Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 10
II.
Der Dämon des Südens
Gleichzeitig mit dem, was in dem Zelte Emanuels vorging, brachte ein großes Ereigniß, das durch Trompetenfanfaren und Vivats der Soldaten verkündigt wurde, das kaiserliche Lager in Bewegung.
Ein kleiner Reiterhaufen war auf dem Wege von Brüssel her erkannt worden; man hatte ihm Boten entgegen gesandt, die Boten waren im Galopp zurückgekommen, gaben ihre Freude zu erkennen, und meldeten, der Anführer der Reiter sey kein anderer als der einzige Sohn des Kaisers, Philipp, Prinz von Spanien, König von Neapel und Gemahl der Königin von England.
Bei den Fanfaren und dem Vivatrufen der Ersten, welche den Prinzen erblickten, eilten Alle aus den Zelten heraus den Ankommenden entgegen.
Philipp ritt auf einem schönen Schimmel, den er ziemlich anmuthig tummelte; er trug einen violetten Mantel und ein schwarzes Wamms, Doppeltrauerfarbe bei den Königen, violette Beinkleider, große Büffellederstiefel und ein schwarzes Barret, wie damals die Mode verlangte, mit einer goldenen Schnur und einer schwarzen Feder.
Am Halse hing ihm das goldene Vließ.
Er war damals ein Mann von achtundzwanzig Jahren, von mittlerer Größe, mehr dick als hager, mit etwas aufgetriebenen Wangen, einem blonden Bart, festem selten lächelnden Munde, gerader Nase und Augen, die unter ihren Lidern zitterten wie die der Hasen. Obgleich er eher schön als häßlich war, hatte doch das Ganze seines Gesichtes nichts Anziehendes und man erkannte, daß unter dieser vor der Zeit gerunzelten Stirn mehr finstere als heitere Gedanken lagen.
Der Kaiser hatte große Liebe zu ihm; wie er seine Mutter geliebt hatte, so liebte er den Sohn; aber in dem Augenblicke, wenn eine Liebkosung die beiden Herzen einander nähern sollte, hatte er stets um das des Prinzen von Spanien jene Eisrinde empfunden, welche unter keiner Umarmung geschmolzen war.
Bisweilen, wenn er seinen Sohn lange nicht gesehen, wenn er den hinter dem blinzelnden Blicke des Prinzen verborgen liegenden Gedanken aus dem Gesichte verloren hatte, beunruhigte es ihn, wohin den jungen Mann sein geheimes Werk des Ehrgeizes treibe. Gegen die gemeinschaftlichen Feinde oder gegen ihn selbst? Im Zweifel seines Herzens ließ er dann wohl so schreckliche Worte fallen wie an demselben Morgen gegen Emanuel Philibert über den Gefangenen.
Die Geburt des jungen Prinzen war unheimlich wie sein ganzes Leben seyn sollte. Manches Morgenroth spiegelt sich über das ganze Leben. Der Kaiser hatte die Nachricht von seiner Geburt Dienstags, 31. Mai 1527, gleichzeitig mit der von dem Tode des Connétable von Bourbon, von der Plünderung Roms und von der Gefangenschaft des Papstes Clemens VII. erhalten. Jede Freudenäußerung war also untersagt, damit sie nicht zu grell von der Trauer der Christenheit absteche.
Erst ein Jahr später war der königliche Sprößling als Prinz von Spanien anerkannt worden; da gab es große Festlichkeiten, aber das Kind, das als Mann so viele Thränen auspressen sollte, hatte während dieser Feste nur geweint.
Er hatte sein sechzehntes Jahr erreicht, als der Kaiser, um ihn an den Krieg zu gewöhnen, ihm auftrug, die Franzosen unter dem Dauphin zu zwingen, die Belagerung von Perpignan aufzuheben. Damit er aber bei dieser Unternehmung der Gefahr nicht ausgesetzt sey, eine Schlappe zu erleiden, gab man ihm sechs Granden von Spanien, vierzehn Barone, achthundert Edelleute, zweitausend Reiter und fünftausend Mann Fußvolk mit.
Gegen eine solche Verstärkung durch frische Truppen war nichts zu thun; die Franzosen hoben die Belagerung auf und der Infant von Spanien betrat seine kriegerische Laufbahn mit einem Siege.
