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Kitabı oku: «Black», sayfa 10

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Der Chevalier war entschlossen, dem schwarzen Jagdhund ein Asyl zu bieten, und suchte einen Ort, wo er ihn am passendsten unterbringen könnte.

Die Selbstverleugnung, mit welcher der Chevalier das gebratene Huhn geopfert und seine Reue über die schlechte Behandlung Mariannens beschwichtigt hatte, war seit den verhängnisvollen Traumbildern, die ihm vorgeschwebt, nicht mehr genügend: das Gaukelspiel seiner Phantasie überführte ihn des schwärzesten Undanks gegen ein Tier, welches ihm so deutliche Beweise von Anhänglichkeit gegeben hatte.

Der Chevalier war freilich seit Sonnenaufgang nicht mehr in derselben angstvollen Spannung, die Traumbilder der Nacht waren im Tageslicht zerronnen; die Seelenwanderung war ein System das nur in dein Gehirn des Pythagoras existiert hatte, die Vernunft und die religiösen Grundsätze des Chevaliers brachen darüber den Stab.

Aber trotz der Berechnungen seiner Vernunft, trotz der Regungen seines Gewissens zweifelte er, und der Zweifel wirkt vernichtend auf schwache Geister.

Der Chevalier würde beteuert haben, es sei höchst ungereimt zu vermuten, dass der Geist, der den Körper des schwarzen Hundes belebte, zu der Seele seines verstorbenen Freundes in der entferntesten Beziehung stehen könne; aber wie sehr er sich auch gegen jenen heidnischen Aberglauben sträubte, so vermochte er doch seine tiefe Zuneigung für den Hund nicht zu bemeistern.

Er dachte an das arme Tier, welches zwölf Stunden lang in Wind und Wetter gezittert, nach Tagesanbruch von Straßenjungen verfolgt, sein Futter in Gassen suchen musste, und vielleicht in Gefahr kam, für toll gehalten und totgeschlagen zu werden.

Kurz, der Chevalier de la Graverie, der noch vor zwei Tagen alle Hunde der Welt für ein Stück Pastete gegeben haben würde, dachte mit gepresstem Herzen und tränen feuchten Augen an das Missgeschick des armen Jagdhundes; er war entschlossen, sich seiner anzunehmen, und wie wir gesehen, maß er schon den Platz aus, wo das Haus seines künftigen Tischgenossen gebaut werden sollte.

Der Chevalier hatte einen schweren, inneren Kampf de» standen, ehe er diesen Entschluss fasste. Von Zeit zu Zeit besann er sich noch; aber je mehr er sich über seine Schwäche ärgerte, desto eifriger kämpfte er gegen seine Phantasie; je unruhiger seine Phantasie wurde, desto weniger vermochte er seine Schwäche zu besiegen. Kurz, der Hund beschäftigte ihn unablässig, obschon er von übernatürlichen Beziehungen zwischen dem Hunde und der Erinnerung an den armen Dumesnil nichts wissen wollte. Er dachte an den Hund nur noch wie an ein untergeordnetes Wesen der Schöpfung, aber er dachte doch unablässig an ihn.

Es war in der Tat kein gewöhnlicher Hund. Der Chevalier hatte sich in dem kurzen Verkehr mit ihm von seinen eben so seltenen als schätzbaren Eigenschaften überzeugt. Vergebens verschanzte sich der aus Grundsatz selbstsüchtige Dieudonné hinter seinen früheren Vorsätzen; vergebens dachte er, dass er sich fest vorgenommen, keinem zweifüßigen, keinem vierfüßigen oder gefiederten Wesen hienieden sein Herz zu öffnen, vergebens dachte er an die vielerlei Beschwerden, welche diese unwiderstehliche Zuneigung zu dem schönen klugen Tiere im Gefolge haben müsse – wir haben gesehen, wie weit es bereits mit dem Chevalier gekommen war.

Dieudonné wollte den Jagdhund weder im Stall noch in sonst einem bereits vorhandenen Gebäude unterbringen; er wählte den besten Platz im Garten, um ihm eine Hütte bauen zu lassen!

