, von Deutschen oder deutsch Gesinnten wahrgenommen würde.

„Im Übrigen“, so stellte er weiter fest, „kennen wir doch das deutsche Denken, besonders das der deutschen Professoren, die, nachdem die Geschichte des nordischen Altertums nun wie ein offenes Buch vor uns liegt, uns dieses nehmen wollen, indem sie sich als Teil unserer Geschichte begreifen. Doch unser Volk, mein lieber Pedersen, hat durch seine Vergangenheit eine ganz eigene Prägung. Wir sind Dänen und Skandinavier und haben mit den rückständigen deutschen Kleinstaaten so wenig gemein wie mit den Romanen und Slaven. NORDENS AAND und NORDENS OLDEN, das ist unser, Pedersen. Die Umarmung der Deutschen weisen wir zurück.“

Der Lehnsmann hatte Äußerungen dieser Art schon mehrfach gehört und auch gelesen, sich aber immer einer ernsthaften Auseinandersetzung damit verweigert. Zum ersten Male in seinem Leben nahm er nun aber Stellung: „Mein lieber Jaspersen, ich weiß nicht so genau, was dieses Thema mit der CAROLINE zu tun hat. Wenn Sie aber meine Meinung zu dieser Sache hören wollen, dann sage ich Ihnen: Ich bin Friese!“

Das rief bei Jaspersen einen viel zu hohen und lauten, hysterischen Ton hervor, durch den andere Gespräche in der Gaststube zunächst verstummten. Das allerdings bemerkte er nicht und führte unerschrocken und für alle hörbar das Gespräch fort: „Und ich bin Jüte, Pedersen, und beide sind wir Dänen. Dänen! Wir haben loyal zu unserem König zu stehen. Was auch immer dieses Schiff für archäologische Kostbarkeiten transportiert hat. Es gehört Dänemark.“

Mit dieser Äußerung hatte Jaspersen endgültig die konzentrierte Aufmerksamkeit aller Zuhörer auf sich gelenkt, und alle bemühten sich kräftig, die nun leiser werdenden Sätze des Apothekers auch noch zu verstehen, wenn sie auch nicht zu begreifen waren: „Pedersen, ich biete Ihnen meine Hilfe und Verschwiegenheit an. Wir holen die Sachen aus dem Schiff raus, bevor die deutschen Professoren es überhaupt bemerken.“

Plötzlich kam es zu einer für fast jeden Gast bedauerlichen Unterbrechung, weil der Gemeindeausrufer Lorenzen die Tür der Gaststube aufgerissen hatte und laut hineinbrüllte: „Krebse! Krebse! Auf dem Marktplatz!“

Zunächst verharrten alle in kurzem Nachdenken darüber, ob man dem schwachsinnigen Ausrufer Meldungen dieser Art glauben könne. Dann jedoch fiel einigen ein, dass die übrigen Meldungen, die Lorenzen auszurufen hatte, recht häufig der Wahrheit entsprachen. Sehr schnell zahlten alle Gäste, zogen sich warm an und verließen die Gaststätte, unter ihnen auch Pedersen und Jaspersen. Es war nach zehn Uhr abends, und die Kirchenglocken hatten angefangen zu läuten.

Der stürmische Marktplatz, und nur dieser Platz, war dicht besiedelt mit handgroßen, bräunlichen und hellblauen Krebsen, die entweder still dasaßen oder langsam übereinander herliefen. Da keine neuen Tiere dazukamen, war all den Anwohnern, die herbeigeeilt waren, unklar, woher die Krebse wohl kämen und ohnehin, warum sie sich zu dieser außerordentlichen Versammlung eingefunden hätten. Staunend und stumm standen mehr als siebenhundert Menschen mit Laternen um den Platz herum, bis Klaasen aufgefordert wurde, das überflüssige Geläute endlich abzustellen, denn es seien ja nur Krebse, und es gäbe keine Bedrohung durch Sturmflut, Feuer oder irgendeine angreifende Armee. Nach Beendigung des Glockenlärms lösten sich zunehmend Menschen aus der Menge, holten Säcke und sammelten so viele Tiere ein, wie sie tragen konnten. Doch so viele Krebse auch eingesammelt wurden, schien ihre unglaubliche Menge nicht abzunehmen. Klaasen nutzte diese Nacht für eine kleine Predigt unter offenem Himmel, erzählte von den neun Plagen, über die Moses berichtet hatte und erwähnte besonders ausführlich die zweite Plage, die Frösche.

