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Kitabı oku: «Der Graf von Monte Christo», sayfa 106

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Zwanzigstes Kapitel.
Peppino

In demselben Augenblick, wo das Dampfschiff des Grafen hinter dem Cap Morgiou verschwand, hatte ein Mann, der mit Extrapost auf der Straße von Florenz nach Rom reiste, das Städtchen Aquapendente passiert. Er fuhr schnell genug, um ziemlich viel Weg zurückzulegen, ohne jedoch Verdacht zu erregen.

In einen Oberrock gekleidet, der, wenn auch von der Reise bedeutend angestrengt, doch ein noch glänzendes Band der Ehrenlegion sehen ließ, das an seinem Frack wiederholt war, mußte dieser Mann nicht allein an dem doppelten Zeichen, sondern auch an dem Accente, in welchem er mit dem Postillon sprach, als ein, Franzose erkannt werden. Daß er in dem Lande der Universalsprache geboren war, ging noch daraus hervor, daß er keine andere italienische Worte kannte, als die Worte der Musik, welche, wie das God dam des Figaro, alle Feinheiten einer besonderen Sprache zu ersehen vermögen.

»AIlegro,« sagte er zu den Postillons, sobald es bergauf ging.

»Moderato,« rief er, wenn bergab ging.

Und Gott weiß, daß es von Florenz nach Rom auf der Straße von Aquapendente gar oft bergauf, bergab geht.

Diese zwei Worte machten übrigens die braven Leute, an welche sie gerichtet waren, viel lachen.

In Gegenwart der ewigen Stadt, das heißt an der Storta anlangend, von wo aus man Rom erblickt fühlte der Reisende durchaus nicht die Regung enthusiastischer Neugierde, welche jeden Fremden antreibt, sich aus seinem Wagen zu erheben, um den berühmten Dom von St. Peter zu erschauen, den man lange vorher gewahrt, ehe man etwas. Anderes unterscheidet.

Nein, er zog nur sein Portefeuille aus seiner Tasche, und aus seinem Portefeuille ein viereckig zusammengelegtes Papier, das er entfaltete und mit einer Aufmerksamkeit, welche der Ehrfurcht glich, wieder zusammenlegte; dann sagte er: »Gut! ich habe es immer noch.«

Der Wagen fuhr, durch, die. Porte, del Popolo, schlug den Weg links ein und hielt vor dem Gasthofe zur Stadt London an.

Meister Pastrini, unser alter Bekannter, empfing den Reisenden, den Hut in der Hand, auf der Schwelle seines Hauses.

Der Reisende stieg aus, befahl ein gutes Mittagsmahl, und erkundigte sich nach der Adresse des Hauses Thomson und French, die ihm sogleich genannt wurde, denn dieses Haus war eines der bekanntesten in Rom. Es lag aus der Via dei Bauchi bei St. Peter.

In Rom, wie überall, ist die Ankunft einer Postchaise ein Ereignis, Zehn Abkömmlinge von Marius und den Gracchen, mit nackten Beinen und Löchern an den Ellenbogen, aber die linke Faust aus der Hüfte und den rechten Arm malerisch über dem Haupte gebogen, betrachteten den Reisenden, die Postchaise und die Pferde: mit diesen Straßenjungen der Stadt par excellence hatten sich etwa fünfzig ältere Maulaffen aus den Staaten Seiner Heiligkeit verbunden, von der Sorte derjenigen, deren Vergnügen darin besteht, daß sie vom Ponte S. Angelo herab in die Tiber spucken. wenn die Tiber Wasser hat.

Da nun die Straßenjungen und Maulaffen von Rom, glücklicher, als die von Paris, alle Sprachen und besonders die französische verstehen, so hörten sie den Fremden ein Zimmer und ein Mittagessen verlangen und nach der Adresse des Hauses Thomson und French fragen.

So kam es, daß sich, als der Ankömmling mit dem Cicerone den Gasthof verließ, ein Mensch von einer Gruppen von Neugierigen losmachte, und ohne von dem Reisenden bemerkt zu werden, ohne daß es schien. als gewahrte ihn sein Führer, in geringer Entfernung von dem Fremden marschierte und diesem mit einer Geschicklichkeit folgte, wie es nur ein Agent der Pariser Polizei hätte tun können. Der Franzose hatte so große Eile, seinen Besuch bei dem Hause Thomson und French zu machen, daß er sich nicht einmal Zeit nahm, zuwarten, bis die Pferde angespannt waren; der Wagen sollte ihn auf dem Wege einholen oder vor der Thüre des Banquier seiner harren.

