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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 11

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II

Diese zweitägige Fahrt durch den Hellespont, hatte so herrliche,Landschaftsbilder vor unsern Augen entrollt, daß wir an der Spitze des Serai in Versuchung kamen zu fragen, wo denn das von den Reisenden so gepriesene Constantinopel sei, welches an malerischer Pracht nur mit dein Golf von Neapel zu vergleichen. Aber als wir, um den Capitän nach Galata zur englischen Gesandtschaft zu führen, die Schaluppe bestiegen hatten und in das Goldene Horn fuhren, breitete sich die alte Kaiserstadt vor uns aus mit ihrem Häuser Amphitheater, mit ihren vergoldeten Kuppeln, ihren von dunklen Cypressen beschatteten Friedhöfen, und wir erkannten nun die schöne Hetäre, welche Constantin von Rom abwendig machte und ihn mit ihren Reizen an sich fesselte.

Es wäre damals nicht rathsam gewesen, durch die Straßen von Galata ohne Schutzwache zu gehen. Mr. Adair, der von unserer Ankunft schon unterrichtet war, hatte uns einen Janitscharen geschickt, dessen Anwesenheit andeutete, daß wir unter dem Schutz des Sultans standen. In diesem Lande, wo Jedermann bewaffnet ist, sind Händel sehr häufig und werden auf der Stelle ausgefochten; die Sicherheitsbehörde schreitet gewöhnlich zu spät ein und kann nichts thun, als den Mörder bestrafen: es war also nothwendig, uns der gegen die Griechen und Russen erbitterten Bevölkerung als Angehörige einer befreundeten Nation zu erkennen zu geben.

Unsere Matrosen blieben in der Schaluppe unter der Aufsicht meines Freundes James; ich begleitete den Capitän Stanbow und Lord Byron zur Gesandtschaft.

Unterwegs fanden wir das Gedränge so groß, daß der Janitschar mit seinem Stocke dareinschlagen mußte, um uns einen Weg zu bahnen. Die Ursache des Zusammenlaufs war ein Grieche, der zur Hinrichtung geführt wurde und zwischen zwei Henkersknechten durch die Hauptstadt von Galata schritt. Wir sahen ihn vorbeigehen. Es war ein schöner Greis mit weißem Bart; er schritt mit fester, sicherer Haltung durch den schreienden und schimpfenden Pöbel.

Dieser Anblick machte auf uns Alle einen peinlichen Eindruck, zumal aus Lord Byron, der sogleich unsern Dolmetscher fragte, ob der Unglückliche auf Verwendung des Gesandten und durch Bezahlung eines beträchtlichen Lösegeldes nicht zu retten sei: aber der Dolmetscher hielt erschrocken einen Finger auf den Mund. Trotz dieser dringenden Mahnung konnte Lord Byron nicht unterlassen, dem Greise in neugriechischer Sprache zuzurufen: »Fasse Muth, Märtyrer!« Der Grieche sah sich um nach dem Manne, der diese tröstenden Worte gesprochen; er blickte zum Himmel auf, um anzudeuten, daß er bereit sei zu sterben. In demselben Augenblicke hörte man einen andern Zuruf hinter einem vergitterten Fenster; man sah Finger zwischen dem Gitterwerk hervorkommen und daran rütteln.

Diese Stimme schien dem alten Griechen bekannt zu sein. Er stand still; aber der eine Henker trieb ihn mit der Spitze seines Jatagans weiter. Lord Byron, über diese Grausamkeit empört, fuhr auf, und ich selbst ergriff unwillkürlich meinen Dolch. Der Capitän Stanbow faßte uns Beide beim Arm.

»Kein Wort, oder Sie sind des Todes!« sagte er in englischer Sprache und zeigte auf den Janitscharen, der uns mit scheelen Blicken anzusehen begann. Dann wartete er uns festhaltend, bis der Zug vorüber war.

Bald ließ das Gedränge nach und wir gingen weiter. In zehn Minuten kamen wir, noch ganz erschrocken, in das Botschaftshotel. Der Beweggrund zu unserer Reise nach Constantinopel war nicht mehr vorhanden. Die Genugthuung, welche wir durch unsere Anwesenheit unterstützen sollten, war gewährt worden und der Gesandte hatte im Namen der britischen Regierung die verlangte Entschuldigung erhalten. Die amtliche Unterredung zwischen dem Capitän Stanbow und Mr. Adair war daher kurz, so daß Lord Byron gleich darauf vorgestellt wurde.