„Bittet den Herrn für mich“, brüllte er in die Dunkelheit, „dass er die Frösche von mir und meinem Volk nehme, so will ich das Volk lassen, dass es dem Herrn opfere.“

Einige Anwesende nahmen diese Worte sehr ernst, einige aber schüttelten den Kopf, denn Frösche waren doch etwas völlig anderes und nicht so ohne weiteres mit Krebsen zu vergleichen.

Um Mitternacht trennte sich Pedersen von dem verstummten Apotheker, dem er den Rat gab, in der zuvor besprochenen Angelegenheit doch eher Kontakt mit dem Sohn und Schwiegersohn herzustellen.

Am nächsten Morgen wurde kein Krebs mehr auf dem Marktplatz gesehen, und nur die Festessen, die an diesem Tag in vielen Häusern stattfanden, zeugten von dem nächtlichen Ereignis. Noch wochenlang hielt sich hartnäckig das Gerücht in der Stadt, die Tiere seien aus unterirdischen Gängen der vor mehr als hundert Jahren geschleiften Festungsanlage gekommen, denn diese Gänge würden die gesamte Stadt untertunneln, seien aber bei dem Hochwasser in der Nacht vollgelaufen. Gegen Morgen hätten die Tiere dann schnell und unerkannt ihre Behausung wieder eingenommen, wo sie nun weiterleben würden in Gemeinschaft mit vielen anderen Tieren, die nie jemand gesehen habe, die aber sicher eine Bedrohung darstellen würden. Einige verstiegen sich sogar zu der Behauptung, diese Tunnel würden bis zum örtlichen Friedhof führen, wo die verschiedenartigen Tiere reichlich Nahrung vorfinden würden, denn wie sonst könnten sie überleben.

Der Rat der Stadt beschloss daraufhin eine gründliche Untersuchung der Angelegenheit, um die unsinnigen Gerüchte endgültig aus der Welt zu schaffen. Denn tatsächlich war einige Tage nach dem Vorfall eine verheerende Sturmflut gekommen. Nachts brachen die Schotten am Hafen, und das Wasser drang in die Stadt ein, riss alles mit sich, was ihm im Wege stand, und spülte über den Marktplatz. Allein in der Stadt starben in dieser Nacht durch das Unglück zwei Menschen. Doch besonders auf dem Land richtete die Flut große Schäden an, überschwemmte flach liegende Kooge, zerstörte Höfe und Kirchen und ließ einige Menschen und viel Vieh ertrinken.

Boye und Bendix hatten nur Gedanken für den großen Umbau, hatten zwar nach der Flut bei den Aufräumarbeiten in der Stadt geholfen und erledigten die Schlosseraufträge gerade noch, waren aber nach den Frühjahrsstürmen nur einmal zum Mahlsand gegangen, denn die große Sturmflut hatte keine Veränderungen am Schiffswrack zur Folge. Im Frühsommer waren nach einer erheblichen Geldaufnahme Boyes alle Rohre verlegt und Kessel, Pumpe und Schornstein fertiggestellt. Dennoch fanden beide keine abschließende Lösung, wie der erhitzte Wasserdampf genutzt werden konnte.

Vorsichtig suchten sie Hilfe im Ort, befragten englische Seeleute, durchstöberten die Bibliothek Pedersens nach Hinweisen, erhielten aber nur vage Ideen darüber, dass der Dampf unter großen Druck gehalten werden, Rohre und Wasserkessel daher sehr stark gebaut sein müssten. Sie wussten auch, dass die Temperatur des Wassers ständig zu überwachen war und unbedingt gewährleistet sein musste, dass der Dampf bei zu hohem Druck frei entweichen konnte. Doch die Antriebsmechanik blieb für sie ein großes Problem. Sie überlegten schon, nach Holstein zu reisen, um sich eine neu gebaute Dampfmaschine in einer dort liegenden Tuchfabrik anzusehen.

