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Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 11

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III.
Carl V. hält das Versprechen, das er seinem Sohne gegeben

Am Freitag, 25. October 1555, war großer Zusammenfluß von Menschen in den Straßen von Brüssel, nicht blos von dem gemeinen Volke der Hauptstadt von Südbrabant, sondern auch von dem aus den andern flandrischen Staaten des Kaisers Carl V.

Die Menge drängte sich nach dem Palaste, der heut zu Tage nicht mehr steht, der aber damals oben an der Stadt stand.

Eine große Versammlung, deren Veranlassung man noch nicht kannte, war von dem Kaiser berufen worden und sollte an diesem Tage stattfinden.

Der große Saal war ausgeschmückt und nach Abend zu mit einer Art Erhöhung das Gerüst versehen worden, zu dem sechs bis sieben Stufen führten, das mit prächtigen Teppichen belegt war und über dem sich ein Baldachin mit dem kaiserlichen Wappen wölbte. Unter diesem Baldachin standen drei Sessel, von denen der mittlere offenbar für den Kaiser bestimmt war, der zur Rechten für den König Don Philipp, der am vorigen Tage angekommen, und der zur Linken für die verwitwete Königin von Ungarn, Marie von Oesterreich, Schwester Carls V.

Bänke, die in derselben Richtung liefen, begleiteten diese drei Sessel und bildeten mit denselben eine Art Halbkreis.

Andere Stühle befanden sich der Erhöhung gegenüber.

Der König Philipp; die Königin Marie; die Königin Eleonore, Witwe Franz I.; Maximilian, König von Böhmen; Christine, Herzogin von Lothringen, hatten ihre Wohnung in dem Palaste genommen.

Carl V. selbst dagegen bewohnte auch diesmal sein sogenanntes kleines Haus im Park.

Um vier Uhr Nachmittags verließ er dies kleine Haus auf einem Maulthiere, bei dessen sanftem Gange er weniger litt, als bei jeder andern Bewegung… An das Gehen zu Fuß war nicht zu denken; die Gichtanfälle waren mit gesteigerter Heftigkeit zurückgekehrt, und der König wußte selbst nicht, ob er über die Schwelle des Saales mit dem Gerüste werde gehen können, oder ob man ihn werde tragen müssen.

Könige und Fürsten folgten dem Maulthiere des Kaisers zu Fuß.

Der Kaiser trug das Kaisergewand ganz von Goldstoff, auf welches die große Kette des Ordens vom goldenen Vlies fiel. Er hatte die Krone auf dem Haupte und vor ihm, auf einem Kissen von rothem Sammt, trug man das Scepter, welches seine schwache Hand nicht würde halten können.

Die Personen, welche auf den Bänken zu beiden Seiten der Sessel und der Erhöhung gegenüber Platz nehmen sollten, waren vorher in den Saal eingelassen worden.

Rechts von den Sesseln waren die Ritter vom goldenen Vließ auf einer gepolsterten Bank, links, auf einer eben solchen Bank, die Fürsten, die Granden von Spanien und die Herren.

Hinter diesen, auf nicht gepolsterten Bänken, saßen die Mitglieder des Staatsrathes, des geheimen Rathes und des Finanzrathes, endlich auf den Bänken gegenüber die Stände von Brabant, die Stände von Flandern und die andern Stände.

Galerien, die sich in dem ganzen Saale herumzogen; waren bereits vom Morgen an mit Zuschauern gefüllt.

Kurz nach vier Uhr erschien der Kaiser. Er stützte sich auf Wilhelm von Oranien, der später der Schweigsame genannt wurde.

Neben Wilhelm von Oranien ging Emanuel Philibert, mit seinen Pagen und Knappen.

An der andern Seite, vor Königen und Fürsten, einige Schritte rechts vor dem Kaiser, ging ein Allen unbekannter Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren, der eben so erstaunt zu seyn schien sich da zu befinden, wie die Zuschauer ihn da zu finden.

Es war Odoardo Maraviglia, den man aus dem Gefängnisse geholt und in reichem Anzuge hierher gebracht hatte, ohne daß er wußte, wohin er ging und zu welchem Zwecke er sich da befand.

Bei dem Erscheinen des Kaisers und des glänzenden Gefolges hinter ihm erhoben sich Alle.

Der Kaiser Carl V. begab sich zu der Erhöhung, vermochte aber kaum zu gehen, obwohl er sich aufstützte. Man konnte leicht sehen, daß ein außerordentlicher Muth, namentlich aber lange Gewöhnung an den Schmerz dazu gehörte, um nicht bei jedem Schritte, den er that, einen Ausruf des Schmerzes laut werden zu lassen.