Nach den üblichen Begrüßungen fragte Byron den Gesandten, was für ein Verbrechen der zum Tode verurtheilte Greis begangen. Mr. Adair zuckte traurig die Achseln. Der alte Grieche hatte drei schwere Verbrechen begangen, von denen jedes in den Augen der Türken den Tod verdiente: er war reich, arbeitete im Stillen an der Befreiung seines Volkes und hieß Athanasius Dukas, das heißt, er war einer der letzten Sprößlinge des königlichen Stammes, der im dreizehnten Jahrhundert geherrscht hatte. Auf die dringenden Vorstellungen seiner Freunde hatte er anfangs Constantinopel verlassen; aber nach einigen Monaten war er zurückgekehrt, um seine Familie zu sehen. Kaum in Galata angekommen, war er verhaftet worden; seine Tochter, eine ausgezeichnete Schönheit, war geraubt und für zwanzigtausend Piaster an einen reichen Türken verkauft worden; seinen Palast hatte man zu Gunsten des Großherrn confiscirt und seine Frau hinausgestoßen; die Unglückliche hatte vergebens .in einigen griechischen Häusern ein Unterkommen gesucht. Endlich hatte ihr der englische Gesandte in seinem Hause ein .sicheres, unverletzliches Asyl geboten; sie hatte dieses großmüthige Anerbieten mit Dank angenommen; aber seit gestern Abend war sie verschwunden und man wußte nicht wo sie war.

Mr. Adair bot dem Lord Byron für die ganze Zeit seines Aufenthaltes eine Wohnung im Gesandtschaftshotel an; aber der Poet, der eine Beschränkung seiner Freiheit fürchtete, lehnte es entschieden ab, er wünschte ein kleines türkisches Haus zu finden, wo er nach Landessitte leben könne. Er nahm übrigens die ihm angebotene diplomatische Gönnerschaft an, falls Mr. Adair eine Audienz beim Sultan haben würde; Lord Byron konnte dann in seinem Gefolge Platz finden. Unsere Ankunft in Constantinopel machte dies mehr als wahrscheinlich.

Wir verließen Mr. Adair nach einer Stunde traulichen und anziehenden Gesprächs und setzten dann – immer in Begleitung unseres Janitscharen – die Wanderung durch die Straßen von Galata fort. Wir bemerkten indeß bald, daß er uns nicht denselben Weg führte, den wir gekommen waren; wir wollten eben unsern Dolmetscher um die Ursache fragen, als dieser, unsere Absicht errathend, mit dem Finger auf die Mitte des Platzes zeigte, den wir eben betreten hatten. Wir bemerkten eine noch nicht erkennbare Gruppe; wir schauderten, obgleich wir noch nicht ahnen konnten, woraus dieselbe bestand.

Als wir näher kamen, erkannten wir einen knienden enthaupteten Leichnam. In dem Kopfe, der zwischen den Knien steckte, erkannten wir das greise Haupt des alten Griechen, den wir vor einer Stunde hatten vorbeigehen sehen. Neben dem Leichnam saß eine Frau, deren Stirn auf beiden Händen ruhte. Von Zeit zu Zeit richtete sie sich auf, um einen neben ihr liegenden Stock zu ergreifen und die Hunde zu verjagen, welche das Blut auflecken wollten. Diese Frau war die Witwe des Märtyrers, die Tags vorher aus dem Botschaftshotel verschwunden war. Die Änderung des Weges, über die wir uns wunderten, war eine Aufmerksamkeit des Janitscharen; er wollte uns wahrscheinlich einen Begriff von der Gnade seines Herrn geben.

Wir waren wirklich in einem glücklichen Moment nach Constantinopel gekommen, wir spielten hier die Rolle der, Helden in »Tausend und Eine Nacht.« Ich kam in Versuchung, diese Hinrichtung mit allen Nebenumständen für einen Traum zu halten und der Anblick der uns umgeben, den wunderbaren Trachten war ganz geeignet mich in meiner Täuschung zu erhalten. In Constantinopel bemerkt man wenig oder keine zerlumpte Menschen; alle Kleider scheinen für vornehme Leute gemacht zu sein; ein türkischer Bauer oder Schiffer sieht eben so malerisch aus wie ein Großwürdenträger, und die Frau des Krämers trägt oft mehr Geschmeide als die Gemahlin eines Parlamentsmitgliedes in einer Pairie zu London. In jeder Familie gibt es einen vom Vater auf den Sohn vererbten Anzug, der »Kairam« genannt, den man nur bei festlichen Gelegenheiten trägt. Nach dem Feste legt man ihn wieder in die Truhe und bewahrt ihn auf bis zum nächsten Feste. Solche Anzüge trug man schon zur Zeit Mohammeds II. denn in Constantinopel ist die Nationaltracht keiner Mode unterworfen, obgleich sie in manchen Einzelheiten viele Abwechslungen darbietet. Ein geübtes Auge erkennt auf den ersten Blick den türkischen Dandy, der eben so sorgfältig Toilette macht wie ein Pflastertreter in London oder Paris. Der Schnitt des Bartes, die Falten des Turbans, die Krümmung der gelben Babuschen, die Arabesken an den Pistolen und die Zierathen am Kandschar sind hochwichtige Angelegenheiten für den eleganten Osmanli.

