Kitabı oku: «Der Akron Tarot», sayfa 5
Kontroverse
Kronos als Hüter der Tradition
Der Anfang der Welt ist das magische Wort der Schöpfung, werter Kollege, und der Magier ist der Repräsentant des Schöpfers im Menschen. Sein Wille lässt alle Erscheinungsformen des menschlichen Lebens entstehen. Keine Glühbirne, keine Schubkarre und kein Atomkraftwerk wären in der Welt ohne seinen kreativen Willen. Die Gabe seiner Erkenntnis und die Unterscheidungsfähigkeit der verschiedenen Ebenen ermöglichen erst den Zugang zur Realität überhaupt. Er ist der erste und Einzige, der in der Lage ist, dieses Wort und alles daraus Entstehende in die Sichtbarkeit zu bringen. Seine Einsicht in die Gesetze der Welt sind Inspirationen über den Bauplan des Lebens und es ist sein höchstes Ziel, den Menschen als Krone der Schöpfung über alle Wesen dieser Erde zu setzen. Er ist in der Lage, ein Bild von sich selbst zu schaffen und die Welt, die dieses Bild umgibt, mit seinem Willen zu durchtränken. So ist er auch der Schöpfer des Tarots und schenkt uns das Licht der Erkenntnis über uns selbst. Damit ist er der Eine, der für sich all—eins die Welt nach seinem Bild schaffen kann. Wenn sich hinter diesem Ziel oft auch die Schwäche des Egomanen ausdrückt, im Spiegel seiner Gottwerdung über die Stränge zu schlagen - wie können Sie ihm trotzdem den Willen absprechen, der sein Wesen ausmacht? Ihr Versuch, seine Wirklichkeit in der Wirklichkeit des Narren verschwinden zu lassen, ist Blasphemie, Herr Verteidiger, und kann nur ein Trick des Teufels sein, sich in Konkurrenz mit den Kräften des Magiers zu begeben. Was ist daran falsch, wenn sich der Magier seine Vorstellung von Gott aus der Energie und Kraft des Menschen schafft? Mit welchem Recht wollen Sie ihn seiner Fähigkeit der Vermittlung zwischen Himmel und Erde berauben? Erklären Sie sich!
Akronos als Advocatus Diaboli
Das Problem des Magiers ist das, verehrter Staatsanwalt: Weil er glaubt, die Ziele aus sich heraus zu verwirklichen, ohne zu merken, dass es nur die aufgrund seiner Erziehung zu Glaubenssätzen erhärteten Energien seiner unbewussten Wünsche sind, denen er unbemerkt seine Welt nachgestaltet, kann er nicht wissen, welche wirklichen Kräfte sich in allem, was er denkt und glaubt, entfalten. Die Frage ist doch die:Welche unbewussten Mechanismen zwingen ihn, seine Kreativität durch solche Formen zu pressen, die zu den uns bekannten Dogmen und Glaubensformen führen? Oder welche anderen Gefäße ihn zu anderen Erkenntnissen hätten führen können und, damit verbunden, die grundlegende Frage, was die innere Ordnung dieser Matrix überhaupt ist, nach der er Modelle bestimmt und entwickelt? Dann interessiert natürlich auch der Preis, der den Dämonen für diese Gefäßmiete zu zahlen ist: der Tribut für die Illusion, so zu sein, wie er ist, verbunden mit dem Glauben, dass er das so gewollt hat oder dass es zumindest einer höheren spirituellen Absicht im Universum oder einem schöpferischen Willen im Ozean der Psyche entspricht. Er merkt nicht, dass das Bild seines Ego gar nicht in seinem Kopf entsteht, sondern einfach ein beliebiger Ausschnitt aus seiner Psyche ist, die aufgrund gewisser Vorlieben und Prägungen an der Oberfläche seines Unbewussten erscheint, um die Teile aus seiner Seele, die er als sein Selbst bezeichnet, zu entwickeln. Und da er verdrängt, dass er sich nie genug bewusst sein kann, um die Visionen, über die sein innerer Narr verfügt, erfassen zu können, symbolisiert der Magier auf der Schattenseite auch dieses gefährliche, von seiner Intuition losgelöste Erkennen, das jegliches Maß verlieren kann. Dann wird aus dem Wunsch, sich selber außerhalb der Gesetze neu zu entdecken, der persönliche Größenwahn, sich mit diesem erkannten Größeren zu personifizieren und sich als gottähnlich zu erleben. Der Wahnsinn des Geistes, der sich mit der Kraft des ungebremsten Willens identifiziert, ist der Traum der Weltherrschaft durch und für sein Erkennen. Diese Visionen können völlig von ihm Besitz ergreifen und die ganze Macht seines Unbewussten heraufbeschwören, auf deren Altar er am Ende aber selber hingeschlachtet wird. Denn nähert er sich dem Strom seines inneren Feuers aus einer durch sein übermäßig erhöhtes Ego verbogenen Sichtweise, dann wird ihm die Wucht des Erkennens die Perspektive zertrümmern.
