Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 7
Gleichwohl riethen ihm Mehre, sich alsbald einzuschiffen und Spanien zu verlassen. Nur sein Rath Adrian von Utrecht war damit nicht einverstanden.
Der Kampf bestand zwischen Franz l. von Frankreich und ihm.
Wenn nun auch Don Carlos nicht selbst abreiste, gingen doch mehre seiner eifrigsten Anhänger mit seiner königlichen Vollmacht ab.
An den Papst Leo X. wurde insgeheim ein Courier gesandt.
Welche Instructionen nahm dieser geheime Bote mit sich? Vielleicht erfahren wir es später.
Unterdeß und damit der Bote, welcher ihm die Nachricht von der Wahl überbringe, nicht achtundzwanzig Tage brauche, um zu ihm zu gelangen, kündigte Don Carlos an, er werde eine Reise in die südlichen Provinzen machen und Sevilla, Cordova und Granada besuchen.
Der Bote brauchte nur über die Schweiz und Italien zu gehen, in Genua sich einzuschiffen und in Valencia oder Malaga zu landen. Zwölf Tage nach der Wahl konnte Don Carlos das Resultat kennen.
Auch hatte man ihm gesagt, in der Sierra Morena und der Sierra Nevada hausten Banditen. Er wollte wissen, ob es Räuber oder Rebellen wären.
Daher der Befehl die Sierra zu säubern, welchen Befehl man in Bezug auf den Salteador durch das rasch wirkende Mittel ausgeführt hatte, Feuer im Gebirge anzuzünden.
Dreizehntes Capitel.
Don Ruiz de Torillas
Während es auf dem Gebirge brannte, erwartete man den König Don Carlos in Granada.
Sein Einzug sollte, wie wir schon erwähnten, um zwei Uhr Nachmittags stattfinden; es fehlten nur noch einige Minuten an der bestimmten Stunde und während man wartete, daß der Enkel Isabella’s und Ferdinands in dem Bogen des maurischen Thores gleich einer Reiterstatue erscheine, gingen die Herren aus den ersten Familien Andalusiens auf dem Platze Las Algires umher.
Unter allen diesen adeligen Herren, die allein oder paarweise hin und herwandelten, laut und in Gruppen oder leise und bei Seite sprachen, zeichnete sich einer namentlich durch seine stolze Haltung, aber auch durch seine, tiefe Betrübniß aus.
Er saß auf dem Marmorrande des Brunnens in der Mitte des Hofes.
Sein Haupt, das auf die hohle Hand gestützt und auf die Seite geneigt war, so daß sein schwermüthiger Blick in die Bläue des Himmels hineinschauen konnte, bedeckte einer der breitkrämpigen Hüte, denen die neuern in veränderter Form den Namen Sombrero entlehnt haben; sein Haar fiel in weißen Locken auf die Schultern; sein grauer Bart war unten gerade geschnitten und an seinem Halse hing jener Orden in Form eines Kreuzes, welchen Isabella und Ferdinand nach der Einnahme Granada’s eigenhändig an die vertheilt, welche sich bei der Vertreibung der Mauren besonders ausgezeichnet hatten.
Obgleich das gedankenvolle Aussehen des trübsinnigen Mannes die unbescheidene Neugierde und die geschwätzige Sorglosigkeit fern hielten, betrachtete ihn doch ein Mann ziemlich von gleichem Alter seit einem Augenblicke mit Aufmerksamkeit, als wolle er sich überzeugen, daß er sich in der Person nicht irre.
Eine Bewegung, welche der alte Herr machte, indem er seinen Hut abnahm und seinen Kopf schüttelte, als wolle er die Last der großen Betrübniß von sich entfernen, welche die stärksten Nacken der Sterblichen beugt, ließ dem ihn Musternden keinen Zweifel mehr.
Er trat deshalb zu ihm und nahm den Hut ab.
