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XII
Wo der Chevalier de la Graverie schwimmen lernt

Der Schlaf war keine ganz sichere Zuflucht vor den Träumen, von denen der Chevalier wachend heimgesucht wurde. Sein Schlaf war sehr unruhig. Anfangs träumte er von den gestrigen schönen Schwimmerinnen; aber wie die Sirenen waren sie halb Weib halb Fisch, und jede von ihnen hielt eine Leier oder sonst ein Instrument in der Hand, womit sie einen süßen, wunderlieben Gesang begleiteten. Aber der Chevalier, der mit den mythologischen Überlieferungen des achtzehnten Jahrhunderts aus gefüttert war und die Gefahren der Sirenenstimmen kannte, wandte sich ab, hielt sich die Ohren zu, wie Ulyß, und lief davon.

Wohin er auf seiner Flucht kam, das wusste er nicht. Wahrscheinlich nach Theben oder Memphis, denn unterwegs sah er rechts und links auf marmornen Sockeln jene Ungeheuer mit einem Löwenkörper, aber mit einem Weiberkopf: die Symbole der Weisheitsgöttin Neith, denen das Altertum den Namen Sphinx gegeben hat. Aber diese Sphinx waren nicht von Marmor, wie ihre Piedestale, sondern lebend, obschon an ihren Platz gefesselt. Ihre Augen taten sich auf und schlossen sich, ihr Busen wogte, und der Chevalier glaubte zu bemerken, dass sie ihn mit verliebten Blicken ansahen. Endlich hob eine von ihnen die Tatze und streckte sie nach ihm aus, so dass er, um die Berührung zu vermeiden, auf die andere Seite sprang; aber die andere Sphinx hob ebenfalls die Tatze und alle andern folgten diesem Beispiel.

Und gleichwohl war es klar, dass die ägyptischen Ungetüme keine böse Absichten gegen ihn hatten, wie würden sie ihn sonst so zärtlich angesehen haben. Aber der Chevalier schien die Freundlichkeit der Ungeheuer mehr zu fürchten als ihren Hass.

Er suchte zu entfliehen, aber wohin sollte er sich wenden? Die Piedestale hatten sich in Bewegung gesetzt, als ob sie durch eine große Maschine weiter geschoben würden, und bald sah er sich ganz von ihnen umringt.

In diesem Augenblicke schien es ihm, als ob sich nahe bei ihm eine Wolke bildete, nach Art des Gewölks, auf welchem die schlafenden Prinzessinnen zu der Bühne hinab schweben. Diese Wolke schien nur zu warten, dass sich der Chevalier darauf lege, um die Erde zu verlassen.

Da die Augen der Ungetüme immer feuriger zu werden schienen, da ihre Krallen fast schon seinen Rockkragen berührten, so zögerte er nicht länger, er machte sich’s auf der Wolke bequem und wurde von ihr emporgetragen.

Aber nun glaubte der arme Dieudonné zu bemerken, dass sich die Wolke belebe, dass es im Grunde nichts Anderes war, als ein leichtes Gewand von Gaze, und dass die wirkliche solide Stütze, auf welcher er ruhte, eine schöne Jungfrau war, welche, wie die Götterbotin Iris, mit wunderbarer Schnelligkeit den Weltenraum durcheilte. Er fühlte sich auf dieser interessanten Luftreise von ihren Armen umschlungen, er fühlte ihr pochendes Herz an seiner Brust, ihren glühenden Athen, an seiner Wange.

Sie hatte den Chevalier gerettet, aber sie betrachtete ihn nun als ihr Eigentum; sie trug ihn in ihre Grotte, legte ihn auf ein Bett von feinem Sande; aber sie legte sich an seiner Seite nieder und ihr glühender Athem schien auch seine Brust mit einem verzehrenden Feuer zu erfüllen.

Das Gefühl war so lebhaft, dass er mit einem lauten Schrei erwachte.

Er hatte nur halb geträumt. Mahauni lag neben ihm, und der Atem der Tahitierin berührte seine Wange.

Wie er, hatte Mahauni ein schattiges Plätzchen gesucht, um die Siesta zu halten. Sie hatte den Chevalier an dem hübschesten Orte des Gartens schlummern gesehen, und die Matte, auf der er lag, war für eine einzige Person dreimal zu groß. Das holde Naturkind hatte kein Bedenken getragen, den unbenutzten Teil der Matte für sich in Anspruch zu nehmen. So war sie ganz arglos eingeschlummert, wie ein Kind an der Seite der Mutter.

Aber während ihres Schlummers hatte sie, wahrscheinlich ebenfalls träumend, den Arm ausgestreckt und ihr Atem berührte die Wange des armen Dieudonné.

