Kitabı oku: «Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I», sayfa 5

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Ein halbes Jahrhundert später fiel ich beim Rollschuh laufen heftig auf den Rücken: Ich assistierte meinem kleinen Sohn beim Fahrradfahren. Plötzlich bog Albert auf der steilen Straße scharf ab. Er raste auf einen niedrigen Zaun zu. Ich sah schon, wie er sich auf den scharfen Zaunlatten aufspießen würde. Blitzschnell holte ich ihn ein und hob ihn samt seines Fahrrads in die Höhe, jedoch lehnte ich mich dabei zu weit nach hinten. Schließlich fand ich mich im Krankenhaus wieder. Ein Wirbel war gebrochen. „Aber Sie hatten schon mal einen gebrochenen Wirbel“, hörte ich vom Arzt. Damals - wegen der Wurst - zog ich mir also den ersten Wirbelbruch zu. Der Arzt behielt mich im Krankenhaus. Ohne Bewegung lag ich ganze zehn Tage im Bett, bevor ich aufstehen durfte. Damals überzeugte ich mich selbst davon, dass man schon in so kurzer Zeit das Gehen verlernt.

Allmählich gewöhnte ich mich an mein „neues Leben“ in Bydgoszcz. In der Schule hatte ich eine gefestigte Stellung unter meinen Schulkammeraden. Zu Hause hatte ich gelernt, dem finsteren Onkel aus dem Weg zu gehen, mit Tante Basia konnte ich mich immer einigen. Rysia und Magda störten mich nicht, sie hatten ihre Mädchen-Angelegenheiten. Von der Schule eilte ich nach Hause; aß das von Marysia servierte Mittagessen, machte schnell meine Hausaufgaben und der im Haus umherschwirrenden Antaosia warf ich im Vorbeilaufen zu: „Ich bin in der Modellwerkstatt“; und schon war ich weg. Spät abends kam ich heim.

Als wir noch in der Jagiellońska-Str. (Focha-Str.) wohnten, entdeckte ich in der Gdańska-Str. ein Lokal der „Liga Lotnicza“ (Flugsport-Liga: öffentlicher Luftfahrt-Verband). Lange unterhielt ich mich über mein Interesse an der Fliegerei. Ich erzählte von meinen ersten Flugmodellen, die ich gemeinsam mit meinem älteren Kumpel im Speicher in Tuchola gebaut hatte sowie von den Piloten, deren Kampf ich am Kriegshimmel beobachtet hatte. Die Herren führten mich zur Flugmodellwerkstatt in derselben Straße; ebenfalls ein früheres Geschäftslokal mit großem Schaufenster und einer Eingangstür direkt von der Straße. In ihr thronten Tische, an denen Jungs unter der Anweisung älterer, erfahrener Kollegen Drachen bauten und die Fortgeschritteneren komplizierte Segelflugzeug- und Motorflugzeugmodelle. Hier baute ich mein erstes, selbst konstruiertes Segelflugzeugmodell. Bei gutem Wetter trugen wir stolz unsere Modelle außerhalb der Stadt, um ihren Widerstreit mit den Luftmassen zu beobachten. Häufig kehrten wir zurück mit zerbrochenen Modellen, die ihren Kampf mit dem Wind und der gnadenlosen Erdanziehungskraft verloren hatten. Die Modellwerkstatt wurde mein neues zu Hause.

