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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 21

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IV

Es würde mir schwer sein zu sagen, was diesen ganzen Tag in mir vorging. Kaum war ich wieder in meinem Zimmer, so kamen die beiden Tauben geflogen und setzten sich an mein Fenster. Alles hat eine geheimnißvolle Bedeutung in der ersten Liebe; ich betrachtete die Tauben als Boten der reizenden Fatinitza, und mein Herz war voll Freude.

Nach Tisch nahm ich das Buch von Ugo Foscolo. Ich ging in den Stall, sattelte Pretty und ritt zu der Grotte, zu welcher Fatinitza morgen kommen sollte.

Ich verträumte eine Stunde und küßte von Zeit zu Zeit die Blätter, welche ihre Finger berührt, ihre Augen gelesen hatten; es schien mir, als ob sie die Spuren meiner Küsse finden würde. Dann legte ich das Buch wieder an die Stelle, wo ich es gefunden hatte.

Gegen Abend ritt ich wieder nach Hause; aber ich konnte es zwischen den vier Wänden nicht aushalten, es zog mich fort in’s Freie. Ich machte die Runde um die Gartenmauer, die mir nicht mehr so hoch schien wie das erste Mal; ich glaubte sie mit Hilfe einer Strickleiter leicht übersteigen zu können. Ich hatte wieder eine schlaflose Nacht. Es gibt übrigens wache Träume, welche mehr erquicken als der beste Schlaf.

Um acht Uhr holte mich Constantin wieder ab, um unsern zweiten Besuch bei Fatinitza zu machen. Ich war bereit, ich hatte ihn erwartet. – Wir begaben uns in den Pavillon.

Als sich die Thür von Fatinitza’s Zimmer aufthat, war ich einen Augenblick unschlüssig. Ihre Schwester Stephana war bei ihr, und Beide waren ganz gleich gekleidet. Beide lagen eben einander auf Polstern. Constantin selbst war seiner Sache nicht gewiß, denn beide Schwester waren verschleiert, und in der liegenden Stellung war der Unterschied der Größe nicht zu bemerken. Ich erkannte indeß Fatinitza, deren Augen durch die Oeffnungen des Schleiers leuchteten, und ich ging auf sie zu.

»Wie befinden Sie sich heute?« fragte ich.

»Besser,« sagte sie.

»Wollen Sie mir Ihre Hand geben?«

Sie reichte mir ohne Zögern die Hand; von einer Verhüllung war keine Rede mehr. Ich sah wohl, daß sich Constantin beklagt hatte, und daß seine Klagen nicht fruchtlos geblieben waren. Ich fand keine Veränderung; die Hand zitterte und der Puls schlug stark.

»Sie befinden sich besser,« sagte ich, »und ich finde Sie kränker. Sie müssen einen Spazierritt machen; die frische Bergluft wird Ihnen wohl thun.«

»Ich will thun was Sie wollen,« antwortete sie; »denn mein Vater sagt, daß er Ihnen, so lange ich krank bin, alle seine Gewalt übertragen.«

»Warum suchten Sie mich denn durch die Versicherung, daß Sie sich besser befinden, zu täuschen?«

»Ich wollte Sie nicht täuschen; ich beschrieb Ihnen nur was ich fühle. Heute ist mir besser, meine Kopfschmerzen sind verschwunden und ich athme frei.«

Gerade so ging mir’s auch, und ich fing an zu glauben, daß unsere beiden Krankheiten eine große Aehnlichkeit hatten.

»Nun, wenn Sie sich besser befinden,« sagte ich, »so müssen Sie bis zur völligen Genesung in derselben Behandlung fortfahren. – Ich glaube,« sagte ich zu Constantin mit trauriger Miene, welche mit der guten Nachricht im Widerspruch stand, »ich glaube verbürgen zu können, daß die Krankheit weder gefährlich ist, noch lange dauern wird.«

Fatinitza seufzte. – Ich stand auf, um mich zu entfernen.

»Bleiben Sie doch noch einen Augenblick,« sagte aber Constantin; »ich habe ihr gesagt, daß Sie ein Meister auf der Gusla sind, und sie wünscht Sie zu hören.«

» Ich ließ mir’s nicht zweimal sagen. Was kümmerte mich der Vowand? Die Hauptsache war für mich, so lange als möglich bei Fatinitza zu bleiben.

