Kitabı oku: «Der Akron Tarot», sayfa 2
Tarot und der Golden Dawn
Während die geistige Strömung Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts in der Dekadenz des Fin de Siècle gipfelte, die Theosophie immer mehr Anhänger fand und in den deutschsprachigen Ländern die Psychologie und das Unbewusste entdeckt wurden, verlagerte sich die Beschäftigung mit okkulten Lehren, Magie und dem Tarot von Frankreich zunehmend nach England. In den Fußstapfen zweier der bekanntesten Okkultisten des 19. Jahrhunderts, Levi und Papus, gründeten Alphonsos Woodford und Wynn Westcott zusammen mit S. L. Mathers 1887 den Hermetic Order of the Golden Dawn. Dieser Orden in der Tradition der Rosenkreuzer war in ein strenges hierarchisches System verschiedener Entwicklungsstufen (Grade) gegliedert, die die Mitglieder nacheinander durchlaufen mussten. Tarot galt als eine Übungsdisziplin besonders für Neophyten (Anfängergrad) und diente der Schulung der Imaginationskraft sowie den hellseherischen Fähigkeiten. Anders als heute, wo die Karten auf eher psychologische Art gedeutet werden, orakelte man damals mehr auf Zigeunerart - es ging unter anderem darum, möglichst exakte Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können. Zugleich galt der Tarot weiterhin als Buch der Weisheit und kabbalistisches Einweihungssystem in die Bildersprache, das erst Mitgliedern höherer Ordensgrade in seiner wahren und geheimen Bedeutung wirklich offen war. Diese Verbindung des Tarots zur Kabbala wurde in der Tradition Lévis fortgeführt. So prägte der Orden mit seinen vielfältigen Forschungen und Theorien nicht nur die Entwicklung des Tarots, sondern viele der heute verbreiteten esoterischen und okkulten Lehren. Auch A. E. Waite und Aleister Crowley waren Mitglieder des Golden Dawn. Pamela Colman Smith (1878-1951) schuf Anfang des 20. Jahrhunderts nach Vorgaben von E. A. Waite den heute als Rider-Waite bekannten Tarot im damals modernen präraffaelitischen Stil. Crowley trat 1899 in den Orden ein, kletterte in rasanter Geschwindigkeit die Mitgliedsgrade hoch und war schließlich entscheidend daran beteiligt, dass sich der Golden Dawn zerstritt und schließlich auflöste. Den Thoth-Tarot entwickelte er zusammen mit der Malerin Lady Frieda Harris (1877-1962) erst wesentlich später, in den 40er-Jahren, kurz vor seinem Tod. Die Künstlerin ließ in die Gestaltung der Bilder anthroposophische Erkenntnisse über die projektive Geometrie einfließen, während Crowley sein gesamtes magisches Wissen, seine reichhaltige und zuweilen exzentrische Weltanschauung auf der Basis der hermetischen Geheimlehre in die Symbolik der Karten einbrachte. So hat sich Gébelins wilde Theorie vom Weisheitsbuch Thoth ein gutes Jahrhundert später in Crowleys Interpretation des Tarots tatsächlich manifestiert und ist uns als grundlegende Theorie erhalten geblieben.
Tarot im 20. Jahrhundert
Peu à peu trat die Psychologie unter Sigmund Freud (1856-1939) und besonders C. G. Jung (1875-1961) ins Rampenlicht, während das Reich der Hermetik, Magie und Spiritualität im Laufe des Kapitalismus, Rationalismus und zweier Weltkriege in die verruchte Ecke unglaubwürdiger Scharlatanerie und absonderlichen Aberglaubens verdammt und fortan belächelt wurde. Jung wurde im gleichen Jahr wie Crowley geboren und hegte wie dieser ein großes Interesse am Okkultismus, doch seine Arbeit zielte in einen anderen Bereich. Seine Lehren vom Unbewussten, den Archetypen, den Animus- und Anima-Konstrukten sowie der Synchronizität sind aus der modernen Tarotliteratur nicht mehr wegzudenken. Mit den bewegten 60er-Jahren begann ein neuer Aufschwung der Esoterik, der bis heute andauert, denn die alten Lehren, die das Fundament zur Betrachtung und Deutung der Tarotkarten bildeten, erhielten durch die Öffnung für neue religiöse Strömungen und Weltanschauungen ständig neue Impulse. Dazu zählen nicht nur östliche Einsichten und Weisheiten, sondern auch die neuen Hexen mit ihrem zunehmenden Interesse an den alten matriarchalischen Göttinnen und dem Heiden- oder Wiccakult. Die beiden tragenden Säulen dieser Vielfalt bilden zwar nach wie vor die bis heute populären Spiele von F. A. Waite und Aleister Crowley, doch hat sich dieser Boom auch in einer Vielzahl von anderen Decks niedergeschlagen, von denen die Tarotkarten von Salvador Dali (1983), Hermann Haindl (1988) und Margarete Peterson (2001), der Baphomet-Unterwelt-Tarot mit den Bildern von H. R. Giger (1992) oder der Tarotgarten von Niki de Saint-Phalle (1996) erwähnenswert sind.