Sie schlief noch. Der Chevalier machte den Arm des Mädchens vorsichtig von seiner Schulter los, stand leise auf und lief davon, ohne zu wissen wohin. Seinen aufgerollten und als Kopfkissen benützten Rock ließ er im Stich.

Der Chevalier lief dem Meere zu und machte erst an der Küste Halt.

Es war etwa ein Uhr Mittags. Die Sonne schickte ihre glühenden senkrechten Strahlen auf die Erde herab. Der Chevalier dachte, welch ein Genuss es sein müsse, wie die Fische oder Tahitierinnen zu tauchen und unter dem Wasser zu schwimmen, und er bedauerte, dass er diesen Teil der Gymnastik vernachlässigt hatte.

Aber ohne schwimmen zu können, konnte er sich doch an der Frische des Wassers laben. Er hatte in den Ufer buchten natürliche Grotten bemerkt, welche zur Hälfte mit Meerwasser angefüllt waren und von der Natur zu Badewannen bestimmt zu sein schienen.

Dort konnte er Schatten und Kühle finden, und diesen doppelten Genuss beschloss er sich zu verschaffen.

Er stieg mit einiger Mühe an der Küste hinab. Es war die Zeit der Ebbe, und als ob er den Zauberstab einer Fee in der Hand gehabt hätte, fand er sogleich eine seinen Wünschen entsprechende Grotte, die der Grotte der Kalypso nachgebildet zu sein schien.

Er sah sich nach allen Seiten um, es war Niemand in der Grotte. Er glaubte daher, dass er sich ohne Bedenken entkleiden könne. Er legte ein Kleidungsstück nach dem andern in eine kleine Nebengrotte, welche gewissermaßen ein Cabinet neben dem großen von der Natur geschaffenen Salon bildete.

An der tiefsten Stelle fand der Chevalier kaum drei Fuß Wasser.

Dieses laue, aber durch den Schatten abgekühlte Wasser gewährte ihm eine ungemeine Erfrischung. Er konnte nicht begreifen, wie man versäumen könne, schwimmen zu lernen. Aber er bedachte, dass man sich, um schwimmen zu lernen, andern Leuten fast ohne alle Bekleidung zeigen müsse, und er schauderte bei dem Gedanken, bei Dumesnil, der doch sein bester Freund war, Schwimmunterricht zu nehmen.

Zum Glück hatte er diese Grotte entdeckt; er nahm sich vor, keinen, Menschen ein Wort davon zu sagen und täglich einige Stunden darin zuzubringen, er fühlte sich so unaussprechlich wohl, dass ihm das Baden in der Grotte für jede andere Unterhaltung Ersatz bieten konnte.

Der Geist verlangt keine Zerstreuung, wenn das materielle Wohlbehagen so groß ist, dass der Mensch, um sich demselben ganz hinzugeben, alle seine Körper- und Geisteskräfte braucht.

Der Chevalier blieb wohl zwei Stunden in diesem wonnigen Zustande, der ihm nicht einmal gestattete, die Zeit ab» zumessen.

Plötzlich wurde er durch das Geräusch eines ins Wasser fallenden Körpers seinem beschaulichen Zustande entrissen.

Er sah etwas vor sich niederfallen, aber er vermochte es nicht zu unterscheiden.

Nach einer kleinen Weile sah er ein schönes Köpfchen auf der Wasserfläche erscheinen.

Es war Mahauni.

Sie sprach einige Worte, welche ein Aufruf an ihre Freundinnen zu sein schienen.

Sie rief nicht vergebens. Eine Tahitierin nach der andern sprang von dem hohen Ufer ins Meer. Es waren dieselben, welche der Chevalier bereits in der Frühe badend gesehen hatte.

Alle Köpfe kamen nach einander zum Vorschein; dann begannen diese Töchter der Amphitrite »wie ein griechischer Dichter sie genannt haben würde,« sich im Wasser herumzutummeln.

Dieudonné sah sie, aber sie konnten ihn nicht sehen, da er in der dunkeln Grotte versteckt war.

Es verging eine Stunde, die der Chevalier keineswegs sehr lang fand. Er widmete dem Schauspiele, welches er vor Augen hatte, solche Aufmerksamkeit, dass er das Steigen des Wassers nicht bemerkte, bis es ihm bis an die Achseln reichte.

Die Ebbe war zu Ende, die Flut trat ein. Dieudonné hatte an dieses Phänomen gar nicht gedacht, und es wurde ihm erst bange, als er seine Kleider auf dem Wasser schwimmen sah. Da die kleine Grotte, in welche sie der Chevalier gelegt hatte, etwas tiefer war, als die andere, so war das Wasser zuerst eingedrungen und hatte die Kleider des Chevalier weggeschwemmt.