Ich nahm die mit Perlmutter und Gold eingelegte Gusla von der Wand, und nach einigen Arcorden stimmte ich ein sicilianisches Lied an, das ich von unseren Matrosen der »Bella Levantina« gelernt hatte.

Die Aufregung, in der ich war, gab meiner Stimme seinen solchen Ausdruck, daß Fatinitza bei der letzten Strophe ihren Schleier aufhob, um eine Thräne abzuwischen. Die untere Hälfte ihres Gesichts, die ich sah, war rund und frisch wie ein Pfirsich. – Ich stand auf, um mich zu entfernen; aber Fatinitza sagte, sich hastig aufrichtend:

»Ich will es haben!«

»Was denn?« fragte ich.

»Das Lied.«

»Ich will’s Ihnen aufschreiben.«

»Auch die Worte?«

»Ja, auch die Worte.»

»Sie haben Recht, ich glaube mich besser zu befinden – ich bin bereit zu Pferde zu steigen.«

Ich verneigte mich und verließ mit Constantin das Zimmer.

»Fatinitza ist ein launisches Kind,« sagte er; »sie schmollt oder sagt: Ich will es! Sie ist von ihrer Mutter verzogen worden, und ich habe fortgesetzt, was die Mutter angefangen. Sie sehen, ich bin ein seltsamer Pirat.«

»Ich gestehe,« erwiederte ich, »daß ich von solchen nur unter bedrückten Völkern vorkommenden Widersprüchen gehört habe. Dort sollen sich die kräftigsten, edelsten Charaktere außerhalb des Gesetzes stellen; aber ich gestehe, daß ich es nicht glaubte.«

»O, man muß nicht alle meine Genossen nach mir beurtheilen,« erwiederte Constantin lachend. »Ich habe nur den Türken Haß und Vernichtung geschworen. Von Zeit zu Zeit mache ich wohl einen Angriff auf ein Handelsschiff, das mir, wie die »Bella Levantina«, in den Wurf kommt; aber das geschieht nur, wenn die Beute mager ausgefallen ist und die Mannschaft murrt. Sie sehen, ich bin der König dieser Insel, und wenn einst der heißersehnte und prophezeite Tag kommt, wird mir jeder streitbare Mann überall hin folgen; denn mit Hilfe der heiligen Jungfrau werden die Frauen zur Bewachung der Festung genügen.«

»In diesem Falle,« sagte ich lachend, »werden Fatinitza und Stephana die Anführerinnen des Amazonenheeres sein?«

»Lachen Sie nicht,« erwiederte Constantin »Stephana ist eine Minerva, welche im Nothfall wohl die Rüstung anlegen und sich den Helm aufs Haupt setzen könnte. Fatinitza würde sich eher zum Capitän einer Brigantine eignen.«

»Sie sind ein glücklicher Vater.«

»Ja,« sagte er, »Gott bat mich in meinem Unglück gesegnet. Wenn ich meine Töchter und Fortunato um mich habe, vergesse ich Alles, mein Gewerbe und die türkische Gewaltherrschaft und die längst verheißene glücklichere Zukunft.«

»Aber Sie werden sich bald von Stephana trennen?«

»Nein, denn Christo Panayoti wohnt in Zea.«

»Darf ich wissen, wann die Vermälung stattfinden wird?«

»Ja acht bis zehn Tagen, glaube ich. Eine griechische Hochzeit wird eine Merkwürdigkeit für Sie sein.«

»Ich werde also dabei sein?«

»Das versteht sich, Sie gehören ja zur Familie.«

»Ich bin als Arzt in Ihr Haus gekommen.«

»Sie haben die Wunde mit derselben Hand geschlossen, welche sie geschlagen.«

»Aber wie können denn die Damen verschleiert am Hochzeitsmahle theilnehmen?«

»Bei Festlichkeiten entblößen sie das Gesicht. Uebrigens verschleiern sie sich mehr aus Gewohnheit als aus Eifersucht. Die Gefallsucht findet auch ihre Rechnung dabei. Der Schleier verhüllt das Gesicht der Häßlichen, und die Hübschen wissen ihr Gesicht trotz dem Schleier zu zeigen. – Wollen Sie uns nicht begleiten?«

»Ich danke,« sagte ich. »Fatinitza hat mir einen Auftrag gegeben; sie würde mich hassen, wenn ich das Lied nicht augenblicklich aufschriebe, und ich möchte doch nicht im Unfrieden aus Ihrer Familie scheiden.

