Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 22
VI
Fatinitza besaß gewiß kein Schreibzeug und hatte keines verlangt, um keinen Argwohn zu erregen; denn sie hatte mir ja, auf die Gefahr hin nicht verstanden zu werden, mit Blumen geantwortet. Doch jetzt lag mir wenig daran: ich hatte ja einen Dolmetscher.
Ich setzte mich sogleich nieder und schrieb, ohne zu wissen, ob mein kleiner Liebesbote den Zettel abholen werde. Aber ich fühlte das Bedürfniß, mein Herz auszuschütten. Mein Brief war voll von Freude und zugleich von Klagen; ich wollte ihr selbst sagen, daß ich sie liebte, und sollte mir dieses Geständniß auch das Leben kosten.
Ich will den Brief nicht mittheilen, der Leser würde ihn wahnwitzig finden; für Fatinitza war es die Mittheilung meiner glühenden Gefühle, der zündende Funke, den ich in ihr Herz warf.
Die Taube ließ lange auf sich warten. Ich machte meinen Brief wieder auf und beschrieb alles noch übrige weiße Papier; ich würde noch zehn Seiten vollgeschrieben haben. Es waren Betheuerungen ewiger Liebe und zumal Danksagungen; wir Männer sind ja so dankbar, so lange wir noch etwas zu hoffen haben.
Endlich bemerkte ich den Schatten der Taube; ich öffnete meine Jalousie und sie schlüpfte sogleich hinein; man hätte glauben können, sie wisse um unser Geheimniß und fürchte uns zu verrathen.
Dieses Mal hatte ich kein Zettelchen, sondern einen langen Brief abzusenden; ich glaubte, daß die Taube mit einer solchen Botschaft nicht belastet werden könne, und doch wollte ich gern den ganzen Brief absenden. Ich hatte nicht den tausendsten Theil von dem gesagt, was ich auf dem Herzen hatte, und es fielen mit gar viele Dinge ein, die ich vergessen hatte.
Endlich rollte ich den Brief so fest zusammen, daß er unter dem Flügel Platz fand; aber das arme Thier wurde offenbar dadurch belästigt. Ich beschloß nun einen zweiten Brief zu schreiben, der das Gegengewicht bilden sollte. Der zweite Brief war bald geschrieben und unter dem andern Flügel befestigt. Der Liebesbote flog leicht zu dem Pavillon hinüber.
Ich mochte mit Constantin und Fortunato nicht speisen; sobald mein Herz aufhörte ungestüm zu schlagen, machte mir mein Verstand bittere Vorwürfe.
Ich ging in den Hof hinunter und ließ Pretty satteln. Ich überließ ihm, wie gewöhnlich, die Wahl des Weges, und er ging wieder zu meiner Lieblingsgrotte.
Ich rief einen Hirten, der seine Heerde am Abhange des jenseitigen Hügels weiden ließ; er verkaufte mir Brot und Milch.
Ich verträumte den ganzen Tag in der Grotte. Die Einsamkeit war mir ein Bedürfniß; wenn ich Menschen gescheit hätte, würde ich ihnen um den Hals gefallen sein, sie Brüder genannt und ihnen mein Glück mitgetheilt haben.
Als ich bei Anbruch der Nacht nach Hause kam, fand ich Fortunato im Hofe. Ich sagte ihm, ich hätte einen wunderschönen Spazierritt über die ganze Insel gemacht.
Einige Minuten vor neun Uhr verließ ich mein Zimmer. Schlag neun fiel wieder ein Blumenstrauß zu meinen Füßen nieder. Dieses Mal waren es andere Blumen, ein Beweis, daß meine Briefe beantwortet wurden, und daß gestern die Schlüsselblumen und weißen Nelken nicht zufällig vereinigt worden waren. Der Strauß bestand aus Acacien, Erdrauch und spanischem Hollunder; die lieblich duftenden Blumen enthielten gewiß eine erwünschte Antwort.