Der Turban ist unter allen Bekleidungsstücken am meisten von der Laune des Trägers abhängig; er macht dem Türken eben so viel zu thun wie die Cravate dem Pariser. Es gibt candiotische, egyptische, rumelische Turbane; der Syrier ist an dem gestreiften, der Emir von Aleppo au dem grünen, der Mameluk an dem weißen Turban zu erkennen. Uebrigens sieht man in Constantinopel, wie in allen großen Städten, eine wahre Mosaik von Trachten, zu welcher die Westeuropäer mit ihren einfachen armseligen Anzügen die unscheinbarsten Steine liefern.

Ich weiß nicht welchen Eindruck dieser seltsame Anblick auf meine Begleiter machte; ich für meine Person befand mich in einem fieberhaften Zustande, als ich wieder an Bord kam. Auch Lord Byron schien trotz der Kälte, die er zur Schau trug, sehr tief bewegt, und er würde sich gewiß seinen Eindrücken überlassen haben, wenn er es nicht darauf abgesehen hätte, nicht nur durch seinen Geist, sondern auch durch sein Aeußeres zu imponiren. Er war freilich schon länger als ein Jahr auf Reisen, und die Hälfte dieser Zeit hatte er in Griechenland zugebracht, er war daher auf das Schauspiel, welches wir vor Augen hatten, einigermaßen vorbereitet. Mit mir war’s anders: ich war kaum zwei Monate von meiner Heimat entfernt und fast ohne Uebergang aus dem Alltagsleben in diese ganz fremde Welt versetzt worden. Ich war so überreizt, daß ich jeden Augenblick ein außerordentliches erschütterndes Ereigniß erwartete.

Der Tag verging indeß, ohne daß sich etwas Ungewöhnliches zutrug. Einige türkische Bummler kamen mit ihren langen Pfeifen an Bord, um ein englisches Kriegsschiff in Augenschein zu nehmen. Wir hatten aber eine beträchtliche Ladung Pulver, weil wir bei unserer Abfahrt noch nicht gewußt hatten, in welcher Stimmung wir die hohe Pforte finden würden: das Rauchen konnte daher nicht gestattet werden. Als wir dies den Türken nach langen Unterhandlungen begreiflich gemacht hatten, schienen sie sehr erstaunt, daß wir Maßregeln genommen, um ein Unglück zu verhüten; sie meinten, alle Vorsicht sei vergebens, wenn Mohammed einmal beschlossen habe, daß ein Unglück geschehen solle. Sie nahmen unsere Aufforderung sehr übel und setzten sich mit untergeschlagenen Beinen auf unsere Caronaden. Das war ebenfalls nicht zulässig, und der Geschützmeister ließ sie ersuchen sogleich aufzustehen und einen andern Platz zu suchen. Dieser Mangel an Gastfreundschaft beleidigte sie dergestalt, daß sie nicht länger bleiben mochten. Sie begaben sich in sehr übler Laune in ihre Schaluppe zurück, und der letzte spuckte ingrimmig auf das Verdeck.

Diese Ungezogenheit wäre dem Türken beinahe theuer zu stehen gekommen. Bob, der sich in seiner Nähe befand, hatte ihn schon beim Arm gefaßt und wollte mit seinem Barte das Verdeck abwischen, als ich dem Türken zu Hilfe kam. Bob war nur schwer zu bewegen, den linken Arm des Osmanli loszulassen, und ich sah mich genöthigt die rechte Hand des Letzten zu ergreifen, weil er seinen Kandschar faßte. Bob, der diese drohende Bewegung sah, sprang zurück und ergriff einen Hebebaum. Ich benutzte diesen Moment, um den Türken zu entfernen; die Schaluppe setzte sich in Bewegung und die Gegner wurden getrennt.