Er wollte rufen, aber er getraute sich nicht, denn er würde dadurch seine Anwesenheit verraten haben. Wenn er die fort schwimmenden Kleider wenigstens auf dem Leibe gehabt hätte, so würde er kein Bedenken getragen haben, sich zu zeigen; denn sie schienen keine Dianen zu sein, die ihn nach der Art des Actäon bestrafen würden. Aber wenn er angekleidet gewesen wäre, so hätte er keinen Grund gehabt zu rufen.

Der Chevalier irrte sich, denn seine Lage begann bedenklich zu werden. Das Wasser stieg immer höher und reichte ihm schon bis an das Kinn. Er konnte freilich einen Fuß gewinnen, wenn er einige Schritte zurücktrat. Aber er begann das Bedenkliche seiner Lage einzusehen. Er sah sich um und bemerkte, wie hoch die Flut in der Grotte stieg: bei der höchsten Flut würde er vier Fuß Wasser über seinem Kopfe haben.

Der Chevalier war einer Ohnmacht nahe, ein kalter Schweiß bedeckte seine Stirn.

In diesem Augenblicke erhoben die Schwimmerinnen ein lautes Geschrei; sie hatten seine auf dem Wasser schwimmenden Kleider bemerkt. Um die Ursache dieser seltsamen Erscheinung zu erforschen, schwammen sie auf die Grotte zu. Aber statt sie zu Hilfe zu rufen, ging Dieudonné so weit zurück als er konnte.

Die Schwimmerinnen erhaschten die Kleider: es war nicht zu bezweifeln, es waren die Kleider eines Europäers.

Der Chevalier hatte Lust, seine Kleider zu verlangen; aber was sollte er damit anfangen? sie waren ja ganz durchnässt!

Inzwischen stieg die Flut unaufhörlich. Dieudonné sah. dass ihm das Wasser in zehn Minuten bis über den Kopf steigen würde. Eine sich heranwähende Woge bedeckte ihm das Gesicht mit Schaum.

Der Chevalier schrie unwillkürlich auf. Die Schwimmerinnen hörten es.

Eine zweite Woge folgte der ersten.

Dieudonné dachte an den Kapitän. und als ob dieser ihn hätte hören können, rief er:

»Hierher, Dumesnil! Zu Hilfe! zu Hilfe!«

Die Schwimmerinnen verstanden diese Worte nicht, aber in der Art wie sie gesprochen wurden, lag etwas so herzzerreißendes, dass sie vermuteten, der Schreier müsse in Todesgefahr sein.

Der Hilferuf kam offenbar aus der Grotte. Eine von den Tahitierinnen tauchte, und schwamm unter dem Wasser auf die Grotte zu.

Plötzlich sah der Chevalier zwei Schritte vor sich einen Kopf auftauchen.

Es war Mahauni. An dem bestürzten Gesicht des Chevalier erriet sie die Lage, in der er sich befand, und rief ihre Freundinnen herbei.

Der Chevalier befand sich gerade in derselben Lage wie Virginie auf der Brücke des St. Geran, sie war gerettet, wenn sie den Beistand des nackten Matrosen, der sie ans Ufer zu tragen versprach, annehmen wollte; verloren, wenn sie sich weigerte.

Die Tahitierinnen gaben durch Gebärden zu verstehen und versuchten auch durch Worte anzudeuten, dass sich Dieudonné nur auf sie zu stützen brauche, um ans Land getragen zu werden.

Zwei von ihnen bildeten mit verschränkten Armen eine Art Floß, auf welchem er sich ausstrecken und sich mit beiden Händen auf die Schultern der beiden Schwimmenden stützen könnte.

Der Chevalier – wir müssen es ihm zur Ehre nachsagen – war einen Augenblick unschlüssig; er fasste den keuschen Entschluss, zu sterben, wie die Jungfrau auf Ile-de-France. Aber die Liebe zum Leben siegte; er schloss die Augen, streckte sich auf dem lebenden Floß aus, stützte seine Hände auf die runden Schultern der schönen Nymphen und überließ sich ihrer Führung.

Ob er den Namen »Mathilde« flüsterte? Wir waren nicht dabei, und können es daher weder behaupten noch verneinen.

Einige Monate nach diesem Vorfall, von welchem Dieudonné seinem Freunde kein Wort gesagt hatte, als er in Gesellschaft des Kapitäns Seevögel jagte, fiel er über Bord.

Der Kapitän warf schnell seinen Rock ab, um den Chevalier zu retten; aber als er ihm eben nachspringen wollte, sah er Dieudonné zu seinem größten Erstaunen auf der Wasserfläche zum Vorschein kommen und sich ziemlich gut flott erhalten.

