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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 13

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IV

Es ging etwa zehn Minuten durch größtentheils enge Straßen, die mir ganz unbekannt waren. Endlich hielten wir vor einem recht ansehnlichen Hause. Mein Führer öffnete die Thür und verschloß sie wieder, als ich eingeritten war. Ich befand mich in einem viereckigen Hofe der meinem Esel wohl bekannt zu sein schien, denn er ging von selbst an eine dem Eingange gegenüber befindliche Thür. Ich wollte auf die Steinplatten springen, aber der Sclave trat rasch näher, beugte ein Knie, um mich auf dasselbe treten zu lassen, und richtete dabei den Kopf auf, damit ich mich mit der Hand darauf stütze. Ich fügte mich dem üblichen Ceremoniel, und als ich sah, daß er sich anschickte den Esel in den Stall zu führen, gab ich ihm durch eine gebieterische Geberde zu verstehen, daß er vorangehen solle. Er gehorchte mit einer Pünktlichkeit, welche bewies, daß er mit der Zeichensprache vertraut war.

Es war ein Glück für mich, indem Labyrinth von Gängen und Zimmern mich zurecht finden zu können. Ich suchte mich, für den Fall, daß ein schneller Rückzug nothwendig würde, so gut als möglich zu orientiren, und ans der Anzahl von umherschleichenden oder wie Bildsäulen stehenden Dienern schloß ich, daß wir uns in einem vornehmen Hause befanden. Nachdem ich durch eine lange Reihe von Zimmern gegangen war, that sich eine Thür auf und ich trat in ein hellerleuchtetes eleganteres Zimmer. Mein Führer schloß die Thür hinter mir und ich stand vor einem kaum fünfzehnjährigen, wunderbar schönen Mädchen.

Meine erste Sorge war, den vergoldeten Riegel vorzuschieben; dann betrachtete ich staunend und wonnetrunken die Fee, deren Schloß mir ein Zauberstab geöffnet zu haben schien. Sie lag aus seidenen Polstern; ihr blaßrother, mit Silber gestickter seidener Kaftan schmiegte sich fest an ihren schlanken Leib und war so weit ausgeschnitten, daß Hals und Schultern entblößt waren die langen weiten Aermel hingen hinten herab und zeigten die durchsichtigen Unterarme. Der Kaftan war mit einem kostbaren Gürtel zusammengehalten. Auf dem Kopfe trug sie den Kalpok das allerliebste kirschrothe Sammtkäppchen, von welchem eine goldene Eichel herabhängt. Das Haar war gescheitelt und in den Schleifen mit Edelsteinen und Perlen geschmückt. Zwei lange Flechten hingen über die Schultern herab. Ihre Gesichtszüge waren außerordentlich schön und regelmäßig; es war der reine griechische Typus mit den großen schwarzen Augen, der geraden Nase und den Korallenlippen.

Diese Musterung dauerte nur wenige Augenblicke. Die schöne Griechin streckte den Kopf vor und sah mich betroffen an. Ich dachte an meine Verkleidung und sah wohl, daß sie noch zweifelte, ob ich wirklich der Erwartete sei. Ich warf daher rasch mein Gewand und meinen Schleier ab und stand als Midshipman vor ihr. Sie stand nun auf und sagte, die Hände nach mir ausstreckend, in italienischer Sprache:

»Herr Offizier, retten Sie mich! Ich beschwöre Sie bei der heiligen Jungfrau.«

»Wer sind Sie?« fragte ich und eilte auf sie zu, um sie zu halten, denn ich sah, daß sie wankte. »Und aus welcher Gefahr soll ich Sie retten?«

»Wer ich bin?« antwortete sie. »Ach, ich bin die Tochter des Unglücklichen, den Sie auf seinem Todesgange gesehen haben. Und die Gefahr, aus der Sie mich retten können, besteht in den Nachstellungen des Unmenschen, der meisten Vater morden ließ, um mich in seine Gewalt zu bekommen.«

»Was kann ich für Sie thun?« sagte ich. »Reden Sie, verfügen Sie über mich.«

»Vor Allem müssen Sie wissen was ich fürchte und hoffe Hören Sie, ich werde mich kurz fassen.«

»Wir sollten die kostbare Zeit nicht mit Worten verlieren,« entgegnete ich; »Sie sind jung und schön, Sie haben in Ihrem Unglück Vertrauen zu meiner Entschlossenheit und Aufrichtigkeit; ist das nicht genug?«

»Nein, ich glaube, daß für den Augenblick nichts zu fürchten ist. Der Tsukadar [Befehlshaber der Pagen.] muß wegen des Festes im Serai bleiben, und ein Fluchtversuch ist jetzt nicht zu wagen, denn es sind noch zu viele Leute wach und auf der Lauer.«