»Da ich von meiner ersten Kindheit an,« sagte er, »euer Freund bin, so würde es Unrecht von mir seyn, wenn ich bei dem Anblicke eurer Traurigkeit Euch nicht die Hand reichte und zu Euch sagte: Don Ruiz de Torillas, worin kann ich Euch dienen, womit Euch nützen, welchen Befehl habt Ihr mir zu ertheilen?«
Bei den ersten Worten, die der Freund sprach, richtete Don Ruiz de Torillas den Kopf empor, und da er den Sprechenden erkannte, reichte er ihm die Hand.
»Ich bin Euch verbunden, Don Lopez d’Avila,« sagte er. »Ja, wir sind in der That alte Freunde und Ihr beweiset mir durch euer Anerbieten, daß Ihr auch ein treuer Freund seyd. Wohnt Ihr noch in Malaga?«
»Immer, und Ihr wisset, daß Ihr in der Nähe und in der Ferne, in Malaga wie in Granada, über mich verfügen könnt.«
Don Ruiz verbeugte sich.
»Hattet Ihr, als Ihr Malaga verließet, euren und meinen alten Freund, Don Inigo, lange nicht gesehen?«
»Ich sah ihn alle Tage. Von meinem Sohne, Don Ramiro, hörte ich, Don Inigo und dessen Tochter wären gestern hier angekommen, nachdem sie große Gefahren im Gebirge überstanden, wo sie durch den Salteador angefallen werden.
Don Ruiz erbleichte und schloß die Augen. Nach einem Augenblicke aber, in welchem er mit großer Willenskraft sich gesammelt, sagte er:
»Sie sind ihm aber entgangen?«
»Der Bandit, welcher die Keckheit hat sich einen Edelmann zu nennen, benahm sich wie ein Fürst gegen sie, wie mir mein Sohn erzählt hat; er entließ sie ohne Lösegeld und selbst ohne Versprechen, was um so mehr sagen will, da Don Inigo der reichste Mann und Dona Flor das schönste Mädchen in Andalusien ist.«
Don Ruiz seufzte und sagte:
»Das that er? Um so besser.«
»Aber ich spreche da von meinem Sohne und vergesse nach dem eurigen, Don Fernand, zu fragen; ist er noch immer auf Reisen?«
»Ja,« antwortete Don Ruiz mit fast erloschener Stimme.
»Jetzt wäre es eine schöne Gelegenheit, ihn an den Hof des neuen Königs zu bringen. Ihr seyd vom ältesten Adel in Andalusien und wenn Ihr den König Carl um eine Gnade ersuchtet, würde er sie auch aus Politik sicherlich gewähren, obgleich er immer nur seine Flamänder im Auge hat.«
»Ich habe den König allerdings um eine Gnade zu bitten,« antwortete Don Ruiz; »aber ich zweifle, ob er sie mir gewährt.«
In diesem Augenblicke schlug es zwei Uhr.
Während der Schlag dieser Stunde nur die Vertheilung des Wassers anzeigte, hatte er diesmal eine andere Bedeutung. Nicht nur stürzten sich wie gewöhnlich alle Gewässer in ihre Canäle und spritzten in den Springbrunnen auf, gleichzeitig verkündeten auch schmetternd alle Trompeten, daß der König Don Carlos den Weg zur Alhambra heraufkomme; darauf eilten auch Alle nach dem Thore Yusefs, um zugegen zu seyn, wenn er vom Pferde steige.
Don Ruiz de Torillas blieb allein da, wo er sich befand, nur stand er auf. Don Lopez folgte den andern Herren.
Mit einem Male erschien denn auf seinem großen Schlachtrosse, mit Stahl gewappnet wie zum Kampfe, der König selbst, der eine mit Gold eingelegte vollständige Rüstung trug.
Nur sein Haupt war unbedeckt, als wolle er die Spanier durch den Anblick dessen überraschen, was am wenigsten spanisch an ihm war.