Er setzte sich, so daß er Don Philipp zu seiner Rechten, die Königin Marie zu seiner Linken hatte.

Auf einen Wink von ihm nahmen sodann alle Andern ebenfalls Platz, ausgenommen der Prinz von Oranien, Emanuel Philibert und die beiden Personen des Gefolges desselben, so wie auf der andern Seite Odoardo Maraviglia, der frei und, wie gesagt, in glänzender Kleidung, verwundert das Schauspiel betrachtete.

Nachdem Alle sich gesetzt hatten, winkte der Kaiser dem Rathe Philibert Brusselles das Wort zu nehmen.

Alle warteten gespannt, nur das Gesicht Philipps blieb ruhig und unverändert; sein umschleiertes Auge schien gar nichts zu sehen und kaum errieth man, daß unter seiner bleichen, gleichsam leblosen Haut Blut fließe.

Der Redner setzte mit wenigen Worten auseinander, daß die Könige, Fürsten, Granden von Spanien, Ritter des goldenen Vließes und Mitglieder der Stände berufen worden sehen, um Zeugen der Abdankung des Kaisers Carl V. zu Gunsten seines Sohnes Philipp zu seyn, welcher ihm von diesem Augenblicke an in seinen Titeln folge: König von Castilien, Leon, Granada, Navarra, Arragonien, Neapel, Sicilien, Majorca, der Inseln, Indiens und der Länder des Oceans; Erzherzog von Oesterreich, Herzog von Brabant, Burgund, Limburg, Luxemburg und Geldern; Graf von Flandern, Artois und Burgund u.s.w., auch Herr der Städte und Länder Unecht, Ober-Yssel und Gröningen.

Die Kaiserkrone sey für Ferdinand bestimmt, welcher bereits römischer König war.

Nur bei dieser Ausnahme zog eine leichenhafte Blässe über das Gesicht Philipps und die Muskeln seiner Wangen zuckten leicht.

Diese Abdankung, über welche alle Anwesenden höchlich staunten, schrieb der Redner dem Wunsche des Kaisers zu, Spanien wieder zu sehen, von dem er seit zwölf Jahren fern gewesen, hauptsächlich aber seinen Leiden, welche sich in dem Klima Flanderns und Deutschlands noch verschlimmerten.

Nach dieser Rede, die er mit der Bitte an Gott schloß, er möge Se. Majestät den Kaiser stets in seinen heiligen Schutz nehmen, schwieg Philibert von Brusselles und ließ sich wiederum nieder.

Da erhob sich seinerseits der Kaiser. Er war bleich und Schmerzensschweiß stand ihm aus dem Gesicht. Er wollte sprechen und hielt in der Hand ein Papier, auf welchem seine Rede für den Fall geschrieben stand, daß ihn sein Gedächtniß verlasse.

Auf den ersten Wink, daß er zu sprechen wünsche, schwieg alsbald das Geräusch, welches nach der Rede des Rathes den Saal erfüllt hatte und so schwach auch die Stimme des Kaisers war, so ging doch kein Wort von dem verloren, was er sagte. Je weiter er in seiner Rede kam, als er einen Rückblick auf sein Leben warf und an seine Arbeiten, seine Gefahren, seine Thaten und Pläne erinnerte, hob sich allerdings auch seine Stimme, leuchtete ein seltsam Leben in seinem Auge und fand er den feierlichen Ton, welcher den Sterbenden eigen ist.

»Lieben Freunde,« sagte er,3 »Ihr habet die Gründe vernommen, welche mich bewogen haben, das Scepter und die Krone den Händen des Königs, meines Sohnes, zu übergeben; lasset mich einige Worte hinzufügen, welche Euch meinen Entschluß und Gedanken noch deutlicher machen werden. Lieben Freunde, mehre unter denen, die mich hören, müssen sich erinnern, daß es am 5. Jänner d. J. gerade vierzig Jahre waren, als der Kaiser Maximilian, glorreichen Andenkens, mich seiner Vormundschaft entledigte und mir hier in demselben Saale und zu gleicher Stunde alle meine Rechte übergab, obgleich ich kaum fünfzehn Jahre zählte. Als im folgenden Jahre der König Ferdinand der Katholische, mein Großvater von mütterlicher Seite, gestorben war, setzte ich, im sechzehnten Jahre, die Krone auf. Meine Mutter lebte noch, aber obgleich sie lebte und selbst noch jung war, hatte der Tod ihres Gemahls ihren Geist doch so erschüttert, wie Ihr wisst, daß sie die Reiche nicht selbst regieren konnte und ich im siebzehnten Jahre meine Reisen über die Meere beginnen mußte, um Besitz von Spanien zu nehmen. Endlich, als vor sechsunddreißig Jahren der Kaiser Maximilian starb und ich in meinem neunzehnten Jahre stand, wagte ich nach der Kaiserkrone zu streben, die er getragen hatte, nicht aus Sucht über eine größere Anzahl Länder zu herrschen, sondern um wirksamer für das Wohl Deutschlands, meiner andern Länder und namentlich meines geliebten Flanderns sorgen zu können.