Zu seiner Entschuldigung sagte er: »Im Grunde ist er doch nur ein Hund! Ich habe jedem freundschaftlichen Verhältnisse zu meinen Mitmenschen entsagt, warum sollte ich einem Tiere meine Zuneigung nicht schenken? – Und wenn ich einmal getan habe, was ich ihm schuldig zu sein glaube, so mag er sich verlieren ober sterben, was kümmert’s mich? Wenn mir, was ich nicht glaube, ein Hund unentbehrlich geworden ist, so kann ich ihm ja einen Nachfolger geben. Ist es denn ein Bruch meines Versprechens, wenn ich in mein einförmiges Leben eine harmlose Zerstreuung zu bringen suche? Ich habe der Welt entsagt, aber ich will mich nicht zu einer Knechtschaft verurteilen, die hundertmal schlimmer ist, als die Knechtschaft der Galeerensträflinge. – Nein, das will ich nicht! Tausendsapperment!«

Nach diesem Fluche, der von seiner erbitterten Stimmung Zeugnis gab, warf sich der Chevalier in die Brust, als ob er sehen wollte, ob sich Jemand erlauben würde, einer entgegengesetzten Ansicht zu sein.

Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Der Chevalier betrachtete daher die Sache als unwiderruflich beschlossen.

Um indes seinen Plan in Ausführung zu bringen, fehlte ihm der Hauptgegenstand: der Hund, der über den Donnerschlag erschrocken, heulend davongelaufen war.

Der Chevalier beschloss daher seinen gewohnten Spaziergang zu machen. Er wollte sich gar keine Mühe geben, den Jagdhund zu suchen; aber wenn er ihm zufällig begegnete, wollte er ihn willkommen heißen.

Als der Chevalier diesen guten Entschluss eben gefasst hatte, schlug’s zwölf auf der Kathedrale. .

Der Chevalier ging freilich nie vor ein Uhr aus, allein in Berücksichtigung der Umstände beschloss er seinen Spaziergang um sechzig Minuten früher zu beginnen.

Er, begab sich wieder in sein Zimmer und nahm seinen Hut. Den Stock hatte er schon; er hatte ihn ja zum Ausmessen des für die Hundehütte bestimmten Raumes gebraucht. Die Tasche füllte er mit Zuckerstücken und steckte sogar eine Tafel Chocolade dazu, falls der Zucker keine genügende Lockspeise wäre. So ging er fort, nicht gerade um den Hund zu suchen, wohl aber in der Erwartung, ihm zufällig zu begegnen.

Als der Chevalier an die Reiterkaserne kam, setzte er sich auf die Bank, von der man die großen Höfe übersehen konnte.

Es versteht sich, dass ihm Marianne mit großem Erstaunen nachgeschaut hatte. Es war ja das allererste Mal seit fünf Jahren, dass der Chevalier vor ein Uhr ausging.

Die Zeit des Pferdeputzens war noch nicht gekommen. Die Kasernenhöfe waren öde und leer, und nur von Zeit zu Zeit sah man einen Soldaten aus einem Gebäude in das andere gehen.

Alles dies war dem Chevalier de la Graverie in seiner dermaligen Stimmung ganz gleichgültig; er schaute nicht in die Kasernenhöfe hinunter, sondern sah sich auf der Promenade um. Der Zwiespalt in seinem Innern dauerte noch fort: allein von Zeit zu Zeit war der Wunsch, das schöne kluge Tier zu besitzen, stärker als die Furcht vor den Unannehmlichkeiten, die mit dem Besitze eines Hundes verbunden sind.

Er stand auf und stieg auf die Bank, um weiter sehen zu können.

Der Gesichtskreis war ungeachtet dieses höheren Standpunktes immer noch zu beschränkt, der Chevalier warf forschende, sehnsüchtige Blicke auf die Umgebungen der Wallpromenade.

Er blieb vier lange Stunden auf der Bank, und er mochte immerhin schauen, wie »Schwester Anne,« er sah nichts kommen. Je mehr die Zeit verstrich, desto mehr fürchtete er, dass der Hund nicht wieder erscheinen werde. Der schöne Jagdhund war gewiss nur durch Zufall, und nicht durch tägliche Gewohnheit an diesen Ort geführt worden, der Chevalier, der doch täglich hierher kam, hatte ihn ja nie gesehen.

Nach vierstündigem Warten war der Chevalier fest entschlossen, den Hund mitzunehmen, falls er erschien; ja er hatte sogar schon sein Schnupftuch zusammengerollt, um es ihm um den Hals zu knüpfen, falls er nicht freiwillig, wie gestern, folgen wollte.