»So reden Sie.«

»Mein Vater war ein Grieche, von königlichem Geblüt und reich: drei Verbrechen, welche in Constantinopel nicht verziehen werden. Der Tsukadar zeigte ihn an, mein Vater wurde verhaftet und ich verkauft; er wurde ins Gefängniß, ich hierher geschleppt; er wurde zum Tode, ich zum Leben verurtheilt. Meine Mutter allein blieb verschont.«

»Ich habe sie gesehen,« antwortete ich; »es war ohne Zweifel die Frau, welche bei dem Leichnam Ihres unglücklichen Vaters wachte.«

»Ja, ja,« antwortete die junge Griechin händeringend, »ja, das war sie!«

»Fassen Sie Muth!« sagte ich.

»O ja, ich habe Muth,« erwiederte sie mit unheimlichem Lächeln; »Sie werden es gelegentlich sehen. Ich wurde also in das Haus meines Herrn gebracht – in das Haus des Unmenschen, der meinen Vater gemordet und mich mit dem Gelde meiner Familie gekauft hatte; er sperrte mich hier ein. Am folgenden Tage hörte ich ein Getümmel; ich hoffte noch, ohne zu wissen was ich hoffte. Ich eilte ans Fenster – mein Vater wurde zum Tode geführt!«

»Sie steckten also die Finger durch das Gitter? und Sie stießen jenen Schmerzensschrei aus, der mich so tief erschütterte?«

»Ja, ich war’s. Und ich sah, wie Sie zum Fenster heraufschauten und Ihren Dolch ergriffen; ich ahnte, daß Sie ein edles Herz haben und mich retten würden, weint es in Ihrer Macht stände.«

»Sagen Sie, was ich thun soll.«

»Aber zu diesem Zwecke mußte ich eine Verbindung mit Ihnen anknüpfen. Ich entschloß mich, den Anblick meines Peinigers zu ertragen. Ja, ich bezwang mich – ich blieb gelassen im Angesicht des Unholds, der mit dem Blute meines Vaters besudelt war; ich redete ihn an, ohne ihn zu verfluchen. Er wähnte nun meine Zuneigung gewonnen zu haben und schickte mir in der Freude seines Herzens diese prächtigen Kleider und kostbaren Geschmeide. – Eines Morgens erschien Jacob, der reichste Juwelier in Constantinopel.«

»Wie,« sagte ich erstaunt, »der Schacherjude?«

»Ja wohl. Ich habe ihn schon lange gekannt. Mein Vater, der mir gern eine Freude machte – ich war sein einziges Kind – hatte zuweilen Schmucksachen und Stoffe von ihm gekauft. Ich gab ihm durch einen Wink zu verstehen, daß ich ihn zu sprechen wünschte, er sagte nun zu dem Tsukadar, daß er nichts von dem was ich wünschte bei sich habe, daß er aber den folgenden Tag wiederkommen wolle. Den folgenden Tag hatte der Tsukadar Dienst im Serai; aber er befahl den Juden auch in seiner Abwesenheit vorzulassen. Zwei seiner Hüter sollten bei der Unterredung zugegen sein. Inzwischen sah ich Sie zum zweiten Male, denn in der Erwartung Sie wiederzusehen, brachte ich meine ganze Zeit am Fenster zu. Ich ließ meinen Ring fallen, Sie nahmen ihn mit so sichtbarer Freude auf, daß ich seit jenem Augenblicke versichert war einen Freund zu haben.

»Am folgenden Tage kam Jacob wieder. Der Hüter gingen nicht von der Stelle; aber ich sagte ihm in italienischer Sprache was ich wünschte und hoffte. Ich beschrieb ihm Ihre Person, von der Farbe Ihrer Haare bis zu der Form Ihres Dolches; ich hatte Alles im Gedächtniß behalten. Er sagte, daß er Sie zu kennen glaube; denken Sie sich meine Freude! – Da ich nicht wußte, ob wir uns wiedersehen würden, verabredeten wir Alles auf heute, weil der Tsukadar wegen des Festes im Serai sein muß. Meine Amme, welche man mir mehr aus Gleichgültigkeit als aus Mitleid gelassen hatte, sollte sich wie gewöhnlich in Begleitung eines Kapidschi Jakob begeben, um Parfümerien zu kaufen; dort sollten Sie warten, ihren Schleier und ihr Gewand nehmen und statt ihrer hierherkommen. Unterdessen sollte sie zu meiner Mutter gehen, und diese mit Hilfe einiger treugebliebenen Diener am Thurme von Galata eine Barke bereit halten. Wenn Sie das Stelldichein annehmen würden, sollte mir Jakob eine Guitarre schicken. – Die Guitarre habe ich heute erhalten – da ist sie, – und Sie sind auch da. Sind Sie entschlossen mir beizustehen? Wie Sie sehen, ist bis jetzt Alles gelungen, das Uebrige hängt von Ihnen ab.«