Es kamen heiße Sommertage. Abends füllten sich die Straßen mit spazierenden Pärchen und Mädels in farbenfrohen Kleidern schmückten die grauen, mit nur wenigen und dazu noch ärmlichen Leuchtreklamen beleuchteten Straßen. Unsere Antosia machte einen unruhigen Eindruck als sie eines Tages das Abendessen auftischte und auffällig häufig auf die Wanduhr blickte. Schließlich verschwand sie in der Bedienstetenkammer. „Antosia hat heut abend eine Verabredung“, teilten mir Magda und Rysia die ungewöhnliche Neuigkeit mit. Ja! Unsere Antosia hat einen Verehrer. Und schon hörten wir schnelle Schritte im Flur und wie die Wohnungstür leise geschlossen wurde. Wir liefen auf den Balkon zur Straße hin. Vor dem Haus ging ein Herr in einer Radrennmütze auf und ab. Antosia kam aus der Haustür. Sie war nervös und unnatürlich steif. Der Herr näherte sich ihr, berührte charmant seinen Mützenschirm und nahm Antosia an der Hand. Sie schritten die Straße herab. Wir begannen zu applaudieren und zu kichern. Antosia würdigte uns keines Blickes. Doch selbst von hier oben konnte man sehen, dass sie rot geworden war wie eine Tomate. Erst spät kam sie nach Hause, wir schliefen schon. Am nächsten Tag wollten wir sie ärgern, doch sie drückte nur zornig ihre Lippen zusammen und wendete sich ab; sie erzählte nichts. Eine weitere Verabredung gab es genauso wenig.

Zu Hause war Tramp aufgetaucht, ein schwarz-weiß gefleckter Spaniel: kein Welpe mehr, sondern ein erwachsener, wohlerzogener Hund; meine Freude und der Liebling aller Hausbewohner. Na, vielleicht aller bis auf Edeks, der entweder in der Arbeit war oder am Schreibtisch, wo man ihn bloß nicht stören durfte. Wenn ich von der Schule heimkam, grüßte mich Tramp freudig - mit dem Stumpf des ihm abgeschnittenen Schwanzes unaufhörlich wedelnd. Den Hund auszuführen wurde meine angenehme Verpflichtung. Ich nahm ihn überall hin mit, dass er nicht traurig im Eck lag. Am liebsten ging ich mit ihm zum Modellfliegen. Er tobte umher und lief den am Schlepptau startenden Modellen bellend hinterher. Eines Tages bat mich Marysia bestellte Backwaren abzuholen. Ich nahm die Leine und legte Tramp das Halsband an. Vor der Bäckerei warf ich die Leine aufs Ausstellungsgitter und ging die Treppen hoch. Die Tasche mit den Backwaren hatte ich schon in der Hand, als Tramps schmerzdurchdrungenes Jaulen durch mich durchschoss. Ich rannte zu ihm und sah, wie er zu Tode erschrockene und vor Schmerz gekrümmt nach Hause lief, die Leine schliff am Boden. Nur mit Mühe legte er sich auf seine Liegestätte. Der Arme winselte und ließ sich im Bauchbereich nicht berühren. Irgendein Hornochse, denn anders kann man so jemanden nicht nennen, muss ihn getreten haben, als er brav vor dem Geschäft auf mich wartete. Wir waren ratlos, Tante Basia zitterte sogar. Der Onkel war auf Dienstreise. Gab es in Bydgoszcz irgendeinen Veterinär? Alle beobachteten weinend unseren verletzten Hund. Der arme Tramp wurde immer leiser und schwächer, bis er von uns gegangen war - in den „Hundehimmel“.

Mit dem neuen Schuljahr war Magda nach Warszawa zurückgekehrt. Rysia war zu Mama nach Piła in die neue Wohnung umgezogen, in die Ludowa-Str. 66. Mama hatte unser Haus mit wunderschönem Garten sowie einem riesigen Obst- und Gemüsegarten eingetauscht in eine Dreizimmer-Erdgeschosswohnung in einem dunklen, hässlichen und zerlumpt aussehenden Gebäude. Über mich hinweg wurde entschieden, dass ich beim Onkel bleibe.

Düstere Herbsttage folgten, hinter den Fenstern herrschte Sauwetter. Die Schule fiel mir leicht, sogar mit dem Zeichnen gings einigermaßen - dank der diskreten Hilfe des Schuldirektors, der in seiner Freizeit wunderbare Gemälde hervorzauberte. Etliche bewunderte ich an seinen Wohnungswänden, wenn ich seinen Sohn - meinen Kumpel - besuchte.