»Zu diesem Zwecke habe ich so viele Reisen unternommen und vollbracht. Zählen wir sie und Ihr werdet Euch wundern über ihre Zahl und Ausdehnung. Ich reiste neunmal nach Deutschland, sechsmal nach Spanien, siebenmal nach Italien, zehnmal nach Belgien, viermal nach Frankreich, zweimal nach England und zweimal nach Afrika, was also vierzig Reisen und Feldzüge macht. In diesen vierzig Reisen und Zügen sind die kleinen Ausflüge nicht begriffen, welche ich nach unterworfenen Inseln oder Provinzen machte.

»Ich bin dabei achtmal über das mittelländische Meer und drei Mal über das Westmeer geschifft, das ich zum letzten Male zu befahren heute mich anschicke. Ich übergehe meine Reise durch Frankreich, die ich von Spanien aus nach den Niederlanden machte, eine Reise, zu der mich, wie Euch bekannt, ernste Dinge veranlaßten.,4 Wegen meiner zahlreichen und häufigen Abwesenheiten mußte ich an die Spitze der Regierung dieser Provinzen hier meine zweite Schwester, die hier anwesende Königin stellen. Ich weiß es und die verschiedenen anwesenden Stände wissen es wie ich, wie sie ihr Amt verwaltet hat. Ich habe gleichzeitig mit diesen Reisen mehre Kriege geführt und alle wurden gegen meinen Willen unter- oder angenommen und heute, da ich von Euch scheide, betrübt es mich, Euch nicht einen festern Frieden, eine gesichertere Ruhe hinterlassen zu können. Alles dies konnte, wie Ihr wohl denkt, nicht geschehen ohne lange Arbeiten und große Anstrengungen, und an meiner Blässe, an meiner Schwäche kann man die Schwere dieser Arbeiten, die Last jener Anstrengungen erkennen. Auch glaube man nicht, daß ich, wenn ich die Last, welche mir die Ereignisse zutheilten, mit der Kraft verglich, welche mir Gott gegeben, nicht erkannt hätte, ich reiche nicht aus für den Auftrag, der mir geworden; aber wegen des Daseyns meiner Mutter und der Jugend meines Sohnes hielt ich es für ein Verbrechen, vor der Zeit die Last abzuwerfen, wie schwer sie auch seyn mochte, welche die Vorsehung mir aufgeladen, als sie mir Krone und Scepter gab. Indeß schon als ich das letzte Mal Flandern verließ, um nach Deutschland zu gehen, hatte ich die Absicht, welche ich heute ausführe. Als ich aber den traurigen Zustand der Dinge sah, noch einen Rest von Kraft in mir fühlte und mich von den Umwälzungen beherrscht fand, welche die Christenheit bedrohten, welche gleichzeitig von den Türken und den Lutheranern angegriffen wurde, hielt ich es für meine Pflicht, das Ausruhen zu verschieben und den Ueberrest meiner Kräfte und meines Lebens meinen Völkern zu opfern. Ich war auf gutem Wege das Ziel zu erreichen, als die deutschen Fürsten und der König von Frankreich das gegebene Wort brachen und mich von neuem in Unruhen und Schlachten stürzten. Die Einen griffen meine Person an und hätten in Innsbruck beinahe mich gefangengenommen, die Andern bemächtigten sich der Stadt Metz, welche zu dem Reiche gehörte. Da eilte ich herbei, um sie selbst mit einem zahlreichen Heere zu belagern. Ich wurde besiegt und mein Heer vernichtet, aber nicht durch die Menschen, sondern durch die Elemente. Für das verlorene Metz nahm ich den Franzosen Therouanne und Hesdin ab; ich that mehr noch: ich ging bis Valenciennes dem Könige von Frankreich entgegen, nöthigte ihn, sich zurückzuziehen, und that, was ich konnte, in der Schlacht von Penty, obwohl es mir sehr leid that, nicht mehr thun zu können. Jetzt ist es nicht mehr blos die Unvermögenheit, die ich stets in mir erkannt habe, die Krankheit nimmt zu und drückt mich nieder; zum Glück gibt mir Gott in dem Augenblicke, da er mir die Mutter nimmt, einen Sohn, der das Alter erreicht hat, regieren zu können. Jetzt, da die Kräfte mich verlassen und ich dem Tode nahe komme, hüte ich mich wohl die Leidenschaft des Herrschens dem Wohle und der Ruhe meiner Unterthanen vorzuziehen; statt eines gebrechlichen Greises, welcher den besten Theil seines Selbst bereits absterben sah, gebe ich Euch einen kräftigen Fürsten, den blühende Jugend und Kraft empfehlen. Schwöret also ihm die Liebe und die Treue, die Ihr mir so wohl gehalten habt. Vor allem hütet Euch, daß die Ketzereien, die Euch umringen, nicht unter Euch sich einschleichen und die brüderliche Liebe stören, welche Euch vereinigen soll; sehet Ihr, daß sie irgendwo Wurzel schlagen, so beeilt Euch sie auszureißen und wegzuwerfen. Um endlich noch zu allem, was ich gesagt habe, etwas über mich selbst zu sprechen, füge ich hinzu, daß ich viele Fehler begangen habe theils aus Unkenntniß in meiner Jugend, theils aus Stolz in meinem reifern Alter, theils aus andern Schwächen der menschlichen Natur; ich erkläre indeß hier, daß ich niemals wissentlich oder mit Willen irgend Jemanden Unrecht oder Gewalt angethan habe, daß ich vielmehr, wenn Unrecht oder Gewalt geschehen war und ich Kenntniß davon erhielt, es immer wieder gut gemacht habe, wie ich es vor Euch allen jetzt eben einem hier Anwesenden gegenüber thun werde, den ich ersuche mit Geduld und Erbarmen darauf zu warten.«