Aus dem Bericht aber, welchen der Kaiser sich über den Feldzug hatte erstatten lassen, erkannte Carl V. leicht, daß der Sinn seines Sohnes nicht kriegerisch sey; er behielt also die Wagnisse des Krieges und die Wechselfälle der Schlachten für sich und überließ dem Erben seiner Macht das Studium der Politik, für welches er ganz besonders befähigt zu seyn schien.
Mit dem sechzehnten Jahre hatte der Prinz bereits solche Fortschritte in der großen Kunst der Regierung gemacht, daß Carl V. nicht zögerte, ihn zum Statthalter aller spanischen Provinzen zu ernennen.
Im Jahre 1543 hatte er sich mit Maria von Portugal vermählt, die mit ihm in demselben Jahre geboren war, ja an demselben Tage fast in derselben Stunde.
Er hatte von ihr einen Sohn, Don Carlos, den Helden des tragischen Geschickes; dieser Sohn war 1545 geboren.
Endlich 1548 verließ Philipp Barcelona bei einem fürchterlichen Sturm, welcher die Flotte Doria’s zerstreute und sie nöthigte in diesem Hafen Schutz zu suchen. Er wollte Italien besuchen. Bei Gegenwind unternahm er die Reise nochmal, stieg in Genua ans Land, begab sich von da nach Mailand; besichtigte das Schlachtfeld von Pavia, ließ sich die Stelle zeigen, wo Franz I. den Degen übergeben hatte, und besah den Graben, in welchem die französische Monarchie beinahe begraben worden wäre. Er war dabei immer still und schweigsam, verließ Mailand wieder, reiste durch Mittelitalien und erreichte den Kaiser zu Worms.
Da hatte Carl V. der von Geburt und Herz ein Niederländer war, ihn seinen Landsleuten zu Namur und Brüssel vorgestellt.
In Namur hatte Emanuel Philibert ihn gesehen und ihm die Merkwürdigkeiten der Stadt gezeigt; die beiden Vettern hatten einander zärtlich umarmt, und dann hatte ihm Emanuel Philibert das Schauspiel eines kleinen Krieges gegeben, bei dem Philipp aber selbst keine Rolle spielte.
In Brüssel waren die Festlichkeiten nicht minder glänzend als in Namur. Siebenhundert Fürsten, Barone und Edelleute empfingen den Erben der größten Monarchie in der Welt vor dem Thore der Stadt.
Später schickte der Vater diesen Erben wieder nach Spanien zurück.
Emanuel Philibert begleitete ihn bis Genua und auf dieser Reise sah der Prinz von Piemont seinen Vater zum letzten Male.
Drei Jahre nach dieser Rückkehr Philipps nach Spanien war der König Eduard VI. von England gestorben und hatte die Krone seiner Schwester Maria, der Tochter Catharina’s, jener Tante des Kaisers, hinterlassen, welche dieser so liebte, daß er englisch gelernt hatte, um mit ihr sprechen zu können.
Die neue Königin mußte so schnell als möglich einen Gemahl wählen. Sie zählte bereits sechsundvierzig Jahre und folglich war keine Zeit zu verlieren. Carl V. schlug seinen Sohn Philipp vor.
Philipp hatte die reizende Maria von Portugal verloren. Vier Tage nach der Geburt ihres Sohnes Don Carlos hatten die Frauen der Königin aus Neugierde ein glänzendes Autodafé von Protestanten zu sehen, die Wöchnerin allein gelassen und zwar neben einem Tisch, auf welchem Obst stand. Die Königin durfte noch kein Obst essen, die arme Prinzessin war aber eine echte Evastochter und handelte gegen das Verbot; sie stand auf, aß von einer Melone und vierundzwanzig Stunden darauf war sie todt.
Nichts also hinderte den Infanten Philipp, Maria Tudor zu heirathen, England mit Spanien zu verbinden und so Frankreich zwischen der Insel im Norden und der Halbinsel im Süden zu erdrücken.
Das war der große Zweck der Verbindung.
Philipp hatte zwei Mitbewerber um die Hand seiner Cousine, nemlich: den Cardinal Polus, der Cardinal war, ohne Priester zu seyn, den Sohn Georgs, Herzog von Clarence, Bruder Eduard IV. und folglich mit der Königin so nahe verwandt wie Philipp, – und zweitens den Prinzen von Courtenay, Neffen Heinrichs VIII., und folglich eben so nahe verwandt.