Dumesnil war höchst erstaunt.

»Reiche mir die Hand,« sagte Dieudonné, »und hilf mir in die Barke.«

Dumesnil reichte ihm die Hand, der Chevalier stieg wieder ein.

»Aber wo in aller Welt hast Du denn schwimmen gelernt?« fragte Dumesnil.

Dieudonné errötete bis über die Ohren.

»Duckmäuser!« sagte der Kapitän lachend. »Gestehe nur, dass dein Schwimmunterricht nichts weniger als unangenehm gewesen ist.«

Dieudonné antwortete nicht, aber die Geschicklichkeit, mit der er der Gefahr entronnen war, bewies, dass der Kapitän Recht hatte.

XIII
Der Mensch denkt und Gott lenkt

Drei Jahre verflossen in diesem irdischen Paradiese. Nach Verlauf dieser Zeit war Dieudonné wohl nicht ganz, aber doch beinahe geheilt von der tiefen Schwermut, die er aus Frankreich mitgebracht hatte.

Die Ehre dieser moralischen Kur kam dem Kapitän zu, so wie die Ehre der physischen Kur dem Arzt gebührt. Dumesnil hatte freilich die Mittel angewendet, welche ihm die Mutter Natur an die Hand gab; aber diese Mittel waren im Grunde nur die Medikamente; der wirkliche Arzt war der, welcher die Anwendung derselben angeordnet und beaufsichtigt hatte.

Der Chevalier schien also zufrieden. Wenn er je zuweilen noch den Namen Mathilde aussprach, so war es nur im Traum; sein Wille behielt die Oberhand, und es war wenigstens ein Sieg, wenn auch keine vollständige moralische Heilung.

Nicht ein einziges Mal war von der Rückkehr nach Frankreich die Rede gewesen, und keinen Augenblick hatte sich der Chevalier nach seinem Heimatland gesehnt. Der Kapitän war freilich unablässig auf Zerstreuungen für seinen Freund bedacht gewesen, er war allen seinen Wünschen zuvorgekommen und hatte ihm die gewohnten Bequemlichkeiten und Genüsse verschafft. Jeden Anflug von Trübsinn hatte er hinweg gescherzt. Kurz, er hatte seine selbstgewählte Verpflichtung gewissenhaft erfüllt.

Bei dem weichen Gemüte des Chevalier de la Graverie ist es begreiflich, wie teuer und zumal unentbehrlich ihm der Freund geworden war, dem er seine Gemütsruhe verdankte. Das große Kind konnte die Mutter oder wenigstens die Wärterin nicht entbehren. Dieudonné hatte ganz verlernt, sich selbst zu regieren.

Eines Abends, als sie Beide, der Kapitän rauchend, der Chevalier Zucker essend, am Meere spazieren gingen, fühlte sich der Erstere plötzlich unwohl.

Dumesnil, der von herkulischer Kraft war, beachtete diese Unpässlichkeit nicht und wollte seinen Spaziergang fortsetzen; aber bald versagten ihm die Füße den Dienst, seine Stirn war mit Schweiß bedeckt, und er fühlte sich so schwach, dass man ihm einen Stuhl bringen musste.

Alle moralische und physische Kraft vermochte nichts gegen die mit furchtbarer Heftigkeit ausbrechende Krankheit.

Der Chevalier verlangte einen Arzt.

In der Zeit vor der englischen Besitznahme und dem französischen Protektorat war keine Besatzung auf der Insel, und folglich kein europäischer Arzt; die eingeborenen Quacksalber behaupteten mit gewissen Kräutern und Zauberformeln zu kurieren, und kurierten auch vielleicht so gut wie graduierte Doktoren.

Mahauni, die immer sehr gefällig gegen den Chevalier war, erbot sich einen solchen Empiriker zu holen; aber der Chevalier, der inzwischen die Landessprache gelernt hatte, verlangte einen europäischen Arzt; es sei Tags zuvor ein französisches Schiff angekommen, und von diesem müsse man Hilfe holen.

Mahauni ließ sich das Wort »Medicin« in französischer Sprache einige male wiederholen, bis es ihr gelang, dasselbe deutlich auszusprechen. Dann sprang sie sogleich ins Meer und schwamm auf das Schiff zu, an dessen Hauptmast die dreifarbige Fahne wehte.

Während nämlich der Chevalier auf Tahiti lebte, war die Julirevolution ausgebrochen; aber diese Veränderung, die, wenn der Chevalier in Frankreich geblieben wäre, seine Lebensverhältnisse wahrscheinlich bedeutend erschüttert haben würde, ging für ihn in der weiten Entfernung fast unbemerkt vorüber.