Doch es war vergebens. Der Chevalier hörte fünf schlagen, ohne den schönen schwarzen Jagdhund, oder auch nur einen gemeinen Köter, den er in der Ferne für seinen Liebling hätte halten können, gesehen zu haben.

Der Chevalier entschloss sich noch eine halbe Stunde zu warten;was Marianne dazu sagen, was sie davon denken würde, war ihm für den Augenblick ganz gleichgültig, Es war freilich unerhört, dass er nicht, wie sonst, schlag vier Uhr nach Hause kam, sondern bis gegen sechs Uhr ausblieb!

Um halb sechs Uhr war die Wallpromenade ganz verödet. Dieudonné dachte nun zum ersten Male an sein Diner, das seit fünf Uhr wartete. Die Speisen mussten entweder kalt geworden oder verbrannt sein. Er ging daher sehr verdrießlich nach Hause.

An der Straßenecke sah er Marianne, die ihn in der Haustür erwartete. Sie hatte einigen Nachbarinnen bereits versprochen, ihrem Herrn tüchtig den Text zu lesen. Aber als sie eben den Mund auftun wollte, fragte der Chevalier gebieterisch:

»Was machen Sie hier?«

»Sie sehen’s ja, Herr Chevalier,« antwortete sie ganz verblüfft, »ich erwarte Sie.«

»Eine Köchin gehört nicht in die Haustür,« entgegnete der Chevalier, »sondern in die Küche, um auf ihre Töpfe zu achten. Nehmen Sie sich in Acht!« setzte er hinzu, als er den aus dem Laboratorium kommenden Geruch witterte; »unter» stehen Sie sich nicht, mir verbrannte Speisen zu bringen! Das Frühstück war heute unter aller Canaille!«

»Es scheint wirklich,« sagte Marianne kleinlaut, als sie wieder in der Küche war, »es scheint wirklich, dass ich mich geirrt, und dass er’s bemerkt hatte. Verliebt ist er nicht, das ist gewiss; ich möchte nur wissen was ihm im Kopfe steckt’«

III
Wo Marianne ermittelt was dem Chevalier im Kopfe steckt

Der Chevalier setzte sich an den Tisch, aß hastig, fand alle Speisen schlecht, zankte mit der Haushälterin, ging Abends nicht aus und hatte eine fast eben so schlechte Nacht wie die vorige.

Der anbrechende Tag fand ihn erschöpft, fieberhaft aufgeregt. Die Qualen seiner Phantasie waren kaum mehr erträglich; der gestrige noch etwas schwankende Wunsch, den schönen schwarzen Jagdhund zu besitzen, war zum festen Vorsatze geworden, ihn um jeden Preis wiederzufinden und in sein Haus aufzunehmen.

Wie Wilhelm von der Normandie, wollte der Chevalier de la Graverie seine Schiffe verbrennen. Er ließ den Tischler kommen, und ohne sich um Mariannens Staunen und Händeringen zu kümmern, bestellte er eine schöne, komfortable Hütte für seinen künftigen Tischgenossen; dann entfernte er sich unter dem Vorwand, eine Kette und ein Halsband zu kaufen, in der Wirklichkeit aber, um dem Zufalle, der ihm den ersehnten Hund zuführen sollte, auf halbem Wege entgegenzukommen.

Aber dieses Mal beschränkte er sich nicht, wie gestern, auf müßiges Warten; ohne sich um die bösen Zungen zu kümmern, zog er genaue Erkundigungen ein, ließ einen Aufruf in die beiden Zeitungen des Departements einrücken und Zettel an alle Straßenecken kleben.

Alles war vergebens. Der Hund war erschienen und verschwunden, wie ein Meteor. Niemand konnte die mindeste Auskunft über ihn geben.

In einigen Tagen war Dieudonné abgemagert wie ein Stock und gelb geworden wie eine Quitte; er hatte keinen Appetit mehr, und wenn er aß, so verrichtete er nur ein maschinenmäßiges Geschäft; er hielt Ortolanen für Lerchen, und verwechselte sogar Karpfenmilch mit Blancmanger. Er schlief nicht mehr, oder wenn er einschlummerte, sah er die wie Karfunkel leuchtenden Augen des schwarzen Jagdhundes in einer Ecke des Zimmer glänzen. Dann fühlte er sich freudig erregt: der Hund war wiedergefunden und er rief ihn. Der Hund kam nun kriechend und ihn immerfort ansehend, auf ihn zu. Von diesem Traumgesicht überwältigt, sank der Chevalier seufzend auf sein Bett zurück. Der Hund begann ihm mit eiskalter Zunge die Hand zu lecken, stieg langsam auf das Bett und setzte sich endlich mit hängender blutroter Zunge und glühenden Augen auf die Brust des Schläfers. Und dieses Alpdrücken das nur einige Sekunden dauerte, war für ihn ein endlos langes Leiden.