Moderne Deutung nach Jung
Jungs Interesse für die hermetische Tradition brachte ihm zu Lebzeiten den damals eher negativen Ruf eines Mystikers ein; dies hatte auf sein Werk allerdings sehr positive Auswirkungen. Sein Konzept der analytischen Psychologie, das er im Laufe der Jahre entwickelte, basiert auf einem Modell der Zusammenhänge zwischen Ober-und Unterbewusstsein, letzteres gliederte Jung in das persönliche und das kollektive Unbewusste. Während dem persönlichen Unbewussten verdrängte oder vergessene Erinnerungen des einzelnen Menschen zu Grunde liegen, entspricht das kollektive Unbewusste einer Seelenmatrix, die sich als tiefere Schicht in jedem Individuum befindet, bis zur frühesten Menschheitsgeschichte zurückreicht und die natürlichen Entwicklungs- und Verhaltensmuster in sich trägt. Diese kollektiven Bilder, die Archetypen, stellen laut Jung ebenso wie Symbole und Mythen emotionsgefärbte Botschaften aus dem »Keller« dar, also eine Art Sprache, mit der dem Bewusstsein Informationen mitgeteilt werden. Ein weiterer Zusammenhang zwischen Bewusstem und Unbewusstem findet sich im Animus/Anima-Prinzip. Die Anima ist der gegengeschlechtliche und zumeist verdrängte Teil im Mann, während der Animus den männlichen Teil der Frau darstellt. Beide Geschlechter sind im Menschen kombiniert und prägen den Verlauf seines Lebens. Das Empfinden von Glück oder Unglück wird entscheidend davon abhängen, ob das männliche und weibliche Prinzip in der eigenen Seele in Frieden oder im Streit miteinander leben. So stellt die Beschäftigung des Menschen mit seinem gegengeschlechtlichen Part inklusive Projektion nach außen einen der Hauptpfeiler seines Individuationsprozesses dar.
Akron - ein Tarot der Zukunft
Zu Lévis und auch Waites Zeiten waren diese Erkenntnisse moderner Psychologie nicht mehr als eine Ahnung, ein erster Impuls, unformuliert und der Öffentlichkeit wenig zugänglich, ebenso wie die Bedeutung eines Gleichgewichts aus männlicher und weiblicher Kraft bestenfalls als erste, waghalsige Theorie entstand, aber im täglichen Leben und auch in der Spiritualität wenig Einfluss besaß. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte bedeutet also auch, dass im alten System des Tarots nach Levi, Waite und Crowley längst überfällige Neuerungen vollzogen werden müssen. Gehen wir weiter davon aus, dass die Karten nichts anderes als die aufgeschlüsselten Archetypen und Erinnerungen der persönlichen und kollektiven Psyche sind, die im Zeitfenster des Betrachters je nach Ausrichtung auftauchen und von ihm als persönliche Ereignisse wahrgenommen werden, beinhaltet der Ausbau des Tarotmodells eine erweiterte Sichtweise von sich selbst und der Welt. Im Laufe der Zeit bildet sich eine kritische Masse an Information, die zu einem Anschwellen von Einzeldaten führt und die Erweiterung der Großen Arkana nach sich zieht, um weiter wachsen zu können. Das jahrhundertelange Übergewicht kontrollierender männlicher Strukturen ruft beispielsweise heute eine vertiefte Betrachtung der weiblichen und verdrängten Aspekte hervor, und wie ließe sich dieses Bedürfnis besser untermauern als mit der Einbeziehung zweier neuer Karten im Set: der Schwarzen Göttin und dem dunklen Kind. Die Integration des weiblichen Schattens öffnet zunächst den Vorhang zu einer differenzierteren Form. Die verstoßenen Kräfte sind die Quellen des Niedergangs, weshalb der Ursprung der Inspiration zur Ausdehnung des Systems aus dem Verlangen der Autoren nach Wiedereingliederung der dunklen Alten in uns stammt. Auch der höllische Balg, der revolutionäre Joker, ist ein zentraler Schlüssel zur Ergründung des menschlichen Wesens. Durch die Beschäftigung mit den verdrängten kindlichen Schattenanteilen in Form von Enttäuschungen durch seelischen Missbrauch kann das Licht der Erkenntnis über unserer Dunkelheit aufleuchten und aus der Einsicht wird Mitgefühl und aus dem dunklen das goldene Kind. Mit einem Wort: Die Schreiber dieses Buches verstehen sich in der Tradition des mephistophelischen, alles in Frage stellenden Geistes, der nicht nur bereit ist, Traditionelles über den Haufen zu werfen und heilige Altäre mit neuen Inhalten zu füllen, sondern der sogar so vermessen ist zu behaupten, dass nur Modelle ohne Systemcharakter neue Modelle sind, weil sie nichts trennen und doch alles im Einzelnen beschreiben.
