Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 23
VII
Was Fatinitza gesagt hatte, war kein leeres Wort. Fatinitza war mein Weib. Von diesem Tage an bis zu meiner Abreise bereitete uns jeder Abend das höchste Erdenglück; ihr reines Gemüth hegte keinen Zweifel mehr, und sie betrachtete unsere Trennung nur noch als einen entscheidenden Zeitpunkt, dein später unsere dauernde Vereinigung folgen werde. Ich war dieses Vertrauens würdig, und sie hatte Recht mich so zu beurtheilen.
Aber ungeachtet dieses gegenseitigen Vertrauens konnten wir uns doch manchmal einer bangen Sorge nicht erwehren. Unser Wille war stark, unser Entschluß unerschütterlich; aber zwischen zwei scheidende Personen stellt sich sofort der blinde, schonungslose Zufall. Ich selbst hatte diese trüben Ahnungen, und sie nahmen meinen Worten den zuversichtlichen Ton, der so nothwendig gewesen wäre, um Fatinitza zu beruhigen.
Wir verabredeten, was ich thun sollte. Zuerst sollte ich mich nach Smyrna begeben, um mich bei Apostoli’s Mutter und Schwester des Auftrags zu entledigen, den mir der Unglückliche vor seinem Ende gegeben hatte, und zugleich mich zu erkundigen, ob kein Brief aus England mich erwarte.
In Smyrna sollte ich schreiben und die Antwort abwarten. Da ich Constantin und Fortunato auf ihrer zwei bis drei Monate langen Seefahrt nicht begleiten konnte, so sollte ich dort bleiben, bis sie mich abholen würden , und mit ihnen nach Ceos zurückkehren.
Uebrigens sollte ich ihnen noch nichts sagen, um sie im Fall einer Weigerung nicht gegen mich aufzubringen. Wenn ich ohne sie zurückkäme, sollte ich mich an Stephana wenden, der Fatinitza Alles gesagt hatte.
Dieser Plan war einfach und leicht auszuführen; wir konnten fest auf einander zählen, und dennoch hatten wir trübe Ahnungen.
Die letzte Nacht, welche ich bei Fatinitza zubrachte, war sehr traurig; sie ließ sich weder durch meine Schwüre noch durch meine Liebkosungen beruhigen. Unser Abschied war herzzerreißend; sie war einer-Ohnmacht nahe und ich eilte fast wahnsinnig in mein Zimmer.
Ich schrieb ihr noch einen Brief, den ich unserer lieben Taube anvertraute. Die gefiederte Botin kam schon bei Tagesanbruch an mein Fenster, als ob sie um meine Abreise gewußt hatte und von mir Abschied nehmen wollte.
Um acht Uhr gingen Constantin und Fortunato über den Hof. Sie hatten mich nicht eingeladen, sie zu begleiten und ich mochte sie nicht um Erlaubniß bitten ; es war mir auch lieber, Fatinitza nicht mehr zu sehen, als einen scheinbar gleichgültigen Abschied von ihr zu nehmen. Sie blieben etwa eine Stunde bei ihr; dann kamen sie mich abzuholen. Während sie die Treppe heraufkamen, ließ ich die Taube los, die sogleich zum Fenster der Geliebten flog. So war denn mein Lebewohl das letzte, welches Fatinitza erhielt. Niemand sollte sich fortan zwischen unsere Erinnerungen drängen.
Es bedurfte meiner ganzen Charakterstärke, um mich nicht zu verrathen. Constantin und Fortunato waren übrigens mit ihrem eigenen Schmerz so sehr beschäftigt, daß sie den meinigen nicht beachteten. Nie hatten sie Fatinitza so trostlos gesehen, und beide theilten ihren Schmerz, den sie den ihnen bevorstehenden Gefahren zuschrieben.
Endlich mußte ich das Zimmer verlassen, wo ich seit zwei Monaten so glücklich gewesen war. Aber als wir fortgingen, gab ich vor, etwas vergessen zu haben, und eilte die Treppe hinauf, um es noch einmal zu sehen. Ich kniete mitten im Zimmer nieder und bat Gott, mich wieder hierher zu führen.
Langer konnte ich, ohne Verdacht zu erregen, nicht bleiben; ich eilte hinunter. Constantin und Fortunato erwarteten mich am Hofthor; sie sprachen lebhaft mit einander. Ich nahm eine möglichst gleichgültige Miene an; wie konnten sie auch ahnen, daß ich das Theuerste, was die Welt für mich besaß, auf Ceos zurückließ?
