Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 12
»Dann, Herr Admiral,« sagte Carl V., »helft mir Kerzen anzünden, denn seit der Thronbesteigung meines Sohnes Philipp II. hat man mir, wie es scheint, auch den letzten Diener genommen.«
Der Kaiser zündete mit Hilfe des Admirals die Wachskerzen an, die auf den Leuchtern bereit standen, um das Schreiben lesen zu können, welches der König Heinrich II. an ihn richtete, vielleicht aber auch um sobald als möglich den Mann zu sehen, der ein so gefährlicher Gegner für ihn seit drei Jahren gewesen war.
IV.
Coligny
Caspar von Chatillon, Herr von Coligny, war in jener Zeit ein Mann von acht- bis neununddreißig Jahren mit lebhaftem Auge, kriegerischem Gesichte und hoher schöner Gestalt. Als getreues unerschrockenes Herz hatte er in so großem Ansehen bei dem Könige Franz I. gestanden, wie er bei dem Könige Heinrich II. stand und bei dem Könige Franz II. stehen sollte.
Nur der erbliche Haß Heinrichs von Guise in Verbindung mit der Heuchelei der Catharina von Medici und der Schwäche Carls IX. vermochten einen solchen Mann zu ermorden, wie unermeßlich auch die Metzelei vom 24. August 1572 seyn mochte.
Dieser Haß, welcher an dem Tage, da wir den berühmten Admiral vorführen, ihn von seinem ehemaligen Freunde, Franz von Guise, zu trennen begann, hatte seinen Ursprung auf dem Schlachtfelde von Penty gehabt. In ihrer Jugend waren die beiden großen Feldherren, deren Genie im Verein so viele wunderbare Dinge auszuführen vermochte, vertraute Freunde gewesen. Alle ihre Vergnügungen, Arbeiten und Uebungen hatten sie gemeinschaftlich und in ihrem Studium des Alterthums nahmen sie sich nicht blos die Männer zum Muster, welche glänzende Beispiele von Muth hinterlassen haben, sondern auch die, welche sich durch Freundschaft auszeichneten.
Die gegenseitige innige Liebe der beiden jungen Leute ging so weit, daß sie, wie Brantôme sagt, selbst gleichen Putz und gleiche Livréen hatten.
Da der König Heinrich II. einen Gesandten an den Kaiser Carl V. schickte und dieser Gesandte der Connétable von Montmorency nicht war, so konnte es kein anderer seyn, als der Admiral Coligny oder der Herzog von Guise.
Der Kaiser betrachtete den Admiral mit einer großen Bewunderung. Die Geschichtschreiber sagen aber auch, es sey unmöglich gewesen einen Mann zu sehen, der ein besseres Bild von einem großen Feldherrn gegeben.
In demselben Augenblicke fiel es aber Carl V. ein, daß der Admiral Coligny nach Brüssel gesandt worden war, nicht gerade um ihm das Schreiben zu überreichen, das er in der Hand hielt, sondern vielmehr um dem französischen Hofe zu berichten, was an dem denkwürdigen Tage des 25. Octobers 1555 in dem Palaste zu Brüssel geschehen.
Auch war die erste Frage des Kaisers an Coligny, nachdem er durch einen langen Blick auf den Gesandten Heinrichs II. seine Neugierde befriedigt hatte: »Seit wann seyd Ihr angekommen, Herr Admiral?«
»Seit diesem Morgen, Sire,« antwortete Coligny.
»Und Ihr bringt mir…?«
»Dieses Schreiben Sr. Majestät des Königs Heinrichs II.«
Er reichte dasselbe dem Kaiser.
Carl V. nahm es und bemühte sich eine Zeitlang vergebens das Siegel zu erbrechen, so schmerzhaft und so verdreht von der Gicht waren seine Hände.
Der Admiral erbot sich ihm die Mühe abzunehmen.
Carl V. reichte ihm lächelnd das Schreiben und sagte:
»In der That, Herr Admiral, bin ich nicht ein guter Reiter, eine Lanze zu brechen, da ich nicht einmal mehr ein Siegel erbrechen kann.«
Der Admiral übergab dem Kaiser den Brief geöffnet.