Ich nahm den Strauß mit in mein Zimmer, wo er die ganze Nacht an meinem Herzen ruhte. Sobald der Tag anbrach, ging ich in die Stadt hinunter. Meine kleine Griechin erschien pünktlich; ich zeigte ihr den Strauß. Fatinitza sagte mir, daß sie Liebe, aber zugleich Unruhe und Besorgniß fühle. Es wäre unmöglich gewesen, eine deutlichere Antwort auf meinen Brief zu geben. Ich war entzückt über diese liebliche Blumensprache und hielt das Volk, welches sie erfunden, für das civilisirteste der Erde. Ich ging nach Hause und schrieb:
»Tausend Dank, mein holder Engel, für deine Liebe; aber woher kommen deine Besorgnisse ? Fürchtest Du, daß ich Dich nicht liebe, wie Du es verdienst? Zweifelst Dir an der Dauer meiner Gefühle? Meine Liebe ist mein Leben, sie pulsiert in meinen Adern, erfüllt alle meine Gedanken, und wenn einst mein Herz nicht mehr schlägt, wenn mein Geist stirbt, wird meine Liebe noch leben; denn ich fühle, daß ich wirklich lebe, seitdem ich Dich gesehen. Fürchte daher nichts, mein Engel; vergönne mir das Glück Dich zu sehen, und wenn ich Dir gesagt habe: ich liebe Dich, meine Fatinitza, ich liebe Dich mehr als mein Leben, wenn Du dann noch zweifelst und fürchtest, so will ich Dir entsagen und Ceos verlassen, nicht um Dich zu vergessen, sondern aus Gram zu sterben.«
Zwei Stunden nachher hatte Fatinitza meinen Brief, und Abends erhielt ich die Antwort in Gestalt einer hübschen gelblichen Wiesenblume, deren Namen ich vergessen habe, einer Passionsblume und einer Ranunkel. Fatinitza antwortete mir, sie sehne sich nach mir, aber sie ahne einen großen Liebesschmerz.
Ich suchte diese trübe Ahnung zu bekämpfen, und es ward mir nicht schwer ; die Gründe, welche ich geltend machte, hatte Fatinitza selbst in der Tiefe ihres Herzens; welches Unglück konnte sie bedrohen, das nicht auch mich mit traf? Und war es nicht besser uns zu sehen, als zu leiden, ohne uns gesehen zu haben?
Die Schwierigkeiten waren leicht zu überwinden. Constantin und Fortunato hatten keinen Argwohn und beobachteten uns nicht; wir konnten uns daher im Garten sehen; ich brauchte ihr nur eine Strickleiter zuzuwerfen, deren eines Ende sie an einen Baum befestigen konnte. Wenn sie einwilligte, sollte ich einen Strauß von Heliotrop erhalten. Die Taube trug diesen schönen Plan in den Pavillon hinüber.
Seit einigen Tagen war ich in Constantin’s und Fortunato’s Augen ein eifriger Alterthumsforscher; sie wunderten sich daher nicht, daß ich nach dem Frühstücke das Haus verließ. Ich ließ Pretty satteln, ritt durch das Städtchen, kaufte Stricke und eilte in meine Grotte, um meine Leiter anzufertigen.
Dies war eine Seemannsarbeit, welche ich gelernt hatte. In zwei Stunden war die Strickleiter fertig; ich wickelte sie unter meiner Fustanella um Leib und Hüften und begab mich nach Hause, als die Zeit des Essens vorüber war.
Constantin und Fortunato waren nicht zu Hause; sie waren schon beinahe sechs Wochen unthätig gewesen und die Flügel fingen diesen kühnen Seevögeln wieder an zu wachsen Sie waren am Bord der Feluke.
Die Nacht brach an und ich erwartete an der gewohnten Stelle den Blumenstrauß. Aber diesen Abend kam er nicht. Ich hörte nichts, obgleich die Nacht still war und ich ihren Sylphidenschritt, ja ihren Athem gehört haben würde. Ich wartete bis nach Mitternacht, aber vergebens, ich war trostlos.
Ich ging, Fatinitza’s Kaltsinn verwünschend, wieder in mein Zimmer. Sie liebte mich nicht, sie hatte mit orientalischer Coketterie ein leichtsinniges Spiel mit meiner Leidenschaft getrieben ; sie wollte mich in die Schranken der Mäßigung zurückweisen, aber es war zu spät, das Feuer war nicht mehr zu löschen.