Mit dem Besuch von Johannes Fock aber änderte sich das sofort. Fock hatte nichts gelernt, konnte aber scheinbar alles. Etwa gleichaltrig wie Boye und Bendix war er Ende des vergangenen Jahrhunderts in Lauenburg geboren worden, aber schon als Säugling mit seiner Mutter in die Stadt gekommen, da sie sich Reichtum durch den wirtschaftlichen Aufschwung zurzeit der Blockaden und des Schmuggels versprochen hatte. In einem der berüchtigten Stelzenhäuser am Hafenausgang, die regelmäßig im Hochwasser gestanden hatten, war Fock aufgewachsen, während die Mutter in der Vorderstube eine kleine Gastwirtschaft für die vielen Reisenden, Seeleute, Glückssucher und Betrüger aus der ganzen Welt, sogar aus Russland und Amerika, geführt und zusätzliches Geld durch die Vermietung der hinteren Zimmer verdient hatte.

So hatte Johannes schon als kleiner Junge viel Erfahrung gesammelt mit der großen Welt, in die er dann zunächst als Schiffsjunge segelte, nachdem die Blockade leider beendet worden war und die Weltreisenden die Stadt wieder vergessen hatten. Er war in Amerika gewesen, wo er als Posamentierer und Pflasterer gearbeitet hatte, und sogar bis Brasilien gekommen, wo er als Soldat gedient hatte, bis er dann doch lieber wieder das Weite suchen wollte. Besonders lange hatte sich Johannes aber in England aufgehalten. Dort hatte er sowohl in einer Manufaktur wie auch als Kohlenbrenner an den neuen Dampfmaschinen gearbeitet.

Diesen großen Schatz an Erfahrungen bot Fock eines morgens den beiden Erfindern an, als er sie in der Schlosserei besuchte. Da beide Männer an diesem Tag sehr beschäftigt waren mit einigen speziellen Aufträgen für einen neu entstandenen, großen Bauernhof in der Umgebung und kaum von ihren Arbeitsbänken und Wandbrettern aufblickten, konnten sie weder viele Fragen stellen, noch die von Fock beantworten. Um dennoch nicht vergeblich gekommen zu sein, trug Fock ihnen eines seiner Lieblingsgesänge des Dichters Carl Michael Bellmann vor, der vor genau dreißig Jahren gestorben war, dessen Balladen Fock aber in Schweden gehört und auswendig gelernt hatte, weil sie auch sein deftig geführtes Leben beschrieben. Den Fredmanssang über Gubben Noak, den Ehrenmann, und Gummen Noak, der Ehrenfrau, trug Fock in schwedischer Sprache vor, was deshalb besonders reizvoll war, weil man die besonders anzüglichen Textstellen wegen der nahen Verwandtschaft mit dem Dänischen zwar erahnte, jedoch niemals mit ganzer Gewissheit verstand.

Ohne gefragt zu werden, erklärte Fock den beiden Männern, er wolle sein wie Bellmann, denn der hätte sein Leben wirklich gelebt und habe zur Stunde seines Todes alle Freunde zu einem fröhlichen Abschiedstrunk eingeladen. In Boye kamen Zweifel auf, ob gerade Johannes Fock der richtige Mann zur Lösung des Dampfmaschinenproblems wäre.

Doch schon nach kurzer Zeit erhielt er die erforderlichen Gegenbeweise. Fock erklärte den beiden Männern eines späten Abends die Gesetze und Wirkungen des Drucks, besonders die Funktionsweise des Über- und Unterdrucks in der Pumpe sowie des notwendigen Überdrucks in dem Kessel. Er wies sie außerdem darauf hin, dass eine Feuermaschine nur erfolgreich wirken könnte, wenn man auf Regelmäßigkeit und Konstanz achten würde. Die Wasserhöhe und der Druck im Kessel müssten wie die Temperatur des Wassers möglichst gleichbleibend sein, da diese Bereiche sich gegenseitig beeinflussen würden. Um dies aber zu gewährleisten, seien Messgeräte erforderlich, die aus England zu importieren wären. Über die Fortleitung des Antriebs konnte Fock nur wenig berichten und sprach immer wieder nur von den Kolbendampfmaschinen in England, war aber nicht in der Lage, ihre Funktionen befriedigend zu erklären.