Deutungen
Allgemein
In der ersten Wahrnehmung eines Selbst—Bewusstseins in Form von Absichten und Zielen sind wir aus der Einheit herausgefallen und in der Dualität gelandet. Aus dem Unbewussten des Narren schöpfend entdeckt und benennt der Magier seine Absichten und gestaltet so seine Realität. Deshalb ist er der Macher - der Zauberer, der durch das Formulieren von Zielen und Entscheidungen seine eigene, selbst geschaffene Wahrnehmung so steuern kann, dass sie dem entspricht, was er zuvor als seinen konzentrierten Willen ausgeschickt hat. Der Preis, den er dafür zahlt, ist eine ständige Suche nach der Einheit, von der er sich getrennt hat und zu der er über die Reise durch die Stationen der Großen Arkana wieder zurückkehren kann. Sein Werkzeug ist der Wille, der gepaart mit dem Gedanken das Wort erschafft. Daher steht diese Karte im Alltag für die Fähigkeit, gut mit Worten umzugehen und andere von sich überzeugen zu können. Ob der Magier dabei die Wahrheit spricht oder nicht, ist unbedeutend - er benutzt die Worte als Werkzeug, um Ideen zu vermitteln und seinen Willen zu realisieren. Somit steht er für die persönliche Selbstverwirklichung, für das Ich bin, den Gestalter, der die Ideen, die er aus der Narrenbox empfängt, mitteilt und sie damit in die Welt schickt, damit sie sich dort draußen manifestieren können. Durch seinen Mund finden sich immer die richtigen Argumente, um unseren Wünschen und Vorstellungen die passende Form zu geben. Der Magier empfängt alle die Impulse und Inhalte für seine Gestaltung der Realität aus dem Unbewussten in Form des Narren oder der Hohepriesterin. Da er sich aber durch sein Bewusstsein wahrnimmt, ist er sich zumeist nicht darüber klar, dass sein persönlicher Wille nur ein geringer Teil der gesamten Welt ist. Er begegnet uns im Alltag in den Momenten, in denen wir anderen etwas mitteilen, erfolgreich Ideen oder neue Inhalte vermitteln, mit unserer Ausstrahlung und unserem Charme Menschen für uns einnehmen, ein wenig flunkern, um etwas zu unserem Vorteil zu drehen, und manchmal auch etwas sehr von uns eingenommen sind, weil wir vergessen, dass die Welt nicht unbedingt so ist, wie wir sie aus unserem Ego heraus wahrnehmen.