Ich schrieb einen tollen Brief voll Drohungen, Entschuldigungen, Betheuerungen. Die Taube kam, wie gewöhnlich, um meinen Brief abzuholen; sie trug ein Halsband von Maslieben, ein Symbol der Betrübniß. Ich zerriß den ersten Brief und schrieb:
»Ja, Du bist auch traurig, denn dein Herz ist noch zu jung und zu rein, um Freude an fremdem Leid zu finden. Ich fühle nicht nur Schmerz und Trauer, ich bin der Verzweiflung nahe. – Ich liebe Dich, Fatinitza, mehr als Worte ausdrücken können; dein Anblick ist meinem Herzen das, was die Sonne den Blumen, die Du mir zugeworfen und die fern von der Sonne dahinwelken und absterben. Sage mir daher, Fatinitza, daß ich sterben soll. O mein Gott, es ist ja leicht! Aber sage mir nicht, daß ich Dich nicht mehr sehen soll. – Ich werde diesen Abend an der Mauerecke sein, wo ich gestern bis nach Mitternacht vergebens wartete. Um des Himmels willen, Fatinitza, laß mich heute nicht leiden, was ich gestern gelitten, denn meine Kräfte würden nicht ausreichen und mein Herz würde brechen. – Ich werde bald sehen, ob Du mich liebst.«
Ich nahm der Taube das Blumenhalsband ab, und band ihr den Zettel unter den Flügel.
Der Tag schien mir ewig lang, ich wollte nicht ausgehen. Ich warf mich auf meinen Divan und sagte, ich sei krank. Constantin und Fortunato, die mich besuchten, glaubten es gern, denn ich hatte ein heftiges Fieber und mein Kopf glühte.
Sie wollten mich abholen, um mit ihnen nach Andros zu fahren, wo sie Geschäfte hatten. Ich fragte nicht, von welcher Art diese Geschäfte weiten, aber ich merkte wohl, daß sie politischer Art waren.
Ich irrte mich nicht; es sollte eine Versammlung von etwa zwanzig Mitgliedern der Hetärie gehalten werden, und Constantin und Fortunato gehörten dieser Verbindung an.
Kaum waren sie fort, so öffnete ich meine Jalousie und streute Brotkrumen in’s Fenster. In einer Viertelstunde kam die Taube wieder und ich schrieb den zweiten Brief :
»Diesen Abend ist nichts zu fürchten, meine Fatinitza; ein Wink von Dir, und ich liege die ganze Nacht zu deinen Füßen. Dein Vater und dein Bruder begeben sich nach Andros und kommen erst morgen zurück. O meine Fatinitza, zähle aus meine Ehre, wie ich auf deine Liebe zähle!«
Eine Stunde nachher hörte ich den Ruf der Matrosen am Ufer; ich eilte an das nach dem Meer hinaus gehende Fenster und bemerkte Constantin und Fortunato, die sich auf einer kleinen Jölle einschifften. Sie hatten etwa zwanzig reich bewaffnete Leute bei sich; man hätte sie eher für lustreisende Prinzen halten können, als für Piraten, welche verstohlen von einer Insel des Archipels zur andern fahren. Ich sah ihnen so lange nach, als ich das Segel am Horizonte erkennen konnte. Endlich verschwand das schnell segelnde Fahrzeug, wie eine davonfliegende Möwe. Ich jubelte im Stillen, ich war mit Fatinitza allein.
Endlich kam der Abend. Ich ging mit meiner Strickleiter fort; ich zitterte und sah mich scheu nach allen Seiten um; wer mir begegnet wäre, hätte glauben können, ich sei im Begriff ein Verbrechen zu begehen. Aber Niemand begegnete mir und ich kam ungesehen an die Mauerecke. Es schlug neun; jeder Glockenschlag schien mein Herz zu treffen. Bei dem letzten Glockenschlage fiel ein Blumenstrauß zu meinen Füßen nieder.
Ach! es war nicht blos Sonnenwende, sondern blaue Iris, Sonnenwende und Eisenhut. Fatinitza hatte volles Vertrauen zu mir, sie verließ sich ans meine Ehre, aber sie fühlte bittere Reue; das bedeutete die Vereinigung dieser drei Blumen. Anfangs verstand ich’s nicht; aber die Sonnenwende war dabei, Fatinitza willigte also ein. Ich warf das eine Ende meiner Strickleiter über die Mauer; ich fühlte, daß sie leicht gerückt wurde; gleich darauf zog ich sie an mich; sie war fest. Ich kletterte mit der Behendigkeit eines Matrosen hinauf. Als ich oben auf der Mauer war, nahm ich mir nicht die Zeit hinunterzusteigen, und ohne die Höhe zu berechnen, ohne zu wissen, wohin ich fallen würde, sprang ich in den Garten und fiel mitten auf einem Blumenbeete, dem duftenden Alphabet unserer Liebe, zu Fatinitza’s Füßen nieder.