Man kam an Ort und Stelle, ohne daß der Wagen den Fremden erreichte.

Der Franzose trat ein und ließ seinen Führer im Vorzimmer; dieser knüpfte sogleich ein Gespräch mit einigen von jenen Gewerbsleuten ohne Gewerbe oder vielmehr mit tausend Gewerben an, welche sich in Rom vor den Thüren der Banquiers, der Kirchen, der Ruinen, der Museen oder der Theater aufhalten.

Gleichzeitig mit dem Franzosen trat der Mensch ein, der sich von der Gruppe der Neugierigen getrennt hatte; der Franzose läutete an der Thüre des Bureau und ging in das erste Zimmer; sein Schatten that dasselbe.

»Finde ich hier die Herren Thomson und French?« fragte der Fremde.

Ein Lackei erhob sich aus das Zeichen eines vertrauten Commis, des feierlichen Wächters vom ersten Bureau.

»Wen habe ich zu melden?« fragte der Lackei, indem er dem Fremden voranzugehen sich anschickte.

»Den Herrn Baron von Danglars,« antwortete der Reisende.

»Kommen Sie,« sagte der Lackei.

Eine Thüre öffnete sich, der Lackei und der Baron verschwanden durch diese Thüre.

Der Mensch, der hinter Danglars eingetreten war, setzte sich aus eine Wartebank.

Der Commis fuhr ungefähr fünf Minuten lang mit dem Schreiben fort: während dieser fünf Minuten beobachtete der sitzende Mensch das tiefste Stillschweigen und die strengste Unbeweglichkeit.

Dann kritzelte die Feder des Commis nicht mehr auf dem Papiere; er schaute auf, sah aufmerksam umher und sagte, nachdem er sich überzeugt hatte, daß er mit dem Sitzenden allein war:

»Ah! ah! Du bist hier, Peppino.«

»Ja,« antwortete dieser lakonisch,

»Du hast etwas Gutes bei dem dicken Menschen gewittert?«

»Es ist bei dem kein großes Verdienst, wir sind benachrichtigt.«

»Du weißt also, was er hier macht, Neugieriger?«

»Bei Gott! er kommt, um Geld zu beziehen: nur muß man erst wissen, welche Summe.«

»Man wird es Dir sogleich sagen, Freund.«

»Sehr gut. Doch ich rathe Dir, mir nicht wie damals eine falsche Nachricht zu geben.«

»Was willst Du damit sagen, von wem sprichst Du? Etwa von dem Engländer, der drei tausend Thaler von hier mitgenommen hat?«

»Nein, dieser hatte wirklich drei tausend Thaler, und wir fanden sie. Ich spreche von dem russischen Fürsten.«

»Nun?«

»Nun! Du hattest uns dreißig tausend Lire angezeigt, und wir fanden nur zwei und zwanzig.«

»Ihr werdet schlecht gesucht haben.«

»Luigi Vampa hat ihn selbst durchsucht.«

»Dann er hatte seine Schulden bezahlt . . . «

»Ein Russe?«

»Oder sein Geld ausgegeben,«

»Das ist im Ganzen möglich.«

»Es ist sicher; doch laß mich an mein Observatorium gehen, der Franzose könnte sonst sein Geschäft abmachen, ohne daß ich die Summe bestimmt erführe.«

Peppino machte ein bejahendes Zeichen, zog einen Rosenkranz aus seiner Tasche und murmelte ein paar Gebete, während der Commis durch dieselbe Thüre verschwand, welche dem Lackei und dem Baron Eingang gewährt hatte.

Nach ungefähr zehn Minuten kam der Commis strahlend zurück,

»Nun?« fragte Peppino seinen Freund.

»Hurtig! hurtig!« sagte der Commis; »die Summe ist rund.«

»Nicht wahr, fünf bis sechs Millionen?«

»Ja; Du weißt die Zahl?«

»Auf einen Schein Seiner Exzellenz des Grafen von Monte Christo.«

»Du kennst den Grafen?«

»Und wofür man ihn auf Rom, Venedig und Wien accreditirt hat.«

»So ist es,« rief der Commis; »woher bist Du so gut unterrichtet?«

»Ich habe Dir gesagt, wir wären im Voraus davon benachrichtigt worden.«

»Warum wendest Du Dich dann an mich?«

»Um sicher zu sein, daß es der Mensch ist, mit dem wir zu tun haben.«

»Er ist es . . . fünf Millionen. Nicht wahr, eine hübsche Summe, Peppino?«

»Ja.«

»Wir werden nie so viel haben.«

»Wenigstens bekommen wir einige Brocken davon,« erwiderte Peppino Philosophisch.