Auf dem Verdeck war nur ein Handelsjude, Namens Jakob, zurückgeblieben. Ich habe nie eine merkwürdigere Verkörperung des Schachergeistes gesehen; seine Taschen waren voll von Mustern und in einem Kästchen trug er ein Sortiment der verschiedensten Sachen. Er handelte mit allen möglichen Waaren, mit Cashmirs und Pfeifen, Korallen und Rosenöl. Er gab mir die Adresse seines Ladens in Galata, wo seiner Vesicherung nach der beste Tabak in Constantinopel zu finden sei; er führe sogar den allerfeinsten Latakie, der eigens für den Großherrn aus Syrien gebracht werde. Ich nahm die Adresse und versprach ihm einen baldigen Besuch. Der Jude sprach ziemlich gut englisch, und ein solcher Mann war viel werth für einen Fremden, der, wie Lord Byron, auf Abenteuer ausgeht, und für einen wachen Träumer wie ich.

Einstweilen fragten wir ihn, ob er uns einen kündigen Führer verschaffen könne; Lord Byron wollte die Runde um die Ringmauern von Constantinopel machen, und ich hatte von dem Capitän die Erlaubniß erhalten ihn zu begleiten. Jacob erbot sich zum Führer; er wohnte seit zwanzig Jahren in Stambul, kannte die Stadt besser als die meisten eingeborenen Türken, und da er weder sociale nach religiöse Vorurtheile hatte, so versprach er uns Alles zu erzählen, was er von interessanten Persönlichkeiten und Lokalitäten wisse. Wir nahmen sein Anerbieten an, mit dem Vorbehalt, einen andern Führer zu nehmen, falls wir aus unserer ersten Wanderung mit diesem nicht zufrieden wären.

Wir brachen sehr früh auf, und da einige Theile der Ringmauern an den Bosporus stoßen, so nahmen wir eine Barke, die uns bis zu dem Schloß der Sieben Thürrne führte. Hier stiegen wir ans Land.

Unser Jude erwartete uns mit Pferden, die er für uns gemiethet hatte; er war ermächtigt sie uns zu verkaufen, wenn sie uns gefielen.

Die Pferde, welche in der Rangordnung zu Constantinopel etwa dieselbe Stelle einnehmen wie die Fiakerpferde in Frankreich und England, schienen uns feurig und flink: die arabische Rasse verläugnet selbst in den Miethgäulen das edle Blut nicht.

Die arabischen Pferde gehen nur im Schritt oder galoppiren; der Trab ist im Orient unbekannt. Wir ritten langsam, da wir Alles genau in Augenschein nehmen wollten.

Constantinopel bietet von der Landseite einen wo möglich noch reizendere Anblick als vom Bosporus oder vom Goldenen Horn. Man denke sich einen vier englische Meilen langen Raum, von den sieben Thürmen bis zum Palast Constantins, umgeben von gewaltigen dreifachen Zinnen, die mit Epheu bewachsen sind. Aus diesen Ringmauern erheben sieh 118 Thürme. Auf der andern Seite des Weges liegen die türkischen Friedhöfe, in deren hohen schattigen Cypressen eine Anzahl von Tauben, Nachtigallen und Finken nisten. Alles dies spiegelt sich in dem azurblauen Meere und ist von einem Himmel überwölbt, den die Götter des Alterthums, die wahrlich wußten was schön und behaglich, zum dauernden Wohnsitz erkoren hatten.

Bei dein halb verfallenen,casernenartigen Palast Constantins setzten wir sammt unsern Pferden über das Goldene Horn. Unser Jude führte uns auf einen Hügel, Burgnlu genannt, der etwa eine englische Meile von der Ringmauer entfernt ist. Die Aussicht ist überraschend schön: man sieht das Marmorameer, den Olymp, die asiatischen Gefilde, Stambul und den Bosporus, der sich durch prächtige mit Landhäusern und Palästen besetzte Gärten windet. An dieser Stelle pflanzte Mohammed II., entzückt über dieses Eden, seine Fahne auf und schwur bei dem Propheten, daß er Constantinopel nehmen oder vor den Mauern sein Leben lassen werde. Nach fünfundfünfzigtägiger Belagerung hielt er sein Wort.