Der Chevalier erwachte abgemattet und in Schweiß gebadet.

Diese physischen Veränderungen blieben natürlich nicht ohne Einfluss auf sein Gemüt. Bald war er schweigsam und mürrisch, wie ein Fakir, der in die Beschauung seines Nabels vertieft ist, bald war er reizbar und auffahrend wie ein an Magenbeschwerden leidender Patient. Marianne erklärte allen Nachbarinnen, die Geschichte von dem Hunde sei nur ein Vorwand, ihr Herr laboriere an einer heftigen Leidenschaft, und sie könne es bei ihrer bekannten Sanftmut nicht länger aushalten.

Um die von dem Tischler angefertigte Hütte, so wie die Kette und das Halsband zu benutzen, erklärte der Chevalier, einen Hund kaufen zu wollen.

Diese Erklärung war eine willkommene Nachricht für Jedermann, der einen Hund zu verkaufen hatte. Man führte ihm die Hunde dutzendweise zu! Spitze, Möpse, türkische Hunde, King Charles, Neufoundländer und Bernhardinerhund. Aber der Chevalier konnte sich zu keiner Wahl entschließen. Der Hund seines Herzens war ja der schöne schwarze Jagdhund mit dem langen, glänzenden, seidenartigen Haar, dem weißen Streifen auf der Brust, der rechlichen Schnauze und den Augen, ausdrucksvollen Augen.

Er hatte immer einen Grund, die ihm angepriesenen Tiere zurückzuweisen, war’s ein King Charles, so verlangte er eine Hündin dazu, um die Race fortzupflanzen, und die Hündin war natürlich nicht aufzufinden. War’s ein Bulldog, so fand er ihn zu bissig und zu schmutzig. An den Windspielen tadelte er das dumme Gesicht, an den Pudeln, dass sie mit allen Leuten freundlich wären, und nachdem er das Contingent der disponiblen Hunde in der Stadt gemustert hatte, dachte er mit Erstaunen an den himmelweilen Unterschied zwischen dem wundervollen schwarzen Jagdhunde und dem übrigen großen Haufen.

Durch alle diese ungewohnten Ereignisse war die Ruhe im Hause des Chevaliers de la Graverie seit zehn Tagen unterbrochen worden.

Es war Sonntag. Die Herbstsonne schien freundlich durch die entlaubten Baumzweige und vergoldete die alten grauen Stadtmauern. Die ganze Bevölkerung von Chartres erschien auf der Wallpromenade, um das schöne Wetter viel, leicht zum letzten Male vor Einbruch des Winters zu genießen. Die Bürgerfrauen stolzierten am Arme ihrer Männer, um ihre seidenen Kleider zur Schau auszustellen. Die mit bunten Bändern geschmückten Grisetten plauderten und lachten. Die Landmädchen mit ihren glatten Hauben, kurzen Taillen und roten Halstüchern gingen mehr erstaunt als heiter in schnurgeraden Reihen, wie Grenadiere, und versperrten den Spaziergängern von Zeit zu Zeit den Weg. Mitten unter der bunten Menge sah man Dragoner, die unter dem linken Arm den Säbel trugen und mit der rechten Hand den Schnurrbart drehten.

Auch der Chevalier de la Graverie fehlte nicht; er war teils aus Langweile teils aus Gewohnheit auf der Wallpromenade erschienen, denn er hatte alle Hoffnung verloren, den Liebling seines Herzens wiederzufinden. Er war nicht mehr der behäbige, stillvergnügte Spaziergänger, den wir im ersten Kapitel dieser Geschichte kennen gelernt haben; er wurde noch immer von seinem Traumgesicht heimgesucht, von seinem Alp gedrückt, und wie jedes von einem stillen Kummer geplagte Menschenkind wurde er noch mehr verstimmt durch die allgemeine Heiterkeit, die ihm eine Verhöhnung seines Schmerzes zu sein schien. Sogar der Sonne konnte er ihren Glanz nicht verzeihen. dass Gedränge war ihm höchst lästig und er teilte rechts und links Rippenstöße aus, als ob er sagen wollte: Geht doch nach Hause, ihr albernen Menschen, ihr lasst mir nicht den nötigen Raum, gemächlich zu spazieren.