»Ich hoffe, daß die Erinnerungen, welche Sie mitnehmen, eben so gut sein werden, wie die, welche Sie zurücklassen, und daß Sie, wenn einst der Freiheitsruf ertönt, in unser armes Land zurückkehren werden. Griechenland ist ja eigentlich das Mutterland aller Nationen, und wer ein kindliches Herz hat, muß ihm zu Hilfe kommen. – Einstweilen verlasse ich Sie; ich will Ihnen Schreibzeug bringen lassen. Sie wissen, daß Sie in meiner Abwesenheit das Haus als das Ihrige betrachten können.«

Constantin ließ mich allein.

Ich eilte sogleich ans Fenster, denn Stephana und Fatinitza wollten ja ausreiten. Kaum hatte ich einige Minuten gewartet, so that sich die Thür des Pavillons auf und die beiden Schwestern gingen über den Hof. Keine von beiden schaute nach meinem Fenster herauf; Fatinitza fürchtete also, wie ich, Verdacht zu erregen.

Es war nicht zu bezweifeln: Fatinitza war nicht krank. Sie hatte eine Unpäßlichkeit vorgeschützt, um mich zu sehen. Wäre sie nur neugierig gewesen, so würde sie am andern Morgen wieder gesund gewesen sein. Aber ihre Besserung erheischte einen dritten Besuch; ich konnte daher hoffen, sie noch ein paarmal wieder zu sehen; nach der Hochzeit ihrer Schwester hatte ich nichts mehr zu hoffen. Aber es waren noch neun Tage bis zu der Hochzeit, und in der Liebe rechnet man nur nach Stunden.

Man brachte mir Papier, Tinte und Federn, und ich fing an das Lied aufzuzeichnen. Während ich schrieb, sah ich vor meinem Fenster den Schatten eines Taubenflügels; ich hob die Jalousie auf und stützte sie mit dem Lineal, welches ich zum Linienziehen erhalten hatte. An das Lineal band ich eine dünne Schnur, deren anderes Ende ich an meinem Tische befestigte; dann streute ich Weizenkörner ins Fenster. Die Taube flog herbei; ich zog die Schnur, das Lineal fiel, die Jalousie schloß sich wieder und die Taube war gefangen.

Es war für mich eine große Freude; ich hatte die Taube auf dem Schooße, in den Händen meiner Angebeteten gesehen; ich küßte den Schnabel, den ihre Lippen so oft berührt hatten. So gab mir dieses lebende Sinnbild der Liebe gleichsam die Küsse wieder, die es von Fatinitza erhalten hatte. Ich ließ die Taube erst los, als ich die Reitergesellschaft zurückkommen hörte. Aber statt davonzufliegen, blieb sie in meinem Fenster sitzen; und als Fatinitza in den Hof kam, flog sie auf ihre Schulter, als ob sie ihr schnell die von mir gesprochenen süßen Liebesworte überbringen wollte.

Eine Stunde nachher ließ sich Fatinitza erkundigen, ob das Lied niedergeschrieben sei.

Als ich Abends um die Mauer ging, hörte ich im Garten die Klänge der Gusla. Fatinitza studirte das Lied ein, und um nicht merken zu lassen, daß sie sich mit mir beschäftige, hatte sie sich an einen Ort begeben, wo ich sie nach ihrer Meinung nicht hören konnte.

Am andern Morgen verging die Stunde, zu welcher mich Constantin abzuholen pflegte, ohne daß ich ihn sah. Ich fragte nach ihm; er war schon in der Frühe ausgegangen, um mit Panayoti’s Vater die Vorkehrungen zu besprechen. Ich war sehr niedergeschlagen, denn ich glaubte Fatinitza nicht zu sehen. Da kam Fortunato, um mich statt seines Vaters abzuholen.

Dieser Besuch war aller Wahrscheinlichkeit nach der letzte, denn Fatinitza war wieder gesund ; der gestrige Spazierritt hatte ihr sehr wohl gethan. Sie hatte meine Vorschriften genau befolgt und die Grotte besucht, denn ich fand bei ihr den Band von Ugo Foscolo. Sie dankte mir für das sicilische Lied. Ich fragte, ob sie es einstudirt habe, und ohne ihr Zeit zu einer Antwort zu lassen, sagte mir Fortunato, daß sie es ihm und ihrem Vater bereits vorgesungen habe. Ich bat sie, mir ein paar Strophen davon vorzusingen, da ich überzeugt sei, daß Melodie und Worte in ihrem Munde einen neuen Reiz erhalten würden. Sie sträubte sich einen Augenblick mit eben so viel Coketterie wie eine Virtuosin von Paris und London ; aber ich erwiederte, daß ich es als Lohn für meinen ärztlichen Rath verlangte, und sie sang.