Wie gesagt, der Sohn Philipps des Schönen und Johanna’s der Wahnsinnigen hatte in seinem Gesichte nichts von dem castilianischen Typus, denn es war ganz nach den Formen Oesterreichs gebildet. Er war klein von Gestalt, untersetzt und der Kopf saß ihm ziemlich tief zwischen den Achseln; mußte er den Kopf mit dem kurz geschnittenen blonden Haar, dem rothen Bart, den blauen blinzelnden Augen, der Adlernase, den rothen Lippen und dem vorstehenden Kinne emporrichten und ihn gerade und steif halten, wie ihn ein stählerner Kragen nöthigte, so hatte er, besondere im Gehen, etwas Steifes und Ungelenkes, das verschwand, sobald er, der treffliche Reiter, sein Pferd tummelte, denn dann war der Reiter um so schöner, je feuriger das Pferd.
Man kann sich denken, daß ein solcher Fürst, der körperlich nichts von den Don Pedros, Don Enricos, Don Ferdinands hatte, sondern ganz habsburgisch aussah, von den Spaniern und besonders von den Andalusiern nicht außerordentlich begeistert aufgenommen wurde.
Die Trompeten verdoppelten allerdings bei seiner Ankunft ihr Schmettern, vielleicht weniger zu Ehren des Enkels Isabella’s und Ferdinands, als um durch ihre rauschenden Fanfaren das Schweigen der Menschenstimmen vergessen zu lassen.
Der König blickte kalt und ernst auf die Menschen und die Oertlichkeiten und verrieth keine Ueberraschung, obgleich ihm beide ganz fremd sein mußten und waren. Dann hielt er sein Pferd an und stieg ab, nicht um in nähere Berührung mit seinem Volke zu kommen, sondern weil es in dem vorher festgesetzten Ceremoniell stand, daß er zu dieser Zeit absteige.
Er erhob nicht einmal den Kopf, um das schöne maurische Thor anzusehen, durch das er kam, er wendete ihn nicht, um an der kleinen Seitencapelle die Aufschrift zu lesen, die anzeigte, daß am 6. Januar 1492 sein Großvater Ferdinand und seine Großmutter Isabella durch dieses Thor gekommen und ihm triumphirend, unter dem vom Siege ihrer Fürsten berauschten Volke, den Weg vorgezeichnet, dem er siebenundzwanzig Jahre später ernst und düster unter der schweigenden Ehrfurcht folgte, welche die Könige begleitet und deren gute Eigenschaften man noch nicht kennt, wohl aber die Mängel.
Ein Gedanke kochte unaufhörlich in diesem Gehirne, wie Wasser kocht in einem eisernen Gefäße, ohne daß man außen etwas davon bemerkt. Dieser Gedanke war das heiße Verlangen nach dem Kaisertitel.
Was konnte das ehrgeizige Auge sehen, das durch die weite Ferne hinweg auf die Stadt Frankfurt gerichtet war, wo die große Churfürstenversammlung gehalten wurde, auf welche ebenso wie Don Carlos der Papst, die Könige, alle Fürsten und alle Großen der Welt die Augen richteten?
»Wirst Du Kaiser werden, das heißt so groß als der Papst, größer als die Könige?« flüsterte ewig die Stimme des Ehrgeizes in dem Herzen des Don Carlos.
Was lag ihm an den andern menschlichen Stimmen? Nur um der Etikette zu gehorchen also, nicht aus augenblicklichem Drange, nicht um sich den Herren zu nähern, die ihn umringten, stieg der König Don Carlos von dem Pferde.
Augenblicklich folgte sein niederländisches Gefolge seinem Beispiele.
Dieses Gefolge bestand namentlich aus dem Cardinal Adrian von Utrecht, seinem Lehrer, aus dem Grafen von Chiëvre, seinem ersten Minister, aus dem Grafen von Lachan, dem Grafen von Porcian, dem Herrn von Turnes, dem Herrn von Beaurain und dem Holländer Amersdorf.