»Sagen Sie, was soll ich thun?«

»Durch diese lange Zimmerreihe können wir nicht gehen; der einzige Ausweg ist durch das Fenster dieses Cabinets.«

»Aber es ist zwölf Fuß vom Erdboden —«

»Das darf Sie nicht kümmern, Sie können mich an meinem Gürtel hinablassen. Aber hinter diesem Gitter sind Eisenstangen.«

»Ich werde eine derselben mit meinem Dolch losmachen.«

»Dann wollen wir Hand ans Werk legen; denn ich glaube, daß es Zeit ist.«

Ich ging in das Cabinet. Hinter den blaßrothen Vorhängen sah ich die Eisenstäbe. Ich warf einen Blick auf die Straße und glaubte zwei Männer an der nahen Straßenecke zu bemerken; und fing nichtsdestoweniger meine Arbeit an, denn ich glaubte nicht, daß sie als Wächter da seien.

Der Stein war weich, und ich konnte mit jedem Dolchstoß kleine Stückchen davon losmachen. Die junge Griechin sah mir aufmerksam zu. Meine Rolle war gewechselt; aber ich weiß wirklich nicht, ob ich trotz ihrer wunderbaren Schönheit nicht stolzer war, von ihr zum Retter gewählt zu sein, als ihre Liebe erworben zu haben. Es war in meinem Abenteuer etwas Ritterliches, und ich war auf alle Folgen gefaßt, zu jedem Opfer bereit.

Während ich eifrig arbeitete und das Ende des Eisenstabes sich schon zu lösen begann, legte die Griechin eine Hand aus meinen Arm und lauschte auf ein Geräusch. So stand sie einige Augenblicke regungslos wie eine Bildsäule, ohne ein anderes Lebenszeichen zu geben, als daß sie meinen Arm immer fester drückte.

»Er kommt nach Hause.« sagte sie endlich.

»Was ist zu thun?« fragte ich.

»Das hängt von den Umständen ab. Vielleicht kommt er nicht hierher, und dann liegt uns wenig daran, ob er zu Hause ist oder nicht.«

Sie lauschte wieder eine kleine Weile; dann sagte sie:

»Er kommt!«

Ich machte eine Bewegung, um ins Zimmer zu eilen und ihm entgegenzutreten, wenn er die Thür öffnen würde.

»Nein Wort, keine Bewegung, sonst sind Sie verloren!« flüsterte sie mir zu; »und ich bin es mit Ihnen.«

»Aber ich kann doch nicht so versteckt bleiben! Es wäre feig und erbärmlich von mir.«

»Still!« sagte sie, indem sie eine Hand auf meinen Mund hielt und mir mit der andern den Dolch entriß. »Schweigen Sie und lassen Sie mich machen.«

Sie eilte ins Zimmer und versteckte meinen Dolch unter den Polstern, auf denen sie gelegen, als ich gekommen. In diesem Augenblicke wurde an die andere Thür geklopft.

»Wer ist da?« fragte die Griechin, indem sie den Polster wieder zurechtlegte.

»Ich!« antwortete eine starke, aber sanfte Mannesstimme.

»Ich will meinen Herrn und Gebieter sogleich einlassen,« antwortete die Griechin, »denn er ist willkommen bei seiner Sclavin.«

Sie zog schnell die Cabinetsthür zu, schob den Riegel vor, und ich blieb in meinem Versteck, wo ich Alles hören, wenn auch nicht sehen konnte was vorging.

In meinem vielbewegten, gefahrvollen Leben habe ich mich nie in einer so peinlichen Stimmung befunden, wie damals. Ich war unbewaffnet und konnte weder zu meiner Vertheidigung noch zum Schutz des Mädchens, welches mich zu Hilfe gerufen, das Mindeste thun; ich mußte ein schwaches Wesen, welches nur die den Griechen eigene Schlauheit für sich hatte, eine Partie spielen lassen, in welcher mein Leben der Einsatz war. Wenn sie verlor, so war ich in dem Cabinet gefangen, wie ein Wolf in der Falle, ohne entkommen oder mich wehren zu können; wenn sie gewann, so hatte sie der Gefahr trotz geboten wie ein Mann, und ich war versteckt gewesen wie ein Weib. Ich suchte irgend eine Waffe, aber ich fand nur Polster, einige Strohstühle und Blumenvasen. Ich trat leise an die Thür und lauschte.