Carl V. versicherte sich zunächst der Unterstützung der Königin Marie selbst, und als er dieser gewiß war, welche er durch den Einfluß des Paters Revesby, des Beichtvaters der königlichen Braut, erlangt hatte, bedachte er sich nicht lange zu handeln.
Die Prinzessin Marie war eine eifrige Katholikin und der Titel »die blutige Marie,« welchen ihr die Geschichtschreiber beigegeben haben, zeugt davon.
Der Kaiser entfernte zuerst den Prinzen von Courtenay von ihr, einen Mann von zweiunddreißig Jahren, schön wie ein Engel, muthig wie ein Courtenay, und zwar indem er ihn beschuldigte, er sey ein eifriger Gönner und Beschützer der Ketzerei. Die Königin bemerkte dann auch, daß diejenigen ihrer Minister, welche ihr Courtenay als Gemahl empfahlen, die waren, welche sie für angesteckt hielt von der falschen Lehre, zu deren Papste sich ihr Vater, Heinrich VIII. erklärt hatte; um nichts mehr mit den Bischöfen von Rom zu thun zu haben, wie er sie nannte.
Sobald dies bei der Königin feststand, war der Prinz von Courtenay nicht mehr zu fürchten.
Es blieb also noch der Cardinal Polus, der vielleicht weniger muthig war als Courtenay, aber eben so schön und sicherlich ein größerer Staatsmann als dieser, da er in der Schule der Päpste gebildet war.
Der Cardinal Polus war um so mehr zu fürchten, als Marie Tudor vor ihrer Krönung, mit oder ohne Absicht, an den Papst Julius III. geschrieben hatte, er möge als apostolischen Legaten den Cardinal Polus zu ihr senden, damit dieser mit ihr an dem frommen Werke der Wiederherstellung des wahren Glaubens arbeite. Zum Glück für Carl V. wußte Julius III., was Polus unter Heinrich VIII. gelitten hatte und welchen Gefahren er ausgesetzt gewesen war, er zögerte also, bei der Gährung, welche in England herrschte, einen so bedeutenden Prälaten dahin zu senden. Er ließ darum Commendon vorausgehen, da aber Marie Polus haben wollte, nicht Commendon, so schickte sie diesen mit dem Auftrage zurück, die Ankunft des Cardinals Polus zu betreiben.
Polus reisete ab, aber der Kaiser hatte seine Spione in Rom; er erfuhr die Abreise und da der Legat durch Deutschland reisen und durch Innsbruck kommen sollte, gab Carl V. Mendoza, der ein Reitercorps in dieser Stadt befehligte, den Auftrag, den Cardinal Polus unter dem Vorwande anzuhalten, er sey ein zu naher Verwandter der Königin, als daß er ihr in Sachen der Vermählung mit dem Infanten Don Philipp uneigennützigen Rath geben könne.
Mendoza war ein echter Soldat; erkannte nichts als was ihm befohlen wurde; befohlen war ihm, den Cardinal Polus anzuhalten; er hielt ihn an und gefangen, bis der Heirathscontraet zwischen Philipp von Spanien und Marie von England unterzeichnet war.
Nach dieser Unterzeichnung ließ man ihn los. Polus handelte als Mann von Klugheit und handelte nach seinem Amte als Legat a latere nicht blos bei Marie, sondern auch bei Philipp.
Ein Artikel des Heirathscontractes lautete, daß Marie Tudor sich nur mit einem Könige vermählen könne. Für Carl V. war das keine Verlegenheit und er machte seinen Sohn Philipp zum König von Neapel.
Dieser Erfolg tröstete den Kaiser ein wenig, den zwei Unfälle verstimmt hatten, einer zu Innsbruck, wo er durch Moritz in der Nacht überfallen worden und so eilig entflohen war, daß er nicht einmal bemerkte, er habe zwar sein Bandelier umgehangen, aber den Degen vergessen; der andere vor Metz, von dem er die Belagerung hatte aufheben müssen, wobei er in dem Schmutze des Aufthauens seine Kanonen, sein Kriegsmaterial und ein Drittheil seiner Leute verloren hatte.
»Ah,« hatte er ausgerufen, »so kehrt das Glück endlich wieder zu mir zurück!«
Am 25. Juli 1554 endlich, das heißt neun Monate vor der Zeit, in welcher wir angekommen sind, am Tage des Festes des heiligen Jacob, des Schutzheiligen Spaniens, war Marie von England wirklich mit Philipp II. getraut worden. Die also, welche man die nordische Tigerin nennen sollte, hatte sich mit dem vermählt, welcher den Namen Dämon des Südens erhalten sollte.