Beruf und Finanzen
In beruflichen Situationen steht der Magier für die Gabe, unsere Wünsche und Ziele durchzusetzen. In Gesprächen finden wir die richtigen Worte und können andere von unseren Vorhaben überzeugen. Worauf wir uns konzentrieren und unseren Willen ausrichten - das erreichen wir auch! So können wir in der Energie dieser Karte die ersten konkreten Schritte zur Verwirklichung unserer Ziele gehen. Typische Magierberufe finden sich im Management, im Journalismus, in der Werbung oder beim Verkauf. Vertreter dieses Genres sind oft Künstler der Worte und benutzen in hohem Maße die Fähigkeit, durch ihr Gesprochenes oder Geschriebenes Menschen zu beeinflussen, um beispielsweise einen Gegenstand so begehrenswert zu machen, dass ihn andere unbedingt haben wollen. Im finanziellen Bereich steht der Magier eher für einen gewissen Hang zur Verschwendung. Er ist kein Sparer. Das Geld läuft leicht und flüssig, und er kommt immer wieder zu Kapital. Aber ebenso schnell kann er es auch wieder ausgeben.
Umgekehrt
Hier tritt der aufgeblasene Gaukler im Magier in den Vordergrund. Vielleicht überschätzen wir uns ein wenig mit dem neuen Projekt oder wir verkaufen mit schönen Worten Inhalte, die wir dann nicht einhalten können oder wollen. Möglicherweise ist die persönliche Ausdruckskraft oder Zielsetzung im Beruf gerade auf irgendeine Weise blockiert und unsere Energie kann nicht frei fließen. Oder wir finden nicht die richtigen Argumente, können uns nicht genügend verständlich machen und es kommt zu Missverständnissen in Bezug auf die Arbeit und bei Kollegen. Meinungsverschiedenheiten können auch dadurch entstehen, dass wir auf unser berufliches Umfeld einen arroganten Eindruck machen, der daraus resultiert, dass wir uns in überzogener Selbstwahrnehmung für besonders klug oder gar genial in unseren Absichten und Handlungen halten.
Liebe und Beziehung
Der Magier kann uns bezaubern und umgarnen. Er ist ein Verführungskünstler und Meister der Verbalerotik. Er repräsentiert Menschen mit Charisma und Initiative. Flirten, spannende Begegnungen und das berühmte Funken zwischen zwei Menschen sind sein Ding. Im Kraftfluss dieser Karte sind wir sehr kommunikativ und initiativ in unseren bestehenden Beziehungen und können uns gut mit dem Partner austauschen. Sexuell sind wir aktiv und verspielt, wobei wir aber gerne wollen, dass alles nach unserem Willen geht. In der Magier-Energie können wir auch leicht auf neue Leute zugehen und beim ersten Kennenlernen oder Flirten die Initiative ergreifen. Selbstbewusst breiten wir dann alle unsere Eigenschaften in leuchtenden, appetitlichen Farben vor den anderen aus, die begeistert und fasziniert auf unsere schillernde Persönlichkeit reagieren. Dabei dirigieren wir gerne die Energien zwischen den Seelen und fungieren als Vermittler und auch Inszenierer von Begegnungen, denn der Magier sucht seine Lebensbühne, auf der er agiert, ständig zu erweitern. Mit dieser Offenheit können wir wertvolle neue Impulse und Energien in unsere Beziehung tragen - wenn wir über unserer Spielfreude die Wünsche und Bedürfnisse unseres Partners nicht vergessen oder gar ignorieren.
Umgekehrt
Kopfüber besteht beim Magier wortwörtlich die Gefahr, die Beziehung zu »verkopfen«. Gefühle werden zerredet oder wir schneiden sie ganz ab und nehmen uns selbst fast ausschließlich vom Hals an aufwärts wahr. Der verkehrte Magier möchte auch gerne die Beziehung im Griff, unter Kontrolle haben, was das Gleichgewicht empfindlich stören kann. Mit seinem selbstdarstellerischen Hang zu spielen kann er beim Entdecken von neuen Impulsen weit über die Grenzen anderer Menschen gehen und in seiner Selbstbezogenheit Verletzungen der anderen provozieren. Zudem kann er als Verführungskünstler seine Gaben der wortgewaltigen Überzeugungskraft dazu nutzen, die Umwelt bewusst zu täuschen und zu betrügen. Auch wenn dies für die involvierten Personen die Chance enthält, Eigenschaften in sich gespiegelt zu bekommen, die sie aus ihrem Bewusstsein verdrängt haben, ist der Moment des Geschehens zumeist ebenso unerwünscht wie schmerzhaft.