Sie sprachen türkisch, und da ich ihr Geberdenspiel nicht sehen konnte, so verstand ich nicht was sie sagten. Aus der sanften Stimme des Mannes war indeß zu schließen, daß er mehr bat als drohte. Nach einigen Augenblicken hörte ich die Klänge der Guitarre und den reinen, wohlklingenden, feierlich ernsten Gesang der Griechin.

Ich war im höchsten Grade erstaunt.

Dieses kaum fünfzehnjährige Mädchen, welches noch vor wenigen Augenblicken den Tod des Vaters und das eigene Elend beweint hatte; dieses Mädchen, welches eben in dem glücklich begonnenen Befreiungswerke unterbrochen worden war, welches mich im Nebenzimmer versteckt hielt und keine andere Hoffnung hatte als den unter dem Polster verborgenen Dolch – dieses Mädchen sang in Gegenwart des furchtbar gehaßten Mannes mit so ruhiger Stimme, als ob sie im trauten Familienkreise gewesen wäre.

Ich lauschte und wartete; es war mir, als ob ich, wie im Traume, von einer höheren Macht aus der Wirklichkeit gerissen würde. – Der Gesang hörte auf. Das nun folgende Gespräch wurde noch zärtlicher, als das vorige gewesen war. Dann folgte eine kurze tiefe Stille, welche plötzlich durch einen dumpfen Schmerzensschrei unterbrochen wurde.

Ich stand mit angehaltenem Athem und starrte die Thür an. Ich hörte noch ein leises Stöhnen – dann war Alles still. Mein Herz pochte so laut, daß ich die leichten Fußtritte, welche sich der Thür näherten, kaum hörte. Der Riegel wurde zurückgeschoben, die Thür that sich auf und im Mondlicht, welches durch das offengebliebene Fenster fiel, sah ich die junge Griechin in das Cabinet treten. Sie trug nur ein langes Oberkleid; ihr Gesicht war leichenblaß und bis auf die Edelsteine und Perlen im Haar hatte sie ihren Schmuck abgelegt. Ich wollte einen Blick in das Zimmer werfen, aber das Licht war ausgelöscht, ich konnte in der Dunkelheit nichts unterscheiden.

»Wo bist Du?« sagte sie zu mir; denn ich war vor der schauerlichen Erscheinung zurückgewichen und stand in einem Winkel.

»Hier,« antworte ich, einen Schritt vortretend.

»Nun, ich habe das Meine gethan, sagte sie; »jetzt thue das Deine.«

Sie reichte mir den Dolch Sie hielt ihn beim Griff, ich faßte ihn bei der Klinge. – Die Klinge war warm und feucht. Ich öffnete die Hand und bemerkte im Mondschein, daß sie voll Blut war. Er war das erste Menschenblut, das mich berührte. Ich fühlte mich von einem eisigen Schauer durchbebt; aber ich sah ein, daß keine Zeit zu verlieren war, und legte wieder Hand ans Werk.

Die beiden Männer standen noch an der Straßenecke, aber ich kümmerte mich nicht um sie und arbeitete rüstig weiter, obgleich sie aufmerksam zu werden schienen. Endlich hob ich die Eisenstange heraus; der dadurch entstehende Zwischenraum war so breit, daß wir hindurchkriechen konnten. Das äußere Holzgitter war leicht beseitigt. – Gleich darauf eilte der eine der beiden Männer mitten auf die Straße und sagte:

»Sind Sie es, John? Ich bin mit Bob gekommen, um Ihnen nöthigenfalls beizustehen.«

»James! Bob!« rief ich erstaunt. – Dann wandte ich mich zu der jungen Griechin, welche kein englisch verstand: »Jetzt sind wir gerettet. – Nein, nein,« sprach ich zum Fenster hinaus, »ich brauche nur ein Seil; habt Ihr eins bei Euch?«

»Wir haben sogar eine Strickleiter,« antwortete James. – »Komm hierher, Bob, und steile Dich an die Wand.«

Der Matrose gehorchte. James stieg rasch auf seine Schultern und reichte mir die beiden Enden einer Strickleiter, welche ich an den zwei noch übrigen Eisenstäben befestigte. James, der inzwischen wieder aus die Erde gesprungen war, zog nun die Leiter straff, so daß meine schöne Schutzbefohlene leichter hinuntersteigen konnte. Sie verlor keine Zeit und war in wenigen Secunden auf der Straße, zum größten Erstaunen meiner beiden Freunde, welche nicht wußten, was es bedeutete. In einem Augenblicke war ich bei ihnen.