In den folgenden Wochen und Monaten hatten Boye und Bendix auf die bestellten Messinstrumente zu warten und konnten sich endlich wieder dem eigentlichen Grund ihrer Anstrengungen, der CAROLINE, widmen.

An ruhigen Sommerabenden, wenn das Wasser weit zurückgegangen war, liefen sie mit Bootsmann hinaus in Richtung der Flussmündung, verließen den Deich, um unter dem tiefen Himmel durch die grasenden Schafherden und die leerlaufenden Priele herum weit über die weichen Salzwiesen des Vorlands zu marschieren. Hier draußen wurde die Stille nur durch Warnschreie der Wasservögel unterbrochen, die sich beim Nähern der kleinen Gruppe auf die Eindringlinge hinabstürzten.

Eigenartigerweise richteten sich ihre gemeinen Attacken nur gegen Bootsmann, der sich bei besonders kunstvoll geflogenen Angriffen, von den Männern nahezu unbemerkt, auf die Salzwiesen warf. Unbemerkt deshalb, weil sein Körper ohnehin unwesentlich über den Boden glitt. Die Gegend war fast unberührt von äußeren Einflüssen. Nur einige frisch ausgehobene Gräben, neugebaute Buhnen, die wie weit ausgestreckte Fangarme zum Meer hin lagen, und verstreut aufgebaute Vogelkojen, in deren Fangnetzen sich fleischige Enten verfingen, zeugten davon, dass sich hier manchmal andere Menschen aufhielten. Je näher sie dem Mahlsand kamen, desto feuchter wurde der Boden und der Seegeruch nahm zu. Immer wieder hatten sie weiche Schlickfelder zu überspringen und sich feste Grasinseln zu suchen. Aus dem Schlick kam hörbar ein Knistern, das an das Abbrennen des Feuers im Kamin erinnerte. Auf dem welligen Sand wurde es dann wieder ruhig. Bei jedem Schritt liefen kleine Krebse vor ihnen weg und vergruben sich eilig.

In diesen Wochen nahmen sie häufig den ältesten Sohn Anders mit, der nun schon zur Schule ging. Er war ein sehr ernsthaftes Kind, von dem Sieke behauptete, er käme ihr oft reifer vor als der eigene Ehemann. Äußerlich glich er in allem Bendix und hätte eher dessen Sohn sein können. In der Rechenschule fiel Anders auf, weil er sehr schnell lernen und das Erlernte auch anwenden konnte, was Pedersen an einem Vormittag der Versammlungstage Boye gegenüber zum Anlass für einige Zukunftspläne nahm.

„Wenn der Junge wirklich so schlau ist“, sagte er dem Handwerker, „dann soll er auch studieren. Am besten Juristik. Damit kann er sogar Landvogt werden.“

Boye wies dies von sich, weil eine solche Ausbildung viel zu teuer sei. Dennoch bestand Pedersen auf diesem vorläufigen Plan, erklärte ihn später nochmals Sieke und versprach, die Ausbildung des Jungen mitzubezahlen, falls sich sein Eindruck über dessen Entwicklung bestätigen sollte.

Anders wurde für Boye und Bendix bald zu einem anerkannten Partner, mit dem sie keine Kindersätze mehr sprachen, nachdem er den Männern - und irgendwie auch Bootsmann - bei einem weiteren Mahlsandausflug anhand der Bewegungen in einem Priel vorführte, wie der Mahlsand in seiner bedrohlichen Stärke wirkte. Dazu hatte der Junge ein durchnässtes, schweres Stück Treibholz in den sandigen Priel gelegt und beobachtet, wie das Hindernis den Strom des Wassers, aber auch den mitgeführten Sand staute und davon langsam vergraben wurde, denn hinter dem Holz hatte sich zusätzlich eine Ausspülung gebildet, in die das Treibgut immer weiter einsank, bis es nicht mehr zu sehen war. Mit anderem Holz errichtete er dann eine Staumauer, die eine Veränderung der Strömung verursachte, wodurch das versunkene Treibholz wieder zum Vorschein kam. Dieses, so erklärte er den beiden Männern, sei das eigentliche Prinzip, mit dem auch das seltsame Verschwinden und Wiedererscheinen der CAROLINE zu verstehen sei.