Von seinem Pferde herab hatte dennoch der Blick des Königs eine Gruppe von Herren bemerkt, die mit bedecktem Haupte stehen blieben, während die Andern mit entblößten Häuptern dastanden.
Nur diese Gruppe schien seine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Ricos hombres,« sagte er und winkte mit der Hand denen, die er anredete, ihm zu folgen, doch erst nach den flandrischen Herren.
Die andalusischen Adeligen verbeugten sich, nahmen die ihnen angewiesenen Plätze ein, aber wie Leute, die eben nur einem gegebenen Befehle gehorchen.
So ging der König voraus, nach dem Palaste Alhambra zu, der, von dem Platze las Algires gesehen, nur wie ein großes vierseitiges Gebäude mit einer Thür und ohne, Fenster aussieht.
Don Carlos ging mit entblößtem Haupts ein Page trug ihm den Helm nach.
Der Weg war frei.
Ein einziger Mann stand mit dem Hut auf dem Haupte in diesem Wege.
Der König that als beachte er ihn nicht, ließ ihn aber nicht aus den Augen, und würde ohne Zweifel vorübergegangen seyn, ohne nach ihm hinzublicken, oder stehen zu bleiben, wenn nicht der Mann, ohne den Hut abzunehmen, bei der Annäherung des Königs sich auf ein Knie niedergelassen hatte.
Der König blieb stehen.
»Ihr seyd rico hombre?« fragte er.
»Ja, Sire.«
»Von Aragonien oder Castilien?«
»Von Andalusien.«
»Ohne Verwandtschaft mit den Mauren?«
»Aus altem und reinem christlichen Blute.«
»Wie heißt Ihr?«
»Don Ruiz de Torillas.«
»Steht auf und sprecht.«
»Nur das Ohr des Königs allein kann vernehmen, was ich dem Könige zu sagen habe.«
»Tretet zurück,« sagte Don Carlos und er winkte mit der Hand.
Alle traten so weit zurück, daß sie nicht hören konnten, was gesprochen wurde, und bildeten einen weiten Halbkreis, vor welchem der König und Don Ruiz standen.
»Ich bin zu hören bereit,« sagte der König.
Vierzehntes Capitel.
Der Oberrichter
»Sire,« begann Don Ruiz, indem er aufstand, »verzeiht, wenn meine Stimme bebt, aber ich bin voll Verlegenheit und Bangen, daß ich Euch um eine Gnade gleich der zu bitten habe, die mich zu Euch führt.«
»Sprecht langsam, damit ich Euch wohl verstehe, Señor.«
»Ja,« antwortete Don Ruiz mit mehr Stolz als Höflichkeit, »ich vergaß, daß die spanische Sprache Ew. Hoheit noch nicht geläufig ist.«
»Sie wird es werden,« entgegnete Don Carlos kalt, und nach einer Pause setzte er hinzu: sich bin bereit Euch anzuhören.«
»Sire,« fuhr Don Ruiz fort, »ich habe einen Sohn von siebenundzwanzig Jahren. Er liebte eine Dame, da er meinen Zorn fürchtete, denn ich habe mir den Vorwurf zu machen, gleichzeitig zu gleichgültig und zu streng gegen ihn gewesen zu seyn, so verlobte er sich mit ihr ohne meine Erlaubniß und obwohl sie ihm die Rechte eines Gatten zugestanden, verschob er es doch von Tag zu Tage, sie, wie er versprochen, öffentlich für seine Gattin zu erklären. Die Dante beklagte sich gegen ihren Vater. Der Vater war alt und da er in seinen Armen nicht die Kraft fühlte, gegen den Jüngling zu kämpfen, übertrug er die Rache seinem Sohne, Don Alvar. Don Alvar hörte nicht auf die Entschuldigungen meines Sohnes – der sich bei dieser Gelegenheit ruhiger und achtungswerther benahm, als von seinem Charakter zu erwarten war; die beiden Jünglinge trafen einander im Zweikampfe und Don Alvar wurde getödtet.«
»Ein Zweikampf fiel Don Carlos ein. »Ich liebe den Zweikampf nicht.«
»Es gibt Umstände, Hoheit, in welchen ein Mann von Ehre nicht zurücktreten kann, besonders wenn er weiß, daß er nach dem Tode seines Vaters das Recht haben wird, seinem Könige Rechenschaft von seinen Thaten zu geben und mit bedecktem Haupte ihn um Gnade zu bitten.«
»Ja, ich weiß, daß dies ein Vorrecht der ricos hombres ist. Ich werde das weiter ordnen. Fahrt fort.