»Mein Gott! was ist denn geschehen?« sagte James; »Sie sind ja leichenblaß und voll Blut. Werden Sie etwa verfolgt?«

»Nein, es müßte uns denn ein Gespenst auf den Fersen sein,««antwortete ich. »Aber es ist jetzt nicht Zeit, Ihnen die Geschichte zu erzählen. Wir haben keinen Augenblick zu verlieren.«

»Wo wartet die Barke?« fragte ich meine junge Griechin.

»Am Thurme von Galata,« antwortete sie, »aber ich weiß den Weg nicht.«

»Ich weiß ihn,« antwortete ich und faßte ihre Hand, um sie fortzuziehen; aber in demselben Augenblicke bemerkte ich, daß sie barfuß war.

Ich wollte sie auf den Arm nehmen; aber Bob kam mir zuvor, hob sie auf wie eine Feder und lief dem Ufer zu. James reichte mir ein Paar Pistolen, und so eilten wir Bob nach und nahmen ihn in die Mitte.

Wir eilten ohne Hinderniß weiter. Am Ende der Straße sahen wir plötzlich das Marmorameer wie einen Spiegel glänzen. Wir wandten uns nun links und gingen am Ufer fort; mehre Barken fuhren zwischen Galata und Constantinopel nach beiden Richtungen.

Eine einzige Barke lag still, vier Klafter vom Ufer. Wir blieben stehen, und die junge Griechin sah einen Augenblick betroffen nach dem Fahrzeuge hinüber, denn dieses schien leer zu sein. Es erhob sich indeß eine Gestalt in der Barke.

»Meine Mutter!« sagte sie schluchzend.

»Mein Kind!« antwortete eine tiefbewegte Stimme; »mein Kind, bist Du es? Es erschienen nun vier Ruderer, welche sich versteckt gehalten hatten; die Barke schoß wie eine Schwalbe über das Wasser und war in einem Augenblicke am Ufer. Mutter und Tochter sanken einander in die Arme; dann fiel uns die Mutter zu Füßen und fragte, wem sie für die Rettung ihres Kindes zu danken habe. Ich hob sie auf und sagte leise zu ihr:

»Es ist kein Augenblick zu verlieren. Fort, um des Himmel willen, fort! Ihr Leben steht auf dem Spiel.«

»So leben Sie wohl,« sagte die junge Griechin, meine Hand drückend. »Gott allein weiß, ob wir uns wiedersehen werden. Wir wollen nach Kardiki in Epirus, wo unsere noch lebenden Verwandten wohnen. Nennen Sie mir Ihren Namen, Freund, damit ich ihn im Gedächtniß behalte und täglich für den Träger desselben beten kann.«

»Ich heiße John Davys,« antwortete ich. »Ich hätte gern mehr für Sie gethan; aber ich habe gethan, was ich konnte.«

»Und ich heiße Wasiliki,« erwiederte die junge Griechin; »und Gott sagt mir, daß wir uns nicht zum letzten Male sehen.«

Sie sprang in die Barke und riß das kostbare Geschmeide, welches sie zu meinem Erstaunen nicht abgelegt hatte, aus den Haaren.

»Hier,« setzte sie hinzu, »nehmen Sie die Belohnung, welche ich Jakob versprochen. Gott schenke Ihnen einen Lohn, der besser ist als alle Diamanten der Welt!«

Der Schmuck fiel zu meinen Füßen nieder. Die Barke stieß schnell vom Ufer ab. Eine Zeit lang sah ich die weißen Gewänder der beiden Griechinnen noch im Mondschein schwimmen, endlich verschwand die Barke wie ein Traumgesicht und verlor sich in der Ferne.

Ich stand eine Weile wie versteinert am Ufer, und ich würde gewiß Alles, was ich diesen Abend erlebt hatte, für einen Traum gehalten haben, wenn ich nicht den Brillantschmuck vor Augen und den Namen Wasiliki im Gedächtniß gehabt hätte.

V

Sobald die Barke verschwunden war und wir uns allein am Ufer befanden, dachten wir an unsere Sicherheit. Unsere Lage war eben nicht erfreulich; denn wir waren alle Drei um Mitternacht ohne Erlaubniß am Lande, und überdies war der Weg von Galata nach Tophana von Schaaren herrenloser Hunde bedeckt, welche uns als Fremde zu erkennen schienen und folglich sich für berechtigt hielten uns aufzufressen. Endlich bedachte ich, daß ich zwar an dem Morde nicht betheiligt war, daß aber der Ermordete ein Sohn Mohammed’s, und zwar ein angesehener Mann war.