Als seine Verstimmung den höchsten Grad erreicht hatte, beschloss er den Rath zu befolgen, den er Andern gegeben und nach Hause zu gehen. Plötzlich schrie er laut auf, so dass er die Aufmerksamkeit der ihn umgebenden Spaziergänger erregte.

Der Chevalier war blass, er starrte auf einen Punkt, und in derselben Richtung streckte er die Arme aus.

Er sah in einer Entfernung von hundert Schritten einen schwarzen Jagdhund, der dem gesuchten so ähnlich war wie ein Ei dem andern.

Der Chevalier wollte rasch fortgehen, um ihn einzuholen, aber das Gedränge war gerade an dieser Stelle so dicht, dass es keineswegs leicht war, seinen Vorsatz auszuführen.

Die geputzten Damen warfen zornige Blicke auf den kleinen Mann, der die Harmonie ihrer Toilette störte; die Grisetten warfen mit spöttischen Bemerkungen um sich, und einige von ihm gestoßene Offiziere standen still und riefen ihm drohend zu, er möge sich in Acht nehmen.

Aber der Chevalier kümmerte sich nicht im mindesten um alle diese Spöttereien und Drohungen; er bahnte sich seinen Weg, und ließ, wie ein schnell segelndes Schiff, eine schäumende, brausende Spur zurück.

Zum Unglück kam der Hund, der wie eine Schlange zwischen den Spazierenden hindurch schlüpfte, ebenfalls weiter vorwärts, und es schien fast, als ob der Vorteil in dieser Steeple-Chase nicht auf der Seite des Chevaliers bleiben würde. Endlich lief er etwa dreißig Schritte in der Seitenallee fort und holte so den Hund ein.

Es war wirklich der schöne schwarze Jagdhund, der auf den Chevalier de la Graverie einen so tiefen Eindruck gemacht hatte; er war es wirklich mit seinen langen herabhängenden Ohren, mit seinem glänzenden, seidenartigen Haar, mit seinem fahnenähnlichen Schweif.

Als nun gar der Hund den Chevalier erkannte und auf ihn zueilte und ihn mit Liebkosungen überhäufte, war kein Zweifel mehr möglich.

Aber gleich darauf sah sich ein von dem Chevalier unbeachtet gebliebenes junges Mädchen um und rief: »Black!«

Der Jagdhund machte einen Sprung, und ohne den ebenfalls rufenden Chevalier anzuhören, eilte er zu dem jungen Mädchen zurück.

»Black! Black!« rief Dieudonné, aber vergebens, der Hund kam nicht.

Der Chevalier stand zornig still und stampfte mit dem Fuße. Der sonst so gutmütige, harmlose Mann schien auf einmal einen grimmigen Hass gegen das junge Mädchen zu fühlen.

Aber ungeachtet dieses Verdrusses fühlte er eine lebhafte Freude: er hatte ja die Gewissheit, dass sein Liebling am Leben war, dass er nicht, wie Fausts Pudel, ein gespenstischer Hund war. Außerdem wusste er jetzt seinen Namen: er hieß Black.

Dem Chevalier war etwa so zu Mute wie einem Liebenden, der zum ersten Male den Namen der Geliebten hört.

»Black! Lieber Black!« wiederholte er.

Doch dabei ließ er’s nicht bewenden. Nachdem er, um seinen Phönix wiederzufinden, fast das ganze Hundekontingent gemustert hatte, ließ er natürlich die Gelegenheit, in seinen Besitz zu kommen, nicht unbenutzt vorübergehen: er war fest entschlossen, die junge Besitzerin Blacks nicht durch Geltendmachung seiner persönlichen Vorzüge, sondern durch die Höhe des Preises, den er bieten wollte, zu verführen.

Dieser große Entschluss scheiterte freilich an gewissen Rücksichten, die der Chevalier de la Graverie nehmen zu müssen meinte: er fürchtete nichts mehr, als sich lächerlich zu machen. Er konnte sich daher nicht entschließen, die Unterhandlungen auf einem öffentlichen Spaziergange anzuknüpfen. Er hielt es für das Beste, das junge Mädchen bis zu ihrer Wohnung zu verfolgen und daselbst, fern von den Ohren und Blicken der Neugierigen, den wichtigen Antrag zu machen.