Gemeinsam kamen alle drei zu dem Ergebnis, man müsse die Strömungsverhältnisse genauer studieren, um sie anschließend in der Weise zu beeinflussen, dass der Mahlsand das Schiff von sich aus freigäbe.

„So können wir uns den mühsamen Transport der schweren Pumpe sparen“, sagte Anders mit fester, heller Stimme. Und niemandem war das „Wir“ aufgefallen.

An einem der folgenden Tage lieh sich Bendix einen kleinen Gaffelkutter und kreuzte mit Boye, Anders und Bootsmann früh morgens bei ablaufendem Wasser zur Unglücksstelle. Sie warfen dort den Anker und einige kleine Bojen aus, um die Strömung zu beobachten. Bei ihrer Ankunft befanden sie sich noch fast zehn Fuß über dem Sand, nach etwa vier Stunden, konnten sie schon das langsam trocken liegende Boot verlassen und an Schleifspuren im Sand erkennen, was sie vom Boot aus vermutet hatten, dass die Strömung an der Wasseroberfläche zwar in Richtung des Meeres, über dem Sand aber unabhängig von der Tide ständig zum Land hin verlief. Ohne eine genaue Erklärung für diese Erscheinung zu haben, beschlossen sie, nach dem Eintreten der Flut und während der Rückfahrt in den Hafen, zukünftig der Unterströmung wie bei dem Experiment im Priel einen Widerstand zu bieten.

Ihnen war natürlich bekannt, dass dieses Unternehmen durch die kurze Zeit eingeschränkt war, die sich durch den Tidenwechsel ergab. Deshalb suchten sie einen Zeitpunkt vor den Herbststürmen, an dem der Mond in seinem ersten oder letzten Viertel stand, um eine Nipptide zu nutzen, die bei möglichst geringem Westwind und am besten bei Ostwind eintreten sollte, denn dadurch war eine weitere Chance gegeben, nicht zu hohes Wasser zu bekommen. Außerdem musste der Tidenwechsel bei Tageslicht einsetzen.

Trotz der Vielzahl dieser Faktoren hofften sie, schon nach einigen Wochen diesen Zustand vorzufinden, sicherten sich wieder den Gaffelkutter und kauften kurze, dünne, und leicht tragbare Baumstämme und mehrere Rollen Tauwerk, die sie gemeinsam mit dem Werkzeug am Tag vor dem eigentlichen Vorhaben auf das Schiff luden. Am nächsten Morgen hatten sie achterlichen Wind, kamen mit dem ablaufenden Wasser ohne zu kreuzen sehr schnell voran und überholten die tiefhängenden, dicken Wolkenhaufen. Von weitem erkannten sie schon ihre Bojen im Wasser.

Am Mahlsand dann, wo sie ständig die Wassertiefe maßen und abwarteten, bis das Boot wieder trocken lag, beobachteten sie die Seeschwalben und fantasierten darüber, wie sich die Möwen wohl ohne Flügelschlag so lange in der Luft halten könnten.

„Indem sie sich einfach nicht bewegen“, folgerte Bendix und erntete ein nachdenkliches Kopfnicken bei Boye sowie einen vorwurfsvollen Blick von Anders.

Nachdem sie endlich den Sand betreten konnten, nutzten die Männer das noch nicht abgeflossene Wasser aus, um leicht die Baumstämme an den vorher durch Bojen angezeigten Platz zu schleifen. Als dann schließlich das Wasser abgelaufen war, durfte auch Anders auf den Sand und schleppte die Werkzeuge herbei, während Boye, Bendix und jetzt auch Bootsmann damit begannen, an der Seeseite des Wracks einen Graben anzulegen, was sehr mühsam war, weil der nasse Sand immer wieder nachrutschte.