Philipp war mit zweiundzwanzig Kriegsschiffen und sechstausend Mann von Spanien abgefahren, hatte aber, ehe er in dem Hafen von Hampton landete, alle seine Schiffe zurückgeschickt, um in England nur mit denen anzukommen, welche die königliche Braut ihm entgegen gesandt.
Dies waren achtzehn und vor ihnen segelte das größte Schiff, welches die Engländer bis dahin gebaut hatten und welches bei dieser Gelegenheit von Stapel gelassen worden war.
Diese Schiffe segelten dem Prinzen von Spanien drei Stunden weit auf das hohe Meer hinaus entgegen und hier ging Philipp unter dem Donner der Kanonen, unter dem Wirbeln der Trommeln, unter den Fanfaren der Trompeten von seinem Schiffe auf das über, welches ihm seine Braut sandte.
Ihm folgten sechzig Edelleute, darunter zwölf Granden von Spanien. Vier unter ihnen, der Amirandes von Castilien, der Herzog von Medina-Cœli, Ruy Gomez de Silva und der Herzog von Alba, hatten jeder vierzig Pagen und Diener, »kurz, man zählte, was merkwürdig und bis dahin von Niemanden gesehen worden war,« sagt Gregorio Leti, der Geschichtschreiber Carls V., »daß diese sechzig Herren zwölfhundert und dreißig Pagen und Diener bei sich hatten.«
Die Vermälung fand in Winchester statt. Diejenigen, welche wissen wollen, wie die Königin Marie Tudor ihrem Bräutigam entgegenkam, welches Kleid und welchen Schmuck sie trug, von welcher Gestalt das Amphitheater mit den beiden Thronen war, welche die Gatten erwarteten; diejenigen, welche noch weiter eindringen und wissen wollen, wie die Messe gelesen wurde, wie man sich an die Tafel setzte und wie Ihre Majestäten von derselben so gewandt aufstanden, daß sie, obwohl sehr viele Herren und Damen zugegen waren, durch eine geheime Thür verschwanden und sich in ihr Gemach begaben, werden darüber und über Anderes bei dem eben genannten Geschichtschreiber Auskunft finden.
Wir würden durch Mittheilung solcher Dinge zu weit geführt werden, kehren vielmehr zu dem Könige von England und Neapel zurück, der nach neunmonatlicher Ehe sich wieder auf das Festland begab und in dem Augenblicke als man es am wenigsten erwartete, wie wir erzählten, laut begrüßt an dem Lager erschien.
Carl V. war natürlich zunächst von der unerwarteten Ankunft seines Sohnes benachrichtigt worden und in der Freude darüber, daß Philipp – wie es wenigstens schien – keinen Grund hatte, seine Ankunft in Flandern ihm zu verheimlichen, weil er ja bei ihm im Lager erschien, machte er eine Anstrengung und schleppte sich am Arme eines seiner Offiziere an den Zelteingang.
Kaum war er da, so sah er Philipp auf sich zukommen unter lautem Geschrei, unter Trommelwirbel und Trompetengeschmetter, als wäre er bereits Herr und Gebieter.
»Nun, nun,« flüsterte Carl V. »Gott will es.«
Philipp aber hielt sein Pferd an, sobald er seinen Vater erblickte, und stieg vom Pferde. Mit ausgebreiteten Armen, mit gesenktem und entblößtem Haupte sank er vor dem Kaiser auf die Knie.
Diese Demuth verscheuchte alle bösen Gedanken aus dem Sinne Carls V. Er hob Philipp auf, schloß ihn in seine Arme, wendete sich zu denen, welche den Prinzen begleitet hatten, und sagte:
»Ich danke, Ihr Herren, daß Ihr die Freude errathen habt, welche mir die Anwesenheit meines vielgeliebten Sohnes machen würde, und daß Ihr mir dieselbe im voraus durch euer Vivatrufen verkündigtet.«
Zu seinem Sohne aber sagte er:
»Don Philipp, fast fünf Jahre haben wir einander nicht gesehen; komm, wir werden einander viel zu sagen haben.«
Er nickte darauf der vor seinem Zelte versammelten Menge von Soldaten und Offizieren zu, stützte sich auf den Arm seines Sohnes und kehrte in sein Zelt zurück, während die Truppen draußen riefen: »Es lebe der König von England! Es lebe der Kaiser von Deutschland! Es lebe Don Philipp! Es lebe Carl V.!«
Wie der Kaiser vermuthet, hatten Vater und Sohn einander wirklich viel zu sagen und doch trat eine Pause ein, nachdem Carl V. auf dem Diwan Platz genommen, Philipp aber die Ehre, neben seinem Vater zu sitzen, abgelehnt und sich auf einen Stuhl gesetzt hatte.