Ermüdet und erhitzt stiegen wir vor einem Kaffeehaus ab. Kaum hatten wir die Schwelle überschritten, so sahen wir uns gezwungen alle Nationaleitelkeit bei Seite zu setzen und zu gestehen, daß die Türken das Leben zu genießen verstehen. Statt uns, wie man in England oder Frankreich gethan haben würde, in ein Gastzimmer zu weisen oder in ein kleines Cabinet einzupferchen, führte uns der Wirth durch einen hübschen Garten an einen Springbrunnen. Wir legten uns auf den weichen schwellenden Rasen; der Wirth brachte uns Pfeifen, Limonade, Kaffee und Backwert, so daß wir ganz orientalisch frühstückten. Lord Byron war mit diesen Genüssen, welche ihm Griechenland geboten, bereits bekannt; mir hingegen war Alles neu, ich war entzückt.

Als wir einige Pfeifen von dem besten Tabak unseres Juden getaucht hatten, stiegen wir wieder zu Pferde und ritten weiter. In einer Viertelstunde kamen wir an eine griechische Kirche, welche im ganzen Lande ein Gegenstand großer Verehrung ist.

Der Mönch, welcher uns umherführte, zeigte uns nicht sogleich das Innere der Kirche, sondern führte uns an einen mit vergoldetem Geländer umgebenen Teich. Er krümelte ein mitgebrachtes Stück Brot ins Wasser und einige Fische, welche ich für Schleien zu erkennen glaubte, kamen sogleich vom Grunde an die Oberfläche und erhaschten das Futter, welches ihnen der Mönch mit auffallenden Geberden und Begrüßungsformeln zuwarf. Ich hatte immer geglaubt, daß in derlei Fällen die Fische dankbar sein müßten; hier aber war’s umgekehrt, die Mönche gaben ihnen in Brotkrumen nur einen kleinen Theil dessen zurück, was sie an Almosen einbrachten. Das Ereigniß, welches diese Fische zum Gegenstande der Verehrung gemacht hat, bezieht sich aus die Eroberung von Constantinopel, und ich erzähle es so wieder, wie es von der Volkssage mitgetheilt wird.

Mohammed II., welcher die eroberte Stadt zur Metropole seines Reiches machen wollte, glaubte seinen Soldaten für ihre Mühe etwas schuldig zu sein; er erlaubte ihnen zu plündern, verbot ihnen aber jede Brandstiftung. Die Soldaten machten von dieser Erlaubniß den gewissenhaftesten Gebrauch und da ihnen nur drei Tage bewilligt waren, so verloren sie keine Zeit. Die entlegensten Schlupfwinkel wurden durchsucht, selbst Kirchen und Klöster wurden nicht verschont. Die Mauer, an welche sich die Kirche dieses Klosters lehnte, galt für unersteigbar; der Archimandrit, auf den Schuh des heil. Dimitri vertrauend, ließ ganz unbesorgt Fische zur Mahlzeit backen.

Während dieser gastronomischen Vorbereitungen erschien ein Mönch und meldete ganz erschrocken, daß die Türken die Marter durchbrochen hatten und die Kirche plünderten. Diese Schreckenskunde schien dem Archimandriten so unglaublich, daß er, auf die in der Pfanne bratenden Fische zeigend, antwortete: »Ich werde eher glauben, daß diese Fische aus der Pfanne springen und auf dem Fußboden schwimmen werden, als daß Du die Wahrheit sprichst.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so verließen die Fische sammt und sonders die Bratpfanne und hüpften auf den Steinplatten umher.

Ueber dieses Wunder erstaunt, nahm der Archimandrit die Fische auf und eilte zu dem Teich, aus welchem er sie genommen hatte. Aber kaum hatte er den Garten betreten, so erschien ein Türke und schoß ihn nieder. Der tödtlich verwundetet Archimadrit sank am Ufer des Wassers nieder. Die Fische sprangen nun in den Teich, während der Märtyrer den Geist aufgab.

Die Nachkommenschaft jener Fische zieht nun viele Pilger und neugierige Reisende herbei, und jeder macht dem Kloster ein Geschenk. Wir waren freilich keine Rechtgläubigen, aber der Mönch, der die Honneurs machte, hatte sich über unsere Gabe nicht zu beklagen.