Ihre Stimme war ein sehr umfangreicher Mezzosoprano, der zwar nicht künstlerisch ausgebildet, aber sehr ausdrucksvoll, oft ergreifend war. Uebrigens hatte sie, um zu singen, den unteren Theil ihres Schleiers aufgehoben, so daß ich ihre kirschrothen Lippen und ihre perlweißen Zähne sehen konnte.

Unterdessen hatte sich die eine Taube auf ihren Schooß, die andere auf ihre Schulter gesetzt. Diese letztere war die bevorzugte, es war dieselbe, welche ich gestern gezähmt hatte. Diese Lieblingstaube nahm sich die Freiheit, auf den Busen der reisenden Sängerin herabzusteigen, und als Fatinitza nach Beendigung des Liedes die Gusla auf die Seite legte, steckte die Taube den Schnabel in das Mieder und zog eine inzwischen verwelkte Blume heraus, welche ich in das Buch gelegt hatte.

Ich konnte nur mit Mühe einen Freudenschrei unterdrücken. Fatinitza zog schnell die Spitze ihres Schleiers herunter, denn sie erröthete stark. Stephana und Fortunato, welche nichts davon wußten, bemerkten weder ihre noch meine Bewegung. Fatinitza stand schnell auf, nahm den Arm ihrer Schwester und sagte mir Lebewohl.

»Auf Wiedersehen,« setzte sie aber verbessernd hinzu; »denn mein Vater sagte, daß Sie in acht Tagen zu der Hochzeit meiner Schwester kommen werden.«

Sie ging in das Zimmer ihrer Schwester und ich ging mit Fortunato aus der andern Thür.

Diese acht Tage schienen mir entsetzlich lang, aber doch süß, denn sie waren voll Hoffnung.

Jeden Morgen bekam ich einen Besuch von der verrätherischen Taube, welche ich noch lieber gewonnen, seitdem sie bei ihrer Herrin scheinbar in Ungnade gefallen war.

Inzwischen hatte ich ein ganz ähnliches Bild der schönen Sängerin gezeichnet.

Fatinitza spielte die Gusla; man sah ihre Augen durch die Oeffnung des Schleiers und die untere Hälfte ihres Gesichts. Oft bekam ich Lust, die mir verborgen gebliebenen Züge aus der Phantasie zu ergänzen; aber ich unterließ es, ich glaubte durch dieses Phantasiespiel einen Frevel zu begehen. Endlich gingen die langen acht Tage zu Ende und der Hochzeittag kam.

V

Am Morgen des neunten Tages wurde das ganze Haus durch eine lärmende Musik geweckt. Ich kleidete mich schnell an und eilte auf den Balcon.

Eine Musikbande zog über den ersten Hof. Eine lange Reihe von Bauern folgte. Die beiden ersten trugen eine junge Ziege und einen Widder mit vergoldeten Füßen und Hörnern; die anderen trugen Lämmer und Schafe , als Geschenke für die Braut. Dann kamen zwölf Diener, welche große Körbe mit Blumen, Stoffen, Schmuck und kleiner Münze auf den Köpfen trugen. Die künftige Dienerschaft der Braut beschloß den Zug.

Constantin und Fortunato öffneten die Thüren; sie gingen aus dem ersten Hofe in den zweiten, und aus dem zweiten Hofe in den Pavillon, wo sie der Braut die von ihrem Verlobten gesandten Geschenke überreichten. Bald erschien Christo Panayoti mit seinen Verwandten. Die Frauen begaben sich zu Stephana; die Männer blieben zusammen. Eine Stunde nachher zeigte man uns an, daß wir uns zu der Braut begeben könnten. Sie erwartete uns auf einem Sopha sitzend.