Magie und Spiritualität
Diese Karte entspricht der Magie an sich, wenn wir sie als die Fähigkeit definieren, das Bewusstsein zu konzentrieren und zu lenken, um in der Realität, wie wir sie wahrnehmen, Veränderungen zu bewirken. Doch gerade bei unserem spirituellen Prozess kann uns der Magier mit seinen kurzsichtigen Zielen oft im Wege stehen. Er hilft uns zwar, Inhalte in Worte zu kleiden und somit magisch zu handeln, doch er verführt uns zugleich dazu, zu glauben, dass das, was unser Ego sich wünscht und erreichen kann, auch das ist, was wir wirklich für unseren Entwicklungsprozess brauchen. Wenn wir uns darüber klar sein können, dass wir immer nur aus unserem eigenen Ich heraus agieren, so bietet uns der Magier mit seiner Neugier und seiner schnellen Auffassungsgabe jedoch die Möglichkeit, auch andere Standpunkte als unseren eigenen wahrzunehmen, damit wir unser Ego in die richtige Relation zu unserer Umgebung rücken können.
Umgekehrt
Dementsprechend bedeutet er in der Umkehrung, dass wir in erster Linie damit beschäftigt sind, unsere persönliche Absicht und die Machtgelüste unseres Ichs zu erfüllen, statt uns der Liebe zu öffnen. Hier wird die magische Energie dazu missbraucht, die Bedürfnisse unseres Ego zu befriedigen, unabhängig davon, ob wir uns selbst oder anderen Menschen damit schaden könnten. Das Bewusstsein des Magiers für seinen eigenen Willen und die Macht, diesen zu lenken, kann zudem zu großer Selbstüberschätzung führen, indem er seine Kraft den anderen gegenüber als überlegen wahrnimmt, was oft, von magischem Säbelgerassel begleitet, in heftige Fehden ausarten kann. Außerdem kann er durch Fehlleitung seiner Energie Schwierigkeiten bekommen, überhaupt klar denken zu können. Lenkt er z. B. die Konzentration gegen sich selbst oder ist er dem nicht gewachsen, was er selbst durch sein Wirken ausgelöst hat, so kann dies von Nervosität und Verwirrtheit bis hin zu ernsthaften psychischen Störungen führen.
II Die Hohepriesterin
Weisheit, Geheimnis, Intuition
Die Weiße Göttin
Die Hohepriesterin präsentiert sich als saugende Vulva, die sich um den Leben spendenden Phallus schließt, als empfangender Schoß, in den der Magier seinen zeugenden Samen ergießt. Mit einem Wort: Sie ist das Urbild des weiblichen Sexus. Diese Karte wird traditionell im Zusammenhang mit der ihr vorangehenden Karte des Magiers und der ihr folgenden Karte der Herrscherin gesehen. Die Hohepriesterin verkörpert das sphärisch Kreisende, der Magier das Linear-Eindimensionale, und beider Verschmelzung führt zur Geburt der Herrscherin. Diese symbolisiert ein inneres Wachsen und Reifen, welches im Bereich des Seelischen stattfindet, das dem Potenzial des Werdenden zur äußeren Manifestation verhilft. Da die Hohepriesterin all dies selbst gebiert, ist sie - ohne selbst Bild zu sein - die hinter den Bildern wirkende Bilde-Kraft, die dem Unbewussten eine Form verleiht. Der Ort dieser Manifestation ist das im kollektiven Geist heranwachsende Gefäß der Empfängnis und ihre allererste Voraussetzung die Zeugung durch den phallischen Ich-bin-Anspruch des Magiers. Auf diese Weise sind alle drei Karten durch eine hintergründige Sinnhaftigkeit miteinander verbunden.