Diese beiden letzten Gründe trieben uns zur Eile an, obgleich wir wußten, daß wir bei unserer Rückkehr an Bord eine Strafe zu erwarten hatten. Wir gingen, von heißhungrigen Hunden verfolgt, rasch am Ufer fort. Von Zeit zu Zeit kamen diese Thiere uns so nahe und mit so unverkennbar feindseligen Absichten, daß wir gezwungen waren uns umzudrehen und sie abzuwehren. Bob trug einen tüchtigen Knotenstock, mit welchem er sie zurücktrieb; aber kaum waren wir zwanzig Schritte weiter gegangen, so waren uns die Hunde wieder auf den Fersen. Wenn einer von uns zurück geblieben oder gefallen wäre, so hätten sie ihn wahrscheinlich zerrissen, und dann wäre es um uns Alle geschehen gewesen, denn sobald sie einmal Blut gekostet, würden sie nicht mehr zurückgewichen sein.

Die Hunde verfolgten uns bis Tophana, wo Bob und James endlich ihre Barke fanden. James stieg zuerst ein, ich folgte ihm; Bob deckte den Rückzug, und das war keineswegs leicht. Unsere Gegner kamen uns so nahe, daß Bob einen der zudringlichsten mit dem Stocke niederschlug. Die andern fielen sogleich über den todten Hund her und fraßen ihn.

Bob benutzte diese Pause, um das Vorhängschloß der Kette aufzuschließen und ebenfalls in die Barke zu springen. Dann stießen wir vom Ufer ab. Die Hunde gaben durch ein fürchterliches Geheul zu erkennen, wie sehr sie bedauerten, keine nähere Bekanntschaft mit uns gemacht zu haben. Hundert Schritte vom Ufer nahm uns Bob die Ruder ab und trieb das Boot schneller fort, als wir Beide es vermocht hatten.

Man muß die lauen stillen Nächte im Orient kennen gelernt haben, um sich einen Begriff davon zu machen. Constantinopel bot im Mondschein mit den bunten Häusern, vergoldeten Kuppeln und zerstreuten Baumgruppen einen feenhaften Anblick. Der Himmel war tiefblau und ganz wolkenlos; in dem ruhigen spiegelglatten Meere waren alle Sterne sichtbar. Unser unweit des Serai von Scutari, gegenüber dem Leanderthurm vor Anker liegendes Schiff hatte hinter sich den Leuchtthurm, der auf dem Vorgebirge des Hafens von Chalcedon steht, und vor dem hellstrahlenden Lichte erhoben sich die schlanken Mastbäume mit dem viel verschlungenen Tauwerk, welches in der Ferne wie Spinnengewebe aussah.

Dieser Anblick erinnerte uns au unsere Lage, die wir im Anschauen der wundervollen Landschaft vergessen hatten. Bob mußte langsam rudern, um weniger Geräusch zu machen und weniger leuchtende Wellen aufzutreiben. Wir hofften so das Schiff zu erreichen, ohne von der Schildwache bemerkt zu werden, oder, wenn sie zu unseren Freunden gehörte, ohne daß sie Notiz von uns nähme. Dann gedachten wir in eine jener Luken zu schlüpfen, die an den Flanken eines Kriegsschiffes immer offen stehen, uns ruhig in unsere Hängematten zu legen und am andern Morgen zur Wache auf das Verdeck zu kommen, als ob nichts Ungewöhnliches vorgefallen wäre. Aber leider kam es anders.

Als wir dem »Trident« auf dreißig Schritte nahe gekommen waren, rief uns die Schildwache an:

»Holla! Barke, was wollt Ihr?«

»An Bord gehen,« antwortete ich, die Hände an den Mund haltend.

»Wer seid Ihr?«

»Die Midshipman John und James, und der Matrose Bob.«

»Zurück!«

Wir sahen einander ganz erstaunt an, denn wir erkannten in der Schildwache einen vertrauten Freund Bob’s, der gewiß gern bereit gewesen wäre, unser kleines Vergehen zu vertuschen. Ich nahm daher wieder das Wort und rief ihm zu:

»Du hast mich nicht verstanden, Patrick. Wir sind ja vom Schiffe und wollen an Bord, James, Bob und ich. Erkennst Du denn meine Stimme nicht? ich bin John Davys.«

»Zurück!« rief aber Patrick noch einmal, und mit so starker, gebieterischer Stimme, daß ich wohl einsah, eine dritte Aufforderung dieser Art müsse das ganze Schiff wecken. Bob, der die Gefahr erkannte, fing sogleich wieder an zu rudern.