Mit einer gehörigen Salbentube kam der Onkel in die Küche: „In Wojteks Schule grassiert die Krätze“ und ordnete an, ich solle eine Woche lang gründlich eingeschmiert werden, wofür Antosia Sorge zu tragen habe. Diesmal musste ich richtig duschen, legte mich auf den Bauch ins Bett und wartete auf die Creme. Antosia zog die Decke zur Seite. War es die Salbe oder die zarte Frauenhand? Auf meiner erwärmten Haut bekam ich eine leichte Gänsehaut. Es folgte die nächste Portion Creme, die durchs Einmassieren immer wärmer wurde. „Dreh Dich um“, hörte ich. Am nächsten Abend wurde die Prozedur wiederholt: die Rück- und dann die Vorderseite; die Hand glitt immer kühner meinen noch jungenhaften, aber doch schon fast männlichen Körper auf und ab. Die Berührungen wecken unbekanntes, ungewohntes Vergnügen. Die Tube leerte sich, nur noch für wenige Behandlungen war Creme übrig, doch der anfänglich so scharfe Schwefelgestank störte mich überhaupt nicht mehr. Ganz im Gegenteil sehnte ich mich abends nach Antosias Händen. Mit zunehmender Anspannung erwartete ich das Gefühl weiterer Entdeckungen. Und sie hatte das bemerkt: „Komm in mein Zimmer, dort creme ich Dich ein, aber erst, nachdem alle eingeschlafen sind“, umwickelte mich Antosias warmes Flüstern. Nicht nur einmal besuchte ich sie, schließlich war ich doch schon fast in der achten Klasse. Höchste Zeit für die nächste Etappe der Erziehung. Die Nachmittage und Abende verbrachte ich in der Modellwerkstatt und nachts schlich ich in Antosias Zimmer, um die Süßigkeiten des erwachsen seins zu kosten.

Immer öfter fuhr der Onkel nach Warszawa. Manchmal blieb er eine Woche oder noch länger. Kurz vor Ende des Schuljahres gab Basia bekannt, dass der Onkel befördert wurde zum Abteilungs-Direktor des Gesundheitsministeriums und wir anfang Juli nach Warszawa umziehen. „Du wirst das General-Sowiński-Gymnasium im Stadtteil Wola besuchen“, erfuhr ich. Uns alle bewegte diese Nachricht. Antosia wollte nicht in die weit entfernte Hauptstadt, sie kündigte und kehrte zurück ins heimatliche Tuchola. Basia begann unter Marysias Mithilfe zu packen. Schlussendlich verschob sich der Umzug noch um einige Monate.