Fatinitza konnte einen leisen Schrei nicht unterdrücken, aber schon drückte ich ihre Hände an mein Herz und schmiegte meinen Kopf an ihre Brust. Ich brach in Thränen aus; meine Freude war so groß, daß sie sich wie Schmerz zu erkennen gab. Fatinitza betrachtete mich mit dem Lächeln des Engels, der den Himmel öffnet, oder des liebenden Weibes, das den Geliebten beglückt. Sie war ruhiger als ich, aber nicht minder glücklich ; sie schwebte wie ein Schwan über den stürmischen Wogen meiner Liebe.
Welch eine himmlische Nacht in dem duftenden Garten unter dem Himmel Griechenlands! Zwei reine Herzen, die zum ersten Male liebten, hatten sich gefunden. Es gab für uns keine Zeit, man müßte die Einigkeit erschöpfen, um das Maß eines solchen Glückes zu finden. Die Sterne erbleichten, der Morgen dämmerte, und wie Romeo wollte ich die Morgenröthe nicht erkennen. Wir mußten scheiden; ich bedeckte die Hände der Geliebten mit Küssen. Wir wiederholten in einer Minute was wir uns in der Nacht gesagt hatten; dann trennten wir uns mit dem Versprechen, uns in der nächsten Nacht wieder zu sehen.
Ich ging überglücklich nach Hause und warf mich auf meinen Divan, um wo möglich von der Wirklichkeit zum Traum überzugehen. Bis dahin hatte ich Fatinitza nicht gekannt; Keuschheit und Liebe, in einem und demselben weiblichen Wesen vereint, sind der kostbarste Juwel, der aus den Händen der Natur hervorgegangen. Die alten Griechen hatten Diana und Venus, die Sittsamkeit und Sinnenlust; aber sie hattest keine Gottheit, welche die Jungfräulichkeit der einen und die Leidenschaft der andern in sich vereinigte.
Ich schrieb den ganzen Tag; es war das Beste, was ich thun konnte, da ich Fatinitza nicht sehen konnte. Von Zeit zu Zeit trat ich ans Fenster, um nach Andros hinüber zu schauen. Viele Segel von Fischerbarten glitten, Seevögeln gleich, über das blaue Meer; aber keines hatte die Form des Segels der Jölle. Constantin und Fortunato wurden durch ihre Geschäfte zurückgehalten, nichts verkündete ihre nahe Rückkehr, wir konnten noch eine ruhige Nacht hoffen.
O wie schön, wie beredt fand ich die Mythologie der alten Griechen, welche eine Gottheit für den Tag und für die Nacht, ja für jede Stunde hatten und um zu viel Götter zu haben glaubten, um die verschiedenen und widersprechenden Wünsche der Sterblichen zu hören! Endlich brach die Dämmerung an, es wurde Nacht, die Sterne funkelten und ich lag zu Fatinitza’s Füßen.
Gestern hatte jedes von sich selbst gesprochen; diesen Abend sprach ich von ihr, und sie von mir. Ich erzählte von meiner Neugierde, von meinem Wunsche, sie zu sehen, von meinen am Fenster zugebrachten Tagen.
Meine Geschichte war die ihrige von dem Augenblicke, wo man ihr unsern Kampf erzählt, wo sie vernommen hatte, wie ich Fortunato verwundet, mit Constantin gerungen; wie der arme Apostoli mich gerettet, als ich mit den Wellen kämpfte, und wie mich endlich Fortunato, nachdem ich ihn geheilt, nicht als seinen Arzt, sondern als Bruder mitgenommen. Sie hatte den sehnlichen Wunsch gehabt mich zu sehen und nach einigen Tagen eine Krankheit vorgeschützt, um meine Bekanntschaft zu machen. Sie hatte wohl gemerkt, daß ich einen Beweggrund gehabt, ihr häufiges Spazierenreiten zu empfehlen, und dieser Beweggrund sei ihr klar geworden, als sie die Blumen, welche ihr die verrätherische Taube den folgenden Tag aus dem Mieder gezogen, in dem Buche gefunden.
Sie wollte von mir recht viel hören; aber ich verlangte, daß sie nur von sich spreche, morgen wollte ich ihr gehorchen.