Er wendete sich darauf gegen Don Philipp, welcher zu Ende der Rede niedergekniet war, und sprach:

»Mein Sohn, wenn Du nur durch meinen Tod in den Besitz so vieler Reiche und Provinzen gekommen wärst, würde ich schon darum ein Verdienst um Dich gehabt haben, daß ich Dir ein so reiches Erbe hinterlasse, welches ich um so viele Güter vermehrt habe; da Dir aber dieses große Erbe heute nicht durch meinen Tod, sondern nach meinem freien Willen zufällt; da dein Vater sterben wollte, ehe er in sein Grab hinabsteigt, damit Du noch bei seinen Lebzeiten seine Hinterlassenschaft antreten möchtest, so verlange ich, und ich habe das Recht, dies zu verlangen, daß Du alles an Liebe und Fürsorge, was Du mir für diese frühere Ueberlassung deines Erbes schuldig zu seyn scheinst, deinen Völkern zuwendest. Die andern Könige freuen sich, ihren Kindern das Leben gegeben zu haben und ihnen Reiche zu hinterlassen; ich wollte dem Tode den Ruhm nehmen, Dir dieses Geschenk zu machen, weil ich eine doppelte Freude zu erhalten glaubte, wenn ich Dich nicht blos durch mich leben, sondern auch regieren sähe. Es werden sich wenige finden, die mein Beispiel nachahmen, wie ich in der Vergangenheit wenige gefunden habe, deren Beispiel nachahmungswerth gewesen wäre. Man wird aber wenigstens meine Absicht loben, wenn man sieht, daß Du verdientest, daß an Dir der erste Versuch gemacht wurde, und diesen Vortheil wirst Du haben, mein Sohn, wenn Du die Weisheit bewahrst, die Du bisher immer gezeigt hast, wenn Du immer die Furcht Gottes, des höchsten Herrn aller Dinge, in Dir trägst, wenn Du Dir die Vertheidigung der katholischen Religion und den Schutz der Gerechtigkeit und der Gesetze angelegen seyn lässest, welche die festesten Stützen und die stärksten Kräfte der Reiche sind. Endlich bleibt mir nur noch zu wünschen übrig, daß deine Kinder so glücklich gedeihen mögen, damit Du ihnen dein Reich und deine Macht ebenfalls freiwillig und ohne allen Zwang, wie ich, übertragen kannst.«

Nach diesen Worten stockte die Stimme des Kaisers, entweder aus Rührung oder weil seine Rede wirklich zu Ende war, er legte die Hand auf das Haupt seines Sohnes, der vor ihm kniete, und blieb einen Augenblick stumm und unbeweglich stehen, während zahlreiche Thränen still über seine Wangen rannen.