Inzwischen war Stephana geschmückt worden, und ihre Dienerinnen hatten Alles gethan, was in ihren Kräften stand, um die Schönheit ihrer Gebieterin durch sonderbaren Schmuck zu verhüllen. Am auffallendsten war mir in dieser sonderbaren Toilette ein aus drei Stockwerken bestehender Kopfputz, dessen Grundlage die Haare und dessen Verzierungen ein wunderliches Gemisch von Goldpapier, Zechinen und Blumen bildeten. Dazu waren die Wangen mit rother und weißer Schminke bedeckt und die mit Ringen überladenen Hände mit rothen und blauen Streifen bemalt.

Diese Musterung hielt ich übrigens erst, nachdem ich mich im Zimmer umgesehen und Fatinitza gesucht hatte. Aber ich sah sie nicht, sie war vermuthlich noch am Putztische. Während ich Stephana betrachtete, erschien Fatinitza.

Sie war nicht verschleiert, ihr reizendes Gesicht weder durch Schminke noch durch geschmacklose Zierathen verunstaltet. O, wie dankte ich ihr im Herzen, daß sie sich mir zum ersten Male in ihrer natürlichen Schönheit zeigte und daß sie mir die Mühe ersparte, sie unter dem sonderbaren Putz zu suchen, der die meisten der anwesenden Frauen entstellte! Ihr flüchtig über die Gesellschaft streifender Blick blieb auf mir haften, und Worte hätten nicht aussprechen können, was dieser Blick mir sagte.

Sie hielt in jeder Hand ein Bündel Goldfäden von verschiedener Länge; aber zu jedem Faden in der einen Hand war ein ganz gleicher in der andern.

Sie reichte die in der rechten Hand den Männern, die in der linken den Frauen. Jeder zog einen. Die beiden gleichen Fäden sollten während der ganzen Hochzeitfeier einen jungen Mann und ein Mädchen vereinigen; nach beendeter Ceremonie sollte der Herr seiner Dame den Goldfaden überreichen.

Wenn die junge Dame in dieser kurzen Zeit einige Zuneigung für den ihr vom Schicksal zugewiesenen Partner gefühlt hatte, so knüpfte sie die beiden Fäden zusammen und legte sie vor dem Bilde der heiligen Jungfrau nieder, in der Erwartung, daß diese Quelle aller Liebe im Himmel verbinden werde, was auf Erden schon verbunden war, nemlich die beiden Herzen, deren Sinnbild die Goldfäden waren.

Als die Reihe an mich kam, ließ mir Fatinitza nicht Zeit zu ziehen: sie reichte mir einen Goldfaden, den ich hastig ergriff. Als alle Fäden gezogen waren, wurden sie gemessen und Jeder suchte den Faden von gleicher Länge. Es versteht sich, daß der Zufall mit meiner Liebe übereinstimmte und daß der in meiner Hand befindliche Goldfaden genau die Länge dessen hatte, den Fatinitza besaß.

Die jüngste Freundin der Braut nahm nun eine silberne Schüssel und sammelte Gaben für die neue Haushaltung. Jeder, der Reichste wie der Aermste, trug sein Schärflein bei.

Es versteht sich, daß ich Alles was ich bei mir hatte, in die Schüssel warf. Als jeder Hochzeitsgast seine Gabe gegeben hatte, stellte die Brautjungfer die Schüssel vor Fatinitza hin. In dürftigen Familien ist diese Gabe oft das einzige Heiratsgut der Braut. In den reichen Familien pflegt man sie der Panagia darzubringen.

Der Pope erschien nun mit drei Chorknaben, von denen der mittlere ein Buch, die beiden andern Wachskerzen trugen. Es war ein schöner stattlicher Greis mit ehrwürdigem Gesicht und langem weißen Bart. Er machte die Runde durch das Zimmer und spendete den Anwesenden den Segen ; dann faßte er die Braut bei der Hand und führte sie zu ihrem Vater. Sie kniete vor dem Vater nieder, und dieser sagte, die Hand auf ihr Haupt legend:

»Ich segne Dich, meine Tochter. Sei eine gute Gattin und Mutter, wie die, der Du das Leben verdankst, damit Du später deinen Töchtern ein gutes Beispiel gebest.«

Dann hob er sie auf und küßte sie.