»Stille! unser Mann kommt.«

Der Commis nahm wieder seine Feder und Peppino seinen Rosenkranz: der Eine schrieb, der Andere betete, als die Thüre sich öffnete.

Danglars erschien strahlend, begleitet von dem Banquier, der ihn bis zu der Thüre zurückführte.

Hinter Danglars entfernte sich Peppino.

Der Wagen wartete der Verabredung gemäß vor dem Hause Thomson und French, Der Cicerone hielt den Kutschenschlag geöffnet.

Der Cicerone ist ein sehr gefälliges Wesen, das man zu Allem verwenden kann.

Danglars sprang leicht wie ein Jüngling von zwanzig Jahren in den Wagen.

Der Cicerone schloß den Schlag und stieg zum Kutscher hinauf.

Peppino stieg auf den Hintersitz.

»Will Seine Exzellenz St, Peter sehen?« fragte der Cicerone.

»Warum dies?« entgegnete der Baron.

»Bei Gott! um zu sehen!«

»Ich bin nicht nach Rom gekommen, um zu sehen.« sagte Danglars mit lauter Stimme; dann fügte er leise mit seinem habgierigen Lächeln bei: »Ich bin gekommen, um einzusacken.«

Und er betastete in der Tat sein Portefeuille, in welchem er einen Brief verschlossen hatte.

»Seine Exzellenz fährt also?«

»In den Gasthof.«

»Casa Pastrini,« sagte der Cicerone zu dem Kutscher.

Und der Wagen entfernte sich rasch wie ein Herrengefährt.

Zehn Minuten nachher war der Baron wieder in seinem Zimmer, und Peppino setzte sich auf der an der Wand vor dem Gasthofe angebrachten Bank fest, nachdem er ein paar Worte einem von den am Anfange dieses Kapitels von uns bezeichneten Abkömmlingen von Marius und den Gracchen zugeflüstert hatte, welcher Abkömmling den Weg nach dem Capitol mit aller Schnelligkeit seiner Beine einschlug.

Danglars war müde, zufrieden gestellt und hatte Schlaf. Er legte sich nieder, steckte sein Portefeuille unter sein Kopfkissen und entschlummerte.

Peppino hatte Zeit übrig; er spielte Morra mit den Facchini, verlor drei Thaler und trank, um sich zu trösten, eine Flasche Orvietto-Wein.

Am andern Morgen erwachte Danglars spät, obgleich er sich frühe zu Bette gelegt hatte; er schlief bereits seit fünf bis sechs Nächten schlecht, wenn er überhaupt schlief.

Danglars frühstückte reichlich, und da er sich, wie er gesagt, wenig darum bekümmerte, die Schönheiten der Stadt zu sehen, so verlangte er auf die Mittagsstunde Postpferde.

Doch er hatte ohne die Förmlichkeiten der Polizei und ohne die Trägheit des Postmeisters gerechnet.

Die Pferde kamen erst um zwei Uhr, und der Cicerone brachte den visirten Paß erst um drei Uhr,

Alle diese Vorbereitungen zogen vor die Thüre von Meister Pastrini eine Menge von Müßiggängern.

Die Nachkömmlinge von Marius und den Gracchen fehlten nicht.

Der Baron durchschritt triumphierend diese Gruppen, die ihn Exzellenz nannten, um einen Bajocco zu bekommen.

Da Danglars, wie Man weiß, als ein volksthümlicher Mann sich bis dahin nur einfach hatte Baron nennen lassen und noch nie als Exzellenz behandelt worden war, so schmeichelte ihm dieser Titel, und er teilte ein Dutzend Paols unter diese Canaille aus, welche ganz geneigt war, ihn für zwölf weitere Paols Hoheit zu betiteln.

»Welche Straße?« fragte der Postillon italienisch.

»Straße nach Ancona,« antwortete der Baron.

Meister Pastrini übersetzte die Frage und die Antwort, und der Wagen verließ den, Gasthof im Galopp.