Von dem Kloster begaben wir uns auf einen Friedhof, dessen dunkles Grün wir schon von weitem bemerkt hatten. Wie die alten Römer, suchen sich auch die Türken die ewige Ruhe möglichst behaglich zu machen. Einer der größten Genüsse wird in diesem heißen Klima durch Schatten und Kühle geboten, und diese Genüsse, welche im Orient so selten sind, wollen die Osmanli wenigstens nach ihrem Tode finden. Daher sind die türkischen Friedhöfe nicht nur ein kühles Ruhelager für die Verstorbenen, sondern auch ein angenehmer Spaziergang für die Lebenden. Am Ende jedes Grabes sieht eine blau oder rosenroth angestrichene kleine Säule mit goldener Inschrift, und auf der Säule steckt ein Turban. Man kommt in Versuchung, diese Gräber für eigenthümliche, fast komische Verzierungen der schattigen Laubgänge zu halten. Hier erwarten die Lüstlinge von Stambul, behaglich auf Polstern ruhend, die Liebesbriefe oder mündlichen Botschaften, welche ihnen ihre Schönen durch griechische Sclavinnen oder Jüdinnen senden.

Nach Sonnenuntergang werden diese herrlichen Gärten von den Spaziergängern freilich verlassen; sie werden dann der Sammelplatz der Diebe oder ein Hinterhalt für die lauernde Rache, und nicht selten findet man Morgens einen Leichnam, der, durch die Schönheit des Ortes angelockt, ein Grab gesucht zu haben scheint.

Der Tag neigte sich, wir hatten den Weg um die Ringmauern, d.i. etwa achtzehn englische Meilen, gemacht; wir ersuchten daher unsern Führer, uns schnell die größten Merkwürdigkeiten in der Stadt zu zeigen.

Aber dies machte eine neue Vorsichtsmaßregel nothwendig: wir mußten uns zur englischen Gesandtschaft begeben und einen Janitscharen mitnehmen, um in der heiligen Stadt, deren Umgebungen schon mit Bedauern den Giaurs überlassen sind, nicht insultirt oder wohl gar angegriffen zu werden. Mr. Adair ließ sogleich nach türkischer Sitte Pfeifen, Limonade und Kaffee bringen: nach kurzer Rast brachen wir wieder auf, um noch einmal über das Goldene Horn zu setzen. Der Weg führte uns wieder durch die Straße, wo wir den unglücklichen Greis auf seinem Todesgange gesehen hatten.

Ich blickte unwillkürlich zu dein Fenster auf, wo ich die weibliche Stimme gehört hatte; ich glaubte durch das Gitter zwei feurige Augen zu sehen. Ich blieb etwas hinter den Anderen zurück; ein zarter Finger schob sich durch das Gitter und liest einen Gegenstand fallen, den ich nicht erkannte.

Ich ritt einige Schritte vorwärts, rief einen Lastträger herbei, um ihm mein Pferd zu übergeben, und stieg ab, als ob ich selbst etwas verloren hätte.

Die schone Unsichtbare hatte einen Ring mit einem sehr werthvollen Smaragd fallen lassen.

Es war nicht zu bezweifeln, daß sie den kostbaren Ring absichtlich hatte fallen lassen; ich nahm ihn daher auf und steckte ihn an den Finger in der Erwartung, daß es der Talisman sei, der mich einst zu einem Liebesabenteuer führen werde.

Für einen Neuling hatte ich übrigens meine Evolution recht geschickt ausgeführt; Niemand errieth die Ursache meiner Zurückbleibens, ausgenommen unser Jude, der ein paarmal einen verstohlenen Blick auf meine Hand warf; aber es war vergebens, denn der Ring war unter meinem Handschuh versteckt.

Ich gestehe, daß ich den Kopf voll von abenteuerlichen Ideen hatte und den Wunderdingen, welche uns noch gezeigt wurden, nur sehr geringe Aufmerksamkeit widmete.

Diese Wunderdinge bestanden indem Aeußern von Aja Sofia, denn das Innere ist den wahren Gläubigen vorbehalten; ferner in dem Hippodrome und dem Obelisken, in den Cisternen, in einigen mageren, räudigen Löwen, welche der Großherr in einem Wagenschuppen gefangen hält, in einigen Bären und einem Elephanten, Kaum war die Pforte des Serai mit ihrem Zierath von abgeschlagenen Köpfen und abgeschnittenen Ohren im Stande mich meinen Träumen zu entreißen, und ich kam mit allen Abenteuern von »Tausend und Eine Nacht« im Kopfe an Bord des »Trident« zurück. Ich begab mich sogleich in mein Zimmer, verriegelte die Thür und betrachtete den Ring. Vielleicht würde eine verborgene Inschrift meine Zweifel lösen; aber ich entdeckte nichts, es war ein einfacher goldener Ring mit einem allem Anscheine nach sehr werthvollen Smaragd, und die sorgfältigste Untersuchung eröffnete meinen Muthmaßungen ein immer weiteres Feld.