Alles was sie mir sagte, schien das Bekenntniß eines Engels; sie war ein echtes Kind Griechenlands, poetisch und schwärmerisch, an die Gewalt der Panagia, noch mehr aber an die Wahrsagekunst glaubend. Ehe sie mich gesehen, harte sie jeden Abend eine weiße, eine rothe und eine gelbe Blume in eine kleine seidene Börse gethan; und beim Erwachen war ihre erste Sorge gewesen, in die Börse zu greifen und eine der drei Blumen herauszuziehen. Die gezogene Farbe pflegte für den Tag ihre Stimmung zu entscheiden; zog sie die weiße Blume, so war es ein Zeichen, daß sie einen jungen schönen Mann bekommen werde, und dann war sie seelenvergnügt; zog sie die rothe Blume, so deutete dies auf einen ernsten Mann von reifem Alter, und dann wurde sie nachdenklich; zog sie endlich die gelbe Blume, so sang sie den ganzen Tag nicht, denn das arme Kind war mit einem Greise verlobt.
Auch die Deutung der Träume war eine hochwichtige Angelegenheit. Von ihr erfuhr ich, daß es ein gutes Zeichen ist, von einem Kirchhofe zu träumen, eine noch bessere Vorbedeutung ist das Baden in klarem Wasser; wenn man hingegen träumt, daß man einen Zahn verliere oder von einer Schlange gebissen werde, hat man einen baldigen Tod zu erwarten.
Uebrigens lag allen diesen thörichten Vorstellungen eine feste Ueberzeugung zu Grunde, welche das arme Kind dem Unglück verdankte. Sie dachte mit Schaudern an die Schreckensscene zu Constantinopel, an den Brand des Hauses, an die Ermordung ihres Großvaters und ihrer Mutter, an den schweren Kampf, den ihr Vater und Fortunato bestanden, um sie und Stephana den Mordwaffen und Flammen zu entreißen.
Diese Erinnerung zog zuweilen wie eine düstere Wolke an ihren Augen vorüber, und dann erblaßte sie, ihre bis dahin lächelnden Lippen zogen sich zusammen und ihre Augen füllten sich mit Thränen.
Sie war weit gebildeter als die meisten Griechinnen, welche selten lesen und schreiben können; sie würde mit ihrem musikalischen Talent in einem Salon zu London oder Paris alle Anerkennung gefunden haben, und sie sprach italienisch so geläufig wie ihre Muttersprache.
Diese Nacht verging schnell wie die vorige; unsere Seelen stimmten so vollkommen mit einander überein, daß unsere so verschiedene Vergangenheit ganz verschwand. Wir kannten uns, so lange wir denken konnten; wir hatten uns geliebt, so lange wir das Licht der Welt erblickt.
Ich begab mich entzückt, mit innigem Dankgefühl nach Hause. Wer hätte mir bei meiner Flucht aus Constantinopel gesagt, daß ich durch eine Verkettung von so seltsamen und doch so natürlichen Umständen, nach kaum zwei Monaten in eine neue, eine Fülle des Schönen und Herrlichen bietende Welt versetzt werden würde? Was würde geschehen sein, wenn ich nicht gezwungen gewesen wäre, den »Trident« zu verlassen und einer ungewissen Zukunft entgegen zu gehen? Wen würde Fatinitza geliebt haben, wenn sie mich nicht geliebt hätte? – Nein, es konnte, es durfte nicht anders kommen; jeder Mensch hat seinen Lebensweg, den er betreten muß und an welchem die glücklichen oder unglücklichen Ereignisse schlummern: sie erwachen, wenn er sich nähert und tanzen singend vor ihm her, wie der Flötenbläser des Consuls Duilins, oder folgen ihm heulend, wie die Gespenster Leonorens. Aber ich hatte den Glücksweg betreten, und ich genoß ein Glück, welches meine kühnsten Hoffnungen weit übertraf.
Ach! ich hätte des Polykrates von Samos gedenken, auch ich hätte versuchen sollen, das Geschick zu versöhnen und einen kostbaren Ring ins Meer zu werfen.
Gegen Mittag kamen Constantin und Fortunato von Andros zurück. Ich wollte ihnen bis zum Landungsplatz entgegengehen; aber ich hatte nicht den Muth. Uebrigens konnte ich das Zusammentreffen wohl verzögern, aber nicht vermeiden ; kaum waren sie im Hause, so that sich die Thür meines Zimmers auf und Constantin erschien.