»Nein, nein,« sagte der Kaiser, »sehet, Herr Admiral, meine Augen sind so schlecht wie meine Hände. Ihr werdet also wie ich anerkennen, daß ich wohl gethan habe, alles, Kraft und Macht, den Händen eines Jüngern und Gewandteren zu übergeben.«
Der Kaiser betonte das Letztere stärker.
Der Admiral antwortete nicht, sondern begann das Schreiben vorzulesen; unterdessen musterte Carl V. der nicht gut mehr sehen zu können befürchtete, Coligny mit Adlerblicken.
Das Schreiben enthielt nur eine Anzeige des Königs von Frankreich, die dem Kaiser meldete, er sende ihm die definitive Arbeit über den Waffenstillstand.
Nachdem Coligny dies gelesen hatte, zog er auch die Pergamente hervor, welche von den Bevollmächtigten unterzeichnet und mit dem königlichen Siegel Frankreichs bedruckt waren.
Es war dies der Austausch gegen die ähnlichen Papiere, welche Carl V. an Heinrich II. geschickt hatte mit den Unterschriften des spanischen, deutschen und englischen Bevollmächtigten und mit dem deutschen Reichssiegel.
Der Kaiser blickte auf diese politischen Verträge und legte sie, als erriethe er, daß sie noch vor Verlauf eines Jahres gebrochen werden würden, auf einen großen Tisch, der mit einem schwarzen Teppich bedeckt war, ergriff dann den Arm des Admirals, damit ihn derselbe an seinen Platz zurückgeleite, und sagte:
»Herr Admiral, ist es nicht ein Wunder der Vorsehung, daß ich, schwach und von der Welt zurückgetreten, auf den Arm mich stütze, der mich zur Zeit meiner größten Macht beinahe gestürzt hätte.«
»Ach, Sire,« antwortete der Admiral, »nur Ein Mann konnte Carl V. stürzen, – Carl V. selbst, und wenn wir als Zwerge mit einem Riesen kämpfen durften, so ließ es Gott nur geschehen, um der Welt recht offenbar unsere Schwäche und eure Macht zu zeigen.«
Carl V. lächelte.
Dieses Compliment mißfiel ihm offenbar nicht, da es von einem Manne wie der Admiral kam.
Er setzte sich jedoch, winkte Coligny ebenfalls Platz zu nehmen und sagte:
»Genug, Admiral, genug. Ich bin nicht mehr Kaiser, nicht mehr König, nicht mehr Fürst und muß mit allen Schmeicheleien brechen. Reden wir also von etwas Anderem. Wie geht es meinem Bruder Heinrich?«
»Seht gut, Sire,« antwortete der Admiral, indem er der zum dritten Male wiederholten Aufforderung des Kaisers nachgab, Platz zu nehmen.
»Das freut mich,« entgegnete Carl V. »Das freut mich so, daß mir das Herz lacht und nicht ohne Ursache, denn ich halte es für eine große Ehre, mütterlicher Seits von der Blume abzustammen, welche die schönste Krone der Welt trägt. Aber,« fuhr er fort, indem er das Gespräch auf gewöhnliche Dinge des Lebens zu führen suchte, »man hat mir doch gesagt, mein lieber Bruder fange auch an grau zu werden, während mir es ist, als sey es erst drei Tage her, daß er, ein Kind noch und ohne Bart, in Spanien war. Und doch sind fast zwanzig Jahre seitdem vergangen.«
Carl V. seufzte, als wenn bei diesen Worten, die ihm entschlüpft waren, der weite Horizont der Vergangenheit sich vor ihm neu aufgethan hätte.
»Es ist so, Sire,« entgegnete der Admiral, der auf die Frage des Kaisers antwortete, »Se. Majestät fängt an graues Haar zu bekommen, aber diese grauen Haare sind noch zu zählen. Und wer hätte nicht einzelne weiße Haare, selbst in noch früherer Zeit gehabt?«
»Das ist wahr, mein lieber Admiral,« entgegnete der Kaiser. »Ich frage Euch über die ersten grauen Haare des Königs Heinrich, will Euch aber dafür auch die Geschichte der meinigen erzählen. Ich war fast so alt wie er, sechs- oder siebenunddreißig Jahre kaum, und bei meiner Rückkehr nach Neapel, Ihr kennt die Schönheit der Stadt Neapel, Herr Admiral, und die Anmuth und die Reize der Damen dort.«
Coligny verbeugte sich lächelnd.