Wir erriethen seine Absicht und gaben ihm durch Kopfnicken unsere Zustimmung zu erkennen. Er wollte außer Sicht des »Trident« kommen und dann einen Kreis beschreiben und mit noch größerer Vorsicht als vorhin heranrudern, um zu sehen, ob wir am Backbord nicht glücklicher sein würden, als am Steuerbord. Als wir daher außer Sicht waren, hielten wir einen Augenblick an, um das Ende der Ruder mit unseren Taschentüchern und mit einem kleinen Segel zu umwickeln; dann fing Bob wieder an so leise zu rudern, daß wir selbst gar kein Geräusch hörten, und unsere Ankunft nur durch den nachziehenden leuchtenden Streif verrathen wurde.

Wir hofften mittelst dieser Kriegslist unbemerkt an Bord zu kommen; aber als wir dem »Trident« aus fünfzig Schritte nahe gekommen waren, sahen wir das Gewehr des Backbordpostens still stehen, und gleich daraus wurden wir angerufen:

»Heda, Barke! Was wollt Ihr?«

»An Bord gehen,« antwortete James, der nun ebenfalls ungeduldig wurde.

»Zurück!« rief die Stimme.

Wir nahmen keine Notiz von der Warnung und ließen Bob weiter rudern.

»Zurück!« wiederholte die Schildwache und senkte das Gewehr. »Zurück, oder ich schieße!«

Dahinter steckt Lieutenant Burke,« murrte Bob.

»Wir müssen umkehren, es bleibt uns nichts Anderes übrig.«

»Wann können wir denn an Bord gehen?« fragte ich den Soldaten.

»Morgen Früh, wann die Wache abgelöst wird,« war die Antwort.

Wir mußten noch vier Stunden warten; aber es war nichts zu thun, wir ruderten bis auf die vorschriftsmäßige Entfernung zurück. Bob erbot sich, uns an’s Ufer zu rudern, wo wir es uns bequemer machen konnten als in der Barke; aber die Gesellschaft, die wir am Lande gefunden hatten, verleidete uns den nächtlichen Aufenthalt daselbst. Wir wollten lieber mitten im Bosporus bleiben. Unsere Strafe wäre wohl zu ertragen gewesen, wenn sie sich auf diese nächtliche Rast in der wunderschönen Landschaft beschränkt hätte; aber die Präliminarien hatten uns gelehrt, daß wir mehr zu erwarten hatten. Worin dieses »Mehr« bestehen würde, wußten wir freilich noch nicht, aber der bekannte Charakter Burke’s machte uns doch etwas besorgt. Daher verlebten wir, trotz des herrlichen Sonnenaufgangs, der mich zu jeder andern Zeit entzückt haben würde, vier peinliche Stunden. Endlich hörten wir den lauten Pfiff, das Zeichen zum Ablösen der Wache, und wir ruderten nun ungehindert auf das Schiff zu.

Als wir das Verdeck betraten, erblickten wir den Lieutenant Burke in voller Uniform sammt den übrigen Offizieren, welche ein Kriegsgericht zu bilden schienen. Da ein Dienstvergehen wie das unserige bei den Midshipman nur durch ein paar Tage Arrest und bei den Matrosen durch einige Hiebe bestraft wird, so konnten wir anfangs nicht glauben, daß diese gewaltige Zurüstung uns gelte. Aber wir wurden bald enttäuscht; Lieutenant Burke wollte uns als Ausreißer behandeln. Kaum hatten wir das Verdeck betreten, so sah er uns mit seinen tückischen Augen an, legte sein Gesicht in noch ernstere Falten als gewöhnlich und fragte:

»Wo kommen Sie her?«

»Vom Lande, Sir,« antwortete ich.

»Wer hat Ihnen die Erlaubniß gegeben?«

»Sie wissen, daß ich im Gefolge des Capitäns war.«

»Aber Sie hatten, wie die Andern, um zehn Uhr wieder am Bord sein sollen. Außer Ihnen sind Alle zurückgekommen.«

»Wir kamen um zwölf Uhr, aber wir wurden zurückgewiesen.«

»Auf ein Kriegsschiff geht man nicht um Mitternacht.«

»Ich weiß wohl, daß es eine ungewöhnliche Stunde ist; aber ich weiß auch, daß gewisse Umstände eine Ausnahme rechtfertigen.«

»Haben Sie eine Erlaubniß des Capitäns?«

»Nein, Sir.«

»Sie bekommen einen Monat Arrest.

Ich verneigte mich und trat einen Schritt zurück; aber ich blieb, um zu hören was er über James und Bob verfügen werde.