Baphomet — Tarot der Unterwelt
Karte
Die Hohepriesterin des Tarotdecks entspricht dem alten Urbild der Mondgöttin. Die Farbe Weiß, die ihr zugeordnet ist, signalisiert Reinheit und beinhaltet alle Farbspektren, die auf der Erde möglich sind. Ihre Vertreterinnen auf Erden waren jungfräuliche Dienerinnen der Göttin, Tempelpriesterinnen und Sexualmagierinnen in einem. Dies ist kein Widerspruch, der Begriff »Jungfrau« bedeutete in alten Zeiten schlicht »junge Frau, die noch kein Kind geboren hat«, und schloss die Sexualität keinesfalls aus. Sexualriten spielten im Dienst an die Göttin sogar eine große Rolle, weshalb nicht nur die numerologische Verbindung der Hohepriesterin zur Karte Lust von der Verwandtschaft der beiden Karten zeugt. Die von der Lust repräsentierte Seite der Göttin steht für Lebensfreude und Sexualität, beides Instrumente der Priesterin, um ihre Religion auszuüben. Die Vereinigung der Priesterin als Medium für die Leben spendende Mutter mit verschiedenen, auserwählten Männern wurde als natürlich angesehen. Sexuelle Praktiken, auch lesbischer Natur, wurden angewandt, um zu heilen, hellseherische Kräfte zu beschwören und vieles mehr. In christlichen Zeiten wurde das Bild der Mondgöttin zweckentfremdet und - von ihrer Sexualität getrennt - in die mythisch verklärte Jungfrau Maria der unbefleckten Empfängnis verwandelt. Der andere Teil wurde zur (Tempel-)Hure degradiert. Darauf mag auch die Abspaltung der Lust von der Hohepriesterin zurückgehen.
Die Weiße Göttin steht nicht nur für den Drang, der auf das Unbewusste ausgerichtet ist, auf den Urbronnen der Mütter, in den Goethes Faust hinabgestiegen ist: Sondern indem sie den Menschen, der an der Wasseroberfläche seiner gespiegelten Wünsche und Ziele am Bewusstseinsrand hängen geblieben ist, durch seine materiellen Fixierungen hindurchfallen lässt, löst sie auch seine intuitiven Hingebungen aus. Während der Magier auf die Gestaltung der äußeren Welt angewiesen ist und von der Handhabung seiner persönlichen Durchschlagskraft lebt, geht das Streben der Hohepriesterin umgekehrt in die Tiefe, oder - anders herum ausgedrückt - die Zauberin verkörpert die Quelle, aus der der Magier schöpft. Blättern wir zurück: Sehr leicht erkennen wir den Magier (Ich), der aus dem Narren entsprungen ist und die Hohepriesterin als namenlose Unendlichkeit des Nicht—Ichs von seinem Ego abgespalten hat. Sie ist die Repräsentantin für die unsichtbare Welt, das Nicht-Materielle: die gute Fee, die in alten Märchen oft die Rolle eines unschuldigen Kindes annimmt und in einer bösen Stiefmutter mit zerstörerischen Absichten ihre Widersacherin findet, die wiederum nichts anderes als den Schatten der Hohepriesterin darstellt und durch ihre Taten das Erscheinen eines die Persönlichkeitsteile wiedervereinigenden und erlösenden