Endlich Pilot – das Abzeichen mit einer Möwe

Gleich nachdem ich mein Abschlusszeugnis der siebten Klasse erhalten hatte fuhr ich nach Przasnysz auf ein Sommerlager der Liga Lotnicza (Flugsport-Liga). Wunderbare zwei Wochen verbrachte ich dort, ausgefüllt mit Veranstaltungen zum Segelflug. Mein Traum war dabei wahr zu werden: in die Luft aufzusteigen und wie ein Vogel zu fliegen! Kein Modellflug mehr, jetzt erlernten wir die Theorie des echten Fliegens; den Flug selbst simulierten wir in einem echten Segelflugzeug. Dass es „nur” eine Szubienica (ausgesprochen: Schubjenietza) war, spielte überhaupt keine Rolle. Bei einer Szubienica versucht der „Pilot” mit den Steuerrudern im Wind das am Boden befestigte Segelflugzeug in der Horizontalen zu halten. Wir wurden im Schulungsgebäude untergebracht: einige Klassenzimmer dienten als Schlafsäle, andere als Unterrichtssäle. Der Theorieunterricht war Voraussetzung für die praktische Ausbildung. Viel habe ich gelernt über Luftfahrtvorschriften, meteorologische Phänomene sowie den Aufbau von Segelflugzeugen. Die Meteorologievorträge eröffneten eine ganz neue Perspektive nicht nur auf Wolken. Wir lernten die ganze Cumulus-Familie kennen: angefangen bei den von Segelfugzeugpiloten am meisten geliebten, bis hin zu den gefährlichsten, die Regen, Donner und Blitzschläge mit sich bringen. Eines Tages fragte der Dozent: „Wie nennt man eine Gewitterwolke?” Sofort hob ich meinen Finger und unterstrich meinen Willen zu antworten mit einem lauten „ich!” Der Lehrer sah mich an: „Na Wojtek, sag es uns.” „Das ist ein Cumulus wypieprzony”, antwortete ich zügig und hörte im selben Augenblick tosendes Gelächter. „Entschuldigung, Entschuldigung, ich habe mich versprochen! Das ist ein Cumulus wypiętrzony, zu erkennen an einem Amboss. Ihr wisst doch … ”, stellte ich meine vorherige Aussage richtig, doch es war zu spät. Die beiden Worte (wypieprzony und wypiętrzony) haben eine gewisse Ähnlichkeit in der Aussprache, bedeuten aber ganz verschiedenes: anstatt zu sagen, dass der Cumulus aufgetürmt ist, hatte ich gesagt, er sei versaut. Oh, lange haben sie mich damit aufgezogen.

Ungeduldig warteten wir, endlich zu dem hinter dem Schulgebäude stehenden Segelflugzeug zu dürfen. Ein riesiger, wunderbarer „Sęp” (vereinfacht ausgesprochen: Semmp). Alles in ihm war echt. Die „Szubienica” ließ fast schon echtes Fluggefühl zu, denn Bewegungen um alle drei Achsen waren möglich. Doch für jeden „Flug” brauchte es Wind - je mehr, desto besser. Dann konnte man das Segelflugzeug nicht nur im Horizontal”flug” halten, sondern auch leichte S-Kurven vollführen. Flaute stellte dennoch kein Hinderniss dar: bis zu einem gewissen Grad konnten drei Jungs den Wind vertreten. Wie wir das machten? An der Tragfläche und zu zweit am Heck standen die Burschen. Entsprechend der Ruderausschläge des „Piloten" im Cockpit hatten sie zu reagieren. Viele lustige Situationen und eine Menge Verwirrung gab es bei diesen händischen Windverhältnissen. Deshalb bevorzugte ich entschieden echten Sturm. Ungeduldig wartete ich auf Unwetter. Während alle sich im Schulgebäude verkrochen, stieg ich ins Cockpi des Sęp, schnitt durch die Regenströme und kämpfte mich zwischen den Wolken hindurch. Was für ein Flug!

Ein Fest im nahegelegenen Dorf machte uns natürlich neugierig. Vor der Feuerwehrwache waren Tische und Bänke aufgestellt. Die aus Holzbrettern aufgebaute Tanzfläche stand bereit. Die Kapelle spielte, Jungs forderten wartende Mädchen auf. Selbst der Sonnenaufgang war kein Grund heimzugehen. Und allein wollte ich auch nicht heim. Im Schatten der Bäume stand ein Mädel. Ich rückte an sie heran und begann ein Gespräch, um sie zu fragen, weshalb sie nicht tanzt. Als ich ihren deformierten Rücken sah, sparte ich mir die Frage. Doch das Mädel war mutiger und lud mich ein.

Zwei Wochen waren unerwartet schnell vergangen. Vom Fliegerlager kehrte ich zurück als fast schon echter Pilot. Meine stolze Brust schmückte mein erlangtes Segelfugabzeichen: das mit einer weißen Möwe.