»Der Zweikampf fand ohne Zeugen statt.« Der Vater Don Alvars klagte meinen Sohn des Mordes an und erlangte einen Haftsbefehl gegen ihn. Drei Alguazils erschienen bei ihm und wollten ihn am hellen Tage mit Gewalt in das Gefängniß führen. Mein Sohn tödtete zwei, verwundete den dritten und entfloh in das Gebirge.«
»Ah,« sagte Don Carlos und nannte zum ersten Male Don Ruiz Du, mehr aber zum Zeichen der Drohung als der Milde, »das heißt, Du bist ein rico hombre, aber dein Sohn ist Bandit.«
»Sire, der Vater ist gestorben und mit ihm sein Zorn. Die junge Dame ging in ein Kloster und ich bezahlte für sie, als sey sie eine königliche Prinzessin. Sire, ich habe mich mit den Familien der beiden Alguazils, die getödtet wurden, und der des Verwundeten verglichen; aber bei diesen Vergleichen habe ich mein ganzes Vermögen aufgewendet, so daß mir von dem väterlichen Erbe nichts geblieben ist, als das Haus auf dem Platze der Riva Rambla. Es ist gleichgültig, denn der Blutpreis ist bezahlt, und wenn Ew. Hoheit ein Wort spricht, richtet sich die Ehre des Namens auf dem Trümmern des Vermögens wieder auf.«
Don Ruiz schwieg, als er aber sah, daß der König nichts entgegnete, fuhr er fort: »Ich flehe Euch also auf meinen Knien an, Hoheit; ich beschwöre Euch, Sire, tausend und aber tausendmal, meinem Sohn zu verzeihen, da die klägerische Partei zufrieden gestellt und nur noch eure königliche Gewalt gegen ihn ist.«
Der König antwortete nicht und Don Ruiz fuhr fort:
»Diese Vergebung, Sire, ich wage es zu sagen, verdient er,,vielleicht nicht seinetwegen, obgleich, ich wiederhole es, große Schuld mir zufällt, aber wohl wegen seiner Ahnen, die Euch alle durch meine Stimme zurufen: verzeihet, Sire, verzeihet!«
Don Carlos schwieg noch immer, als wenn er gar nicht mehr aus den Bittenden hörte, so daß Don Ruiz sich tief verbeugend und dringender fortfuhr:
»Sire, Sire, blicket auf unsere Geschichte und Ihr werdet Helden aller Art in meiner Familie finden, denen die Könige von Spanien Ruhm und Ehre verdanken. Sire, habt Mitleid mit meinem weißen Haar, mit meinen Bitten, mit meinen Thränen. Und wenn dies nicht genügt euer Herz zu rühren, so erbarmt Euch einer edlen Dame, einer unglücklichen Mutter. Sire, Sire, Ihr seyd, was Ihr seyd durch eure glückliche Besteigung des spanischen Thrones, durch eure Mutter Johanna, durch eure Vorgänger Isabella und Fernand, denen ich treu und muthig gedient habe, wie das Kreuz bezeugt, das ich an Halse trage . . . gewährt mir die Gnade, um die ich bitte.«
Der König richtete das Haupt empor; die Wolke, die über seinem Blicke zu liegen schien, verzog sich, aber mit kalter und empfindungsloser Stimme sprach er:
»Das ist nicht meine Sache. Wendet Euch an den Oberrichter von Andalusien.«
Und er ging weiter.
