Kitabı oku: «Wie die Schwalben fliegen sie aus», sayfa 7
„Cercasi ragazza tedesca“
„Die wollten nur Südtiroler Mädchen haben“ – ist eine häufige Aussage ehemaliger Dienstmädchen. Die Südtirolerinnen galten als fleißig, sauber, zuverlässig und diskret, Eigenschaften, die bei einem Dienstmädchen erwünscht waren und erwartet wurden. Ein weiterer Vorzug der Südtirolerinnen gegenüber den italienischen Mädchen mag die bessere schulische Bildung gewesen sein. In Südtirol gab es weit weniger Analphabeten als im italienischsprachigen Raum.11 Die Nachfrage war entsprechend groß. Wie trafen nun Arbeit suchende Südtiroler Mädchen und Familien aus italienischen Städten auf der Suche nach Hauspersonal aufeinander – bestand doch zwischen beiden eine beachtliche räumliche Entfernung?
Das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage in der Dienstbotenbeschaffung und -vermittlung vollzog sich sowohl über informelle Kanäle als auch über die öffentliche Arbeitsvermittlung. Im Falle der Südtiroler Mädchen bot der Tourismus eine günstige Plattform der informellen Begegnung. Die Anwerbung der Südtiroler Mädchen durch italienische Gäste, die in Südtiroler Gaststätten, Pensionen und Hotels ihren Urlaub verbrachten, oder durch in Südtirol stationierte Militärs war sehr verbreitet. Marianna Parth, Hedwig Platter, Maria Erlacher und viele andere kamen auf diesem Weg zu ihrer Arbeitsstelle in der Stadt. „Ich habe in Reschen im Gasthof Dilitz gekocht“, erzählt Marianna Parth. „Da ist ein Hauptmann gekommen, der in Reschen Urlaub gemacht hat. Unser Gasthof war voll mit Gästen, und die Arbeit ist sehr streng gewesen, und ich hatte kaum Zeit mich mit ihm zu unterhalten. Der Hauptmann hat mich gefragt, wie viel ich verdiene, ich habe es ihm nicht gesagt. Er fragte: ‚Poco o tanto?‘ Dann habe ich gesagt: ‚Poco mi pare.‘12 Er hat gesagt, ich solle mit ihm kommen, er bezahle mich gut. Er gebe mir 120 Lire. Dann habe ich ihm doch gesagt, wie viel ich verdiene: ‚Ottanta‘. ‚Soltanto ottanta, così poco! C’è sempre così tanto lavoro qui?‘13 Es waren damals sehr viele Gäste da. Er hat gesagt, ob er hier auch essen könne. Dann ist die Rosa [Inhaberin des Gastbetriebes A. d. V.] gekommen, und ich habe gefragt: ‚Rosa, kann der Hauptmann hier essen?‘ ‚Natürlich kann er das! Wo ist der her?‘ ‚Aus Mailand‘, hab ich gesagt. Dann habe ich ihr gesagt, dass ich mit ihm nach Mailand gehen soll. ‚Das wird dir doch nicht einfallen‘, hat sie daraufhin gesagt. ‚Was tu ichdann hier, wenn ich niemand in der Küche hab, nein das geht nicht!‘ ‚Cosa ha detto la signora?‘14, hat der Hauptmann wissen wollen, er hat vielleicht ein bisschen verstanden, wahrscheinlich. ‚Ich darf nicht nach Mailand gehen.‘ ‚E perché no?‘ Sie hätte dann niemand hier. ‚Questo non mi interessa niente.‘ ‚No, no, no‘, hat die Rosa gesagt, ‚Marianne sta qui.‘15 Dann hat er gesagt, er gebe mir 120 Lire, das wäre ein Unterschied, meinte er. ‚Soltanto ottanta Lire e così tanto lavoro‘16. Ich habe dann gesagt, ich müsse zuerst meine Mutter fragen, ob sie mich nach Mailand gehen lässt. ‚Alla mamma non piace così lontano.‘“ Marianna informierte ihre Mutter telefonisch über das Angebot. „‚Na, na, na, sonst wird dir nichts anderes einfallen!‘, hat die Mutter gesagt, ‚nach Mailand zu gehen.‘ Ich hab mir gedacht, der Lohn, der Lohn, hab ich mir gedacht, 120 Lire anstatt 80 Lire.“ Der höhere Lohn überzeugte schließlich auch die Eltern, nicht zuletzt weil sie das Geld für den Neubau der Wirtschaftsgebäude brauchten. Marianna blieb bis zum Ende der Saison noch auf dem Reschen, im Herbst fuhr sie dann nach Mailand.