Danglars wollte wirklich nach Venedig reisen und dort einen Teil seines Vermögens einziehen, sodann sich von Venedig nach Wien begeben, wo er den Rest zu realisieren gedachte.

Seine Absicht war, sich in letzterer Stadt niederzulassen, welche man ihm als eine Stadt der Vergnügungen geschildert hatte.

Kaum hatte er drei Stunden in der Campagna von Rom zurückgelegt, als die Nacht anzubrechen begann; Danglars hatte nicht so spät abzureisen geglaubt, sonst wäre er geblieben; er fragte den Postillon, wie viel man noch Zeit brauchte, um die nächste Stadt zu erreichen.

»Non Capisco!« antwortete der Postillon.

Danglars machte eine Bewegung mit dem Kopfe, welche sagen wollte: »Sehr gut!«

Der Wagen setzte seinen Weg fort.

»Bei der ersten Post werde ich anhalten,« sagte Danglars zu sich selbst,

Danglars fühlte noch einen Rest von jenem Wohlbehagen vom vorhergehenden Tage, das ihm eine so gute Nacht verschafft hatte. Er war bequem in einer englischen Caleche mit doppelten Federn ausgestreckt und zwei gute Pferde zogen ihn im Galopp fort: die Station war, wie er wußte, sieben Stunden entfernt. Was tun, wenn man Banquier ist und einen glücklichen Bankerott gemacht hat?

Danglars dachte zehn Minuten an seine in Paris zurückgebliebene Frau, zehn weitere Minuten an seine Tochter, die sich mit Fräulein d'Armilly in der Welt umhertrieb; dann schenkte er auch zehn Minuten seinen Gläubigern und der Art und Weise, wie er sein Geld anwenden würde: als er an nichts mehr zu denken hatte, schloß er die Augen und schlief ein.

Bei einem heftigeren Stoße öffnete er zuweilen seine Augen wieder für eine Secunde und führte sich stets mit derselben Geschwindigkeit durch die Campagna von Rom mit ihren zahllosen zertrümmerten Wasserleitungen fortgezogen, welche mitten in ihrem Laufe versteinerten Granitriefen gleichen. Doch die Nacht war kalt, düster und regnerisch, und es war viel besser für einen halb entschlummerten Menschen, im Hintergrunde seiner Chaise mit geschlossenen Augen zu bleiben, als den Kopf aus dem Kutschenschlag zu strecken und einen Postillon, der nichts zu antworten wußte, als: Non capisco! zu fragen, wo er sich befände.

Danglars sagte sich, es wäre auf der Station immer noch Zeit, zu erwachen, und setzte seinen Schlaf fort.

Der Wagen hielt an; Danglars dachte, er habe das ersehnte Ziel erreicht. Er öffnete die Augen, schaute durch die Scheiben, in der Erwartung, sich mitten in einer Stadt oder wenigstens in einem Dorfe zu finden; doch er sah nur eine Art von vereinzeltem Mauerwerk und drei bis vier Menschen, welche wie Schatten hin, und hergingen.

Danglars wartete einen Augenblick, er glaubte, der Postillon würde nach zurückgelegter Station nun kommen und das Postgeld von ihm verlangen; er gedachte die Gelegenheit zu benützen, um sich von seinem neuen Führer Auskunft geben zu lassen; doch die Pferde wurden ausgespannt und durch andere ersetzt, ohne daß Jemand Geld von dem Reisenden forderte. Erstaunt öffnete Danglars den Wagenschlag, doch eine kräftige Hand stieß ihn sogleich zurück, und der Wagen rollte fort.

Voll Verwunderung erwachte der Baron gänzlich.

»He!« sagte er zu dem Postillon, »he! mio caro

Das war abermals Italienisch von der Musik, das Danglars aus der Zeit behalten hatte, wo seine Tochter mit dem Prinzen Cavalcanti Duette sang.

Doch mio caro antwortete nicht.

Danglars öffnete nun das Fenster.

»He, Freund! wohin fahren wir?« fragte er, den Kopf durch die Öffnung streckend.

»Dentro la testa!« rief eine gebieterische Stimme, begleitet von einer drohenden Gebärde.

Danglars begriff, daß Dentro la testa: den Kopf zurück! hieß.

Er machte, wie man sieht, rasche Fortschritte im Italienischen.