Nach diesem Schweigen, das noch beredter war als die Worte, welche er gesprochen, streckte er, als verließen ihn die Kräfte, die Hand nach seiner Schwester aus, während Don Philipp aus seiner knienden Stellung sich erhob und ihm als Stütze den Arm um den Leib legte.

Die Königin Marie aber nahm aus ihrer Tasche ein geschliffenes Gläschen mit einer rosenrothen Flüssigkeit, goß den Inhalt desselben in einen kleinen goldenen Becher und reichte denselben dem Kaiser.

Während der Kaiser trank, ließ ein Jeder seinem Gefühle freien Lauf und unter den Anwesenden, mochten sie dem Throne nahe stehen oder nicht, gab es wenige Herzen, die nicht ergriffen waren, wenige Augen, die thränenleer blieben.

Ein großes Schauspiel wurde der Welt von diesem Fürsten, diesem Krieger, diesem Cäsar gegeben, welcher nach vierzigjährigem Besitze einer Macht, wie sie wenige Sterbliche von der Vorsehung erhalten, freiwillig von dem Throne herabstieg und ermüdet an Körper und Geist, laut die Richtigkeit aller menschlichen Größe vor dem Nachfolger verkündete, dem er sie überließ.

Aber ein noch großartigeres Schauspiel wurde erwartet, da es der Kaiser selbst verkündet hatte: ein Mann erkannte öffentlich an, daß er einen Fehler begangen habe und bat den, welcher dadurch benachtheiligt worden, um Verzeihung.

Der Kaiser erkannte, daß man dies erwarte; er nahm seine Kraft nochmals zusammen und schob seinen Sohn sanft bei Seite.

Man sah, daß er noch einmal sprechen wolle, und Alles wurde still.

»Werthen Freunde,« begann der Kaiser, »ich habe eben einem Manne, den ich gekränkt, öffentliche Genugthuung versprochen; seyd also Alle Zeugen, daß ich mich zwar des Guten gerühmt, das ich gethan zu haben geglaubt, mich aber auch des Unrechtes, das ich gethan, selbst angeklagt habe.«

Er wendete sich zu dem Unbekannten in glänzender Kleidung, den ein Jeder bereits bemerkt hatte.

»Odoardo Maraviglia,« sprach er mit fester Stimme, »tretet vor.«

Der junge Mann, an den diese Worte gerichtet waren, erbleichte und trat wankend näher.

»Graf,« sagte der Kaiser zu ihm, »ich habe Euch mit und ohne Willen schweres Unrecht gethan in der Person eures Vaters, der in dem Gefängnisse zu Mailand einen grausamen Tod starb. Oft mal ist diese That meinem Gedächtnisse unter dem Schleier des Zweifels erschienen, heute aber tritt sie gespenstisch vor mich mit dem Leichentuche der Reue. Graf Maraviglia, vor Allen hier, im Angesichte der Menschen und unter dem Auge Gottes, in dem Augenblicke, da ich den Kaisermantel ablege, der sechsunddreißig Jahre schwer auf mir gelastet hat, demüthige ich mich vor Euch und bitte Euch nicht nur mir zu verzeihen, sondern auch Gott den Herrn zu bitten, mir zu verzeihen, da er es leichter auf die Bitten des Opfers als auf das Flehen des Mörders thun wird.«

Odoardo Maraviglia sank auf seine Knie und sprach:

»Herrlicher Kaiser, nicht mit Unrecht hat die Welt Dich den Erhabenen genannt. Ja, ja, ich verzeihe Dir in meinem Namen und in dem Namen meines Vaters, ja, auch Gott wird Dir verzeihen. Aber, erhabener Kaiser, von wem soll ich nun die Verzeihung erbitten, die ich mir selbst nicht gewähre?« Er stand auf und fuhr fort: »Meine Herren, Ihr sehet in mir einen Mann, welcher den Kaiser ermorden wollte, und dem der Kaiser nicht nur verziehen hat, den er sogar selbst um Verzeihung bittet. König Don Philipp,« fügte er hinzu, indem er sich vor dem neigte, welcher von diesem Augenblicke an Philipp II. heißen sollte, »der Mörder überliefert sich euren Händen.«

»Mein Sohn,« fiel Carl V. ein, den die Kräfte zum zweiten Male verließen, »ich empfehle Dir diesen Mann; laß Dir sein Leben heilig seyn!«

Und er sank fast ohnmächtig auf seinen Sessel.