Carl V. brach das Schweigen zuerst, das Philipp vielleicht aus Ehrfurcht vor dem Vater nicht zu unterbrechen gewagt hatte.
»Mein Sohn,« begann der Kaiser, »nichts Geringeres als deine liebe Gegenwart konnte den Eindruck der schlimmen Nachrichten verwischen, die ich heute erhalten habe.«
»Eine dieser Nachrichten und zwar die schlimmste ist mir bereits bekannt, wie Ihr an meiner Kleidung sehen könnet, Vater,« antwortete Philipp. »Wir haben das Unglück gehabt eure Mutter zu verlieren.«
»Du hast diese Nachricht in Belgien erfahren, mein Sohn?«
Philipp verbeugte sich.
»In England, Sire,« antwortete er. »Wir haben directe Verbindungen mit Spanien, während der Courier, welchen Ew. Majestät empfing, zu Lande von Genua hierher kommen mußte, was ihn aufgehalten haben wird.«
»So wird es seyn,« entgegnete Carl V. »aber mein Sohn, ich habe außer diesem Gegenstande des Schmerzes noch andere Besorgniß.«
»Ew. Majestät meint die Erwählung Pauls IV. und das Bündniß, das er dem Könige von Frankreich angetragen hat und das vielleicht in diesem Augenblicke bereits unterzeichnet ist?«
Carl sah Don Philipp erstaunt an.
»Mein Sohn,« sprach er, »bist Du auch in diesem Stücke durch ein englisches Schiff so genau unterrichtet worden? Die Fahrt von Civita Vecchia nach Portsmouth ist lang.«
»Nein, Sire, diese Nachricht ist uns über Frankreich zugekommen. Dies der Grund, warum sie mir vor Euch bekannt war. Die Pässe über die Alpen und nach Tirol sind noch verschneit und haben euern Boten aufgehalten, während der unserige gerade von Ostia nach Marseille, von Marseille nach Boulogne und von da nach London kam.«
Carl V. runzelte die Stirn. Er hatte lange geglaubt, es sey sein Recht, von jedem wichtigen Ereignisse, das in dieser Welt vorgehe, zuerst unterrichtet zu seyn, und nun hatte sein Sohn nicht nur den Tod der Königin Johanna und die Wahl Pauls IV. früher gekannt als er, er meldete ihm auch etwas, das er noch gar nicht wußte, nemlich das Bündniß zwischen Heinrich II. von Frankreich und dem neuen Papste.
Philipp schien die Verwunderung seines Vaters nicht zu bemerken.
»Uebrigens,« fuhr er fort, »waren die Maßregeln von den Caraffa und deren Anhängern so gut getroffen, daß der Bündnißvertrag während des Conclave an den König von Frankreich gesandt worden ist. Dies erklärt denn auch die Kühnheit, mit welcher Heinrich II. gegen Bouvines gezogen ist, wahrscheinlich in der Absicht Euch den Rückzug abzuschneiden.«
»Ah,« entgegnete Carl V., »ist er so weit, wie Du sagst, und sollte ich von einem zweiten Ueberfalle wie in Insbruck bedroht seyn?«
»Nein,« antwortete Philipp, »denn Ew. Majestät wird es hoffentlich nicht zurückweisen, einen Waffenstillstand mit Heinrich von Frankreich zu schließen.«
»Meiner Seel!« entgegnete der Kaiser, »ein rechter Tor wäre ich, wenn ich ihn zurückwiese, ja ihn nicht beantrüge.«
»Sire,« sagte Philipp, »würde dieser Waffenstillstand von Euch vorgeschlagen, so dürfte der König von Frankreich zu stolz werden. Darum haben wir, die Königin Marie und ich, den Gedanken gehabt, im Interesse Eurer Würde Hand ans Werk zu legen.«
»Und Du kommst, um meine Ermächtigung zu holen? Gut! Handle und versäume keine Zeit; schicke deine gewandtesten Gesandten nach Frankreich, sie werden nie zeitig genug ans Ziel kommen.«
»Das meinten wir auch, Sire, und wir haben, wobei Euch natürlich unbenommen bleibt unsere Schritte nicht anzuerkennen, den Cardinal Polus zu dem Könige Heinrich gesandt, um ihn zu einem Waffenstillstande zu veranlassen.«
Carl V. schüttelte den Kopf.