»Ich bin ein Mann,« fuhr Carl V. fort, »ich wollte mir also auch ihre Gunst erwerben. Den Tag nach meiner Ankunft ließ ich also meinen Barbier rufen, damit er mich rasiere und parfumire. Der Mann hielt mir einen Spiegel vor, damit ich der Arbeit folgen könne. Ich hatte mich lange nicht angesehen; der Krieg gegen die Türken, die Bundesgenossen meines guten Bruders Franz I. war ein harter Krieg. Mit einem male rief ich denn aus: »Freund Barbier, was ist das?« – »Sire,« antwortete er mir, es sind zwei oder drei weiße Haare.« Ich muß Euch sagen, daß der Schmeichler log; es waren nicht blos zwei oder drei, wie er sagte, sondern wohl ein Dutzend. »Schnell, schnell, Herr Barbier,« entgegnete ich, »weg mit den weißen Haaren und lasset nicht ein einziges übrig.« Er gehorchte und wisst Ihr was geschah? Einige Zeit nachher wollte ich mich wieder im Spiegel besehen und bemerkte, daß wenigstens zehn graue Haare wieder erschienen waren, so daß ich, wenn es so fortging, in einem Jahre weiß wie ein Schwan gewesen seyn würde. Sagt also meinem Bruder Heinrich, Herr Admiral, er möge seine drei weißen Haare behalten und sich dieselben nicht ausziehen lassen, nicht einmal von den schönen Händen der Frau von Valentinois. Je mehr man auszieht, um so mehr wachsen nach. Noch etwas, denn ich kann Euch nicht gehen lassen, mein lieber Admiral, ohne mich nach Allen erkundigt zu haben. Wie geht es der Tochter unseres alten Freundes Franz I.?«
Carl V. betonte lächelnd die Worte »unseres alten Freundes.«
»Sehr gut, Sire,« antwortete Coligny lächelnd.
»Und bei der Frau von Valentinois fällt mir ein,« fuhr der Kaiser fort, der durch diesen Uebergang bewies, daß ihm die bösen Reden vom Hofe König Heinrichs II. nicht unbekannt waren, »wie geht es, Herr Admiral, eurem werthen Oheim, dem Großconnétable?«
»Vortrefflich,« entgegnete der Admiral, »obgleich er einen ganz weißen Kopf hat.«
»Ja,« sagte Carl V., »einen weißen Kopf hat er, aber bei ihm ist es wie bei dem Lauch, der auch einen weißen Kopf aber einen grünen frischen Körper hat. Das muß auch der Fall seyn, da er sich noch mit den schönen Damen am Hofe zu schaffen macht.«
»Meint Ew. Majestät Margarethe von Frankreich?«
»Nennt man sie noch immer die vierte Grazie und die zehnte Muse?«
»Noch immer, Sire, und sie verdient auch diesen zweifachen Namen täglich mehr durch den Schutz, welchen sie unsern großen Geistern gewährt, den Herren L'Hospital, Ronsard und Dorat.«
»Ei, ei,« fiel Carl V. ein, »es scheint fast als wolle unser Bruder Heinrich II. diese Perle für sich ganz allein behalten, denn ich höre noch nichts von einer Vermälung Margarethens und doch muß sie…«
Carl V. stellte sich als denke er nach.
»Fast zweiunddreißig Jahre alt seyn,« sagte er.