Nach etwa einer Stunde jedoch war eine sechzig Fuß lange Rinne fast dreißig Fuß vor dem vermuteten Schiff erkennbar, in die nun sehr schnell die kurzen Baumstämme gestellt und von beiden Männern mit einem kleinen Rammbock hineingeschlagen wurden. Anschließend verbanden sie die Pfähle mit Tauen und spannten sie gerade noch nach allen Seiten ab, als die Flut einsetzte und jeder sich beeilen musste, das Werkzeug wieder einzusammeln und schnell den Kutter zu besteigen.

Das grünbraune Wasser hob ihr Schiff langsam höher und senkte es gegen Abend wieder ab. In der Dunkelheit zündeten sie Laternen an und starrten ohne Worte auf die Unglücksstelle, an der sie zunächst Mastspitzen, dann Tauwerk und einige verwirbelte Rahen erkennen konnten. Alle waren in größter Erregung, denn die CAROLINE hatte sich zum Teil aus der Tiefe ihres Grabes befreit. Obwohl die gebaute Barrikade sichtbar war und im Lichtschein der helle Sand durch das Wasser schimmerte, blieb die Unglücksstelle zunächst noch in der entstandenen Wasserkuhle verborgen. Schließlich traten alle drei auf den Sand und leuchteten die Kuhle in der Finsternis aus. Bootsmann sprang dieses Mal nicht aus dem Boot, sondern verzog sich ängstlich in die dunkelste Ecke. Das restliche Wasser versickerte langsam durch den Sand.

Die Bark war etwa zu einem Drittel frei und lag mit erhöhtem Bug leicht auf der Steuerbordseite. Das Gallion ragte sehr klar aus allem heraus, und man konnte den Schriftzug mit dem Namen der Bark lesen. Im Schein der Laternen traten die drei noch näher an das Wrack heran und sahen eine längliche Holzkiste, die mit dicken Tampen am Vordersteven angebunden war und über der Bordwand ihnen entgegen nahezu waagerecht in der Luft hing.

Bendix zog ein Messer, kappte das Tau und schleifte die Kiste auf den Sand, als Boye ihm plötzlich mit allergrößter Kraft an die Schulter griff. Bendix und Anders sahen den Schlosser erstaunt an, der wie gelähmt auf die vernagelte Kiste starrte und den festen Griff an der Schulter des Freundes nicht löste.

Erst nach Minuten wurde die Hand schwächer, und Bendix bemühte sich nun, die Kiste zu öffnen.

„Lass sie zu!“, flüsterte daraufhin Boye, mehrmals sich wiederholend.

„Ich weiß, was drin ist.“

Langsam setzte er sich zu dem hockenden Bendix und zog auch Anders mit auf den Sand. Dann erzählte er ihnen im Licht der Laternen und vor dem Schiffswrack, das sich schwarz gegen den noch hellen westlichen Horizont abhob, die Geschichte von Agata Volquards, deren Sarg vor ihnen lag. Boye schilderte den Hinrichtungstag und die von Agata ausgesprochene Verwünschung. Niemand wusste, wie der Sarg an den Vordersteven gekommen war, denn schon bei der Hinrichtung war das Schiff tief im Mahlsand vergraben gewesen.

„Es ist nicht zu verstehen“, murmelte Boye vor sich hin. „Einfach nicht zu verstehen.“

Als das Wasser auflief, bestiegen alle wieder den Kutter und segelten schweigend zum Hafen zurück, ohne die CAROLINE nochmals auch nur berührt zu haben. Die Holzkiste hatten sie im Sand liegen gelassen.

In den nächsten Tagen setzten pünktlich die Herbststürme ein, und es wurde kein Wort mehr über diese Nacht gesprochen. Boye und Bendix gingen schweigend ihrer Arbeit nach, und Anders weigerte sich auch nach einem vertraulichen Gespräch mit seinem Vater, in die Schule zu gehen, obwohl er nicht krank zu sein schien.

Sieke, die ahnte, dass in dieser Nacht etwas Besonderes vorgefallen sein musste, konnte von niemandem etwas in Erfahrung bringen, bis der immer dicker werdende Pastor Klaasen in seiner Funktion als Schulaufsicht plötzlich in der Küche stand. Gemeinsam mit Sieke sprach er leise auf den sichtbar verstörten Jungen ein, der stockend, ängstlich und schluchzend das Geheimnis preisgab.

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