Persönliche Impressionen
zu den neuen Karten
Von Michelle
Tarot ist ein männlicher Einweihungsweg, Nicht umsonst finden wir in den Großen Arkana an erster Stelle den Magier und das Wort und erst an zweiter das unbewusste Wissen der Hohepriesterin. Ein weiblicher Pfad würde wohl einer anderen oder gar keiner Struktur folgen und vielleicht mit der Erdgöttin als Anfang allen Lebens beginnen. Andererseits ist in den meisten Tarotsystemen die letzte Karte weiblich oder hermaphroditisch. Crowley wählte als archetypisches Bild für das Universum die Versöhnung des Weibes mit der Schlange und war somit auf seine Art Vorreiter für die Wiederkehr der Göttin. Trotzdem erschienen mir die weiblichen Karten durch ihre Einbindung in die Symbiose abendländischer Lehren wie Kabbala, Magie, Hermetik oder Theosophie unter Einbeziehung der Mythologie des Christen- und Altertums irgendwie domestiziert. Dies alles wurde mir in dem Moment schlagartig klar, als ich begann, in die Energie der Schwarzen Göttin einzutauchen. Die Idee zu dieser weiteren Trumpfkarte wurde mitten in der Entstehung dieses Buches geboren. Akron folgte ihrem stillen Ruf nach Präsenz als erstes und beschloss, sie wieder auf ihren angestammten Thron zu heben und ihrer unterschwelligen Kraft im Tarot Form und Ausdruck zu geben. Ich bekam die Aufgabe, in meine innere Kraft dieses dunklen Urweibs zu horchen und zunächst eine Vorlage für Kartentext und Deutung aufs Papier zu bringen. Zuerst war ich irritiert. Die erprobte Tradition der 22 Karten durchbrechen? Und warum eine so höllische Ausgeburt? Was für eine neue Energie sollte sie denn in den Tarot bringen, die nicht schon längst im Teufel als Prototypen des Unholds vertreten war? Erst mit dem Schreiben begann die neue Kraft, die durch die dunkle Mutter entstand, zu wirken und katapultierte mich im Laufe der nächsten Monate auf eine völlig neue Energieebene. Um mich ihr zu nähern, etwas über sie zu erfahren, was ich zu Papier bringen könnte, zapfte ich die eigenen dunklen Seelenkammern und die anderer Frauen an, mit denen zusammen die Göttin in meinem Kopf langsam Gestalt anzunehmen begann. Die Energie, die bei uns entstand, wenn wir über sie sprachen und uns mit ihrem inneren Bild verbanden - satt, siegesgewiss, durchtrieben, gefährlich, maliziös, unendlich mächtig -, war ungeheuer und beeindruckend. Das war wirklich eine andere Kraft als die des Teufels. Seine finstere Macht war männlich, eine Kombination aus Mephistopheles, Loki und Gott Pan. Je tiefer ich in ihre weibliche Gnadenlosigkeit eindrang, desto stärker wurde ihr Ruf, und sie aus der Tiefe ins Licht zu zerren war wie eine Erlösung und Heilung zugleich. Ja, die Kraft der dunklen Mutter fehlte wirklich in den Tarotspielen, wurde mir klar, und ihre neue Präsenz zeigte schnell ihre heilsame Wirkung, indem sie unausgesprochene, unbebilderte, verdrängte, weibliche Energien ins Bewusstsein zurückbrachte. Doch wenn die Schwarze Göttin, die schon in den alten Kulturen als ein Aspekt der Großen Dreifaltigen Göttin erschienen und als Kali, Lilith oder Hel verehrt worden war, sich nun wieder anschickte, zurückzukommen, wo waren dann die beiden anderen? Die drei Ebenen, die die Große Göttin umfasst, entsprechen der lugend (Jungfräulichkeit), der Blüte (Mutterschaft) und dem Alter (Weisheit und Tod), denn so wie die Rote Göttin unablässig neues Leben gebiert, stirbt es im Angesicht der Schwarzen Göttin, um durch die Weiße