Stephana erwartete uns mit ihrem Gatten am Hafen. Als verheiratete Frau war sie nicht verschleiert. Sie sah mich mit ihren großen schwarzen Augen forschend an, und als ich auf das zur Barke führende Brett trat, flüsterte sie mir zu: »Gedenken Sie Ihres Schwures!«
Fatinitza winkte mit dem Schnupftuch, wie sie bei unserer Ankunft gethan.
Wir bestiegen die Feluke, welche am Eingange des Hafens lag ; mein Blick war immer auf das wehende Schnupftuch gerichtet, bis mir die Thränen in die Augen traten. Dann wandte ich mich ab, um meine Thränen zu verbergen.
Der ungünstige Wind verzögerte unsere Abfahrt, und ich hieß diesen Unfall willkommen, der mich langsamer von Fatinitza entfernte. Die Feluke erreichte indeß mit Hilfe der Ruderer das offene Meer; die Segel konnten nun aufgespannt werden, und wir fuhren um das Vorgebirge, welches bald die Stadt Cea und das Haus Constantin’s unseren Blicken entzog.
Nun versank ich in dumpfen Schmerz; es schien mir, als ob ich nur durch jenes letzte Lebewohl an die Welt gefesselt würde und daß nun jede Verbindung mit dem Leben gelöst sei.
Ich schützte eine durch die Hitze verursachte Unpäßlichkeit vor und ging in meine Cajüte, um mich ungestört meinem Schmerz zu überlassen.
Den folgenden Tag trat Windstille ein; noch gegen Abend sah ich den Eliasberg. Endlich liefen wir in den Canal ein, der Eubäa von der Insel Andros trennt.
Erst in acht Tagen kamen wir in Sicht von Skyros, der Wiege Achilles, und wieder verging eine Woche, ehe wir Scio erreichten. Endlich am Abend des siebzehnten Tages warfen wir auf der Rhede von Smyrna den Anker. Constantin war der Freundschaft seiner Landsleute gewiß, aber er wagte es doch nicht, in einen so großen und von den Schiffen aller Nationen besuchten Hafen einzulaufen.
Ehe ich Abschied nahm, boten mir Constantin und Fortunato ihre Dienste an; aber ich brauchte nichts, ich hatte noch sieben- bis achttausend Franks in Gold und Wechseln. Ich nahm ihnen mir das Versprechen ab, auf der Rückkehr wieder vor Smyrna anzulegen, um mich abzuholen, wenn ich noch da wäre. Ich fühlte mich freier und leichter, als ich von den beiden Piraten Abschied genommen hatte. In ihrer Gegenwart war ich befangen und gedemüthigt; in der Ferne erschienen sie mir nur noch vom poetischen Gesichtspunkte und ähnlich den aus dem alten Troja Verbannten, welche mit den Waffen in der Hand eine neue Heimat suchten.
Wir gaben das bekannte Signal, um anzuzeigen, daß sich am Bord Jemand befinde, der abzusteigen wünsche. Sogleich stieß eine Barke vom Ufer ab und holte mich. Ehe ich ans Land stieg, erkundigte ich mich nach der Wohnung der Mutter Aposioli’s .Sie bewohnte seit drei Wochen ein kleines Landhaus unweit Smyrna. Einer von den Matrosen der Barke erbot sich mich hinzuführen.
Ich fand die Dienerschaft in Trauerkleidern. Die Kunde von dem Tode ihres jungen Herrn hatte sich durch die Passagiere der »Bella Lavantina«, welche diesem Tode ihre Freiheit verdankten, längst in Smyrna verbreitet. Apostoli’s Mutter und Schwester hatten nun das in seinem Interesse geführte Handelsgeschäft verkauft und lebten still und zurückgezogen.
Sobald mein Name genannt wurde, thaten sich die Thüren auf. Die Mutter Apostoli’s hatte erfahren, daß ich der Freund ihres Sohnes gewesen war und ihn bis an sein Ende gepflegt hatte. Sie erwartete mich stehend in einem schwarzverhängten Zimmer; stille Thränen flossen über ihre Wangen. Ich beugte ein Knie vor der trauernden Mutter; aber sie hob mich auf und umarmte mich.
»Sprechen Sie von meinem Sohn,« sagte sie.