Meine arme Mutter

Gleich nach dem Fliegerlager fuhr ich mit dem Zug zu Mama. Piła gefiel mir nicht: überall leerstehende Plätze - nach von im Krieg zerstörten Gebäuden. Ihre Ziegelsteine wurden zur „Wiederverwertung” auf Zugwaggonen zum Wiederaufbau der Hauptstadt nach Warszawa gebracht. Im Zentrum, auf dem Platz der Freiheit (Heute ein Teil der Aleja Piastów), ragte ein großer Jugendstilaltbau fast schon einsam wie auf weiter Flur auf - wie durch ein Wunder hatte es den Krieg unversehrt überstanden: im Erdgeschoss eine Apotheke. Das Gebäude gehörte Wiktor Skibicki, Tante Anetas Ehemann: nicht allzu groß, höchst angenehmen und ruhig. Insbesondere seine hervorragenden Umgangsformen zeichneten ihn aus. Als Pharmazeut thronte er in seiner Apotheke, doch während der Zeit kommunistischer Regierungen sollte sie ihm - wie auch sein Mietshaus - noch viel Leid und Probleme einbringen. Vom Eigentümer der Apotheke wurde er zu ihrem angestellten Leiter, das Mietshaus „übernahm" die Kommune. In einem Teil ihrer alten Wohnung im ersten Stock über der Apotheke „durften" Wiktor und Aneta bleiben. Der Tante Mutter – Helena, also die Schwester meiner Großmutter Ludwika, hatte darin ein großes, eigenes Zimmer. Sie hatten zwei Kinder: die von mir um acht Jahre jüngere Bożenka sowie der um neun Jahre jüngere Jurek. Bożenkas lange Krankheit nahm sie fort, als sie gerademal einundzwanzig Jahre alt war. Sie musste sich verabschieden, von einer ihr noch unbekannten Welt.

Mamas neue Wohnung in einem hässlichen Mietshaus in der Ludowa-Str. mit ebenfalls hässlichen und armseligen Möbeln desillusionierte mich sehr. Die beiden Zimmer zur Straßenseite hin waren zwar hell, die Küche sowie Mamas Schlafzimmer hingegen … stockdunkel - die Fenster zum lichtleeren Innenhof mit der Speicherkammer. In Piła eine Arbeit zu finden grenzte an ein Wunder, doch Mama war es gelungen eine Stelle in einer Fahrradfabrik zu bekommen. Ganze Tage verbrachte sie in Chemikaliendämpfen beim Lackiern von Fahrradrahmen. Ihre Gesundheit wurde zerstört, furchtbare Migränen begannen.

Doch die Familie von Seiten meines Vaters hatte die Witwe und uns Kinder vergessen. Dass Edek, ein Mensch von solcher - so genannter – Stellung eines der Kinder zu sich genommen hatte, genügte, um das familiäre Gewissen der Familie Dąbrowski einzuschläfern. Das für sie wichtigste war geregelt, dass Onkel Bolesław vor dem Tod meines Vaters die Grundbuchabschrift über den Grundbesitz wiedererlangt hatte. Vorsorglich hatte er ihn an Fabian überschrieben, um das Vermögen vor Gläubigerverlangen zu bewahren. Mit ihrer Unbekümmertheit und Verschwendungssucht hatte des Onkels Ehefrau nämlich Schuldenberge angehäuft. Onkel Boleś war ein guter Mensch, doch seine Frau tyrannisierte die Familie: „ein Teufel in Menschengestalt”. Nach der Umschreibung des väterlichen Erbes auf Bolesław blieben seine Eltern mit lebenslangem Nutzungsrecht auf dem Hof. Doch ihre Schwiegertochter begegnete ihnen mit widerlicher Boshaftigkeit. Sie stritt mit den Greisen, beschimpfte sie und während einer längeren Abwesenheit ihres Mannes sperrte sie sie in ihrer Stube ein, indem sie ihnen mit einem hölzernen Schweinetrog ihre Zimmertür zum Hausflur zunagelte. Onkel Józef kam sofort nach Zembrze und baute seinen Eltern einen direkten Ausgang aus ihrer Stube. Daraufhin zerschlug die Tante vor Ärger das gesamte Tafelporzellan. Gercia erzählte, dass sie für ihre Niederträchtigkeit, wie sie ältere Menschen behandelte, von Gott bestraft wurde, sie starb qualvoll. Doch dies angerichtete Leid war nicht wieder gut zu machen. Mit solch einer Ehefrau war Onkel Boleś nicht in der Lage, Fabians Witwe zu unterstützen. Mama musste alleine zurecht kommen mit zwei Kindern, wobei Rysia trotz ihrer fünfzehn Jahre keine große Unterstützung war. Eher bereitete sie zusätzliche Sorgen und Probleme. Die kleine Żaba war häufig von ihrer älteren Schwesters Gnade abhängig.