Göttin wieder neu erweckt zu werden. Ich begann sie in ihrer Gesamtheit in den anderen, schon vorhandenen Karten zu suchen und wurde in der Sexualkraft der Herrscherin (Rote Göttin) und der Weisheit und Reinheit der Hohepriesterin (Weiße Göttin) fündig. Eine besondere Bewandtnis hatte es mit der Karte Lust auf sich. Zuerst dachte ich, sie wäre die Schwester der Regentin, doch dann wurde mir bewusst, dass sie vor allem die Stiefschwester der Hohen Priesterin war, denn die dunkle Göttin ist nicht zuletzt das Ergebnis der offenen Wunde oder der tiefen Kluft, die entstanden ist, weil der sexualmagische Akt der alten Tempelpriesterinnen von der christlich geprägten Zivilisation des Abendlandes entwürdigt und in die Begriffe Hure und Heilige gespalten worden war. Seither regiert ihre unerlöste Energie aus der Dunkelheit und die Fähigkeit, nicht nur über Leben, sondern auch über Tod zu gebieten, ist Hauptteil dieser Kraft. Das Ungleichgewicht, das entsteht, indem der dunkle Teil der Männer (Teufel) wahrgenommen, der dunkle Teil der Frauen aber völlig verleugnet wird, ist groß und einer der Hauptpfeiler unseres Geschlechterkampfes, der nur weichen kann, wenn sich beide Seiten mit dieser Kraft versöhnen und sie in sich wieder integrieren. Nur wenn wir das verstehen und ihr den geforderten Raum geben, bringt sie Frauen in die weibliche Energie, Männer in der Auseinandersetzung und Heilung mit ihrer Anima an ihre matriarchalischen Wurzeln und sich selbst aus der finsteren Seelengruft wieder ins Licht der Bewusstheit zurück. So wird die weibliche Kraft im männlichen Einweihungssystem verstärkt, wodurch es insgesamt ausgeglichener und stabiler wird, besonders im Hinblick auf die Lehre, dass der einzige Weg zu wahrem inneren Ausgleich die Ehrung und Verschmelzung des männlichen und des weiblichen Prinzips gleichermaßen ist.
Von Arjun
Die Angst vor der schrecklichen Urmutter kündigt sich in der Seele des Mannes meist schon vor seiner Geburt als zukünftige Projektionsfläche der scharlachroten Anima an. Alle Wesen erben die Last ihrer Vorfahren und deren Sehnsucht nach Befreiung, und so stellte ich den Fuß mutig auf die Himmelsleiter und begann meinen Abstieg. Da ist kein Gott außer dem Gott in dir, der sich selbst in allen Göttern als Gott erkennt, und da ist kein Mensch außer dem Menschen in dir, der sich selbst in allen Menschen als Mensch erkennt. Da ist keine Wahrheit außer der Wahrheit, die sich selbst für wahr hält. Da ist nichts außer Lug und Trug, es sei denn, du wärst es selbst, sagte die dunkle Alte und lächelte, während sie mir das Messer in den Bauch rammte, und schlagartig wechselte sie die Gestalt und wurde zur jungen Geburtshelferin. Das war der Start. Für den kleinen Jungen war es natürlich zunächst schwer, die dunkle Seite des Weiblichen oder den irrationalen und unberechenbaren Anteil des Mütterlichen zu integrieren. Und es wurde auch in den nächsten Jahrzehnten nicht besser. Trotzdem hatte sie Recht: Alle Töchter der Göttin in meinem Leben waren nicht berechenbar. Ihre Macht war süß, ihre Nähe warm und zuweilen eine Qual, doch standen sie als unverrückbare Instanzen der Macht in meinem Bewusstsein. Es war der ständige Ruf nach Opferung und Hingabe auf dem Altar des Weiblichen, der mich durchdrang, die stille Aufforderung nach Geborgenheit im mütterlichen Schoß und das Verlangen, mittels Libido und Kraft den Fortbestand der Sippe zu sichern. Ich merkte aber auch, dass