Ich ging auf das Verdeck, um die Sonne hinter den europäischen Bergen untergehen zu sehen. Die ganze Mannschaft war im Sonntagsstaate versammelt, alle Arbeit ruhte.Einige schliefen auf dein Fußboden, andere lagen auf den aufgerollten Tauen und lasen, andere gingen ernst und schweigend auf und ab.

Plötzlich hörte man lautes Geschrei am Ufer – Aller Blicke richteten sich neugierig nach dieser Seite hin.– Aus einem Thore des großen Serai kam ein von tobenden Menschen verfolgter Türke und sprang in eine Barke, welche er mit der Hast der Verzweiflung losmachte.

Anfangs schien der Flüchtling unschlüssig, welchen Weg er nehmen sollte; aber als sich seine Verfolger ebenfalls in die am Ufer liegenden Schaluppen geworfen hatten und ihm nachruderten, so fuhr er auf den »Trident« zu. Ohne die feindselige Haltung unserer Schildwache, welche das Gewehr auf ihn anschlug zu beachten, ergriff er die Leiter an der Backbordseite, kletterte rasch herauf, lief an die Ankerwinde, kniete nieder, zerriß seinen Turban, schlug ein Kreuz und sprach einige Worte, die Niemand verstand.

In diesem Augenblicke kam Jakob mit Lord Byron, der ihn eben bezahlt hatte, auf das Verdeck, und erklärte daß der Flüchtling, welcher wahrscheinlich ein Verbrechen begangen, den Islam abschwöre und durch diese Zeichen und Worte zu verstehen gebe, daß er Christ werden wolle, um unseres Schutzes ganz sicher zu sein. Unser Dolmetscher täuschte sich nicht; gleich darauf wurde die Auslieferung des Mörders mit lautem Geschrei verlangt, und der »Trident« war von mehr als fünfzig Barken umringt, welche mindestens fünfzehnhundert Menschen enthielten.

Man muß dieses Schauspiel gesehen haben, um sich einen Begriff davon zu machen. – Wie ihre Renner, welche nur Schritt und Galopp kennen, haben die Türken keinen Mittelweg zwischen träger Ruhe und ungeheurer Aufregung. In diesem letzteren Falle gebärden sie sich wie Teufel; alle ihre Bewegungen sind toll und todesdrohend, wie der Zorn, der sie erfüllt; sie berauschen sich nicht in Wein, dessen Genuß ihnen der Prophet untersagt hat, sondern durch den Anblick des Blutes. Sobald sie Blut sehen, sind sie keine Menschen mehr, sondern wilde Thiere, die sich weder durch Vernunftgründe noch durch Drohungen beschwichtigen lassen. Es war in der That ein Wunder, daß der Dolmetscher etwas verstehen konnte unter diesem Wortschwall, unter diesem Geschrei und Gebrüll.

Diese Scene hatte etwas Phantastisches und nahm einen so drohenden Charakter an, daß alle Matrosen instinct mäßig und ohne Befehl zu den Waffen griffen, als ob das Schiff in Gefahr gewesen wäre, von den Türken geentert zu werden. Die Schreier wurden indeß ziemlich kleinlaut, als sie diese Vorkehrungen sahen, und der Lieutenant Burke, der inzwischen auf das Verdeck gekommen war, befahl unseren Juden, die Türken zu fragen, was sie wollten.

Als Jacob zu sprechen versuchte, ging das Schreien und Toben wieder an; die Säbel und Kandschare fuhren aus der Scheide und der Tumult wurde drohender als zuvor.

»Nehmet den Mann,« sagte Burke auf den Flüchtling zeigend, der entblößten Hauptes mit zugleich erschrockenen und zornigen Blicken seine Verfolger anstarrte und den Fockmast umfaßt hielt; »nehmet den Mann und werfet ihn in’s Meer!

»Wer gibt an meinem Bord Befehle, wenn ich da bin?« sagte eine dröhnende Stimme, welche, wie im Sturm und im Kampfe, alle anderen Stimmen übertönte.

Alle sahen sich um und erkannten den Capitän, der unbemerkt auf das hohe Hinterdeck gekommen war und den ganzen Auftritt übersah. Burke schwieg und erblaßte. Auch die Türken mochten in dein großen Manne mit dem weißen Haar und der gestickten Uniform wohl den Befehlshaber der Christen erkennen, denn alle Gesichter wandten sich zu ihm und das Rachegeschrei wurde lauter.