»Ach, mein geliebter Emanuel,« sagte der Page des Herzogs von Savoyen, indem er zu seinem Herrn schlüpfte, als in Folge des Unfalls des Kaisers eine allgemeine Bewegung entstand, »wie gut, wie groß bist Du und wie ganz erkenne ich Dich in dem, was eben geschehen ist!«

Und ehe Emanuel Philibert es verhindern konnte, hatte ihm Leone-Leona die Hand fast so ehrfurchtsvoll als liebevoll geküßt.

Die Ceremonie, welche durch den unerwarteten Vorgang unterbrochen worden, der indeß einer der ergreifendsten an diesem feierlichen Tage war, sollte ihren weiteren Verlauf nehmen, denn wenn die Abdankung vollständig seyn sollte, mußte Philipp II. sie annehmen.

Philipp, der durch ein zustimmendes Zeichen auf die Empfehlung seines Vaters geantwortet hatte, neigte sich also von neuem demüthig vor ihm und sprach in spanischer Sprache, welche die meisten Anwesenden zwar verstanden, aber nicht selbst redeten, und in einem Tone, in welchem sich, vielleicht zum ersten Male, ein Schein von Rührung zeigte:

»Niemals, unbesieglicher Kaiser, mein gütiger Vater, habe ich eine so große väterliche Liebe, wie sie ihresgleichen niemals in der Welt gehabt, verdient oder zu verdienen geglaubt, so daß ich wegen meiner geringen Verdienste in großer Verlegenheit, aber auch von Achtung und Dankbarkeit gegen Euch erfüllt bin. Da es Euch aber gefiel, gegen mich so liebreich und freigebig zu handeln in eurer großen Güte, so übet diese Güte nochmals, mein sehr theuerer Vater, und haltet Euch überzeugt, daß ich von meiner Seite alles thun werde, was in meiner Macht steht, damit euer Entschluß zu meinen Gunsten allgemein gebilligt werde, indem ich mich bemühe, so zu regieren, daß die Staaten von meiner Liebe überzeugt seyn können, die ich stets für sie gehabt habe.«

Bei diesen Worten küßte er zu wiederholten Malen die Hand seines Vaters, während dieser ihn an sein Herz drückte und sagte:

»Ich wünsche Dir, mein lieber Sohn, den herrlichsten Segen vom Himmel und seinen göttlichen Beistand.«

Da drückte Don Philipp zum letzten Male die Hand seines Vaters an die Lippen, wischte eine Thräne, die aber vielleicht gar nicht da war, aus dem Auge, erhob sich, wendete sich gegen die versammelten Stände, begrüßte sie und sprach, mit dem Hute in der Hand, wie alle Anwesenden, während der Kaiser allein sitzen und bedeckt blieb, in französischer Sprache folgende wenige Worte:

»Ich möchte die Sprache dieses Landes besser sprechen können, als ich es vermag, um Euch meine Liebe zu Euch und meine Gnade besser erkennen geben zu können. Da ich es aber nicht so gut im Stande bin, als es nöthig seyn dürfte, so beziehe ich mich auf den Bischof von Arras, der es für mich thun wird.«

Alsbald nahm Anton Perrenot von Granvella, derselbe welcher später Cardinal wurde, das Wort, um die Gefühle des Prinzen auszusprechen, rühmte den Eifer Don Philipps für das Wohl seiner Unterthanen und sprach den Entschluß aus, sich genau nach den weisen Lehren zu richten, welche der Kaiser ihm gegeben.

Dann erhob sich ihrerseits die Königin Marie, die Schwester des Kaisers, welche sechsundzwanzig Jahre lang die Regierung der Niederlande geführt hatte, und legte mit wenigen Worten die Regentschaft, die sie von ihrem Bruder erhalten hatte, in die Hände ihres Neffen.

Darauf schwur der König Don Philipp die Rechte, und Privilegien seiner Unterthanen aufrecht zu erhalten, und so alle Mitglieder der Versammlung, Fürsten, Granden von Spanien, Ritter des goldenen Vließes und Abgeordnete der Stände, schwuren ihm dagegen im eigenen Namen oder im Namen derer, welche sie gesandt hatten, Gehorsam.

Nach diesem doppelten Schwure erhob sich Carl V. ließ Don Philipp auf dem Throne Platz nehmen, setzte ihm die Krone auf und sprach mit lauter Stimme:

»Herr, mein Gott, gib, daß diese Krone für deinen Erwählten nicht zu einer Dornenkrone werde!«

Darauf ging er nach der Thür zu.