In diesem Augenblicke erschien Apostoli’s Schwester. Auf einen Wink ihrer Mutter nahm sie den Schleier ab, denn ich war ja kein Fremder für sie. Sie war sechzehn bis siebzehn Jahre alt, und ich würde sie schön gefunden haben, wenn sie durch das Bild, welches ich im Herzen trug, nicht völlig in Schatten gestellt worden wäre. Ich übergab der Mutter die Haare des Verstorbenen, der Schwester den Ring, beiden den Brief. Dann mußte ich die Krankheit und den Tod meines armen Freundes ausführlich erzählen. Ich wußte, daß Thränen der wohlthuendste Balsam für tiefen Schmerz sind; ich hob Alles hervor, was ihnen den Theuern, welchen sie verloren, im günstigsten Lichte zeigen konnte. Sie weinten still und voll Ergebung, wie es Christinnen geziemt.
Ich blieb den ganzen Tag bei ihnen, ich vergaß mich selbst um ihretwillen. Abends begab ich mich in die Stadt zurück und ging zu dem englischen Consul. Er hatte Alles erfahren, was sich am Bord des »Trident«, der einige Tage nach meiner Flucht in den Hafen von Smyrna eingelaufen war, zugetragen hatte; denn der Capitän Stanbow hatte einen Tag nach meinem Duell mit Burke Depeschen erhalten, welche ihn nach England zurückriefen. Ich wurde übrigens, wie ich erwartet, von Allen bedauert, und der Capitän selbst hatte sich vorgenommen, den Lords der Admiralität die Angelegenheit der Wahrheit gemäß darzustellen. Der Consul übergab mir einen Brief von meinen Eltern, welche mir für den Nothfall einen Wechsel auf fünfhundert Pfund Sterling schickten. Der Brief war drei Monate alt und folglich geschrieben, ehe die Nachricht von Burke’s Tode nach London gekommen war.
Ich blieb acht Tage in Smyrna und erwartete immer eine Gelegenheit, an meine Mutter zu schreiben. Den größten Theil meiner Zeit brachte ich bei Apostoli’s Mutter zu, die mich wie ihr eigenes Kind liebte. Den neunten Tag, als ich in den Gasthof zurückkehrte, erfuhr ich, daß ein englischer Schooner, der die Fahrt von London in dreiundzwanzig Tagen gemacht, in den Hafen eingelaufen sei. Zwei Stunden nachher schickte mir der Consul einen Brief. Ich gestehe, daß ich ihn zitternd empfing; meine Mutter mußte jetzt wissen, was geschehen war, und ich fürchtete, dieser Brief werde der Ausdruck ihres tiefsten Schmerzes sein. Ich betrachtete die Anschrift, um in den Schriftzügen irgend ein beruhigendes Merkmal in entdecken; es war die gewöhnliche Schrift meiner Mutter, ohne ein Zeichen von Aufregung.
Endlich erbrach ich den Brief, und schon die ersten Zeilen machten mir große Freude; denn sie enthielten eine unverhoffte Nachricht. Der Capitän Stanbow, über das Benehmen Burke’s gegen den armen David entrüstet, hatte bereits von Gibraltar aus an die Lords der Admiralität ein Gesuch um Versetzung seines ersten Lieutenants berichtet und dabei dessen Zerwürfniß mit den übrigen Offizieren geltend gemacht.
Der Charakter des Capitäns war so wohl bekannt, daß man seinem Berichte unbedingten Glauben geschenkt hatte. Die Lords der Admiralität hatten sich daher beeilt, Burke zum ersten Lieutenant des Kriegsschiffes »Neptun« zu ernennen. Dieses Schiff lag im Hafen von Plymouth und war zur Bedeckung einer Handelsflotte in Indien bestimmt. Die neue Ernennung Burke’s war acht Tage vor meinem Duell mit ihm erfolgt.
Ich hatte daher nicht meinen Vorgesetzten, sondern blos einen Offizier der englischen Marine getödtet; dies war ein großer Unterschied. Das Seegericht hatte mich trotzdem zur Deportation verurtheilt, aber offenbar wegen meiner Abwesenheit; mein Vater zweifelte nicht, daß ich wäre freigesprochen werden, wenn ich zugegen gewesen wäre; er war daher eifrig darauf bedacht, das über mich verhängte Strafurtheil cassiren zu lassen. Meine Mutter schrieb mir, daß sie mich mit Sehnsucht erwarte.