Mittlerweile war ich in Piła angekommen, durch die Haustür und dann nach rechts, die Erdgeschosswohnung: dunkel und überall feucht ist es im Haus. Die Wohnungstür stand offen, ich ging hinein und hörte Żabas Weinen, Rysias Geschrei. Sehr gut kannte ich den Charakter meiner älteren Schwester, also wusste ich sofort, was los war. Sie bewies dem Kleinkind ihre Überlegenheit. Ich fiel ins Zimmer, befreite das kleine Mädchen und warf Rysia zu Boden. Mit meinen Knien drückte ich ihre Hände zu Boden, dass sie sich nicht bewegen konnte. Mit meinen Fingern berührte ich ihr Gesicht und sagte leise aber ausdrucksstark: „Wenn Du noch einmal Hania anfasst, dann schlage ich Dich zusammen, dass Du aussehen wirst wie ein verfaulter Apfel. Ich warne Dich!” Rysia hat die Drohung verstanden, eine vergleichbare Situation wiederholte sich nie wieder. Ehe ich nach Bydgoszcz zurückkehrte, hackte ich für Mama noch den Holzvorrat für den ganzen Winter und räumte die Kohle, die noch vor dem Haus lag, in den Keller.

Die wunderbare Frau Marta

Es war ein wunderschöner, warmer Herbst. Einige Monate musste ich noch aufs Gymnasium in Bydgoszcz gehen. Tante Ola war zu Besuch. Sie half Basia bei den Umzugsvorbereitungen. Nach arbeitsreichen Tagen, spielten die Erwachsenen abends meistens Bridge. Eines Tages war Tante Olas gute, schon lange nicht mehr gesehene Bekannte Marta mit von der Partie. „Marta spielt hervorragend Bridge, also brauchen wir nicht mehr mit edem „Opa” spielen”, fügte sie hinzu und alle setzten sich an den Tisch. Marysia brachte Tee und hausgemachtes Kleingebäck. Basia mischte und verteilte gekonnt die Karten. Ich saß daneben und beobachtete das Spiel oder eher die vierte Person. Nur schwer konnte ich sie nicht anschauen, sie zog meinen Blick förmlich an. Sie war sehr hübsch, unglaublich nett und lachte mich wunderbar an. Ich setzte mich auf die Armlehne des Sessels und tat so, wie wenn ich das Spiel beobachten würde. Auf die Frage des Gastgebers hin nach ihrer Arbeit erklärte sie ausführlich was sie macht und beschrieb dann detailgetreu, wo sich ihr Büro befindet, fügte sodann hinzu, dass sie von ihrem Schreibtisch die eintretenden Antragsteller sehe. Dabei blickte sie wie nebenbei zu mir, so, dass mich ein Gefühl überwältigte, diese Beschreibung sei nur für mich.