Alsbald eilten Don Philipp, der Prinz von Oranien, Emanuel Philibert und die Fürsten und Herren herbei, alle, die zugegen waren, um den Kaiser bei dem Gange zu unterstützen; er aber winkte Maraviglia, der zögernd herbeikam, denn er konnte nicht errathen, was der Kaiser von ihm wünschte.

Der Kaiser wollte bei seinem Fortgange keine andere Stütze haben als die Maraviglia's, dessen Vater er hatte umbringen lassen und der ihn für diese blutige That hatte ermorden wollen.

Da indeß der zweite Arm des Kaisers matt herab hing, sagte Emanuel Philibert:

»Erlaubt, Sire, daß mein Page Leone die zweite Stütze sey, auf welcher Ew. Majestät ruhe; ich werde die Ehre, die Ihr ihm dadurch erweiset, ansehen, als sey sie mir selbst erwiesen worden.«

Er schob Leone vor zu dem Kaiser.

Carl V. sah den Pagen an und erkannte ihn.

»Ah,« sagte er, indem er seinen Arm erhob, damit Leone ihm die Achsel reichen könne, »es ist der junge Mann mit dem Diamant. Willst Du Dich mit mir aussöhnen, schöner Page?»

Er blickte darauf auf seine Hand, an deren kleinem Finger er nur wegen der Schmerzen einen einfachen Ring hatte behalten können.

»Du wirst durch das Warten verloren haben, schöner Page,« sagte er, »statt des Diamanten wirst Du nur diesen einfachen Ring erhalten. Er trägt freilich meinen Namenszug, der vielleicht eine Entschädigung für Dich ist.«

Er zog den Ring von dem kleinen Finger und steckte ihn an den Daumen Leone's, da dieser allein so stark war, daß er den Ring halten konnte.

Dann verließ er den Saal unter den Blicken und dem Zurufe der Versammlung, die noch neugieriger und begeisterter gewesen seyn würde, wenn die Anwesenden hätten errathen können, daß dieser Kaiser, der von dem Throne herabstieg, der Christ, der sich in die Einsamkeit begab, der Sünder, welcher sich unter der Verzeihung neigte, seinem nahen Grabe zu wankte, gestützt nicht blos auf den Sohn, sondern auch auf die Tochter jenes unglücklichen Francesco Maraviglia, den er vor elf Jahren in einer dunkeln Septembernacht in einem Kerker der Citadelle von Mailand hatte ermorden lassen.

Es war die Reue, gestützt auf das Gebet, also nach dem Ausspruche von Jesus Christus, der Anblick, welcher hienieden dem Herrn der liebste ist.

An der Thür zu der öden Straße aber, wo das Maulthier wartete, das ihn hergetragen hatte, verlangte der Kaiser, daß keiner der beiden jungen Männer einen Schritt weiter thue, und schickte Odoardo zu dem neuen Herrn, Leone aber zu dem seinigen, Emanuel Philibert.

Ohne eine andere Bedeckung oder Begleitung als den Mann, welcher das friedliche Thier am Zügel führte, setzte er seinen Weg nach dem kleinen Hause im Park fort, so daß Niemand, der ihn so im Dunkel reiten sah, ahnen konnte, daß der bescheidene Reiter der Mann sey, dessen Abdankung Brüssel beschäftigte und bald die ganze Welt beschäftigen sollte.

Als Carl V. an der Thür des kleinen Hauses ankam, an dessen Stelle jetzt die Deputirtenkammer steht, fand er das Gitter offen und er konnte ohne Aufenthalt hineinreiten.

Der Diener ließ dann das Maulthier so nahe als möglich in die zweite Thür treten, hob den Kaiser herunter und setzte ihn an der Schwelle des Zimmers nieder.

Diese zweite Thür war offen wie die erste.

Der Kaiser achtete auf diesen Umstand nicht, da er ganz und gar mit seinen Gedanken beschäftigt war, wie man dies begreifen wird. Auf der einen Seite auf seinen Stock gestützt, den er an derselben Stelle fand, wo er ihn vor zwei Stunden gelassen, nemlich hinter der Thür, auf der andern auf den Arm des Dieners, trat er in das Zimmer, das mit dicken Teppichen belegt, mit schweren Vorhängen versehen war und in dessen Camine ein großes Feuer brannte.