Der Pope führte nun Stephana mitten in den Saal, das Gesicht nach Osten gewandt. Christo stellte sich au ihre Seite; zu seiner Rechten stellte sich sein Bruder, Fatinitza zur Linken der Braut. Die beiden Chorknaben mit den brennenden Wachskerzen traten an die Enden der Reihe. Endlich reichte Fortunato dem Geistlichen zwei Ringe aus einem silbernen Teller. Der Pope segnete die Ringe, machte mit ihnen das Zeichen des Kreuzes auf dem Gesicht der Braut und des Bräutigams und sprach dann dreimal die Worte:

»Christo Panayoti, der Diener Gottes, ist verlobt mit Stephana, der Dienerin Gottes.«

Dann steckte er ihnen mit einem Segensspruch die Ringe an die Finger.

Die Verlobungsfeierlichkeit war nun beendet, die Vermälung begann.

Die beiden Verlobten faßten einander bei dem kleinen Finger der rechten Hand. Christo sah dabei nach Osten und Stephana nach Westen. Alle Anwesenden knieten nieder und der Geistliche las ein Gebet aus dem Buche, welches ihm der dritte Chorknabe vorhielt; dann nahm er zwei Kränze und legte sie dreimal abwechselnd auf die Stirn der Verlobten, indem er jedesmal die Worte sprach:

»Christo Panayoti, der Diener Gottes, ist bekränzt mit Stephana, der Dienerin Gottes.«

Dann reichte er dem Bruder Christo’s den einen, Fatinitza den andern Kranz. Beide hielten während der ganzen übrigen Ceremonie die Kränze über den Häuptern des jungen Paares.

Nach Ablesung des Evangeliums von der Hochzeit zu Canaan reichte der Pope den Verlobten dreimal einen Becher mit Wein, und während sie tranken, stimmten die Anwesenden ein Lied an, welches mit den Worten begann: »Ich trinke den Wein des Heils und rufe den Namen des Herrn an.«

Dann faßte der Pope die Hand des Bräutigams, dieser nahm seine Braut bei der Hand, und alle Drei, gefolgt von Fatinitza und Christo’s Bruder, machten dreimal die Runde um den Saal, während die Umstehenden wieder ein geistliches Lied anstimmen.

Endlich stand der Priester still und sagte zu der Neuvermälten:

»Und Du, Gattin, gedeihe wie Sara, und freue Dich wie Rebecca.

Er faßte nun Stephana wieder bei der Hand und führte sie zum Sopha. Gleich darauf wurde gemeldet, daß Alles bereit sei, die Neuvermälte zu ihrem Gatten zu führen, und alle Frauen verschleierten sich.

Vor der Thür stand ein Pferd für Stephana; sie bestieg es und ein kleiner Knabe nahm hinter ihr Platz. Die Musikbande eröffnete den Zug; einige arme Mädchen, unter denen ich meine kleine Griechin mit dem seidenen Kleide erkannte, folgten tanzend ; dann kamen Gaukler, welche durch komische Sprünge und Gesänge die Männer zum Lachen reizten; die Frauen mochten unter ihren Schleiern wohl erröthen. Hinter den Gauklern ritt die Neuvermählte, von ihren Freundinnen begleitet; in einiger Entfernung folgten die Männer, von Constantin und Fortunato geführt.

So kamen wir an Christo’s Haus, eines der schönsten in Zea. Die Thür war mit Blumengewinden geschmückt, und in der Thür brannten wohlriechende Kräuter, wie es im Alterthum Sitte gewesen. Die Einrichtung des Hauses war ungefähr ebenso wie bei Constantin, nur daß sich im Erdgeschoß keine bewaffnete Dienerschaft, sondern die friedlichen Gehilfen Panayoti’s befanden.

Im zweiten Hofe erwarteten uns die Armen, denen die Ueberreste des Festmahls bestimmt waren. Dann traten wir in ein zweites Erdgeschoß, über welchem sich die Frauengemächer befanden, und endlich kamen wir in den Garten, wo das Festmahl aufgetragen war.

Auf einem langen Teppich, der die Stelle des Tisches vertrat, bildeten die Fleischspeisen die Mittelreihe; die beiden Seitenreihen bestanden aus vielen Schüsseln mit Backwerk. Die Frauen setzten sich zuerst, ihre Goldfäden in der Hand haltend; die jungen Männer, welche die ihrigen im Knopfloch befestigt hatten, machten sie los, um ihr Recht, an der Seite ihrer Partnerinnen Platz zu nehmen, geltend zu machen. Das im Orient übliche Sitzen mit gekreuzten Beinen war mir sehr unbequem; aber ich vergaß Alles, als Fatinitza au meiner Seite war.