Danglars gehorchte nicht ohne eine gewisse Unruhe, und da diese Unruhe von Minute zu Minute zunahm, so war sein Geist nach einigen Augenblicken, statt der von uns zur Zeit seiner Abfahrt von Rom bezeichneten Leere, welche seinen Schlaf herbeigeführt hatte, erfüllt von einer Menge von Gedanken, von denen die einen immer mehr geeignet waren, als die andern, das Interesse eines Reisenden, und besonders eines Reisenden in der Lage von Danglars, wach zu erhalten.

Seine Augen nahmen in der Finsternis jenen Grad von Schärfe an, den im ersten Augenblick starke Aufregungen verleihen, während er sich später in Folge zu großer Übung abstumpft. Ehe man Angst hat, sieht man richtig; während man Angst bat, sieht man doppelt, und nachdem man Angst gehabt hat, sieht man trübe.

Danglars sah einen Menschen, der in einen Mantel gehüllt an dem Schlage rechts galoppierte.

»Ein Gendarme,« sagte er. »Sollte ich durch die französischen Telegraphen den päpstlichen Behörden bezeichnet worden sein?«

Er beschloß, sich in dieser Angst Licht zu verschaffen.

»Wohin führt Ihr mich?« fragte er.

»Dentro la testa!« wiederholte dieselbe Stimme mit dem drohenden Ausdruck.

Danglars wandte den Kopf nach dem Kutschenschlage links.

Ein anderer Reiter galoppierte an dem Schlage links.

»Ich bin offenbar gefangen,« sagte Danglars Schweiß aus der Stirne zu sich selbst.

Und er warf sich in den Hintergrund seiner Caleche zurück, diesmal nicht um zu schlafen, sondern um nachzudenken.

Einen Augenblick nachher ging der Mond ans.

Aus dem Grunde seines Wagens heraus tauchte er nun seinen Blick in die Campagna. Er sah abermals die großen Wasserleitungen, steinerne Gespenster, die er im Vorüberfahren bemerkt hatte; nur waren sie jetzt, statt zu seiner Rechten, zu seiner Linken.

Er begriff, daß man den Wagen hatte eine halbe Wendung machen lassen und ihn nach Rom zurückführte.

»Oh! ich Unglücklicher,« murmelte er, »man hat sicherlich die Auslieferung bewirkt!«

Der Wagen rollte mit einer furchtbaren Schnelligkeit fort. Eine Stunde verging in gräßlicher Angst, denn bei jedem an seinen Weg geworfenen neuen Zeichen erkannte der Flüchtling, daß man ihn zurückführte. Endlich erblickte er eine düstere Masse, er glaubte, der Wagen müßte sich daran stoßen; doch der Wagen wandte sich ab und fuhr an dieser düstern Masse hin, welche nichts Anderes war, als der Wallgürtel, der Rom umzieht.

»Oh! oh!« murmelte Danglars, »wir kehren nicht in die Stadt zurück, folglich ist es nicht die Justiz, die sich meiner bemächtigt. Guter Gott! ein anderer Gedanke, sollten es etwa? . . . «

Seine Haare sträubten sich.

Er erinnerte sich jener interessanten Geschichten von römischen Banditen, welche, in Paris sonst wenig Glauben findend, von Albert von Morcerf Madame Danglars und Eugenie zu einer Zeit erzählt worden waren, wo der junge Vicomte der Sohn der einen und der Gatte der andern werden sollte.

»Vielleicht Räuber!« murmelte er.

Plötzlich rollte der Wagen aus etwas Härterem, als der Boden eines Sandweges zu sein pflegt. Danglars wagte einen Blick aus beide Seiten der Straße; er gewahrte Monumente von seltsamer Form, und mit der Erzählung von Morcerf beschäftigt, die sich ihm nun in in allen ihren Einzelheiten darstellte, sagte ihm sein Geist, er müßte aus der Via Appiana sein.

Links von dem Wagen, in einem Thale, sah er eine kreisförmige Aushöhlung.

Das war der Circus von Caracalla.

Auf ein Wort des Mannes, der rechts vom Wagen galoppierte, hielt dieser an.

Zu gleicher Zeit öffnete sich der Kutschenschlag links.

»Scengi!« befahl eine Stimme.

Danglars stieg sogleich aus. Er sprach noch nicht Italienisch, aber er verstand es vollkommen.

Der Baron schaute mehr tot als lebendig umher.