Märchenprinzen herbeizwingt. Ihre Priesterinnen sind Meisterinnen darin, die Schleier zwischen den Welten zu teilen. Sie werden sorgfältig für ihre Grenzgänge ausgebildet und ihre Kunst und Macht besteht darin, sich auf verschiedenen Ebenen bewegen zu können, manchmal zugleich, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Ihr Interesse und ihre Talente gelten weniger der irdischen Welt, denn ihre geheimnisvollen Träume verkörpern die vergessenen Geschichten, die aus der Tiefe von Zeit und Raum wieder ins Licht gehoben werden können, wenn die Stunde schlägt. Sie erfahren auf ihren Reisen viel über die kosmischen Zusammenhänge und Netzwerke, in denen das Leben abläuft. So dienen sie auf Erden als Vermittlerinnen zwischen den Welten, denn sie können sich außerhalb von Raum und Zeit aufhalten, ihre hellsichtigen Geheimnisse mit zurück ins Bewusstsein bringen und sie benutzen, um in Zusammenarbeit mit der Muttergöttin das Geschehen zu stricken. Die Hohepriesterin unterstreicht diesen Mechanismus, wenn sie mit ihren Zauberfrauen am Spinnrocken sitzt und die immer wieder gleichen Abläufe im menschlichen Hirn durch verschiedene Sichtweisen und Rückblenden zu einer tiefen unbewussten Vision verknüpft, die dem Eigner zeigt, wie alte Bilder aus der Tiefe der Seele zu immer neuen Erlebnismustern und Abenteuergeschichten ineinander verstrickt werden können. Damit zeigt sie an, dass der Mensch bereit ist, in die unbewussten Schächte hinabzusteigen und das Medusenhaupt ins Licht zu heben.
Im Mittelpunkt der Karte sehen wir einen goldenen Schrein (Würfel im Bild), aus dem sich das Antlitz der Göttin erhebt. Es scheint, als ob sie dem Ozean des Unbewussten entsteigt, und das entspricht dem Impuls der Psyche, der ins Licht des Bewusstseins drängt. Sie spielt mit einem kleinen Pferd in der Hand als Zeichen, dass sie nicht nur eine Zaunreiterin ist, sondern auch die Sprache der Natur und der Tiere versteht. Deshalb taucht sie in vielen Bildern und Namen wie z. B. Artemis und Diana auch in ihrem Aspekt als Jägerin und in enger Verwandtschaft mit ihrer dunklen Schwester, der Schwarzen Göttin, auf. Der Würfel, in dem sie sitzt, ist ein Symbol für ihr mysteriöses Traum- oder Tiefenselbst (sie ist mit sich eins und hat dadurch direkten Zugang zu ihrem kosmischen Selbst), denn dieser polstert die Räume der Träumer aus, wenn sie zu den Ursprüngen ihrer eigenen Quellen abtauchen. Die Feuerschale auf dem Schrein ist ein Ausdruck der intuitiven Kraft oder der Maya-Energie, die wie eine goldene Quelle durch die kaleidoskopisch sich umwälzenden Assoziationsmuster menschlicher Denkverarbeitung strahlt. Es sind die Flammen der Seele, die die Gefühle der Menschen in das Buch des Lebens, in der alle vergangenen, gegenwärtigen und auch zukünftigen Geschehnisse aufgezeichnet sind, einbrennt.