»Er wird nicht zeitig genug kommen,« sagte er, »und Heinrich wird in Brüssel seyn, ehe der Cardinal Polus in Calais landet.«
»Auch ist der Cardinal Polus über Ostende gekommen und nach Dinant zu dem Könige von Frankreich gegangen.«
»Ein so gewandter Unterhändler er auch seyn mag,« sagte Carl V. mit einem Seufzer, »ich zweifle, daß er seinen Zweck erreicht.«
»So schätze ich mich glücklich, Ew. Majestät melden zu können, daß er ihn erreicht hat,« sagte Philipp. »Der König von Frankreich nimmt, wenn nicht gerade einen Waffenstillstand, so doch eine Einstellung der Feindseligkeiten an, während welcher die Bedingungen eines Waffenstillstandes unterhandelt werden können. Das Kloster Vocelles bei Cambray ist von ihm als Verhandlungsort gewählt worden und als der Cardinal Polus in Brüssel mir dies Resultat meldete, sagte er zugleich, er habe geglaubt, darüber keine Schwierigkeiten machen zu dürfen.«
Carl V. betrachtete Don Philipp mit einer gewissen Bewunderung. Dieser hatte ihm in der bescheidensten Weise die glückliche Beendigung einer Unterhandlung gemeldet, welche er, Carl V. für unmöglich hielt.
»Welche Dauer soll der Waffenstillstand haben?«
»In der That oder nach dem Vertrage?«
»Nach dem Vertrage.«
»Fünf Jahre, Sire.«
»Und in der That?«
»Wie es Gott gefällt.«
»Wie lange würde es, deiner Meinung nach, Gott wohl gefallen?«
»Nun,« entgegnete der König von England und Neapel mit kaum bemerklichem Lächeln, »so lange als Ihr braucht, um eine Verstärkung von zehntausend Mann aus Spanien zu ziehen und bis ich aus England ein Hilfscorps von zehntausend Mann schicken könnte.«
»Mein Sohn,« sagte Carl V., »erlange diesen Vertrag und… da Du ihn erlangt haben wirst, so verspreche ich, Du sollst ihn nach deinem Belieben halten oder brechen.«
»Ich verstehe nicht, was Ew. kaiserliche Majestät sagt,« antwortete Philipp, dessen Selbstbeherrschung doch nicht so weit ging, daß er einen Blitz der Hoffnung und des Begehrens in seinen Augen hätte zurückhalten können.
Er sah ja nahe vor sich das Scepter Spaniens und der Niederlande, ja, wer weiß? die Kaiserkrone.
Acht Tage nachher war ein Waffenstillstandsvertrag unter folgenden Worten abgeschlossen:
»Es soll auf fünf Jahre sowohl zu Wasser als zu Lande Waffenstillstand seyn und die Wohlthat desselben sollen gleicherweise alle Völker, Staaten, Reiche und Provinzen sowohl des Kaisers als des Königs von Frankreich oder des Königs Philipp genießen.
»Während dieser ganzen Zeit von fünf Jahren werden die Waffen ruhen, aber jeder der Potentaten behält Alles das, was er im Laufe des Krieges erlangt hat.
»Seine Heiligkeit der Papst Paul IV. ist in diesem Vertrage eingeschlossen.«
Philipp selbst überreichte dem Kaiser den Vertrag, welcher einen fast ängstlichen Blick auf das unveränderliche Gesicht seines Sohnes warf.
Es fehlte dem Vertrage nichts mehr als die Unterschrift des Kaisers.
Carl V. unterzeichnete ihn.
Als er die Buchstaben seines Namens mit sehr großer Anstrengung zu Stande gebracht hatte, sagte er, und er gab zum ersten Male dem Sohne diesen Titel:
»Sire, kehrt nach London zurück, haltet Euch aber bereit, auf meinen Wunsch sogleich wieder nach Brüssel zu kommen.«