In der Nähe des »Dauphin« – so hieß die französische Brigg – hob sich Mahauni aus dem Wasser empor und rief mit aller Anstrengung, deren ihre melodische Stimme fähig war: »Ein Medissin! Ein Medissin!«

Ungeachtet der Veränderung, welche die Tahitierin mit dem Worte vorgenommen hatte, verstand der Schiffskapitän doch recht gut, was die Schwimmerin verlangte. Er glaubte die Königin sei krank und befahl dem Schiffsarzt, einem jungen Manne von sechs, bis siebenundzwanzig Jahren, der seine erste Seereise machte, sich ans Land zu begeben.

Als Mahauni sah, dass das Boot heruntergelassen wurde und der Schiffsarzt einstieg, überzeugte sie sich, dass man sie verstanden hatte, und wie dringend sie der junge Arzt auch bat, in das Boot zu steigen und mit ihm ans Land zu fahren, tauchte sie unter, kam in einer Entfernung von zwanzig Schritten wieder zum Vorschein, tauchte wieder unter, um weiterhin wieder aufzutauchen, und kam früher als das Boot mit den vier Ruderern ans Land.

Sie lief nun sogleich zu der Hütte der beiden Freunde und rief ihnen zu: »Medissin! Medissin!«

Dann eilte sie wieder auf den Strand, um den Arzt zu dem Kranken zu führen.

Das Boot war der Schwimmerin gefolgt und landete an der Stelle, wo diese ans Ufer gestiegen war.

Der junge Doktor stieg ans Land, folgte seiner Führerin, und in einigen Sekunden war er vor der Tür der Hütte.

Der Chevalier eilte ihm entgegen, entschuldigte sich, dass er ihn belästigt, und führte ihn an das Lager des Kapitäns.

Der Arzt begriff nun, warum sich die Botin lieber an den »Dauphin« als an ein anderes Schiff gewandt hatte. Er tat also gar keine Frage und ging gerade auf den Kranken zu.

»Wie!« sagte er erstaunt, »Sie sind’s, Kapitän?«

Der Kapitän schlug die Augen auf, erkannte ebenfalls den jungen Arzt, lächelte, reichte ihm die Hand und sagte mit matter Stimme:

»Ja, ich bin’s, wie Sie sehen.«

»Ich hoffe, es wird nichts zu bedeuten haben,« sagte der Arzt. »Fassen Sie Mut! Wo fehlt’s?«

Der Chevalier de la Graverie hatte große Lust zu fragen, wie sich der Doktor und der Kapitän kannten; aber da das Krankenexamen begonnen hatte, so verschob er sein Fragen auf eine andere Zeit.

»Wo es fehlt?« erwiderte der Kapitän; »das ist schwer zu sagen. Ich wurde Plötzlich von einem Unwohlsein befallen; meine Mattigkeit zwang mich mein Bett aufzusuchen.«

»Und seit dem Sie im Bette sind?«

»Fühle ich Zuckungen, Gliederzittern, abwechselnd Frost und trockene Hitze.«

: Der Arzt verlangte ein Glas Wasser und reichte es dem Kranken.

»Versuchen Sie zu trinken,« sagte er.

Dumesnil trank einige Schluck.

»Alles ist mir zuwider,« sagte er, »und überdies schlucke ich schwer.«

Der Doctor legte zwei Finger etwas unter den Magen.

Der Kranke schrie und zuckte.

»Haben Sie noch keinen Brechreiz gefühlt?« fragte der Arzt.

»Noch nicht,« antwortete der Kranke.

Der Doktor verlangte Papier und eine Feder; aber es war kein Schreibzeug in der Hütte.

Der Kapitän verlangte seine Reiseschatulle. Man brachte sie ihm. Er trug den Schlüssel dazu an einer Schnur um den Hals.

Dumesnil öffnete vorsichtig die Schatulle, als ob sie Gegenstände enthielte, die Niemand sehen dürfte, nahm Schreibmaterialien heraus, und gab sie dem Doktor, der einige Zeilen schrieb.

Es war ein Befehl an seinen Gehilfen, ihm augenblicklich aus der Schiffsapotheke die bezeichneten Arzneien zu senden.

Da Mahauni den Bootsleuten die nötige Weisung nicht geben konnte, so eilte der Chevalier mit dem Billett an den Landungsplatz.

Er gab den vier Matrosen einen Louisd’or, um sie zur Eile anzutreiben. Das Boot fuhr sogleich ab.

Der Chevalier begab sich wieder in die Hütte zurück.

Der Doktor war abwesend. Der Chevalier fragte nach ihm. Er hatte sich durch Vermittlung des Kapitäns den Fluss zeigen lassen.