»Ja, Sire, aber sie sieht kaum aus wie zwanzig. Sie wird jeden Tag schöner und frischer.«
»Es ist das Vorrecht der Rosen jeden Frühling neu zu grünen und zu knospen,« sagte Carl V. »Aber bei den Rosenknospen fällt mir ein: sagt mir doch, mein lieber Admiral, was macht man am französischen Hofe mit unserer jungen Königin von Schottland? Könnte ich nicht behilflich seyn, ihre Sache mit meiner Schwiegertochter, der Königin von England, auszugleichen?«
»Ach, Sire, es hat keine Eile,« antwortete der Admiral, »und Ew. Majestät, welche das Alter unserer Prinzessinnen so genau kennt, weiß auch, daß die Königin von Schottland kaum dreizehn Jahre alt ist. Sie ist – ich glaube nicht ein Staatsgeheimniß zu verrathen, wenn ich Ew. Majestät dies mittheile – sie ist für den Dauphin Franz bestimmt und die Vermälung kann und soll nicht vor etwa zwei Jahren erfolgen.«
»Wartet, wartet, Herr Admiral, daß ich mich erinnere,« sagte Carl V., »denn es ist mir, als hätte ich meinem Bruder Heinrich II. einen guten Rath geben wollen. Ah ja. Aber zuerst könnt Ihr mir sagen, mein werther Admiral, was aus einem jungen Herrn Gabriel von Lorge, Grafen von Montgomery, geworden ist?«
»Gewiß. Er ist am Hofe des Königs, steht in großer Gunst bei demselben und ist Capitän in der schottischen Garde.«
»In großer Gunst! hm!« sagte Carl V. nachdenklich.
»Hättet Ihr etwas gegen den jungen Herrn zu sagen, Sire?«
»Nein… Hört nur eine Geschichte Als ich, mit Erlaubniß meines Bruders Franz I., durch Frankreich reiste, um den Aufstand meiner geliebten Unterthanen und Landsleute, der Genfer, zu züchtigen, erzeigte mir der König von Frankreich allerlei Ehren, wie Ihr Euch werdet erinnern können, obgleich Ihr damals noch ein sehr junger Bart wart: zum Beispiel er sandte mir bis Fontainebleau den Dauphin mit vielen jungen Herren und Pagen entgegen. Ich muß Euch sagen, mein werther Admiral, daß mich nur die harte Nothwendigkeit zwang, durch Frankreich zu reisen und daß ich lieber jeden andern Weg eingeschlagen hätte. Man hatte alles Mögliche gethan, um mich gegen die Redlichkeit des Königs Franz I. einzunehmen und ich selbst, ich gestehe es, war etwas besorgt – sehr mit Unrecht, wie es sich zeigte – mein Bruder von Frankreich möge die Gelegenheit benutzen, um sich wegen des Vertrags von Madrid zu entschädigen. Ich hatte also – als ob die menschliche Wissenschaft gegen die Beschlüsse der Vorsehung etwas vermöchte – einen sehr geschickten Mann und höchst berühmten Astrologen mitgenommen, welcher nach dem ersten Anblicke eines Gesichtes beurtheilte, ob in den Linien dieses Gesichtes eine Drohung für die Freiheit oder das Leben desjenigen liege, welcher sein Leben und seine Freiheit vor diesem Menschen wagte.«
Der Admiral lächelte und sagte:
»Es war eine gute Vorsichtsmaßregel, würdig eines so weisen Kaisers wie Ihr seyd; aber Ew. Majesiät hat gesehen, daß eine gute Vorsichtsmaßregel bisweilen doch nutzlos werden kann.«
»Wartet nur, Ihr werdet sehen… Wir waren also auf dem Wege von Orléans nach Fontainebleau, als wir plötzlich einen großen Zug uns entgegenkommen sahen. Es war, wie ich gesagt habe, der Dauphin von Frankreich mit einer großen Anzahl Herren und Pagen. Anfangs und von weitem, da wir nur die große Staubwolke sahen, glaubten wir es sey eine Schaar Reiter, Soldaten und hielten an, bald aber sahen wir durch die graue Staubwolke Atlas, Sammt und Gold glänzen. Offenbar kam man nicht in feindlicher Absicht, sondern um uns eine Ehre zu erzeigen. Wir setzten also unsern Weg fort voll Vertrauen auf das Wort des Königs Franz I. Bald begegneten