Er zeigte mir an, daß er in vierzehn Tagen Zea verlassen und wieder unter-Segel gehen werde; dann fragte er mich, ob ich nicht in Scio ans Land steigert und mich von da nach Smyrna begeben wolle, um den Auftrag Apostoli’s zu vollziehen.
Constantin sah es offenbar nicht gern, daß ich in seiner und Fortunato’s Abwesenheit auf Ceos blieb; seine wenigen Worte warfen das ganze Gebäude meines Glückes über den Haufen. Ich dachte an die kleine schwarze Wolke im Golf von Biscaya, welche einen so furchtbaren Sturm gebracht hatte. Ich sollte Fatinitza verlassen! Es war mir nicht eingefallen, daß ich künftig einen einzigen Tag ohne sie leben müsse, aber bei ihr zu bleiben war unmöglich, ohne Argwohn zu erregen. Es blieb mir keine Wahl, ich mußte Constantin begleiten oder ihm Alles gestehen; Ceos verlassen oder mich mit Fatinitza verloben.
So war ich denn auf dem gefährlichen Wege, den mir die Liebe gezeigt, blindlings fortgeeilt; und nun riß mir eine schonungslose Hand die Binde von den Augen – ich sah die furchtbare Wirklichkeit vor mir.
Ich schrieb an Fatinitza, daß sie mich erst später erwarten könne. Meine geflügelte Botin trug den Brief in den Pavillon. Ich blieb in meinem Zimmer, bis sich Constantin in dem seinigen eingeschlossen hatte; dann ging ich leise fort und schlich wie ein Schatten an der Mauer hin. An der gewohnten Stelle warf ich meine Strickleiter über die Gartenmauer. Fatinitza erwartete mich und befestigte die Leiter. Einen Augenblick nachher war ich bei ihr.
Sie bemerkte sogleich meine Betrübniß.
»Mein Gott!« sagte sie, »was fehlt Dir denn, mein Geliebter?«
Ich drückte sie seufzend an mein Herz.
»Sprich doch,« sagte sie; »was ist geschehen?«
»Theuersre Fatinitza, dein Vater geht in vierzehn Tagen unter Segel.
»Ja, ich weiß es, er hat mir’s heute gesagt. O mein Gott, ich liebe Dich so sehr, daß ich es ganz vergessen hatte! – Aber es muß mich und nicht Dich betrüben. Was kann Dir daran liegen, ob mein Vater bleibt oder abreist? Er ist ja nicht dein Vater.«
»Aber er nimmt mich mit, Fatinitza. Er hat mir zu verstehen gegeben, daß ich mich zur Abreise rüsten soll. Ich kann nicht bleiben, ohne daß er den Grund zu erforschen sucht, – ich kamt nicht abreisen und Dich verlassen.«
»Und wer hindert Dich, mein Geliebter, ihm Alles zu sagen? Mein Vater betrachtet Dich bereits als seinen Sohn. Wir werden vereinigt und glücklich.«
»Höre, Fatinitza,« erwiederte ich nach einer kurzen Pause, »höre mich an und denke nichts Arges von mir.»
»Sprich.«
»Würdest Du Dich ohne Einwilligung deiner Eltern vermählen, wenn Du noch eine Mutter hättest?«
»Ich bin weit entfernt von meinen geliebten Eltern; ich habe ihnen schon zu viel Herzleid verursacht, denn sie wissen, daß ich alle ihre Hoffnungen zerstört habe; es ist ja nicht zu bezweifeln , daß ich zum Tode verurtheilt bin und mein Heimatland nie wieder betreten darf.»
»Warum verurtheilt man Dich denn zum Tode? Weil Du eine Beleidigung durch eine Herausforderung erwiedert? Du wärest ja verachtet worden, wenn Du anders gehandelt hättest.«
»Unsere Gesetze sind einmal so, theuerste Fatinitza; ich habe den Tod zu erwarten , wenn ich englischen Boden betrete.»