Das geräuschvolle Festmahl war von ohrenbetäubender Musik und grotesk mit einander abwechselnden weltlichen und geistlichen Liedern begleitet. Es dauerte mehre Stunden; ich konnte nur wenige Worte mit Fatinitza wechseln, aber ich war entzückt sie zu sehen, bei ihr zu sein.

Als die feurigen Weine von Cypern und Samos die Heiterkeit auf den höchsten Grad getrieben hatten, stand die Gesellschaft auf und der Tanz begann.

Mein Goldfaden sprach mir Fatinitza als Tänzerin zu; aber obschon ich den vaterländischen »Gig« sehr gut tanzte, so war ich doch mit den Figuren der griechischen Tänze völlig unbekannt. Gleichwohl sagte ich zu Fatinitza, daß ich zu ihrer Verfügung stehe und daß sie nach Belieben mit mir schalten und walten könne. Aber Fatinitza war so großmüthig, von meiner Aufopferung keinen Gebrauch zu machen; dies war der größte Beweis von Liebe, den sie mir geben konnte. Ein liebendes Weib wird nie zugeben, daß sich der Geliebte lächerlich mache.

Da sie mit mir nicht tanzen konnte, forderte sie Fortunato auf. Ein treuer Beweis ihrer Liebe: sie wollte mich nicht eifersüchtig machen.

Dieser Tanz war übrigens merkwürdig wegen seines antiken Charakters; denn es war derselbe, den die Alten dem Theseus zu Ehren zum Volkstanz erhoben hatten. Er wird von sieben jungen Männern und sieben Mädchen getanzt. Die Vortänzer stellen den Theseus und die Ariadne vor; ein gesticktes Tuch, welches die Tänzerin ihrem Cavalier reicht, vertritt die Stelle des Knäuels, welches Theseus beim Eintritt in das Labyrinth von der Ariadne erhielt und die sehr verwickelten Tanzfiguren stellen die Irrgänge und die Windungen dar. Es that mir leid um das Schnupftuch, welches Fatinitza ihrem Bruder reichte, und welches mein Eigenthum geworden wäre, wenn ich ein besserer Tänzer gewesen wäre.

Diesem Tanz folgten mehre andere; aber Fatinitza schützte große Ermüdung vor und tanzte nicht mehr. Sie blieb bei ihrer Schwester, bis die Musik das Zeichen zum Aufbruch gab. Die Frauen bemächtigten sich nun der Neuvermälten und führten sie in das Brautgemach; wie im Alterthum, stand das Brautbett in dem schönsten Zimmer des Hauses zwischen zwei großen geweihten Kerzen, welche die ganze Nacht brennen mußten.

Während die Braut mit ihren Freundinnen vor der Thür stand, besprengte ein Kirchendiener den Fußboden und die Wände des Gemaches mit Weihwasser, um die bösen Geister auszutreiben; dann trat Stephana mit ihrer Schwester und ihrer besten Freundin ein. Eine Viertelstunde nachher kamen die beiden jungen Mädchen allein wieder heraus, und nun wurde auch der junge Mann von seinen Freunden zu einer von innen leicht verschlossenen Seitenthür geführt, die er mit Gewalt öffnen mußte. Bei diesem urwüchsigen poetischen Volke ist Alles Sinnbild.

Endlich zogen wir uns zurück, aber dieses mal ohne eine bestimmte Rangordnung zu beobachten. Die jungen Männer boten den wieder verschleierten Mädchen den Arm. Mein Goldfaden gab mir das Recht, Fatinitza zu führen. Wie könnte ich wieder sagen, was wir zusammen sprachen? Von unserer Liebe kein Wort, aber die reine, fast unbewußte Liebe sprach aus jeder Sylbe, wir sprachen vorn Himmel, von den Sternen, von der Nacht, und als wir vor Constantin’s Haus kamen, wußte ich, daß ich der glücklichste Mann war, und sie konnte nicht mehr zweifeln, daß sie geliebt, vergöttert wurde.

Am andern Morgen war Alles zerronnen, wie ein Traum, denn wir hatten nun keine Gelegenheit mehr uns wiederzusehen. Zwei bis drei Tage zehrte ich an der Erinnerung; dann ward mein Seelenschmerz so groß, wie zuvor mein Entzücken gewesen war. Noch einen Tag sann ich auf Mittel, an Fatinitza zu schreiben, oder vielmehr, ihr meinen Brief zugehen zu lassen. Ich fand kein Mittel; ich war in Gefahr den Verstand zu verlieren.

