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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 3

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V

Am andern Morgen stand der Capitän eine Stunde früher als gewöhnlich auf, durcheilte das Schloß und ertheilte persönlich die Weisungen, die er für nothwendig hielt, um den heutigen Besuch in gebührender Weise zu empfangen. Die Ordnung und Sauberkeit, die er in dem Hause der Miß Anna gefunden hatte, gefiel ihm so, daß er beschloß Williamhouse auf denselben Fuß einzurichten. Er ließ daher nicht nur Fußböden und Möbeln bohnen, sondern auch die Gemälde reinigen.

Die bis dahin mit Staub und Schmutz bedeckten Ahnen Sir Williams’ schienen wieder aufzuleben und Alles was in diesen so lange verödet gewesenen Zimmern vorging, mit klaren Augen zu betrachten.

Der Doctor begleitete den Capitän, der für diese Vorkehrungen alles Feuer seiner Jugendjahre wieder gefunden zu haben schien. Auch Sanders kam dazu, und als er die ganze Dienerschaft so emsig beschäftigt sah , fragte er ob etwa der König nach Derbyshire kommen werde, und zu seinem Erstaunen vernahm er, daß alle diese Vorkehrungen getroffen wurden, weil Miß Anna Mary eine Tasse Thee im Schlosse trinken wollte.

Tom wußte seit drei Tagen nicht was er denken sollte; den Spleen fürchtete er nicht mehr, aber er meinte, es spuke dem Commandanten im Kopfe. Nur der Doktor schien aus diesem für Alle dunkeln Wege muthig vorzuschreiten und einen längst entworfenen Plan zu verfolgen.

Der würdige Mr. Robinson freute sich herzlich über die merkliche Besserung Sir Edward’s; er war gewohnt, der Vorsehung die Mittel zu überlassen und ihr für den Erfolg zu danken.

Miß Anna Mary und Mademoiselle de Villevieille kamen zur bestimmten Stunde, ohne zu ahnen, daß ihr Besuch so viele Vorkehrungen veranlaßt hatte. Der Capitän machte in der liebenswürdigsten Weise die Honneurs. Er war wohl noch blaß und schwach, aber wer ihn so flink und geschäftig sah, konnte kaum glauben, daß er derselbe Mann sei, der sich acht Tage vorher langsam und still wie ein Gespenst durch die Zimmer geschleppt hatte.

Während der Thee genommen wurde, klärte sich der im nördlichen England gemeiniglich so trübe Octoberhimmel plötzlich auf und die Sonne schien gar freundlich zwischen den sich zerstreuenden Wolken hindurch. Der Doktor benutzte den schönen Abend, um einen Spazirgang durch den Park vorzuschlagen. Die Besucherinnen willigten ein. Der Doctor bot dem alten Fräulein, der Capitän der Miß Anna den Arm. Anfangs war der Seemann etwas befangen; aber Anna Mary war so heiter und anmuthig, daß seine Verlegenheit schwand, sobald sie anfing zu sprechen. Sie harte viel gelesen, Sir Edward hatte viel gesehen, das Gespräch konnte daher nicht stocken. Er erzählte seine Seereisen und Kriegsfahrten, wie er zweimal in Gefahr gewesen sei zwischen den Eisbergen am Nordpol stecken zu bleiben, und wie er im indischen Ocean Schiffbruch gelitten. Dann kam die Geschichte der elf Seegefechte, die er mitgemacht, zumal der letzten Schlacht, in welcher er das Bein verloren. Er erzählte, wie er sich auf dem Verdeck aufgerichtet und in die Hände geklatscht, als ein feindliches Kriegsschiff, dessen Mannschaft sich nicht habe ergeben wollen, mit Mann und Maus untergegangen sei. Anfangs hörte Anna ans Höflichkeit zu; nach und nach aber schenkte sie der schmucklosen, aber lebhaften Erzählung die größte Aufmerksamkeit Anna lauschte noch immer, als der Capitän längst aufgehört hatte zu sprechen, und der Spaziergang hatte zwei Stunden gedauert, ohne daß Sir Edward müde wurde und Miß Anna sich langweilte. Das Fräulein von Villevieille, welche das Gespräch mit dem Doctor nicht so anziehend zu finden schien, erinnerte endlich ihre junge Herrin, daß es Zeit sei sich nach Hause zu begeben.