Der Chevalier, der ihn gern allein sprechen wollte, eilte ihm nach. Er fand ihn bis an die Knie im Wasser stehend und ein Heilkraut pflückend.

Der Doktor grüßte, fuhr aber in seiner Arbeit fort. Er schien zu ahnen, dass man ihn mit Fragen bestürmen wollte, auf die er keine sehr befriedigenden Antworten zu geben hatte.

»Sie kennen also den Kapitän Dumesnil?« fragte der Chevalier.

»Ich sah ihn gestern zum ersten Male am Bord des »Dauphin,« antwortete der Doktor.

»Am Bord des »Dauphin?« Was wollte er denn am Bord des »Dauphin?«

»Er wollte sehen , ob wir keine Nachrichten aus Frankreich mitbringen, und er wollte durchaus einen unserer Passagiere sprechen. Wir gaben ihm zu bedenken, dass das gelbe Fieber am Bord sei, aber er ließ sich nicht abschrecken.«

Diese Worte des jungen Arztes waren ein Donnerschlag, für den Chevalier.

»Das gelbe Fieber!« sagte er. »Dumesnil hat also das gelbe Fieber?«

»Ich fürchte es,« antwortete der junge Arzt.

»Aber das gelbe Fieber ist tödlich!« stammelte Dieudonné schaudernd.

»Wenn Sie die Mutter, die Schwester oder der Sohn des Kapitäns wären, so würde ich Ihnen antworten: zuweilen. Aber Sie sind ein Mann, Sie sind nur sein Freund, und ich antworte Ihnen: fast immer!«

Der Chevalier zitterte.

»Wissen Sie gewiss,« fragte er, »ob es wirklich das gelbe Fieber ist?«

»Ich hoffe, dass es nur ein gastrisches Fieber ist,« antwortete der Doktor; »die Symptome sind gleich.«

»Und wenn es ein gastrisches Fieber ist, werden Sie ihn retten?«

»Ich habe dann wenigstens mehr Hoffnung.«

»O mein Gott! mein Gott!« jammerte der Chevalier in Tränen ausbrechend.

Der junge Arzt sah den Mann an, der wie ein Frauenzimmer schluchzte.

»Ist denn der Kapitän Ihr Verwandter?« fragte er.

»Er ist weit mehr als ein Verwandter,« erwiderte Dieudonné; »er ist mein Freund!«

»Sie können versichert sein,« sagte der junge Arzt und reichte dem Chevalier gerührt die Hand , »dass Ihr Freund auf das Sorgfältigste behandelt werden soll. In Frankreich sind die Franzosen Landsleute, in der Fremde sind sie Brüder.«

»O mein Gott! warum ist er auch an Bord dieses Schiffes gegangen?« Warum hat er mich nicht hingeschickt? Ich wäre dann erkrankt und nicht er; ich würde dann sterben und nicht Dumesnil!«

Der Doktor betrachtete mit einer gewissen Bewunderung diesen Mann, der so ohne alle Ruhmredigkeit sein Leben für die Rettung eines Freundes anbot.

»Ich sage Ihnen ja,« erwiderte er, »dass ich noch nicht alle Hoffnung verloren habe. Es kann ebenso gut ein heftiges gastrisches Fieber als das gelbe Fieber sein, und dann werde ich ihn retten.«

»Wer ist denn der Passagier, den er aufsuchte?«

»Ein Freund von ihm.«

»Dumesnil hatte keinen andern Freund als mich, sowie ich keinen andern Freund hatte als ihn,« sagte der Chevalier wehmütig.

»Sie umarmten sich aber doch,« sagte der Doktor, »als ob sie sich freuten, einander wieder zu sehen.«

»Wie heißt der Passagier?« fragte der Chevalier.

»Baron de Chatier,« sagte der Arzt.

»Baron de Chatier? Den kenne ich nicht. – Ach! warum hat er mich nicht zu dem verwünschten Baron de Chatier geschickt!«

»Wahrscheinlich weil er ihn persönlich zu sprechen wünschte, und die Unterredung vor Ihnen geheim halten wollte. Sagen Sie ihm daher kein Wort von meiner Indiskretion denn in seinem Zustande könnte die mindeste Aufregung sein. Leben in Gefahr bringen.«

»O! fürchten Sie nichts,« sagte der Chevalier, die Hände faltend, »ich werde ihm kein Wort davon sagen.«

Man begab sich wieder in die Hütte. Der Chevalier fasste die heißen Hände seines Freundes.

»Wie befindest Du Dich?« fragte er.