Um nicht nur im engen Rahmen des Urlaubsortes nach dem geeigneten Mädchen zu suchen, inserierten Gäste in den örtlichen Zeitungen mit der Aufforderung an die Interessierten, sich persönlich vorzustellen.17 Der Vorteil der Anwerbung vor Ort lag auf der Hand, die „Herrschaften“ lernten die Mädchen bereits vor dem Arbeitseintritt kennen, hatten Gelegenheit, sie zu begutachten und sie zum Teil auch bei der Arbeit zu beobachten.
War ein Mädchen in Stellung in einer italienischen Stadt, so fungierte es als Kontaktperson: Bereits beschäftigte Mädchen vermittelten weitere Mädchen aus ihrem Heimatdorf an ihre oder auch an andere Arbeitgeber. In einem Brief vom 27. September 1927 an Rosa Kobler nahm die Schwester darauf Bezug: „Hast du für die Mädlen um einen Posten geschaut, gell das wird nicht so leicht sein.“ Allerdings war diese Vermittlungstätigkeit nicht unproblematisch. In einem weiteren Brief an Rosa Kobler heißt es: „Die N. N., die ich zur Gräfin Tun empfehlen wollte, ist schon im vierten Posten in Mailand, gut nicht wahr, dass ich es lies?“ Auch Elisabeth Zischg bedauerte es, ein Mädchen aus Prad an ihre „Herrschaft“ vermittelt zu haben, da sich dieses in ihren Umgangsformen nicht den Erwartungen der „vornehmen“ Umgebung anpasste und an seinem bäuerlich derben Auftreten festhielt. Maria Erlacher äußert ähnliche Bedenken: „Meine anderen Geschwister, die sind nicht nach Italien, die sind nur zu den Bauern gegangen. Dann haben sie mich beneidet. Auf der deutschen Botschaft in Rom, wie ich dort gearbeitet habe, da hätten sie schon jemand gesucht. Aber nein, das wäre nichts gewesen für meine Schwestern. Da muss man sich schon ein bisschen auskennen, man muss auch eine Erfahrung haben, beim Putzen, sonst geht das nicht. Und mir wär das auch nicht recht gewesen, wenn eine von ihnen heruntergekommen wäre. Die wollten auch nicht.“ Dass das empfohlene Mädchen nicht den Vorstellungen der Herrschaft entsprechen könnte, war die größte Sorge auf der Seite der Vermittlerinnen, während sich die Vermittelten auf Grund der persönlichen Bekanntschaften doch annehmbare Arbeitsbedingungen erwarteten.
Nach 1945 war das Dienen in italienischen Städten schon viel vertrauter: Ältere Bekannte, Tanten oder sogar die eigene Mutter bahnten nun für die jungen Mädchen den Weg in eine der italienischen Städte an. Sie kannten meistens aus eigener Erfahrung die Umstände und die Vorteile eines solchen Arbeitsverhältnisses. Oft waren sie auch noch in Verbindung mit ihren eigenen ehemaligen Arbeitgebern.18 Maria Jesacher erhielt ihre Stelle über eine Bekannte aus Sexten: „Die Frau Happacher war lange Zeit in Rom, und da hat sie halt quasi Stellen vermittelt. Die war oft in Prags, und da hat sie mir die Stelle verschafft.“19 Solche Frauen gab es mehrere über ganz Südtirol verteilt, zum Teil führten sie die Vermittlung kostenlos durch, meist erwarteten sie aber ein Entgelt.20
In Rom betrieb „Professor Schick“, ein älterer Herr deutscher oder österreichischer Nationalität21, in den 50er und 60er Jahren ein informelles Stellenvermittlungsbüro für Mädchen aus Südtirol, Deutschland, Österreich und der Schweiz zuerst in der Anima, dann am Monteverde. Seine Adresse wurde unter den Mädchen in Südtirol weitergegeben, man kontaktierte ihn schriftlich von Südtirol aus oder persönlich nach der Ankunft in Rom. Er vermittelte den Mädchen gegen mäßige Gebühren Stellen bei respektablen Familien, kümmerte sich um sie in der Freizeit, erteilte ihnen Englischunterricht und ermunterte sie, sich in Kursen weiterzubilden.