Leider hatte der arme Chevalier nie im Leben das Gewerbe eines Verführers getrieben; er kannte daher die kleinen Kunstgriffe nicht, die man anwenden muss, um eine junge Dame zu verfolgen, ohne Aufsehen zu machen.

Um sich dem Gegenstand seiner Wünsche zu nähern, fand er’s daher ganz natürlich, zu laufen, bis er nur noch zehn Schritte entfernt war. Dann folgte er dem jungen Mädchen auf dem Fuße.

Wer dieses Manöver sah, konnte ohne großen Scharfsinn die Absicht des Männleins erraten, und alle Spaziergänger gaben diesem auffallenden Treiben eine Deutung, die dem Rufe Dieudonné s keineswegs günstig war.

Man hörte allerlei spöttische Bemerkungen in den nahen Gruppen.

»Sehen Sie wohl den alten Lüstling de la Graverie, der am hellen Tage ein Mädchen verfolgt? Es ist wirklich unerhört!«

»He! he! Die Kleine ist gewiss sehr hübsch?«

Der arme Chevalier wusste es nicht.

»Ich gestehe,« fuhr die Dame fort, »dass ich von einem Menschen, der sein ganzes Vermögen durch die Kehle jagt, immer eine schlechte Meinung gehabt habe.«

»Nach einem solchen Skandal,« erwiderte der Andere, »wird man ihm den Zutritt versagen müssen. – Sehen Sie nur, wie ihm die Augen zum Kopf herausstehen. Jetzt thut er sogar dem Hunde schön, um die Gunst des Mädchens zu erwerben.«

Ohne von dem Unwillen, den sein Benehmen hervor» rief, eine Ahnung zu haben, folgte der Chevalier dem schwarzen Jagdhunde auf´dem Fuße.

Die Herrin des Hundes, welche der Chevalier nicht im mindesten beachtet hatte, war ein Mädchen von sechzehn bis siebzehn Jahren, zart und schlank, aber sehr schön. Ihr Gesicht hatte die eigentümliche matte Blässe der Brünetten; ihre schwarzen Augen erhielten durch die langen Wimpern einen schwermütigen Ausdruck, und ihr üppiges dunkelblondes Haar quoll unter dem Strohhütchen hervor.

Ihr Anzug war sehr einfach, fast ärmlich: das Merinokleid war sauber, hatte aber keineswegs den Glanz des Sonntagsstaates, in welchem sich Mädchen’ des Standes, dem sie anzugehören schien, zu zeigen pflegen. Man sah, dass sie in diesem Kleide gearbeitet hatte, und kam auf die Vermutung, dass sie kein anderes habe.

Endlich bemerkte sie ebenfalls, dass der ältliche Herr sie verfolgte. Sie ging rascher, um ihm zu entkommen; aber als sie an eine der Barrieren kam, welche den Reitern und Fuhrwerken die Promenade versperren, musste sie stillstehen, um die vor ihr gehenden Personen durchzulassen. Sie befand sich nun neben dem Chevalier, der diese Gelegenheit benutzte, nicht um Bekanntschaft mit ihr zu machen, sondern um mit dem Jagdhunde die Bekanntschaft zu erneuern.

Zum zweiten Male rief sie den Hund. Aber sie vermutete, wie Jedermann, dass der Chevalier den Hund nur als Vorwand benutzte, um sich ihr zu nähern; sie zog daher eine Schnur aus der Tasche, knüpfte sie in das Halsband des Hundes, und ging weiter, ohne sich umzusehen.

Aber wie sehr der Chevalier auch mit dem Hunde beschäftigt war, so konnte er doch nicht umhin, einen Blick auf die junge schöne Herrin desselben zu werfen.

Ein Schrei des Erstaunens entschlüpfte ihm: das Mädchen hatte eine auffallende Ähnlichkeit mit Mathilden.

Während er staunend und sprachlos stillstand, ging das Mädchen etwa dreißig Schritte fort.