»Sehr schlecht, ich habe fürchterliche Leibschmerzen.«

»Ich will Ihnen eine Ader öffnen,« sagte der Doktor., »Herr Chevalier, lassen Sie dieses Kraut in einer Maß Wasser sieden.«

Der Chevalier gehorchte mit der Folgsamkeit eines Kindes und mit der Bereitwilligkeit einer Krankenwärterin.

Unterdessen schnürte der Arzt die Binde um den Arm des Kranken und nahm eine Lanzette aus seinem Besteck.

»Halten Sie das Becken, Chevalier.«

Dieudonné gehorchte.

Der Doktor stach die Ader, aber der Organismus des Kranken war schon so zerrüttet, dass das Blut nur tropfen» weise hervorkam.

Der Arzt stach die Lanzette tiefer ein; nun strömte das schwarze, bereits zersetzte Blut stark hervor.

Der Chevalier wurde ohnmächtig.

Der Kapitän schien dies benützen zu wollen.

»Herr Doktor,« sagte er, »ich fühle, dass ich nicht zu retten bin. Sagen Sie Herrn von Chatier, dass ich ihm das Kind, von welchem ich gestern mit ihm sprach, noch einmal dringend empfehle. Ich lasse ihn bitten, den Chevalier de la Graverie, wenn er ihm zufällig begegnet, nichts davon zu sagen; Bertha müsste denn sehr wichtige Gründe haben , anerkannt zu werden. Er mag diese Gründe beurteilen. – Haben Sie mich wohl verstanden?«

»Ja, Kapitän,« erwiderte der Doktor, der die Wichtigkeit seiner Mission erkannte, »und will versuchen, Ihnen Wort für Wort zu wiederholen, was Sie mir aufgetragen haben.«

Er wiederholte in der Tat den Auftrag des Kapitäns auf das Genaueste.

»Es ist gut,« sagte der Kranke. – »Mahauni. bespritze das Gesicht des armen Chevaliers mit kaltem Wasser.«

Mahauni, die vor dem Feuer saß und den Trank kochte, hatte gar nicht bemerkt, dass der Chevalier ohnmächtig war, sie gehorchte dem Befehl des Kapitäns mit einer Bereitwilligkeit, welche bewies, dass sie an ihrem Schwimmschüler großen Anteil nahm.

Der Chevalier kam wieder zur Besinnung, als der Doktor eine Kompresse auf die geschlagene Ader legte.

Der Aderlass verschaffte dem Kapitän eine kurze Erleichterung; aber gegen zwei Uhr Nachts begann das Erbrechen.

Der Doktor warf dem Chevalier einen Blick zu, welcher zu sagen schien: Das fürchtete ich!

Der Chevalier verstand diesen Blick und entfernte sich, um sich ungestört seinem Schmerz zu überlassen.

Der folgende Tag verstrich unter abwechselnder Besserung und Verschlimmerung. Gegen Abend wurde der Zustand sehr bedenklich: das Gesicht war glühend rot, das Schlucken fast unmöglich, das Erbrechen wurde häufiger. Der Arzt nahm den Verband von dem Arme des Kranken und fand die Wunde mit einem schwarzen Rande umgeben.

Nun konnte er aus dem hoffnungslosen Zustande des Kranken kein Geheimnis mehr machen. Da der Kapitän noch vollkommen bei Verstand war, so erklärte der Doktor dem Chevalier, sein Freund habe keine Zeit zu verlieren, wenn er einige letztwillige Verfügungen zu treffen habe.

Der Doktor musste, wenn auch nur auf einige Stunden, an Bord zurückkehren; er versprach am andern Morgen wie» herzukommen und ließ schriftliche Anordnungen über die Behandlung des Kranken zurück. Er erklärte für die Hauptsache, den Mut des Letzteren möglichst aufrecht zu halten.

Diese Anordnung war überflüssig: der Starke war der Kranke der Schwache, sein Wärter, der sich wohl befand.

Der Chevalier hatte das Lager seines Freundes keinen Augenblick verlassen: er pflegte ihn eben so sorgsam , wie der Kapitän ihn gepflegt hatte, als er den Fuß gebrochen hatte, er gab nicht zu, dass er die Arznei aus einer andern Hand nahm.

Dieses Benehmen des armen Dieudonné war um so verdienstlicher, da er selbst auf das tiefste erschüttert war, und die Leiden seines Freundes nur mit Widerstreben ansah. Wir haben gesehen, dass er in Ohnmacht fiel, als dem Kapitän eine Ader geöffnet wurde, und nachher war er oft wieder einer Ohnmacht nahe.