einander die beiden Reiterzüge und der Herr Dauphin kam auf mich zu, um mich im Namen seines Vaters zu becomplimentiren. Das Compliment war so artig und kam so gelegen, Alle zu beruhigen, nicht mich aber, denn Gott, dem ich von nun an mein Leben weihen werde, ist mein Zeuge, daß ich keine Minute lang Argwohn gegen meinen Bruder von Frankreich gehegt habe, – das Compliment also war so freundlich, daß ich den jungen Prinzen, der mir es brachte, sogleich umarmen wollte. Während ich ihn nun so herzlich in die Arme schloß, daß es wohl eine ganze Minute währte, hatten sich die beiden Reiterhaufen untereinander gemischt und die jungen Herren und Pagen in dem Gefolge des Herrn Dauphin, die wohl, etwas neugierig waren mich zu sehen, weil ich einigen Lärm in der Welt gemacht habe, hatten mich völlig umringt und waren so nahe als möglich an mich herangekommen. Da bemerkte ich, daß mein Astrolog, der Angelo Policastro hieß und ein Italiener aus Mailand war, sein Pferd so weit vorgedrängt hatte, daß es meine linke Seite vollständig deckte. Es kam mir sehr keck vor, daß dieser Mann sich so unter den schönen reichen Adel mischte und ich sagte also zu ihm:
»Herr Angelo, was macht Ihr hier?«
»Sire,« antwortete er mir, »ich bin an meinem Platze.«
»Gleichviel, Herr Angelo; lasset den Andern auch Platz.«
»Das kann, das darf ich nicht, kaiserliche Majestät,« antwortete er mir.
Da meinte ich, die Harmonie meiner Reise werde durch etwas gestört, ich fürchtete nun, der Astrolog werde doch meiner ersten Aufforderung gehorchen und sagte also:
»So bleibt, Signor Angelo, da Ihr in guter Absicht da seyd, Ihr werdet mir aber gleich nach der Ankunft im Schlosse sagen, warum Ihr so handelt, nicht wahr?«
»Das werde ich nicht unterlassen, Sire, denn es ist meine Pflicht. Wendet den Kopf einmal links und betrachtet genau den blonden jungen Herrn, der langes Haar trägt.«
Ich blickte von der Seite hin.
Der junge Mann, der etwas Ausländisches, etwas Englisches, an sich hatte, war um so leichter zu erkennen, da er allein das Haar lang trug.
»Ich sehe ihn,« antwortete ich.
»So ist es gut, für den Augenblick wenigstens,« sagte der Astrolog. »Später werde ich mit Ew. Majestät sprechen.«
Kaum war ich in dem Schlosse angekommen, so begab ich mich in mein Gemach unter dem Vorwande, meine Kleider zu wechseln. Signor Angelo folgte mir.
»Nun?« fragte ich, »was habt Ihr mir von dem jungen Manne zu sagen?«
»Sire, habt Ihr bemerkt, daß er trotz seiner Jugend bereits eine Falte zwischen den beiden Augenbrauen hat?«
»Nein,« antwortete ich, »so genau habe ich ihn nicht! angesehen.«
»Diese Falte nennen wir Cabbalisten die Todeslinie; Sire, dieser junge Mann wird einen König tödten.«
»Einen König oder einen Kaiser?«
»Das kann ich nicht sagen: ein gekröntes Haupt.«
»Und ermitteln könnt Ihr nicht, ob das gekrönte Haupt das meinige ist?«
»Doch, Sire, aber dazu brauchte ich etwas von seinem Haar.«
»Wie wäre dies zu erlangen?«
»Ich weiß es nicht, man müßte darüber nachdenken.«
»Ich dachte nach. Gerade in dem Augenblicke trat die Tochter des Gärtners mit vielen schönen Blumen ein, die sie in die Vasen aus dem Camine und den Spiegeltischen that. Als sie fertig war, nahm ich sie bei der Hand und zog sie an mich, darauf holte ich zwei ganz neue Maximiliansdor aus der Tasche und gab sie ihr. Sie dankte mir und ich küßte sie auf die Stirn.
»Schönes Kind,« sagte ich, »willst Du noch zehnmal so viel verdienen?«
Sie schlug die Augen nieder und erröthete.
»Nein, nein,« fiel ich ein, »darum handelt es sich nicht.«
»Von was sonst, Herr Kaiser?« fragte sie mich.