Die flamändischen und spanischen Herren folgten ihm und verschwanden hinter ihm in dem Palast der Alhambra.
Don Ruiz blieb allein, wie vernichtet, auf dem Platze las Algires zurück.
Doch nein, nicht allein; einer der Herren aus dem Gefolge des Don Carlos bemerkte den Greis, der gebückt unter der Last der königlichen Weigerung dastand, er blieb zurück, folgte den Anderen nicht in das Innere des maurischen Palastes, sondern wendete sich schnell zu Don Ruiz de Torillas, blieb mit dem Hute in der Hand vor dem alten Herrn stehen, der so ganz in seine traurigen Gedanken versunken war, daß er die Ankunft des Andern nicht bemerkte, und sagte:
»Wenn ein Edelmann auf die Ehre hält, sich seiner alten Bekanntschaften zu erinnern, mein lieber Don Ruiz, so empfangt den Gruß eines Mannes, der Euch mit aller Freundschaft zugethan ist.«
Don Ruiz richtete langsam sein trauriges Haupt empor, kaum aber hatte sein Auge den erblickt, welcher ihm in so freundlicher Weise den Gruß bot, als ein Blick der Freude über seine Züge leuchtete.
»Ah, Ihr seyd es, Don Inigo,« sprach er; »ich freue mich, Euch die Hand zu bieten, aber unter einer Bedingung.«
»Unter welcher Bedingung?«
»Daß Ihr mein Gast seyd, so lange Ihr in Granada verweilet. Ich nehme keine Entschuldigung an, sage ich Euch in voraus.«
Don Inigo lächelte.
»Ich habe auch eure Einladung gar nicht abgewartet, Don Ruiz, und meine Tochter Dona Flor befindet sich in diesem Augenblicke bei Dona Mercedes, die ihr trotz unsern Bitten ihr eigenes Zimmer überlassen hat.«
»Die Frau hat in Abwesenheit des Mannes gethan, was der Mann in Abwesenheit der Frau gethan haben würde. Alles geht also unten gut; könnte ich dasselbe auch von hier sagen!« setzte er nach einiger Zeit leise hinzu.
So leise er gesprochen, Don Inigo hatte es gehört.
Uebrigens hatte er, wie alle andern Herren, Don Ruiz vor dem Könige Don Carlos knieen sehen, als bitte er um eine Gnade und diese Gnade war, wie man recht wohl hatte errathen können, abgeschlagen worden.
»Ihr scheint allerdings bei unserem jungen Könige nicht glücklich gewesen zu seyn, mein lieber Don Ruiz,« sagte er.
»Ha, der König Don Carlos gesteht selbst, daß er das Spanische noch nicht hinreichend versteht, und ich meinerseits läugne nicht, daß ich niemals flämisch verstanden habe.« Nach einigem Zögern setzte er mit fast zitternder Stimme hinzu: »Hoffentlich hat die üble Begegnung gestern im Gebirge keinen nachtheiligen Einfluß aus Ihre Gesundheit gehabt.«
»Ihr wisset davon schon?« fragte Don Inigo.