Mädchen, die aufs Geratewohl losfuhren, wussten von der Vermittlungstätigkeit einiger deutscher Klöster in Mailand, Florenz und Rom. Wo es kein solches Kloster gab, suchten die Mädchen Vermittlungsbüros vor Ort auf: „Ich bin mit der Maria Theresia ohne Stelle nach Neapel gefahren, sie hat gesagt, wir werden schon etwas finden. Wir gehen halt hin zur Stellenvermittlerin. Die hat sie gewusst. Das war außerhalb von Neapel. Dann habe ich nicht weit von ihr eine Stelle bekommen“, berichtet Antonia Saurer.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts florierten in allen größeren Städten Europas gewerblich betriebene Stellenvermittlungsbüros, wo Arbeitgeber und Arbeit Suchende ihre Anfragen gleichermaßen einbringen konnten. Sehr oft waren Frauen Inhaber der Agenturen zur Vermittlung von Hauspersonal.22 Mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung, dem Entstehen von Gewerkschaften und sozialen Verbänden begann auch die Diskussion um die Arbeitsbeschaffung, der Ruf nach einer staatlich geregelten und unentgeltlichen Arbeitsvermittlung wurde laut. Kritikpunkte an der auf Gewinn zielenden Stellenvermittlung waren überhöhte Gebühren, absichtlich unpassende Vermittlung, um bei den betreffenden Personen schnell wieder ins Geschäft zu kommen, gezieltes Abwerben und fingierte Annoncen.23 Infolge der allgemeinen Diskussionen um die Arbeitsvermittlung führte man auch in Italien ab Ende des 19. Jahrhunderts Maßnahmen zur öffentlichen Regelung des Arbeitsmarktes ein und erließ entsprechende Gesetze, die nicht nur die Vermittlung regeln sollten, sondern allgemein die staatliche Kontrolle des Arbeitsmarktes zum Ziele hatten.24 Die Vermittlung von Hauspersonal beließ man hier allerdings in privater Hand, und so bestand in den Städten die kommerzielle Stellenvermittlung weiter. Daneben schufen soziale und christliche Verbände Einrichtungen zur Stellenvermittlung mit dem Ziel, die Mädchen einmal vor der Ausbeutung durch die gewerblich betriebenen Büros und zum anderen vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu schützen. Damit Letzteres möglich war, überprüfte man die moralischen Qualitäten der potentiellen Arbeitgeber und forderte entsprechende räumliche Gegebenheiten, die zur Unterbringung eines Dienstmädchens notwendig waren. Auf dem Land überwog weiterhin das informelle System über familiäre und persönliche Beziehungen. Es war nach wie vor der bequemste, sicherste und billigste Weg zu einer Arbeitsstelle.25
Beauftragt mit der Beschaffung von Hauspersonal für italienische Familien wurden auch Südtiroler Vermittlungsbüros. Die Agenturen Ennemoser und Pedroß in Meran26 sowie Lanthaler27 und Jean Mesmer in Bozen28 boten in den Südtiroler Tages- und Wochenzeitungen regelmäßig Beschäftigungsmöglichkeiten in italienischen Städten an. Besonders engagiert war das „Platzierungsbüro“ Ennemoser in Meran. Bereits 1926 suchte es über eine Anzeige in der Alpenzeitung für Italien und die Schweiz „Herrschaftsköchin, Privat-Stubenmädchen und Mädchen für alles sowie Gärtner-Ehepaar“.29 Dieses Dienstboten- und Wohnungsvermittlungsbüro mit Sitz in den Wasserlauben scheint erstmals 1894 im Adressbuch von Meran auf, Inhaber war damals Johann Ennemoser. Nach seinem Tod betrieb seine Witwe Anna das Büro, ab zirka 1929 gemeinsam mit ihrer Tochter Katharina. Nach dem Tod Annas im Jahre 193130 führte die Tochter das Büro allein weiter. Sie verlegte es vom Rennweg in die Otto-Huber-Straße.31