Nichts hätte in meinen Plan besser passen können, als meine Rückkehr nach England. Ich hatte nicht nöthig zu schreiben, ich konnte ja für mich und Fatinitza weit beredter mündlich als schriftlich das Wort führen. Ich eilte daher an den Hafen. Ein Handelsschiff lag segelfertig nach Portsmouth; ich nahm es in Augenschein, erkannte es für einen guten Segler und bezahlte meinen Platz. Ein Kriegsschiff hätte mich als Gefangenen behandeln müssen, und ich wollte mich freiwillig den Lords der Admiralität zur Verfügung stellen, nachdem ich meine Mutter wiedergesehen. Ich theilte der Mutter Apostoli’s diese gute Nachricht mit, und zum ersten Male sah ich einen Strahl der Freude in ihren Augen und ein Lächeln ans ihren Lippen. Vielleicht war es nicht so mit ihrer Tochter. Das arme Kind! ich weiß nicht, was ihr Apostoli geschrieben und welche Hoffnungen er ihr gemacht hatte; aber ich glaube, das; sie erwartet hatte, mich länger in Smyrna zu sehen.
Zwölf Tage nach meiner Ankunft und beinahe einen Monat nach meiner Trennung von Fatinitza reiste ich ab. Unser Abschied war ein neuer Schmerz für Apostoli’s Mutter. Ich betheuerte, daß ich mir vorgenommen, bald wieder in den Orient zu kommen, aber ohne ihr zu sagen, welche Ursache mich zurückführen werde. Die »Betsy« war wirklich ein guter Segler; zwei Tage nach unserer Abfahrt von Smyrna waren wir in Sicht von Nicaria; ich erkannte in der Ferne den Hügel, auf welchem Apostoli ruhte. Fast jede Insel des Archipels hatte für mich eine Erinnerung.
Fünf Tage nachher kamen wir in Sicht von Malta. Wir segelten ohne anzuhalten an der kriegerischen Insel vorüber. Der Capitän der »Betsy« schien meine Ungeduld zu theilen, der Wind war günstig. Acht Tage später hatten wir die Meerenge von Gibraltar hinter uns, und neunundzwanzig Tage nach unserer Abfahrt von Smyrna warfen wir auf der Rhede von Portsmouth den Anker. Meine Ungeduld war so groß, daß ich den Eilwagen nicht benutzen wollte; ich konnte die achtzig Lieues nach Williamhouse in zwanzig bis zweiundzwanzig Stunden zu Pferde zurücklegen; ich beschloß also zu reiten.
Die Postillone mußten mich für einen Wahnsinnigen halten, der eine Wette gemacht. Um drei Uhr Nachmittags verließ ich Portsmouth ich ritt die ganze Nacht durch, und bei Tagesanbruch war ich in Northampton. Gegen zehn Uhr überschritt ich die Grenze der Grafschaft Leicester; um Mittag galoppierte ich durch Derby – endlich erblickte ich Williamhouse, die zum Schlosse führende Pappelallee, das offene Thor, den Kettenhund und Patrick, der die Pferde striegelte, und endlich Tom, der die Außentreppe herabkam. Ich erreichte mit ihm zugleich die unterste Stufe; ich sprang vorn Pferde und rief:
»Meine Mutter! wo ist meine Mutter?«
Die liebe theure Mutter hörte den Ruf und eilte aus dem Garten herbei. Sie wankte – ich stürzte auf sie zu und schloß sie in meine Arme, als sie eben im Begriff war umzufallen; und während auch mein Vater so schnell herbeikam, wie er mit seinem Stelzfuß konnte, reichte ich ihm die Hand, denn ich konnte und wollte meine Mutter nicht loslassen. Tom warf in der Freude seines Herzens seine Mütze in die Luft, musterte mich mit untergeschlagenen Armen und ließ seine freudigsten Flüche gegen mich los. Endlich schlang mein Vater seinen Arm um meinen Nacken, und wir bildeten eine Weile eine dichtverschlungene, überschwänglich glückliche, weinende Gruppe.
Bald kamen alle Hausbewohner dazu, denn die Kunde von meiner Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Da war Mistreß Denison, deren irisches Kauderwälsch mir auf meinem ersten Kriegszuge in der Dorfschenke so gut zu Statten gekommen war; da war Sanders, der ehrenwerthe Verwalter, der von seinem Hause herkam; und endlich zur Zeit der Tafel der brave Doctor, aus dessen Lectionen ich so großen Nutzen gezogen hatte. Und Abends erschien Mr. Robinson, der ehrwürdige Pastor, der noch immer gern Whist spielte und nicht geahnt hatte, einen neuen Partner im Schlosse zu finden.