Der Capitän fragte Jakob, wie man in türkischer Sprache Schweigen gebiete, führte sein Sprachrohr zum Munde und rief das ihm vorgesagte Wort mit so gewaltiger Stimme, daß es wie ein Donnerschlag in die tobende Menge fiel.

Der Tumult hörte sogleich auf, die Säbel und Kandschare kehrten in ihre Scheiben zurück, die drohend erhobenen Ruder sanken. Jacob benutzte nun die Stille und fragte, was der Flüchtling verbrochen.

Alle Stimmen erwiderten im Chor: »Er hat getödtet! er muß es mit seinem Leben büßen!«

Jakob gab durch einen Wink zu verstehen, daß er sprechen wolle; die Türken schwiegen.

»Wen hat er getödtet? wie hat er’s gemacht?«

Ein Mann richtete sich auf und sagte

»Ich bin der Sohn des Ermordeten; das Blut an seinem Kaftan ist das Blut meines Vaters. Ich schwöre bei diesem Blut, daß ich sein Herz haben will; ich will es ihm aus der Brust reißen und den Hunden vorwerfen.«

»Wie hat er getödtet?« fragte Jacob.

»Aus Rache. Er mordete zuerst meinen Bruder-, der im Hause war, und dann meinen Vater, der vor der Thür stand. Er hat sie Beide, den Knaben und den Greis, in meiner Abwesenheit meuchlings ermordet, ohne daß sie sich vertheidigen konnten. Er hat den Tod verdient!«

»Antwortet ihnen, daß es wohl wahr sein mag,« sagte der Capitän; »aber dann muß er vom Gericht verurtheilt werden.«

Jacob schien diese Worte nicht recht ins Türkische übersetzen zu können; endlich gelang eo ihm und das Schreien und Toben fing wieder an.

»Wir wollen den Mörder haben! Er muß sterben!« riefen die Türken.

»Er soll nach Stambul gebracht und dem Kadi übergeben werden.«

»Nein, nein! wir wollen ihn haben, und wenn Ihr ihn nicht ausliefern wollt, so holen wir ihn – wir schwören es bei Mohammed’s Kameel!«

»Aber im Koran steht geschrieben: Du sollst nicht schwören bei dem Kameel!« antwortete Jakob.

»Nieder mit dem Juden!« schrien die Türken, die wieder ihre Säbel und Kandschare zogen. »Nieder mit den Christen!«

»Die Leitern am Steuerbord und Backbord aufgezogen!« befahl der Capitän mit dem Sprachrohr. »Der Erste, der uns nahe kommt, wird niedergeschossen!«

Der Befehl wurde sogleich vollzogen, und gegen zwanzig Mann, mit Carabinern und Büchsen bewaffnet, stiegen zu den Marsen hinauf.

Diese Vorkehrungen, deren Bedeutung nicht in Zweifel zu ziehen war, beruhigten einigermaßen den Zorn der wilden Rotte, welche sich etwa dreißig Schritte vom Schiffe zurückzog. Während dieses Rückzugs fielen zwei Schüsse, welche glücklicherweise Niemanden von der Schiffsmannschaft verwundeten.

»Feuert eine mit Pulver geladene Kanone ab!« befahl der Capitän, »und wenn diese Warnung nicht genügt, so schießet scharf auf eine Barke!«

Eine kurze Pause folgte diesem Befehl, dann wurde ein blindgeladener Sechsunddreißigpfünder abgefeuert; eilte Rauchwolke stieg vom Hinterdeck zu den Raaen auf und wirbelte in der stillen Luft langsam zum Himmel empor.

Als sich die Rauchwolke zerstreut hatte, sahen wir alle Backen dem Ufer zueilen; nur eine blieb zurück. In dieser stand der Sohn des Ermordeten und hob drohend seinen Kandschar.

»Dreißig wohlbewaffnete Marinesoldaten in die Schaluppe!« rief der Capitän, »den Mörder zum Kadi geführt!«

Die Schaluppe wurde sogleich hinabgelassen und der Mörder hineingesetzt. Dreißig Mann nahmen mit geladenen Gewehren in der Schaluppe Platz, welche sogleich, von zwölf kräftigen Ruderern in Bewegung gesetzt, über den Wasserspiegel glitt.

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06 aralık 2019
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