Den folgenden Morgen flog die Taube an mein Fenster. Ich jauchzte vor Freude, meine Botin war gefunden. Ich zog die Jalousie auf; der Vogel der Venus kam sogleich herein, als ob er gewußt hätte, was ich von ihm erwartete. Ich schrieb auf einen kleinen Zettel:

»Ich liebe Dich, und ich kann das Leben nicht ertragen, wenn ich Dich nicht wiedersehe. Diesen Abend um neun Uhr werde ich die Runde um den Garten machen, und an der östlichen Ecke sitzen bleiben. Um des Himmels willen eine Antwort, ein Wink, um mir zu zeigen, daß Du Mitleid mit mir hast.«

Dann band ich der Taube den Zettel unter den Flügel. Der Liebesbote fliegt sogleich zum Pavillon hinüber und verschwand unter der Jalousie. Mein Herz pochte ungestüm. Den ganzen Tag war ich in einer unaufhörlichen Spannung: bald jubelte ich im Stillen bald fürchtete ich, mich getäuscht und die Freundlichkeit, welche mir Fatinitza gezeigt, für Liebe genommen zu haben. Ich getraute mich nicht mit Constantin und Fortunato zu speisen; eine innere Stimme sagte mir, daß ich zum Verräter an meinem Gastfreunde geworden.

Der Abend kam. Ich ging eine Stunde vor der angegebenen Zeit fort und nahm einen andern Weg, bis ich endlich auf einem langen Umwege zur Gartenmauer kam. Ich setzte mich an die östliche Ecke der Mauer und wartete.

Es schlug neun. Bei dem letzten Glockenschlage fiel ein Blumenstrauß zu meinen Füßen nieder. Fatinitza hatte errathen, daß ich schon da sei. Ich ergriff hastig den Strauß, es war keine Antwort, aber doch eine Botschaft. Plötzlich erinnerte ich mich, daß im Orient die Blumen eine Bedeutung haben, und daß ein Strauß zuweilen die Stelle eines Briefes vertritt. Man nennt ihn dann »Salam«, d. i. Gruß. Der Strauß bestand aus Schlüsselblumen und weißen Nelken. Es schien mir, daß ich diesen Blumen von jeher den Vorzug vor allen andern gegeben ; aber leider wußte ich nicht, was die Schlüsselblumen und weißen Nelken bedeuteten.

Ich küßte sie hundertmal und steckte sie an mein Herz. Fatinitza hatte wohl vergessen, daß ich aus einem Lande war, wo die Blumen nur einen Namen, nur wenig Duft und keine Sprache haben. Sie hatte mir geantwortet, und ich verstand diese Antwort nicht. Ohne mich zu verrathen, konnte ich Niemand fragen. Ich ging in mein Zimmer und schloß mich ein, wie ein Geizhals, der seinen Schatz zählen will. Dann band ich den Strauß auf, in der Erwartung, einen Zettel darin zu finden; aber ich fand nichts, die Antwort lag in den Blumen selbst.

Plötzlich dachte ich an meine kleine Griechin. Wie arm und närrisch sie auch war, so mußte sie doch diese geheimnißvolle duftige Sprache kennen. Am andern Morgen wollte ich ermitteln, was mir Fatinitza geantwortet. Ich warf mich auf meinen Divan, drückte den Blumenstrauß ans Herz und überließ mich meinen goldenen Träumen. Bei Tagesanbruch erwachte ich und ging in die Stadt. Die Einwohner waren noch nicht ausgestanden, die Straßen waren noch öde. Ich ging wohl zehnmal von einem Ende des Städtchens zum andern; endlich bemerkte ich die kleine Griechin. Sie hüpfte voll Freude auf mich zu, denn so oft als sie mir begegnete, gab ich ihr etwas.

Dieses Mal schenkte ich ihr eine Zechine und gab ihr einen Wink, mir zu folgen. Als wir an einem einsamen Orte waren, zeigte ich ihr den Strauß und fragte sie, was die Blumen bedeuteten. Die Schlüsselblume bedeutete Hoffnung, die weiße Nelke Treue. Ich gab der kleinen Griechin noch eine Zechine und ging voll Freude nach Hause, nachdem ich sie ans den andern Morgen an dieselbe Stelle beschieden hatte.

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