Am nächsten Tag folgte ich Frau Martas Wegbeschreibung. Außen an dem neuen Bürogebäude - einem mehrstöckigen Pavillon - stieg ich die Treppen hinauf in der Hoffnung, von dieser interessanten Frau bemerkt zu werden. Plötzlich öffnete sich eine Tür: lächelnd stand Frau Marta vor mir. Ja, sie lächelte tatsächlich mich an! Wir begrüßten einander und ich hörte, worauf ich unterbewusst gehofft hatte: „Im Grunde kann ich jederzeit die Arbeit verlassen, also könnten wir außerhalb der Stadt fahren und uns ungezwungen unterhalten.” Mit ihrer Syrenka, diesem Wunderwerk der Motorisierung fuhren wir die Gdańska-Str. immer geradeaus, bis hinter die Bahngleise in einen kleinen Wald. Bezaubert hörte ich zu, wie Frau Marta sprach und sie sprach unaufhörlich, während sie den Wagen lenkte. Wir parkten an einer Waldlichtung und aus dem Kofferraum holte Frau Marta eine Decke, welche sie auf der Wiese ausbreitete. Wir setzten uns und plauderten nett. Ohne den Faden zu verlieren, verlor sie ebensowenig Zeit. Ihre Hand bewegte sich sanft auf meinem Oberschenkel, immer höher und höher, während ihre zarten Finger mit schmetterlingsähnlichen Berührungen meine Hose aufknöpften. Solche Ausflüge wurden unsere bevorzugte Freizeitbeschäftigung, bis ich nach Warszawa umzog.

Umzug nach Warszawa

Den gesamten Umzug erledigte der Onkel: Die Sachen wurden verpackt, die Laster fuhren davon. Basia, Marysia und ich fuhren mit dem Zug. Vom Hauptbahnhof fuhren wir mit der Straßenbahn nach Muranów. Am Banken-Platz stiegen wir aus (zu Zeiten der Volksrepublik Polen – 1944-1989 – war dies der Dzierżyński-Platz mit seinem Denkmal; benannt nach Feliks Dzierżyński, dem Gründer des sowjetischen Terrorapparats, dem ersten Leiter einer sowjetischen Geheimpolizei, welche – nicht nur in Polen - Massenmorde an sog. „Volksfeinden” zu verantworten hat: an der politischen Opposition, sog. „klassenfremden” Gutsbesitzern, Unternehmern und Geistigen; auf diese Weise verdiente er sich seine Spitzennamen „blutiger Feliks” oder „roter Henker”; bei seinem Begräbnis trugen u.a. Stalin und Trocki seinen Sarg; ein viel sagender Ausspruch Stalins lautet: „Keine Menschen, keine Probleme”.) und gingen am Mostowski-Palast vorbei zum ersten Gebäude der neu entstehenden Wohnsiedlung Muranów, zur Nowolipiki-Str. 9. Hinter dem Haus erstreckte sich der Blick über das dem Boden gleich gemachte Warschauer Getto, nur der Turm der St. Augustin Kirche war als einziger zu sehen am Horizont der tragischen Eintönigkeit und erinnerte an die Tragödien, welche hier stattgefunden haben. Die grausam verkrüppelte Hauptstadt, voll von Stümpfen ausgebrannter Gebäude, pulsierte aber wieder mit Leben. Überall sah man Baustellen, neue Siedlungen, Verkehrswege und Straßen wurden abgesteckt. Die neue Wohnung erinnerte in keinster Weise an die in Bydgoszcz: drei Zimmer, Küche und Bad, doch die Zimmer waren klein und niedrig - ein typisch sozialistischer Neubau. Zwar war diese Wohnung zu klein, für mich war kein Platz, doch wir blieben hier. Der Onkel teilte mir mit, dass ich Schüler des General-Sowiński-Gymnasium in der Młynarska-Str. 2 bin, gleich hinter dem Straßenbahndepot des Stadtteils Wola. Der Schulweg war sehr lang. Das große, graue Gebäude beherbergte zwei Schulen sowie Sportplätze. Neben den Unterrichtsräumen und einer Turnhalle befanden sich im Gymnasium zwei Aulen, eine kleine und eine große, in denen verschiedene Feierlichkeiten stattfanden. Im Sekretariat im Erdgeschoss fragte eine freundliche Dame nach meinem Namen und sagte nur: „Klasse 8b.”