Das Zimmer wurde nur durch den Schein der Flamme erleuchtet, welche in dem Camine knisterte; aber dieses Halbdunkel paßte besser als große Helle für die Gemüthsstimmung, in welcher sich der Kaiser befand.

Er legte sich also auf das Canapé, entließ den Diener und bedachte die Ereignisse seines Lebens während des letzten halben Jahrhunderts. Und welches Jahrhundert! Das Jahrhundert, in welchem Heinrich VIII., Maximilian, Clemens VII., Franz I. und Luther gelebt hatten. Er zwang sein Gedächtniß den durchlaufenen Weg noch einmal zurückzuwandeln. Diese Wanderung war eine unermeßliche, herrliche, wunderbare, zwischen knieenden Höflingen, unter dem Jubel der Welt.

Mitten in diesem Traume, den weniger ein Mensch als ein Gott träumen konnte, zerbrach ein brennendes Holzstück im Camine; die eine Hälfte davon fiel in die Asche, die andere rollte auf den Teppich, von dem sogleich ein dicker Rauch aufstieg.

Dieser Vorfall, so gewöhnlich er war, brachte Carl V., vielleicht eben seiner Gewöhnlichkeit wegen, zur Gegenwart zurück.

»He!« rief er. »Wer hat den Dienst hier? Schnell, Jemand! Ist Niemand da?«

Es antwortete Niemand.

»Ist Niemand im Vorzimmer?« rief der ehemalige Kaiser, der die Geduld verlor und mit dem Stock auf den Boden stieß.

Der zweite Ruf erlangte so wenig eine Antwort als der erste.

»So komme doch Jemand und bringe das Feuer in Ordnung und schnell!« rief Carl V. noch ungeduldiger als das erste Mal.

Gleiches Schweigen.

»Hm, hm!« murmelte er, indem er sich von einem Möbel zum andern schleppte, um an den Camin zu gelangen.

»Schon allein, schon verlassen? Wenn die Vorsehung mir Reue geben wollte über das was ich gethan habe, kommt die Lehre sehr bald.«

Und er selbst nahm mit den schmerzenden Händen die Zange und brachte mit unendlicher Mühe das Feuer in Ordnung, da Niemand kam und ihm half.

Alle, von den Fürsten bis zu den Dienern, waren um den neuen König Don Philipp beschäftigt.

Der Kaiser stieß die letzten auf dem Teppich rauchenden Kohlen mit dem Fuße fort, als sich Tritte in dem Vorzimmer vernehmen ließen und eine menschliche Gestalt in der Thür erschien.

»Endlich!« murmelte der Kaiser.

»Sire,« sagte der Eintretende, als er sah, daß Carl V. in der Person sich irrte, »ich bitte Ew. Majestät um Verzeihung, daß ich also vor Euch erscheine; da ich aber alle Thüren offen fand und in den Vorzimmern Niemanden sah, der mich anmelden konnte, so wagte ich mich selbst zu melden.«

»So meldet Euch, Herr,« antwortete Carl V., der wie man sieht, sein Leben als Privatmann sogleich antreten und erlernen mußte. »Wer seyd Ihr?«

»Sire,« antwortete der Unbekannte im ehrerbietigsten Tone und mit einer sehr tiefen Verbeugung, »ich bin Caspar von Chatillon, Herr von Coligny, Admiral von Frankreich und außerordentlicher Gesandter Sr. Majestät des Königs Heinrichs II.«

»Herr außerordentlicher Gesandter Sr. Majestät des Königs Heinrichs II.,« entgegnete Carl V. und er lächelte mit einer gewissen Bitterkeit, »Ihr habt die rechte Thür verfehlt. Ihr habt nicht mit mir zu thun, sondern mit dem Könige Philipp II., meinem Nachfolger auf dem Throne Neapels seit neun Monaten und auf dem Throne Spaniens und Indiens seit einer halben Stunde.«

»Sire,« antwortete Coligny in demselben ehrfurchtsvollen Tone und mit einer zweiten tiefen Verbeugung, »welche Veränderungen in den Verhältnissen des Königs Philipp II. seit neun Monaten oder seit einer halben Stunde eingetreten seyn mögen, Ihr seyd noch immer der Erwählte Deutschlands, der allergrößte, allerheiligste und allererhabenste Kaiser Carl V. und da das Schreiben meines Königs an Ew. Majestät gerichtet ist, so erlaubt, daß ich es Ew. Majestät überreiche.«

3.Die Rede das Kaisers wurde wörtlich von ihm so gehalten.
4.Der Aufstand der Genter.

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10 aralık 2019
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