Berücksichtigt man, dass in der Zwischenkriegszeit nur drei der befragten Südtiroler Frauen über ein Vermittlungsbüro ihre Stelle erhalten haben, kann man wohl annehmen, dass sie von den Mädchen am Land nicht besonders genutzt wurden. Vielleicht galten die „Platzierungsbüros“ auch in Südtirol als „unsaubere Kanäle“ mit wenig Garantie für einen „guten“ Arbeitsplatz. Außerdem entstanden auch Kosten, die die Mädchen wohl abschreckten.32 Oder es lag schlicht und einfach daran, dass es die Büros nur in den Städten gab und diese für die meisten Mädchen damit nicht leicht erreichbar waren. Dass sich Anna Tappeiner aus Laas an ein Vermittlungsbüro in Meran wandte, um zu einer Stelle in einer italienischen Stadt zu kommen, war wohl eher eine Ausnahme. Ihre Schwester Berta Tappeiner erzählte: „Damals ist sie durch eine Dienstvermittlerin33 in Meran zu einer Stelle gekommen. Sie hat dann ein Schreiben bekommen, es werde eine Köchin gesucht, die muss aber in dem und dem Hotel kochen gelernt haben und muss in den gewissen Hotels gearbeitet haben, und allerhand sonstige Ansprüche wurden gestellt. Denn damals konnten sie Ansprüche stellen, Mädchen haben sie noch und noch bekommen. Es war verlangt, eine handgeschriebene Bewerbung zu schicken. Sie wollten die Schrift sehen, wahrscheinlich um etwas über den Charakter der Mädchen herauszulesen. Die Schwester hat geschrieben, dass sie im Josefshaus in Bozen bei den Klosterfrauen kochen gelernt hat, dann war sie im Mondschein zweite Köchin, ansonsten hat sie mehr privat bei Familien gearbeitet. In Pontresina hatten sie eine Patisserie. Das hat sie alles angegeben. Sie hat auch geschrieben, sie könne nur bürgerliche Küche. Sie haben sie genommen. Die gnädige Frau hat zu Anna gesagt, 60 Mädchen hätten sich gemeldet gehabt, aber sie haben sie genommen.“ Bei Hilde Gius und Paula Wörndle aus Kaltern war sicherlich die Nähe zu Bozen ausschlaggebend, dass sie die Dienste eines Stellenvermittlungsbüros in Anspruch nahmen. Paula Wörndle erinnert sich noch an den Namen der Vermittlerin: Frau Federica Lanthaler verschaffte Paula eine Stelle als Kindermädchen bei einer Gräfin in Rom.34
Für viele in italienischen Städten lebende Familien, vor allem die deutschsprachigen, bot der Anzeigenteil der Südtiroler Zeitungen einen weiteren unmittelbaren Zugang zu den Arbeit suchenden Mädchen in Südtirol. Viele Südtiroler Haushalte bezogen die Dolomiten und den Volksboten, die faschistischen Blätter Alpenzeitung und Provincia di Bolzano fanden hingegen weniger Zuspruch.35
„Gesucht gesundes, tüchtiges Mädchen für alles in Schweizer Familie. Italienische Staatsangehörigkeit, deutsche Muttersprache und Beherrschung des Italienischen Bedingung. Angebote mit Zeugnissen an Ing. H. Conrad, MCM, Fratte di Salerno (Provinz Salerno)“ (Alpenzeitung, 8. Juli 1933).
„Zirka 20-jähriges, gut erzogenes, perfekt Deutsch sprechendes Mädchen nach Milano gesucht zur Mithilfe im Haushalt und hauptsächlich zur Überwachung eines 2-jährigen Mädchens, das die deutsche Sprache erlernen muss. Gute Behandlung.“ (Alpenzeitung, 19. September 1933).
So und ähnlich lauteten die Stellenangebote. Wer entsprach solchen Anforderungen besser als ein „Oberetscher Fräulein“ mit deutscher Muttersprache und italienischer Schulbildung, das außerdem ohne bürokratische Hürden wie Ausreise-, Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung eingestellt werden konnte?36 Gesucht wurden Hausangestellte jeder Art: Mädchen für alles, Kindermädchen, Köchinnen, Gouvernanten, Kammerzofen, Garderobieren, Haushälterinnen für allein stehende ältere Ehepaare, für kleine und „vornehme“ Familien. Unmissverständlich waren die Erwartungen: Die Mädchen sollten gesund, tüchtig, brav, ehrlich, verlässlich, nett, selbstständig, treu, kinderliebend, gut erzogen, gebildet, distinguiert, gesetzt, sauber, reinlich, flink, anständig, perfekt, erfahren, bescheiden und katholisch sein und ein angenehmes Äußeres und beste Referenzen haben. Mit Versprechungen wie gute Behandlung, reisefrei, grobe Arbeiten ausgeschlossen, gute Bedingungen, vornehme familiäre Behandlung, gute Behandlung, bleibende angenehme Stellung, vorzügliche Behandlung, Versorgung und Familienanschluss und manchmal auch beachtlichen Lohnversprechungen warben die Inserenten um ein Südtiroler Dienstmädchen.