Meine großartige Schulklasse

Irgendwie war meine neue Schulklasse anders. Die Jugendlichen waren ernster und ruhiger, verglichen mit denen in Bydgoszcz. Neben mir in der Schulbank saß - so blieb es bis zur Matura - der ebenso ruhige Rysiek Chaba. Rysiek wohnte mit seinen Eltern in einer Holzbaracke im Stadtteil Koło – ein Teilbezirk des Stadtteils Wola, gleich an der Straßenbahnschleife der „Dreizehner”-Linie. Rysieks Familie hatte Łuck verlassen müssen, nachdem es sich außerhalb der Grenzen Polens wiedergefunden hat. Mit Straßenschuhen durften wir die Schule nicht betreten, wir mussten sie in der Garderobe im Souterrain lassen und Hausschuhe anziehen. Sie waren fester Bestandteil unseres Schulalltags: in ihnen konnte man hervorragend durch die polierten und gebohnerten Gänge rutschen, was selbstverständlich verboten war. Außerdem konnte man mit ihnen Streitigkeiten schlichten, wobei natürlich der Ernst der Klasse verflog. Während Jungs diese Auseinandersetzungen führten, bekamen die Mädels gelegentlich fehlgeleitete „pantoffelne Fluggeräte” ab. Leicht hatten es die Mädchen nicht mit uns, aber ganz so schlimm war`s auch wieder nicht, einige in der Klasse zusammengekommene Pärchen sind mittlerweile schon über ihr goldenes Jubiläum hinaus zusammen. Unaufhörlich dauerten die Kämpfe an, die Pantoffeln schwirrten nur so durch die Luft. Der Trubel in der Klasse übertönte nicht selten die Schulglocke: Unerwartet tauchten in der offenen Tür zusammengerollte Landkarten auf, unterm Arm unseres Geographielehrers Professor Reszke - ein kleiner Mann mit stattlichem Bäuchlein. Sein rundes Gesicht schmückte eine Brille aus hörnernem Rahmen und eine Frisur aus Haaren, die sich schon vor langer Zeit verabschiedet hatten. Unglücklicherweise kreuzte sich sein Weg, mit der Flugbahn eines unserer Fluggeräte, das ihn geradewegs an seiner gehaltvollen Backe traf und eine Spur staubigen, dunkelgrauen Umrisses hinterließ. Wütend drehte er auf der Ferse um und knallte die Tür hinter sich zu. Es wurde still. Sofort stellten wir die Bänke wieder in Reihe und warteten leise und brav, wie wenn nichts geschehen wär. Lautes Getrampel kündigte an, was folgen musste. Direktor Lasocki fiel ins Klassenzimmer und unterbrach die herrschende Stille: „Wer war das”, schrie er. „Die ganze Klasse!” dröhnte ein abgestimmter Chor zurück. Was sollte er machen? Der Direktor wusste, dass er nicht mehr erfahren wird. Er drehte sich zu Professor Reszke: „Bitte führen Sie den Unterricht weiter.” Die Affäre war abgehakt. Ja! „Meine Klasse ist außergewöhnlich”, dachte ich und fühlte mich heimisch.

Die Biologiestunden spiegelten unser jugendliches Temperament. Die „Schraubenalge”, unsere großgewachsene, schlanke Lehrerin führte uns mit Kranich ähnlicher Stimme ein in die Gehimnisse der Natur. Unsere Streiche ignorierte sie komplett. Unerschütterlich fuhr sie mit dem Unterricht fort und erst als sie am Ende der Schulstunde schon in der Tür stand, erwähnte sie wie beiläufig, dies oder jenes aufzuräumen oder etwa die aus dem Schnabel des ausgestopften Vogels herausragende Wurstscheibe zu entfernen.

Unser Physiklehrer Herr Nowakowski war für mich ein Musterbeispiel eines Pädagogen. Jede Unterrichtsstunde schmückte er aus mit Geheimnissen aus der Welt der Physik, wodurch er uns bis zum Pausenläuten in unseren Schulbänken gefesselt hielt. Sehr gut gefiel mir außerdem seine Art die Zahl vier zu schreiben, die ich von ihm übernahm.

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