Diese Ähnlichkeit mit Mathilden war für den Chevalier de la Graverie ein neuer Beweggrund der Eigentümerin des Hundes nachzueilen. Aber die Furcht gab ihr Flügel, und mit jeder Minute gewann sie einen Vorsprung in den engen, winkeligen Gassen der Vorstadt. Sie war leichtfüßig wie Atalante.

Der Chevalier eilte ihr keuchend nach. Seine Kräfte waren fast erschöpft. Endlich nahm er zu einer andern Taktik seine Zuflucht und rief ihr nach:

»Mademoiselle, ich bitte Sie um Alles in der Welt, stehen Sie still! Ich kann nicht mehr!«

Aber sie gab den Bitten ihres vermeinten Verfolgers kein Gehör, sie ging sogar noch rascher.

Der Chevalier glaubte, sie hätte ihn nicht gehört. Er hielt beide Hände an den Mund und schöpfte tief Atem, um noch lauter zu rufen; aber das spöttische Lächeln, das er auf einigen Gesichtern bemerkte, bewog ihn seinen Vorsatz aufzugeben.

Er lief weiter. Aber die Entfernung zwischen ihm und dem jungen Mädchen war während der Pause, die er gemacht, größer geworden, und er würde sie ganz aus dem Gesicht verloren haben, wenn er sich nicht zwei Punkte gemerkt hätte: das schottische Band am Strohhut und den schwarzen Jagdhund.

Endlich verschwanden auch diese zwei Punkte. Der Chevalier stand still. Er wusste nicht, welchen Weg das junge Mädchen genommen hatte.

Nach kurzem Besinnen verließ er die Vorstadt und ging durch das gewölbte Stadtthor.

Aber hier begann seine Verlegenheit von neuem. Er hatte die Wahl zwischen zwei Straßen, und auch hier verlor er wieder eine kostbare Zeit mit Zaudern. Welchen Weg hatte das junge Mädchen genommen? Diese Frage wiederholte er sich alle zehn Minuten, und es war schon ganz dunkel geworden, als der Chevalier de la Graverie noch in der Stadt umherirrte, ohne die Spur des Mädchens und des schwarzen Jagdhundes wiedergefunden zu haben.

Er war so ermüdet und niedergeschlagen, dass er sich nicht entschließen konnte, schon nach Hause zu gehen; was Marianne davon denken würde, kümmerte ihn gar nicht.

Er ging in das erstbeste Kaffeehaus, setzte sich an einen Tisch und verlangte eine Schale Bouillon.

Der arme Chevalier, der oft persönlich die Zubereitung der Suppe überwachte, wenn er merkte, dass Marianne nicht gut bei Laune war, musste wohl mit den Sitten und Gebräuchen der Kaffeehäuser in kleinen Provinzstädten wenig bekannt sein, um an einem solchen Orte Fleischbrühe zu bestellen. Kaum hatte er die Schale an den Mund gesetzt, so schnitt er ein saures Gesicht, stellte die Schale wieder auf den Tisch und begann in die Semmel zu beißen, die er als Zugabe zu der abscheulichen Brühe erhalten hatte.

Während er mit einiger Mühe an der trockenen Semmel kaute, sah er sich in dem Lokal um.

Er war in ein vorzugsweise von den Offizieren der Garnison besuchtes Kaffeehaus geraten. Man sah hier wohl zehnmal mehr Uniformen als Zivilröcke. Die Lagermützen, Helme und Säbel, die an den Wänden hingen, gaben dem Local ein ziemlich pittoreskes Aussehen. Unter allen Tischen sah man rote Hosen, auf allen Bänken und Stühlen »zweierlei Tuch.« Einige stellten strategische Übungen auf dem Schachbrett an. Andere schlürften Kaffee oder Absinth; hier saß Einer und schlief, dort schien ein Anderer in Gedanken vertieft.

Auf allen Seiten wurde die Zeit, welche Mars seinen Söhnen in reichem Maße lässt, durch interessante Gespräche ausgefüllt. Hier bot die immer erledigte Arrangementsfrage überreichen Stoff; dort wurde mit komischem Ernst über den Schnitt der Schabracken und die Form der Säbeltaschen gesprochen.

Alle diese interessanten Gegenstände wurden sehr laut und rücksichtslos besprochen. Kein Wort ging den Anwesenden verloren; jeder Zivilist, der sich zu unterrichten wünschte, konnte vielfältige Belehrung aus diesen Gesprächen ziehen.

Nur zwei Unterlieutenants sprachen leise miteinander.