Anders gesagt: Die Hohepriesterin ist das kollektive Assoziationsgewebe in der Tiefe der Seele, an dem unsere mentalen Rückblenden immer wieder anknüpfen und unbewusste Erinnerungen ins Licht unseres Erlebens weben. Sie kann intuitiv erahnt oder sogar gefühlt, aber weder emotional noch mental kontrolliert werden, ist sie doch selbst die Quelle, aus der die Urmuster unserer Gefühle und Gedanken strömen. Umgekehrt kann man darin aber auch die Vorgehensweise der Weißen Göttin erkennen, die alle realen Erlebnisflashs in die Tiefe schickt, wo sie sich an der Stelle im Netz positionieren sollen, an der sie an vergangene Ähnlichkeiten anknüpfen. Der Spot in die Tiefe ist das innere Licht, das uns ahnen lässt, dass alles, was wir sehen, letztlich nur ein unbedeutender Bruchteil jener Träume ist, die für den Verstand verschwommen bleiben müssen, damit sich dieser in seinem Verlangen nach Kontrolle nicht verwirrt, denn wüsste er, dass es im Grunde nur eine Handvoll Möglichkeiten sind, aus denen er seine sichtbare Welt gestaltet, dann wäre er verwirrt. Es ist besser, er merkt nicht, dass die Karte, die er sieht, nur ein Bild in einem Rahmen ist, das er an die Stelle schiebt, an der er scheinbare Ähnlichkeiten entdeckt und aus deren Verknüpfungen er immer wieder ein neues Universum aus dem Hut zaubern kann.
Zusammenfassend können wir die Hohepriesterin als den heiligen Schrein im Teich des Unbewussten ansehen, in dem alle kollektiven und persönlichen Erlebnisse aufbewahrt sind. Somit ist die künftige Erkenntnis lediglich das Resultat der Messung neuer Eindrücke an den alten Erfahrungen, deren Auswirkungen wie die Ringe eines ins Wasser geworfenen Steines sich immer wieder auf die ursprünglichen Prägungen in unserer Erbmasse beziehen. Auf einer anderen Frequenz zeigt sich der Magier auch als eine ans Licht sprudelnde Quelle, aus der der Mensch seine Ziele schöpft. Die Hohepriesterin wäre dann der in der Tiefe liegende Wasserzufluss.
Sie sprudelt nicht perlend und lärmend der Oberfläche entgegen, ihr Wasser steigt und senkt sich langsam und unmerklich wie der Pegel des Grundwassers und wird erst sichtbar, wenn der Mensch beim Abschöpfen der Quelle sich auch für den unsichtbaren Zufluss interessiert. Das heißt: Der Magier kann die Hohepriesterin erst dann wahrnehmen, wenn er akzeptiert, dass es in der Tiefe noch jemand anderen geben muss, zu dem er sich in Beziehung setzen kann. Dadurch bringt er sich in die Lage, die in die Unendlichkeit reichenden Ausmaße dessen zu erkennen, was durch die Erschaffung unseres Ichs als Nicht—Ich zurückbleibt. Oft versagt der Magier in uns, seinem passiven Gegenpol, aus dem er schöpft, einen Namen zu geben, da sich die Kraft der Hohepriesterin nicht in die Ausformungen seiner Ideen integrieren lässt. Nur sie, die selbst passiv aus seiner Selbsterschaffung entstanden ist, vermag dem aus seiner Sicht Unbeschreiblichen einen Namen zu geben, und sie nennt es schlicht und einfach Du. Sie erscheint dem Menschen wie ein Bild im Schlaf, von dem er noch nicht weiß, ob die Begegnung in einer kreativen Vision oder einem Alptraum endet, und sie ist mehr als nur ein Traum, der als abhängige Koexistenz um das Licht seines erkennenden Geistes herumtanzt: Sie ist der Urgrund des Magiers, aus dem dieser entstand, der fruchtbare Boden, der seine Impulse wie der Acker das Saatgut aufnimmt. Sie ist aber auch die Nacht, in die er hinabtauchen muss, um mit seiner dunklen Weiblichkeit versöhnt wieder auferstehen zu können, und obwohl ihr Entstehen vom Werk des Magiers abhängig ist, ist sie in ihrer Existenz unabhängiger als er. Denn sie braucht ihn nicht, um fließen zu können; er hingegen braucht sie als Grundlage und Bezugsquelle. Somit wird die Hohepriesterin wohl am besten beschrieben als das unbeschreibbare, unpersonifizierte Gegengewicht zum schöpferischen Willen des Magiers, die Vision unserer Polarität in die Welt zu bringen.