Als Burke mit mir fertig war, wandte er sich zu James und sagte mit seinem dämonischen Lächeln:

»Waren Sie auch im Gefolge des Capitäns?«

»Nein, Sir,« antwortete James; »ich will mich auch nicht entschuldigen: ich bin ohne Erlaubniß ans Land gegangen. Ich habe Strafe verdient, bestrafen Sie mich also – und zwar für Zwei.«

»Aha!« höhnte Burke, »es scheint, daß wir eine neue Auflage der Geschichte von Damon und Pythias haben sollen. – Warum sollte ich Sie denn für Zwei bestrafen?«

»Weil ich Bob auf meine Verantwortung mitgenommen habe.«

»Auf Ihre Verantwortung?« erwiederte Burke mit dem ihm eigenen höhnischen Lächeln, – »die Verantwortung eines Midshipman!«

James biß sich vor Aerger die Lippen blutig, aber er sagte kein Wort, obgleich ihm Burke absichtlich genügende Zeit zur Antwort ließ.

»Dies ist also Alles, was Sie zu Ihrer Vertheidigung zu sagen haben?« fuhr der Lieutenant nach einer kurzen Pause fort.

»Ja,« antwortete James »Sie bekommen einen Monat Arrest, und Bob bekommt zwanzig Hiebe.«

»Herr Lieutenant,« sagte ich vortretend, »würden Sie die Güte haben mir eine Privatunterredung zu bewilligen?«

Burke sah mich erstaunt an; er schien sich über meine Kühnheit zu wundern.

»Was haben Sie mir zu sagen?« fragte er.

»Dinge, welche vielleicht Ihren Entschluß lindern werden.«

»In Bezug auf Sie?«

»Nein, Sir, in Bezug auf James und Bob.«

»Sind denn diese Dinge so geheim, daß die Mittheilung derselben nur unter vier Augen geschehen kann.«

»Ich halte es wenigstens für schicklich, sie Ihnen ohne Zeugen zu sagen.«

»So kommen Sie mit mir in die Cajüte.«

Er ging auf das Hinterdeck zu; dann sah er sich irrte und sagte, auf James deutend, zu den Marinesoldaten:

»Führet den Herrn in seine Cajüte und stellet eine Schildwache vor seine Thür. Und diesen Schlingel,« setzte er, auf Bob zeigend, hinzu, »werfet in die Löwengrube und leget ihm Ketten an.«

Dann ging er mit der größten Ruhe und pfeifend die Treppe hinunter.

Ich folgte ihm ohne die mindeste Hoffnung, etwas für meine beiden Freunde zu erwirken; aber ich hielt es für Gewissenspflicht, den Versuch zu machen.

In der Cajüte stand Burke still und sagte, ohne sich zu setzen:

»Jetzt reden Sie, Sir; wir sind allein.

Ich erzählte ihm nun ausführlich die Ursache meiner Abwesenheit: wie ich das Stelldichein anfangs für eine Liebesintrigue gehalten, wie die Sache aber einen tragischen Ausgang genommen. Ich erklärte ihm endlich, wie James und Bob für meine Sicherheit und mein Leben gefürchtet und eine Strafe verwirkt hätten, um mir nöthigenfalls zu Hilfe zu kommen.

Burke hörte mir schweigend zu; als ich meine Erzählung beendet hatte, erwiederte er mit hämischem Lächeln:

»Die Geschichte ist allerdings sehr rührend; aber Se. britische Majestät hat uns nicht nach Constantinopel geschickt, um auf Abenteuer auszugehen und irrende Ritter zu spielen. Sie werden es daher begreiflich finden, daß Ihre Erzählung, wie interessant sie auch sei, meinen Entschluß nicht ändert.«

»In Bezug auf mich, allerdings, Sir,« erwiederte ich; »aber werden Sie James und Bob für ihre übergroße Hingebung bestrafen?«

»Ich bestrafe jede Uebertretung der Disciplinargesetze,« antwortete Burke.

»Auch ohne Berücksichtigung der Ursache?«

»Ja, ohne alle Rücksicht.«

»Sie scheinen von übertriebenem Pflichtgefühl geleitet zu werden, Sir,« erwiederte ich; »wenn ich es mit dem Capitän zu thun hätte —«

»Leider haben Sie es mit mir zu thun,« unterbrach der Lieutenant mit seinem unvermeidlichen Hohnlächeln. »Capitän Stanbow ist am Lande geblieben und in seiner Abwesenheit habe ich am Bord zu befehlen. Ich befehle Ihnen also, sich in ihr Zimmer zu begeben und Ihren: Arrest anzutreten.«

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06 aralık 2019
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