Eine Garantie für einen „guten“ Dienstplatz boten Zeitungsanzeigen nicht. Das Katholische Sonntagsblatt warnte seine Leserinnen sogar davor, dass sich hinter den Inserenten Mädchenhändler, „die oft jüdischer Abstammung seien“, verbergen könnten: „Sie [die Mädchenhändler A. d. V.] bedienen sich der Zeitungsinserate, mittels derer Mädchen als Kinderfräulein, als Gesellschafterinnen usw. nach auswärts mit bestem Lohne gesucht werden. (…) Auch der besten, ernstesten Zeitung kann mitunter ein solch harmloses Inserat passieren, das die übelsten Folgen mit sich bringt. (…) Wer darum in die Fremde reist, möge es nicht ohne einen sichtbaren, wegkundigen Schutzengel tun; wer dort einen Posten annimmt, möge sich zuvor verläßlich darüber erkundigen.“37 Diese Wahrnehmung ist allerdings wohl auch unter dem Aspekt der grundsätzlichen Ablehnung der Kirche gegenüber der Abwanderung der Mädchen zu interpretieren.
Einige Stellenvermittlungsbüros in Südtirol vermittelten Mädchen in italienische Städte, wie das Platzierungsbüro Ennemoser in Meran.
Stellenanzeigen aus der lokalen Tagespresse.
Professor Schick (links) fungierte in den 50er Jahren in Rom als privater Stellenvermittler für Südtirolerinnen und bot auch Freizeitgestaltung an. Hier mit einigen Mädchen aus Prad vor der Anima.

Anna Toll bemühte sich in Kaltern um eine gute Stellenvermittlung für Südtiroler Mädchen in italienischen Städten. Sie blieb mit vielen Mädchen in brieflichem Kontakt, wie hier mit Anna Morandell: „Daß es dir so gut geht freut mich, wußte ich ja daß in diesem Hause ein Mädchen gut aufgehoben ist sonst hätte ich dich auch nicht empfohlen. Eine Dame aus Mailand, es scheint es sind Bekannte von Herma’s Herrschaft schrieb mir auch um eine Köchin …“
Vor der Reise – Erwartungen und Ängste
Unbekümmert, oft blauäugig, entschieden sich manche Mädchen für eine Arbeitsstelle in einer italienischen Stadt. Auch ihre Eltern waren teilweise recht vertrauensselig, ja naiv, wenn es um die lange Reise ging, die ihre Töchter vor sich hatten. Nach dem Geschmack von Maria Jesacher fast zu unbedarft: „Meine Eltern haben vom Leben damals wirklich nichts gewusst. Die haben sich da gar nicht groß Sorgen gemacht, dass ich so weit weggehe. Wenn ich mir vorstelle, meine Tochter wäre so weit fortgegangen, ich glaube, das hätte ich nicht erlaubt. Und damals war’s ja eigentlich noch viel gefährlicher als heute.“ Johanna Pamer fuhr von Sterzing nach Lecce. Ihre Eltern sahen der Abfahrt der Tochter jedoch ganz gelassen entgegen: „Meine Eltern haben eigentlich überhaupt nichts dazu gesagt, dass ich so weit weggegangen bin. Das war zu der damaligen Zeit ganz normal.“ Es waren ja oftmals nicht die Töchter selber, sondern die Eltern, die die Arbeitsstellen bestimmten. Johanna Wallnöfer, die wie schon ihre drei älteren Schwestern vor ihr, Arbeitsstellen in verschiedenen italienischen Städten annahm und bereits mit 16 Jahren in einem Haushalt in Florenz arbeitete, erzählt: „Das Weggehen hat mir nichts ausgemacht. Es war zu Hause immer schwer, und so geht man leichter. Wenn wir weg sind, hat uns die Mutter mit dem Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn gemacht und hat gesagt: ‚Ihr wisst, was ihr zu tun habt.‘ Sie hat uns gerne gehen lassen.“