Inzwischen besuchte ich mir meiner Mutter das ganze Haus; mein Vogelhaus, welches sorgfältig im Stande erhalten und mit seinen freiwilligen Bewohnern bevölkert war; die Grotte, welche noch immer das Lieblingsziel meines Vaters auf seinen Spaziergängen war; endlich den See, meinen schönen See, den ich vormals als ein Meer betrachtet hatte und der mir nun kaum mehr als ein Teich erschien, Alles war noch an derselben Stelle und wohl geordnet.
Meine Eltern führten dieselbe Lebensweise wie ehedem; ich verglich nun Alles, was mir feit einem Jahre begegnet war, mit diesem ruhigen, stillgemüthlichen Leben, und es schien mir, als oh ich aus einem langen Wahnsinn wieder zur Besinnung gekommen wäre; ich glaubte furchtbare Visionen und liebliche Erscheinungen gehabt zu haben. So mußte es Dante zu Muthe sein, als er mit Virgil die Hölle und das Fegefeuer durchwanderte und von Beatrix aus dem Paradiese auf die Erde zurückgeführt wurde.
Meine gute Mutter war übrigens eben so erstaunt und gerührt wie ich; sie konnte sich nicht vorstellen, daß ihr geliebter Sohn, den sie nie wieder zu sehen geglaubt, wirklich bei ihr war. Sie schloß mich in ihre Arme und drückte mich an ihr Herz, um sich zu überzeugen, daß ich kein Traumgebilde sei; bald lachte sie ohne Ursache und trocknete ihre ohne besondere Veranlassung fließenden Thränen; bald sah sie mich lange und forschend an und sagte, ich sei gewachsen, ein Mann geworden.
Wir gingen in den Salon, und ich mußte nun meine Reisen und Abenteuer erzählen. Ich beschloß indeß meine Erzählung mit dem Tode Burke’s und erwähnte nur, daß ich mich nach dem Duelle in den Archipel geflüchtet und dort geblieben sei, bis ich aus dem Briefe meiner Mutter erfahren, daß ich kommen könne. Mein Vater beschloß, den folgenden Tag mit mir nach London zu reisen. Das über mich gesprochene Urtheil war keineswegs entehrend, aber es war doch ein Strafurtheil, und mein Vater wollte mich so bald wie möglich gerechtfertigt sehen. Meine Mutter begleitete uns; sie wollte mich nach der langen Trennung nicht verlassen; überdies hatte sie bei ihrer vortrefflichen Gesundheit die Anstrengungen der Reife nicht zu fürchten. – Der Ausgang des Processes schien keinem von uns zweifelhaft.
Nach unserer Ankunft in London begaben wir uns sogleich auf die Admiralität. Ich erklärte, daß ich mich freiwillig stellte und bat, mir das Gefängniß anzuzeigen, in welches ich mich begeben, oder die Caution zu bestimmen, welche ich leisten sollte. Man willigte in die Caution; aber da der »Trident« eben im englischen Canal kreuzte, so mußte ich behufs der Revision der frühem Untersuchung die Rückkehr, welche erst in einem Monate stattfinden sollte, abwarten. Diese Verzögerung war mir höchst peinlich, aber ich konnte es nicht ändern. Wir blieben die ganze Zeit in London. Ich kannte das große Babylon noch nicht; aber wie merkwürdig es auch war, so vermochte es doch meine quälende Unruhe nicht zu bannen. Es waren bereits vier Monate verflossen, seitdem ich Ceos verlassen hatte; was sollte Fatinitza denken?
Endlich ging die Nachricht ein, daß der »Trident« ans der Rhede von Portsmouth vor Anker liege, und da das Admiralschiff in denselben Hafen lag, so sollte die Revision des Processes dort stattfinden. Wir reisten sogleich von London ab; jeder Tag, jede Stunde war mir kostbar.
Die Vorbereitungen des Prozesses nahmen noch beinahe einen Monat in Anspruch – Endlich kam der ersehnte Tag.
Mein Vater begleitete mich in seiner Staatsuniform; ich erschien als Midshipman.
Um sieben Uhr Morgens feuerte das Admiralschiss einen Kanonenschuß ab und zeigte durch ein Signal die Eröffnung des Kriegsgerichts auf neun Uhr an.