»Sieh,« sagte ich, führte sie an das Fenster und zeigte ihr den blonden jungen Herrn. »Siehst Du den jungen Herrn dort?«
»Ja.«
»Wie findest Du ihn?«
»Recht schön und hübsch gekleidet.«
»Wenn Du mir morgen Früh einige seiner Haare bringst, erhältst Du zwanzig solcher Goldstücke?«
»Wie sollte ich es anfangen, um Haare von dem jungen Herrn zu erhalten?« fragte sie unschuldig.
»Ja, Kind, das ist nicht meine Sache; Du hast ein Mittel auszudenken. Ich kann nichts thun, als Dir meine Bibel geben.«
»Eine Bibel?«
»Ja damit Du siehst, wie es Delila machte, als sie Simsons Haar abschneiden wollte.«
»Das Mädchen wurde wieder roth, aber meine Andeutungen scheinen hinreichend gewesen zu seyn, denn sie ging nachdenklich und lächelnd fort und am andern Morgen brachte sie eine goldblonde Locke. Herr Admiral, das unerfahrenste Mädchen ist schlauer und klüger als wir.«
»Ew. Majestät theilt mir die Geschichte nicht ganz mit?«
»Ei doch. Ich gab die Locke dem Signor Angelo, der damit seine cabbalisiischen Versuche machte und endlich sagte, das Horoskop bedrohe nicht mich, sondern einen Fürsten, der Lilien in seinem Wappen trage. Und nun, mein werther Admiral, der blonde junge Mann, welcher zwischen den Augenbrauen die Todeslinie hat, ist der Herr von Lorge, Graf von Montgomery, Capitän in der schottischen Garde meines Bruders Heinrich II. von Frankreich.«
»Wie? Ew. Majestät könnte den Verdacht haben…?«
»Ich hege keinen Verdacht, davor behüte mich Gott,« antwortete der Kaiser, indem er aufstand, um dem Admiral anzudeuten, daß die Audienz zu Ende sey. »Ich wiederhole nur Wort für Wort das Horoskop des Signor Angelo, da die Sache meinem Bruder von Frankreich doch von Nutzen seyn könnte, und sage Seiner allerchristlichen Majestät, er möge auf die Linie wohl achten, welche sein Capitän in der schottischen Garde zwischen den Augenbrauen hat und die man die Todeslinie nennt, zumal da sie ausdrücklich einen Fürsten bedrohen soll, der Lilien in seinem Wappen führt.«
»Sire,« entgegnete Coligny, »ich werde die Warnung von eurer Seite dem König von Frankreich mittheilen.«
»Und da, damit Ihr es nicht vergesset, mein werther Admiral« sagte Carl V. indem er dem Gesandten die kostbare Kette umhing, die er trug und an welcher sich der Diamantenstern befand, welchen man den Abendstern nannte wegen der Besitzungen der Könige von Spanien im Westen.
Coligny wollte das Geschenk knieend empfangen, aber Carl V. gestattete nicht, daß er ihm diesen Beweis seiner Verehrung gebe, indem er ihn an dem Arme hielt und auf beide Wangen küßte.
An der Thür begegnete er Emanuel Philibert, der nach kaum beendigter Ceremonie alles verließ, um seine Huldigungen dem Kaiser zu Füßen zu legen, der in seinen Augen um so größer war, seit er seiner Größe entsagt hatte.
Die beiden Feidherren begrüßten einander höflich. Beide hatten einander auf dem Schlachtfelde gesehen und achteten einander nach ihrem Werthe, das heißt gar hoch.
»Und Ew Majestät hat mir sonst nichts an den König aufzutragen?« fragte Coligny nochmals.
»Nein… nichts,« antwortete Carl V., indem er lächelnd Emanuel Philibert ansah, »außer, mein werther Admiral, wenn die Sorge für unser Seelenheil uns einen Augenblick Zeit läßt, werden wir uns bemühen einen Gemahl für Margarethe von Frankreich zu finden.«
Er stützte sich dabei auf den Arm Emanuels und sagte:
»Komm, mein lieber Emanuel; mir ist es als hätte ich Dich lange, lange Zeit nicht gesehen.«