Jetzt, nachdem der Arzt den Kranken fast aufgegeben hatte, war’s noch schlimmer. Dieudonné wurde von furchtbarer Angst ergriffen, wenn sich der Kapitän auf seinem Lager wälzte; wenn der Kranke hingegen einschlummerte, so betrachtete Dieudonné diesen Zustand als das bedenklichste Symptom; er schüttelte den Kapitän und fragte »Wie befindest Du Dich? Antworte mir doch!« Und wenn der Kranke nicht antwortete, so rang er jammernd die Hände.

Mitten in einem solchen heftigen Ausbruch des Schmerzes glaubte der nicht schlafende, sondern nachsinnende Dumesnil, der Augenblick sei gekommen, dem Freunde seine letzten Weisungen zu geben.

Der Kapitän besaß einen ernsten, stoischen Charakter; er betrachtete ohne Furcht für sich wenigstens, den verhängnisvollen Übertritt in das unbekannte Jenseits, und er wurde nur durch den Gedanken an die Verlassenheit seines Freundes beunruhigt.

»Lieber Dieudonné.« sagte er, »trockne deine Tränen, die eines Mannes unwürdig sind, und höre meinen Rat, wie Du deine Lebensweise einzurichten hast, wenn ich nicht mehr sein werde.«

Bei den ersten Worten des Kranken schwieg der Chevalier wie durch einen Zauberschlag. Dumesnil, der seit beinahe zwei Stunden keinen Laut von sich gegeben hatte, sprach so ruhig, dass man hätte glauben können, Gott habe ein Wunder an ihm getan; aber als er an die Worte kam: »wenn ich nicht mehr sein werde,« rang Dieudonné verzweifelnd die Hände, schloss den Kranken in seine Arme und klagte mit bittern Worten über die Härte des Schicksals.

Der Kapitän fühlte nicht mehr die Kraft, den übermäßigen Schmerz seines Freundes mit Gründen zu bekämpfen; er stammelte mit matter Stimme

»Dieudonné, Du tötest mich!«

Der Chevalier trat zurück, sank auf die Knie und hob bittend die Hände empor.

»Verzeihe mir, Dumesnil,« sagte er. »Ich will kein Wort mehr sagen, ich will Dich ruhig anhören.«

Aber die hellen Tränen rannen ihm über die Wangen.

Dumesnil sah ihn einige Augenblicke mit tiefem Mitleid an.

»Weine nicht so, mein armer Kamerad! Ich bedarf meiner ganzen Kraft, um als Mann und Soldat die letzte Grenze zu überschreiten, und dein Jammer zerreißt mir das Herz – Dieudonné,« setzte er mit ganz militärischer Entschiedenheit hinzu, »wir müssen in dieser Welt scheiden!«

»Nein, nein,« sagte Dieudonné; »nein, Du wirst nicht sterben, es ist unmöglich!«

»Aber Du musst doch darauf gefasst sein,« antwortete der Kranke.

»Ich soll Dich künftig nicht mehr sehen? Nein, so grausam wird Gott nicht sein!«

»Es müsste dann die Seelenwanderung dort oben an der Tagesordnung sein,« sagte der Kapitän lächelnd. »In diesem Falle möchte ich in die Haut eines Hundes fahren. Wir müssen uns in das Unvermeidliche fügen, lieber Freund.«

Dieudonné schloss den Freund, der bald auf immer scheiden sollte, in seine Arme.

»Nur Mut gefasst!« fuhr der Kapitän fort. »Wahrhaftig, es scheint als ob Du die Welt verlassen solltest – Ich will Dir, so lange als ich noch die Kraft habe, einen guten Rat geben. Bleibe hier, wenn Du kannst, obgleich ich kaum glaube, dass Du hier ohne mich viel Vergnügen finden wirst.«

»O nein, nein!« schluchzte Dieudonné; »wenn ich das Unglück habe dich zu verlieren, so gehe ich nach Frankreich zurück!«

»Nach Belieben, Freund. In diesem Falle nimm meine Leiche mit; es wird Dir einige Zerstreuung machen, und Du wirst glauben, dass wir nicht völlig scheiden. Ich bin aus einer traurigen, langweiligen Provinzstadt, aus Chartres. Ader zu Chartres liegen meine Eltern und eine geliebte Schwester begraben. Unsere Familie hat dort eine Gruft, in der noch ein Platz leer ist; Du setzest mich hinein und lässt den Eingang vermauern. Ich bin der Letzte der Familie. Wenn alles dies geschehen ist, so zieh Dich von der Welt zurück, lebe als Hagestolz, nämlich als Egoist, werde ein Esskünstler, ein Feinschmecker; mit Einem Worte: der Magen vertrete bei Dir die Stelle des Herzens. – Ach! lieber Dieudonné, zum Lieben fehlt Dir die Kraft!«

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04 aralık 2019
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