aus der gemeinsamen Liebeseuphorie schnell eine verhängnisvolle Magie heraufbeschworen werden konnte, wenn Frau und Mann ihre gegenseitigen Projektionen, sie wären Gott und Göttin und jeder für den anderen das ultimative Ziel ihrer geschlechtlichen Sehnsucht, ineinander verankerten. Niemals darf man ein solches sexualmagisches Statement als persönliche Botschaft werten, die dem materiellen Alltag standhalten kann. Lediglich der geschützte Raum eines Liebesrituals gestattet die Übernahme der Rolle der archetypischen Bilder von Göttern und Göttinnen, die sich als Urformen des ersten Liebespaares begegnen. Werden die kosmischen Kräfte des Männlichen und Weiblichen innerhalb dieses Rahmens als Spannungsbogen benutzt, fliegt der Pfeil der Sehnsucht auf der Sehne der Libido weiter, als die Sonne scheint. Aber aufgepasst: Alle Versuche, das Geheimnis der Kraft zwischen Männern und Frauen zu lösen, sind stets am Schatten des Persönlichen gescheitert, weil dort die Quelle der Enttäuschung sitzt, und aus diesem Schmerz heraus kann das seinen Schatten verdrängende Ich ohne sein Wissen zu einem unerschütterlichen Wächter vor dem Reich der Göttin werden, der seine eigenen, in einem unbekannten Teil seines Wesens formulierten Ziele auf der unbewussten Ebene im anderen gnadenlos bekämpft. Als ich endlich aufhörte, meine Frau und die Frauen der Welt verstehen zu wollen, also den Wunsch, ihre Unberechenbarkeit als Spiegelung meiner inneren weiblichen dunklen Seite zu kontrollieren, wurde ich tief im Gedärm von der betörenden Anima berührt, so als wollte sie mir sagen, dass ich mich jetzt auf den Weg zum Vater machen soll, der einst der Geliebte der finsteren, alten Göttin war. Im Grunde genommen ist es der Auftrag eines jeden Mannes, diesen Vater in sich zu finden, denn solange Männer gegen die dunkle weibliche Seite in sich rebellieren, können Frauen ihren lichten männlichen Teil nicht entwickeln. Erst wenn die Gegenwart der dunklen Mutter in einem Mann erwacht, erhöht sich seine Ausstrahlung und Attraktivität für die Frauen enorm, denn er reitet jetzt den Tiger ihrer Kraft, der ihn überall dahin trägt, wohin er will, von dem er aber niemals mehr absteigen kann, weil dieser ihn sonst zerfleischen würde. Gelangt er schließlich an die Haustür seines inneren Vaters, wird er erkennen, dass er sich selbst die Pforte öffnet, an die er von außen anklopft, und er wird fühlen, dass aus dem Sohn der Vater geworden ist, der die Mutter suchte und die Geliebte fand. Kehrt dieser Mann zum Urbild der Mutter zurück, so kann er sagen, ich habe mich gefunden, und er wird als Geliebter der ewig jungen Alten sich selbst neu erzeugen - das ist das Geheimnis der Schöpfung der verdrängten Anima aus männlicher Sicht. In ihrer Funktion als weibliche Teufelin scheint sie das Laufrad des Lebens anzutreiben, weil sie im Scheitern den Ausgleich der Kräfte vertritt. Nichts ist je verloren gegangen, weil das Chaos, vor dem sich der Kaiser fürchtet, nichts anderes ist als die Ordnung der alles umspannenden Leere, durch die jedes Leben eintritt und wieder geht:
Ich bin der Grundstein all dessen, was möglich ist, und mein Name ist: »Nichts bleibt verborgen«, denn ich bin das Ja zum Leben
und das Ja zu deiner Kraft. Erobere die Welt und erkämpfe
dir deinen Platz, aber wisse, in mir sind alle Dinge auf ewig, weil ich nicht bin!
In Liebe allen Töchtern der dunklen Göttin in mir
und dem Fest der Begegnung im Außen gewidmet.