Vier Männer umgaben ihn, den Postillon nicht zu rechnen.

»Di quà!« sagte einer von den vier Männern, den Fußpfad hinabsteigend, der von der Via Appiana in die ungleichen Gründe der Campagna von Rom führte.

Danglars folgte dem Manne ohne Widerspruch und brauchte sich nicht umzuwenden, um zu wissen, daß ihm die drei andern Männer folgten.

Es kam ihm indessen vor, als ob diese Männer wie Schildwachen in ungefähr gleichen Entfernungen anhielten.

Nach einem Marsche von etwa zehn Minuten, während Danglars nicht ein Wort mit seinem Führer ausgetauscht hatte, befand er sich zwischen einem kleinen Hügel und einem Gebüsche; drei Männer, welche stumm dastanden, bildeten ein Dreieck, dessen Mittelpunkt er war. Er wollte sprechen; seine Zunge verwirrte sich.

»Avanti! avanti!« sagte dieselbe Stimme mit dem kurzen, gebieterischen Tone.

Diesmal begriff Danglars doppelt; er begriff durch das Wort und durch die Gebärde, denn der Mensch, der hinter ihm ging, trieb ihn so heftig vorwärts, daß er beinahe auf seinen Führer stieß.

Dieser Führer war unser Freund Peppino, der durch eine Krümmung, welche nur die Eidechsen als einen gebahnten Weg zu erkennen vermochten, in das hohe Graf drang.

Peppino blieb vor einem, von dichtem Buschwerk überragten Felsen stehen; dieser leicht wie ein Augenlid geöffnete Felsen gewährte dem jungen Manne Durchgang, der darin verschwand, wie die Teufel in unsern Feenstücken unter ihren Fallthüren verschwinden.

Der Mann, welcher Danglars folgte, ermutigte diesen durch Wort und Gebärde, dasselbe zu tun.

Es unterlag keinem Zweifel mehr, der französische Bankerottirer war in den Händen von römischen Banditen.

Danglars gab sich hin, wie ein zwischen zwei furchtbare Gefahren gestellter Mensch, den die Angst mutig macht. Trotz seines Bauches, der gar wenig geeignet war, in die Spalten der Campagna von Rom zu dringen, schob er sich hinter Peppino durch, ließ sich, die Augen schließend, hinabgleiten und fiel aus seine Füße.

Als er die Erde berührte, öffnete er die Augen.

Der Weg war breit, aber schwarz. Peppino, der nun, da er zu Hause war, sich nicht mehr zu verbergen hatte, schlug Feuer und zündete eine Fackel an.

Zwei andere Männer stiegen, die Nachhut bildend, hinter Danglars herab; sie stießen diesen wie durch einen Zufall, wenn er stehen blieb, vorwärts und trieben ihn so aus einem sanften Abhange bis zu dem Mittelpunkte eines Kreuzweges von finsterem Aussehen.

In übereinander gesetzten Nischen in Form von Särgen ausgegraben, schienen die Wände unter dem weißen Gestein schwarze, tiefe Augen zu öffnen, wie man dies bei den Totenköpfen bemerkt.

Eine Schildwache schlug mit der linken Hand an den Kolben ihres Carabiners und rief sodann:

»Wer da?«

»Freunde! Freunde!« sagte Peppino. »Wo ist der Kapitän?«

»Dort,« antwortete die Schildwache, über ihre Schulter aus einen aus dem Felsen ausgehöhlten Saal deutend, aus dem das Licht durch große, gewölbte Öffnungen in den Gang drang.

»Gute Beute, Kapitän, gute Beutel« rief Peppino italienisch.

Und er nahm Danglars bei dem Kragen seines Oberrocks und führte ihn zu einer Öffnung, die einer Thüre glich; durch diese Öffnung gelangte man in den Saal, aus dem der Kapitän seine Wohnung gemacht zu haben schien.

»Ist es der Mensch?« fragte der Kapitän, welcher aufmerksam das Leben Alexanders im Plutarch las.

»Er selbst, Kapitän, er selbst.«

»Sehr gut, zeigt ihn mir.«

Auf diesen durchaus nicht höflichen Befehl hielt Peppino so rasch seine Fackel an das Gesicht von Danglars, daß dieser lebhaft zurückwich, um nicht versengte Augenbrauen zu bekommen.

Sein verstörtes Gesicht bot alle Symptome eines bleichen, häßlichen Schreckens.