»Ja, Señor. Was einem Mann von eurer Bedeutung widerfährt, ist ein Ereigniß, das Adlerflügel hat. Don, Lopez hat mir gesagt« – und hier zitterte die Stimme des Don Ruiz noch mehr – »Don Lopez hat mir gesagt, Ihr wäret durch den Salteador angehalten worden.«
»Hat er Euch auch gesagt, daß der so gefürchtete Banditenführer sich gegen uns als Edelmann und nicht als Bandit benommen hat, daß er, der gegen Andere Löwe und Tiger ist, für uns ein Lamm war?«
»Er hat mir etwas davon gesagt und ich freue mich, daß Ihr mir die Sache bestätiget.«
»Ich bestätige sie, ja und füge hinzu, daß ich meiner Schuld gegen den jungen Mann nicht ledig zu seyn glauben werde, bis ich das Versprechen erfüllt, das ich ihm gegeben.«
»Und,« fragte Don Ruiz zögernd, »darf ich wissen, worin dies Versprechen besteht?«
»Ich habe ihm bei meinem heiligen Schutzpatrone geschoren, weil ich eine wirkliche Theilnahme für ihn empfand, dem Könige Don Carlos nicht Ruhe zu lassen, bis er mir seine Begnadigung gewährt hat.«
»Er wird sie Euch versagen,« entgegnete Don Ruiz kopfschüttelnd.
»Warum?«
»Ihr wolltet eben wissen, was ich von dem Könige erbeten habe?«
»Nun?«
»Ich bat um diese Begnadigung.«
»Ihr?«
»Ja.«
»Und warum nehmt Ihr Antheil an dem jungen Manne? Sagt es mir, Don Ruiz, denn ich werde um so thätiger seyn, wenn ich weiß, daß ich zugleich für einen alten und für einen jungen Freund bitte.«
»Gebt mir eure Hand, Don Inigo.«
»Hier ist sie.«
»Der junge Mann ist – mein Sohn.«
Don Ruiz fühlte, daß die Hand Don Inigo’s in der seinigen zuckte.
»Euer Sohn?« fragte er kaum vernehmlich. »Euer und der Dona Mercedes Sohn?«
»Allerdings,« antwortete Don Ruiz mit bitter-traurigem Lächeln, »da Dona Mercedes meine Frau ist.«
»Und was antwortete der König?«
»Nichts.«
»Gar nichts?«
»Weniger als nichts, er gab mir eine abweisende Antwort.«
»Gebt sie mir genauer an.«
»Er wies mich an den Oberrichter von Andalusien.«
»Nun?«
»Der Oberrichter von Andalusien war Don Rodrigo von Calmenare und Don Rodrigo ist todt.«
»Don Rodrigo von Calmenare ist todt, aber vor acht Tagen hat der König einen Nachfolger ernannt und dieser Nachfolger ist gestern in Granada angekommen.«
»In Granada?«
»Ja, und ich stehe Euch dafür, ich, Don Ruiz, hört wohl, ich stehe Euch dafür, daß Ihr Eurer selbst nicht sicherer seyd als dessen, den der König ernannt hat.«
Don Ruiz wollte seinen ehemaligen Kriegsgefährten weiter fragen, dessen Vertrauen auf die Vorsehung und auf den Oberrichter von Andalusien ihn ein wenig zu beruhigen begann, als ein Diener an der Pforte des Palastes erschien, von welcher man kaum zwanzig Schritte entfernt war, und mit starker Stimme rief:
»Don Inigo Velasco de Haro, Oberrichter von Andalusien, der König verlangt nach Euch.«
»Ihr, Don Inigo,« rief Don Ruiz im höchsten Erstaunen aus, »Ihr Oberrichter von Andalusien?«
»Hatte ich Euch nicht gesagt,« entgegnete Don Inigo, der dem alten Freunde nochmals die Hand reichte, »daß Ihr auf den Oberrichter von Andalusien wie auf Euch selbst rechnen könntet, ja sicherer noch, da ich ja der Nachfolger des Don Rodrigo von Calmenare bin?«
Da er den König nicht warten lassen zu dürfen glaubte, von dem er eine Gnade zu erbitten hatte, beeilte sich Don Inigo dem Befehle des Don Carlos so schnell nachzukommen, als es die Würde eines spanischen rico hombre erlaubte.