Trotzdem: viele Eltern ließen ihre Töchter nur ungern ziehen. Vor allem die Mütter verliehen ihren Gefühlen Ausdruck, so im Fall der Bruneckerin Hanni Kostner, die mit 18 Jahren zur Marchesa Filiasi nach Neapel ging: „Die Mutter wollte mich zuerst nicht gehen lassen, weil sie meinte, ich wäre zu jung. Sie ließ mich nur gehen, weil ihr versichert wurde, dass ich Familienanschluss hätte, dass ich auch mit der Familie essen könnte und dass ich ganz in die Familie eingebunden werde.“ Auch Marianna Parth wusste bei ihrer bevorstehenden Abreise nach Mailand um die Sorgen ihrer Mutter. „Da hat die Mutter gesagt, sie müsse mit dem Vater reden, was der dazu sagt. ‚Ist ja weit weg, Mailand!‘, hat die Mutter gemeint. ‚Ach, Mailand ist nicht weit weg‘, hab ich gesagt, ‚da bei Bozen unten.‘ Ich hab schon gewusst, dass es weiter weg ist, aber ich wollte es nicht sagen, denn dann hätte sie mich überhaupt nicht gehen lassen.“
Johanna Tschurtschenthaler aus Sexten erinnert sich an die guten Ratschläge, die ihr ihre Mutter mit auf die Reise gab: „Ich hab niemandem vertraut, das hat mir schon meine Mutter vorher eingeschärft, niemandem zu vertrauen. Zu uns Kindern hat sie immer gesagt: ‚Kinder vertraut keinem.‘“
Die Gefühle der Mädchen vor der Abreise aus ihrer vertrauten Umgebung waren durchwegs gemischt: Freudige Erwartung, Anspannung und Angst wechselten sich ab. Sorgen bereitete oft schon der hohe Preis für die Zugfahrt. So wurden 1935 beispielsweise für eine Zugfahrt in einem Abteil zweiter Klasse von Bozen nach Mailand 65 Lire berechnet. Ein Platz in der zweiten Klasse von Mailand nach Venedig kostete in den 30er Jahren 38 Lire, in der dritten Klasse bezahlte man 18 Lire.38 Die Erleichterung war für viele Südtirolerinnen dementsprechend groß, als sich die zukünftigen Arbeitgeber bereit erklärten, die Kosten für das Ticket zu tragen. „Den Fahrschein hatte schon die Herrschaft besorgt und mir geschickt“, erzählt Hilde Pinggera aus Lichtenberg. Vor allem bei denjenigen, die bereits in Südtirol Arbeitsabmachungen getroffen hatten, war es üblich, dass von den Arbeitgebern die Reisekosten zurückerstattet wurden. Das mag für viele Mädchen ausschlaggebend dafür gewesen sein, sich schon vor Ort um eine Arbeitsstelle in einer italienischen Großstadt zu kümmern.
Vor ihrer Abfahrt informierten sich einige Mädchen ganz genau über die bevorstehende Reise, so auch Johanna Pamer, die als Ziel den Süden Italiens vor Augen hatte: „Ja, ich hab schon gewusst, dass Lecce so weit weg ist, dass das fast am Ende von Italien ist. Da hab ich schon auf einer Landkarte in der Schule nachgeschaut.“ Maria Jesacher brach 1956 von Niederdorf nach Rom auf: „Ich hab mir schon gedacht, ‚in diese große Stadt, wo ich niemanden kenne … wie wird das sein?‘ Ja, da hab ich mir schon Gedanken gemacht.“ Flora Müller machte sich ungeduldig von Naturns auf den Weg nach Mailand. Sie erinnert sich: „Ich war ja schon so gespannt, was das für Leute sind, wo ich hinkomme.“ Ein eher mulmiges Gefühl hatte hingegen Regina Walcher, als sie 1928 gemeinsam mit einer ihrer Schwestern nach Mailand fuhr. Eine dritte Schwester, die dort bereits im Dienst stand, sollte auf die beiden warten: „Wir hatten große Angst, denn das war für uns die erste Zugfahrt. Man war ja so unerfahren. So hatten wir Angst, dass uns die Schwester vielleicht nicht abholen käme. Es war schon ein riesig großer Bahnhof, und man musste aufpassen, dass man sich überhaupt sah. Zum Glück ging alles gut, und wir waren sehr erleichtert, dass unsere Schwester gleich da war.“