Von Lussia
Die entscheidende Erkenntnis zum Thema des inneren dunklen Kindes entstand ganz zufällig während eines Neumond-Rituals beim Herausrufen der schwarzen weiblichen Kraft. Dabei wurde ich mir der ungeheuren, diabolischen Energie des Kindes als der Kehrseite der dunklen Göttin bewusst, die unpersönlich und in eisiger Klarheit alles um mich herum erfasste. Daraus stellte sich mir die Frage: Sollte sie als der finstere weibliche Aspekt im Menschen den Schatten der weiblichen Trümpfe verkörpern, wäre dann der unheilvolle Balg nicht möglicherweise das verlorene Kind der dunklen Mutter, das in der tiefsten Brunnenstube der menschlichen Seele verborgen und unerkannt sein Dasein fristet? Vielleicht liegt die Antwort, dass dieser wichtige Archetyp in der Welt des Tarots bisher noch keinen Zugang gefunden hat, darin, dass wir uns noch nicht lange genug mit den abgespaltenen psychischen Anteilen tiefer auseinandergesetzt haben, also den Pfründen, aus denen das verhängnisvolle Kind in unsere Welt gekommen ist. Denn aus spiritueller Sicht könnte man sagen, dass wir in unserer kollektiven Entwicklung erst jetzt in der Lage sind, eine solche komplexe Energiestruktur wie das, was wir als schwarzes oder abgespaltenes Kind umschreiben, überhaupt zu erfahren. Früher wurden die Krankheitsbilder im Persönlichkeitsaspekt des verletzten und deshalb finster wirkenden inneren Kindes, das sich unverstanden und allein wähnt, mit Begriffen wie endogene Depression, autistisches Verhalten oder manisch-depressiven Neurosen umschrieben. In der Verdichtung der Krise und als Auslösungsfaktor in Zeiten von Überforderung, Verzweiflung, Liebesentzug oder dem Gefühl, nicht mehr geliebt zu werden, resultiert ein ungeheures Angstpotenzial in Form eines psychischen schwarzen Loches. Hockt man erst einmal drin, dann reduziert sich das emotionale Wollen auf Ziele wie Stabilisierung des gekränkten Ego durch Selbstmitleid, d. h. dem Suhlen in den Erinnerungen von Missbrauch und Schmerz. Das enttäuschte Kind errichtet um die Seele einen Schutzwall, der kein äußeres Zeichen der Liebe oder Zuwendung mehr durchdringen lässt und die Psyche zwingt, sich ausschließlich mit jenen Begebenheiten zu befassen, die die Qual alter Verletzungen immer wieder neu auslösen. Beobachtungen zufolge, in denen Menschen aus unverständlichen Gründen plötzlich heimlich und beleidigt davonschleichen, trotzig sich zurückziehen, zerstören oder gar morden, können wir darauf schließen, dass sich in jedem Individuum eine verdrängte, sich aus der Ablehnung nährende Kraft verbirgt, die die verhinderte Liebe oder Nähe in einen trotzigen Abwehrmechanismus umbiegt, um die Welt für ihren Schmerz verantwortlich zu machen. In der Symbolik dieser Karte sind die sabotierenden, nachtragenden und alle Lebensfreuden verhindernden und vernichtenden Enttäuschungsmuster zusammengefasst. Das Kind stellt die Summe aller erlittenen Verletzungen, die es im Laufe seiner Entwicklung erlebt hat, dar und fühlt sich einzig dem Dämon verpflichtet, der ihm in seiner Depression unerschütterlich zur Seite steht, dessen Name Selbstbestrafung ist und dessen Weg der Selbstzerstörung sich in der Vernichtung seiner Peiniger krönt Wo aber liegen die Wurzeln dieses abgespaltenen Persönlichkeitsteiles, der sich so tief in die Schattenkammern der Seele zurückgezogen hat? Ist es grundsätzlich die kollektive Enttäuschung über den Rauswurf aus dem Paradies als ein Zustand vollkommener Einheit? Oder sind es die persönlichen, gekränkten Gefühle, nicht in seiner Eigenart wahrgenommen oder geliebt worden zu sein, denn Übergriffe, Missbräuche oder auch die unerwiderte Liebe zu den Eltern lassen ein tiefes Misstrauen in der Menschenseele wachsen und Flucht, Schmerz und Selbstzerstörung sind letztlich die folgerichtige Konsequenz daraus.