»Der Mann ist müde,« sagte der Kapitän, »man führe ihn zu seinem Bett.«

»Oh! dieses Bett!« murmelte Danglars: »wahrscheinlich ist es einer von den Särgen, welche aus der Mauer ausgehöhlt sind, und dieser Schlaf ist der Tod, den mir einer von den Dolchen, die ich im Schatten funkeln sehe, bereiten wird.«

Man erblickte in der Tat in den düstern Tiefen des ungeheuren Saales, auf ihren Lagern von getrockneten Kräutern oder von Wolfshäuten, die Gefährten des Mannes sich erheben, den Albert von Morcerf bei den Commentaren von Cäsar gefunden hatte und Danglars das Leben von Alexander lesend fand.

Der Banquier stieß einen dumpfen Seufzer aus und folgte seinem Führer: er versuchte es weder zu bitten, noch zu schreien. Er hatte keine Kraft, keinen Willen, keine Gewalt, kein Gefühl mehr: er ging, weil man ihn fortzog.

Er stieß an eine Stufe, begriff, daß er eine Treppe vor sich hatte, und hob maschinenmäßig vier bis fünfmal den Fuß auf. Dann öffnete sich eine niedrige Thüre vor ihm; er bückte sich instinktartig, um nicht die Stirne anzustoßen, und befand sich in einer aus dem Felsgestein ausgehauenen Zelle.

Diese Zelle war reinlich, wenn auch kahl, trocken, obgleich in einer unermeßlichen Tiefe unter der Erde liegend.

Ein Bett von getrocknetem Grase, bedeckt mit Ziegenhäuten, war in einer Ecke dieser Zelle ausgebreitet.

Als Danglars dasselbe erblickte, glaubte er das strahlende Symbol seines Heiles zu sehen.

»Oh! Gott sei gelobt!« murmelte er, »es ist ein wirkliches Bett!«

Es war zum zweiten Male, daß er in einer Stunde den Namen Gottes anrief; dies hatte sich seit zehn Jahren nicht bei ihm ereignet.

»Ecco,« sprach der Führer.

Und er stieß Danglars in die Zelle und schloß die Thüre hinter ihm.

Ein Riegel klirrte; Danglars war gefangen.

Wäre indessen auch kein Riegel da gewesen, so hätte er doch der heilige Peter sein und zum Führer einen Engel des Himmels haben müssen, um mitten durch diese Garnison zu kommen, welche die Katakomben von San Sebastians besetzt hielt und um ihren Führer gelagert war, in welchem unsere Leser sicherlich den berüchtigten Luigi Vampa erkannt haben.

Danglars hatte diesen Banditen, an dessen Dasein er nicht glauben wollte, als ihn Morcerf in Frankreich zu naturalisieren suchte, ebenfalls erkannt. Er hatte nicht nur ihn, sondern auch die Zelle erkannt, in der Morcerf eingeschlossen gewesen war, und die aller Wahrscheinlichkeit nach den Fremden gewöhnlich als Wohnung diente.

Diese Erinnerungen, bei denen Danglars mit einer gewissen Freude verweilte, verliehen ihm wieder die Ruhe. Sobald ihn die Banditen nicht auf der Stelle getötet, hatten sie überhaupt nicht die Absicht, ihn zu töten.

Man hatte ihn festgenommen, um ihn zu plündern, da er aber nur einige Louisd’or bei sich trug, so würde man wohl daraus Verzicht leisten.

Er erinnerte sich, daß Morcerf zu ungefähr vier tausend Thaler angeschlagen worden war; da er sich ein viel gewichtigeres Aussehen zugestand, als Morcerf, zu bestimmte er sein Lösegeld in seinem Geiste aus acht tausend Thaler.

Acht tausend Thaler machten achtundvierzig tausend Franken.

Es blieben ihm so etwa fünf Millionen und fünfzig tausend Franken.

Damit kommt man überall durch.

Beinahe gewiss, sich seiner mißlichen Lage entziehe, zu können, insofern man kein Beispiel kennt, daß ein Mensch auf fünf Millionen und fünfzig tausend Franken taxiert worden ist, streckte sich Danglars auf seinem Lager aus, wo er, nachdem er sich ein paar Male hin und hergedreht hatte, mit der Ruhe des Heiden entschlummerte, dessen Geschichte Luigi Vampa studierte.

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10 aralık 2019
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