Wir begaben uns zur bestimmten Stunde an Bord. Ich wurde sogleich von dem Profoß in Empfang genommen; dann kamen die Capitäne, welche das Kriegsgericht bilden sollten, und wurden von einer Abtheilung Seesoldaten mit den ihrem Range gebührenden Ehren empfangen.
Um halb zehn Uhr waren die Mitglieder des Kriegsgerichtes versammelt und mein Name wurde gerufen.
Ich trat in den Sitzungssaal. Am oberen Ende eines langen Tisches saß der Admiral als Präsident, zu seiner Rechten der Ankläger. Sechs andere Capitäne saßen nach der Rangordnung, je drei auf jeder Seite des Tisches. Am unteren Ende saß der Vertheidiger; ich stand entblößten Hauptes an seiner Seite.
Das frühere Verfahren wurde aufgehoben und ein anderes auf neue Beweismittel gestütztes eingeleitet. Ich ward angeklagt, einen Offizier der englischen Marine auf dem Friedhofe von Galata ohne Herausforderung von seiner Seite ermordet zu haben. Es handelte sich daher um den Beweis, daß Burke im Duell und nicht durch einen Meuchelmord das Leben verloren. Die Subordinationsfrage war gänzlich beseitigt.
Ich hörte die Anklage mit ehrerbietigem Schweigen an. Dann bat ich ums Wort und erzählte einfach und mit Ruhe, wie die Sache zugegangen war. Zu meiner Rechtfertigung berief ich mich auf die Offiziere des »Trident«, ohne eine bestimmte Person zu nennen; ich überließ es den Richtern, die Entlastungszeugen zu wählen. Man beschloß, den Capitän Stanbow, den zweiten Lieutenant Trotter, den Midshipman James Perry, den Hochbootsmann Thomson und vier Matrosen zu vernehmen. Belastungszeugen waren nicht vorhanden.
Es versteht sich, daß die Aussagen völlig übereinstimmten. Es wurde Burke alle Schuld zugeschrieben, und alle Offiziere erklärten, daß sie an meiner Stelle dieselbe Rache für die mir widerfahrene Beleidigung genommen haben würden.
Die vier Matrosen, unter denen sich Bob befand, gaben ganz übereinstimmende Erklärungen. Einer von ihnen, der in Burke’s Diensten gestanden, sagte sogar aus, daß er durch die angelehnte Thür gesehen, wie der erste Lieutenant den Stock gegen mich erhoben.
Als das Zeugenverhör beendet war, ließen die Richter alle abtreten, um sich zu berathen. Die Zeugen entfernten sich von der einen Seite und ich von der andern. Nach einer Viertelstunde wurde ich wieder vorgerufen; auch die Zeugen und Zuhörer erschienen wieder. Alle Mitglieder des Kriegsgerichts standen mit bedecktem Haupt. Nach einer kurzen feierlichen Stille legte der Präsident die Hand aufs Herz und sagte laut :
»Auf Ehre und Gewissen, vor Gott und den Menschen erkläre ich, daß der Angeklagte des Mordes nicht schuldig ist.«
Die Zuhörer brachen in lauten Jubel aus und mein Vater, der mir keinen Augenblick von der Seite gegangen war, schloß mich in seine Arme. Zugleich kam Capitän Stanbow mit den anderen Offizieren des »Trident« auf mich zu, und ich befand mich mitten unter meinen vormaligen Cameraden, die mich mit Händedruck und Umarmung begrüßten und mir Glück wünschten. Kaum hatte ich mich den Richtern empfohlen und ihnen gedankt, so wurde ich im Triumph auf das Verdeck geschleppt. Das Boot des »Trident« war zur Hand, wir stiegen ein und ich wurde im Triumph nach Portsmouth geführt.
Als ich ans Land stieg, dachte ich an meine gute Mutter, welche das Urtheil mit großer Angst erwartet hatte. Während mein Vater und Capitän Stanbow die Vorkehrungen zu einem großen Festessen trafen, eilte ich in den Gasthof. Ich brauchte meiner Mutter nichts zu sagen; als sie mich ins Zimmer stürzen sah, sank sie in meine Arme.
»Gerettet!l« rief sie mit Freudenthränen. »O, ich bin die glücklichste Mutter!«
»Es liegt nur an Dir,« antwortete ich, ein Knie vor ihr beugend, »mich zum glücklichsten Sohn und Gatten zu machen.«