»O, gehe nie wieder hin!» rief Fatinitza, den Arm um meinen Hals schlingend. »Was hast Du in dem bösen Lande zu suchen? Die ganze Welt steht Dir ja offen; ich weiß wohl, daß dieses Eiland nicht mit England zu vergleichen ist, aber nirgends wirst Du eine solche Liebe wieder finden.«
»Gott ist mein Zeuge, Fatinitza,« sagte ich mit einem zärtlichen Blick, »daß ich mich nicht nach meiner Heimat sehne. Meine Heimat ist da, wo Du lebst und wo Du mir sagst, daß Du mich liebst. Ein Felseneiland mitten im Ocean und deine Liebe, mehr verlange ich nicht, wenn mir meine Eltern schreiben: Sei glücklich mit deiner Erwählten, nehmt unsern Segen!«
»Nun, kannst Du ihnen denn nicht schreiben? Sage meinem Vater, was Du mir gesagt hast, und er wird geduldig den gewünschten Segen erwarten.«
»Eben das will ich ihm nicht sagen, Fatinitza,« erwiederte ich und schlang den Arm um sie. – »Höre mich an. Mein Heimatland bat nicht nur sonderbare Gesetze, sondern auch widersinnige Vorurtheile. Ich bin der letzte Sprößling einer altadeligen Familie —«
Fatinitza machte eine Bewegung, entwand sich meinem Arm und sah mich stolz an.
»Die nicht vornehmer und älter ist als unsere Familie,« sagte sie.« »Weißt Du nicht den zweiten Namen meines Vaters, und hast Du nicht gesehen, daß seine Diener mit ihm sprechen, wie mit einem Fürsten? Ist es in deinen Augen nichts, von den Spartanern abzustammen und Sophianos zu heißen? Gehe in die Cathedrale von Monobasia, und Du findest unsern Adelsbrief unter der Capitulationen dieser Stadt, welche, von einem unserer Ahnen befehligt, drei Jahre deinen westländischen Landsleuten Widerstand leistete. Wenn Du sonst kein Bedenken hast, John, so schreibe deiner Mutter, daß Du ihr eine Tochter gefunden, welche einem so edlen Geschlecht angehört, wie keines von denen, welche einst um Wilhelm dem Eroberer über die Meerenge kamen.«
»Ja, ich weiß es, Fatinitza,« antwortete ich in peinlicher Stimmung, denn sie konnte unsere Bedenken nicht begreifen, und ich wußte ihren Stolz zu würdigen. »Aber die Umstände, die Ereignisse, die Gewaltherrschaft haben deinen Vater —«
»Zum Piraten gemacht, nicht wahr? so wie sie Mavrokordatos und Botzaris zu Klepythen gemacht haben. Es wird eine Zeit kommen, Sohn, wo die Welt sich schämen wird, diesen Piraten und Klepythen solche Namen gegeben zu haben. – Doch für jetzt hast Du Recht, die Tochter eines Piraten oder Klepythen muß demüthig sein und ruhig zuhören. Jetzt sprich,«
»O meine geliebte Fatinitza, wenn meine Mutter Dich nur einen Tag, eine Stunde, einen Augenblick sehen konnte – dann würde ich ruhig sein und nicht mehr zweifeln! – Wenn ich ihr zu Füßen fallen und ihr sagen könnte, daß mein Leben von Dir abhängt, daß Du mich liebst – ja, dann würde ich ihrer Einwilligung gewiß sein. Aber es ist nicht möglich, Fatinitza, ich muß an sie schreiben, das kalte, theilnahmlose Papier muß meine Bitte überbringen. Sie kann nicht ahnen, daß jedes Wort mit meinem Herzblut geschrieben wurde und vielleicht wird sie ihre Einwilligung versagen.«
»Und was wirst Du thun, wenn sie nicht einwilligt?« fragte Fatinitza kalt.
»Dann werde ich selbst hingehen und sie um ihren Segen bitten, ohne den ich nicht leben könnte; ich werde mein Leben wagen, denn mein Leben ist nichts gegen meine Liebe. Hörst Du wohl, Fatinitza, ich werde hingehen, so wahr wie Du ein Engel der Tugend bist!«
»Und wenn sie nicht einwilligt?«
»Dann, Fatinitza, komme ich zurück, und dann wird es an dir sein, mir ein großes Opfer zu bringen; es wird an Dir sein, deine Familie zu verlassen, wie ich die meinige verlassen werde; dann wollen wir an einem einsamen Orte für einander leben – und die Zeugen unseres Glückes sollen die Sterne sein, die nacheinander erlöschen werden, ehe ich aufhöre Dich zu lieben.«
»Und das wirst Du thun?«
»Ja, ich schwöre es bei meiner Ehre, bei meiner Liebe, bei deinem Leben! – Von dieser Stunde an, Fatinitza, bist Du meine Braut.«
»Und ich bin dein Weib!« rief sie mit Begeisterung und sank in meine Arme.