Sir Edward war den ganzen Abend sehr vergnügt; aber als er am andern Morgen bedachte, daß Miß Anna keine Ursache habe wieder ins Schloß zu kommen und daß er schwer einen Vorwand zu einem neuen Besuch finden werde, schien ihm der Vormittag endlos lang, und Tom fand ihn wieder sehr traurig und niedergeschlagen.

Der Capitän hatte sein fünfundvierzigstes Jahr erreicht und noch nie geliebt. Er war schon als Knabe in den Seedienst getreten und seine Seele war sofort durch die großartigen Erscheinungen in der Natur gefesselt worden; die zarteren Gefühle waren durch die strenge Mannszucht unterdrückt worden; so lange er am Bord seiner Fregatte gewesen war, hatte er die eine Hälfte der Schöpfung als einen Luxusartikel betrachtet, die Gott den Menschen zum Vergnügen geschenkt, wie die duftenden Blumen und die singenden Vögel. Die Blumen und Vögel dieser Art, welche er kennen gelernt, hatten freilich nichts Anlockendes: es waren einige Wirthinnen, welche in den verschiedenen Seehäfen, wo er sich vor Anker gelegt, die besuchtesten Gasthäuser hielten; Negerinnen an der Küste von Guinea oder Zangebar, Hottentottinnen am Cap oder Patagonierinnen im Feuerlande.

Der Gedanke, daß sein Geschlecht mit ihm aussterben werde, hatte ihm nie große Bekümmerniß gemacht. Diese frühere Gleichgültigkeit machte es sehr wahrscheinlich, daß ihn die erste einigermaßen hübsche und geistreiche Dame völlig umstimmen werde, zumal wenn dieselbe, wie Anna Mary, so viele ausgezeichnete Eigenschaften besaß. Wir haben gesehen, daß dies wirklich der Fall war. Der Capitän, der auf einen Angriff nicht gefaßt gewesen war, hatte nicht an Vertheidigung gedacht, so daß er bei dem ersten Scharmützel kampfunfähig wurde und in Gefangenschaft gerieth.

Sir Edward brachte den Tag zu wie ein Kind, das sein liebstes Spielzeug verloren hat und sich mit keinem andern die Zeit vertreiben will. Er zankte mit Tom, kehrte Sanders den Rücken zu und wurde erst wieder heiterer, als der Doktor zur gewohnten Stunde erschien, um seine Partie zu machen. Aber Sir Edward mochte nicht spielen: er ließ Tom, Sanders und den Pfarrer einen vierten Partner suchen und führte den Doctor unter einem sehr ungeschickten Vorwande in sein Zimmer. Er sprach von allen möglichen Dingen, nur nicht von der Angelegenheit, die er eigentlich auf’s Tapet bringen wollte, erkundigte sich nach dem Patienten im Dorfe und erbot sich ihn morgen dahin zu begleiten. Leider war der Kranke bereits genesen.

Sir Edward wurde nun grob gegen den Doctor, der alle Leute, außer ihm, curirte. Er erklärte, daß er verloren sei, wenn er noch drei so langweilige Tage wie der heutige verleben müsse. Der Doktor verordnete ihm Kräutersaft, Beefsteak und Zerstreuung. Der Capitän schickte den Doctor zu allen Teufeln und ging verdrießlich zu Bett, ohne den Namen Anna Mary ein einziges Mal genannt zu haben. – Der Doctor rieb sich schmunzelnd die Hände – der sonderbare Kauz!

Am folgenden Tage war’s noch schlimmer. Sir Edward war ganz unzugänglich. Er hatte nur einen Gedanken, nur einen Wunsch: Anna Mary zu sehen. Aber wie sollte er sie sehen? der Zufall hatte sie das erste Mal zusammengeführt; die Dankbarkeit hatte Miß Anna wieder zu ihm geführt; der Capitän hatte einen Höflichkeitsbesuch gemacht; Miß Anna hatte seinen Besuch erwiedert, und er hätte mehr Gewandtheit und Weltkenntniß haben müssen, um dieser Verlegenheit ein Ende zu machen. Sir Edward setzte seine Hoffnung nur noch auf Witwen und Waisen; aber es stirbt nicht alle Tage ein armer Teufel, und wenn sich auch ein solcher Fall ereignet hätte, so würde es Anna Mach vielleicht nicht gewagt haben, sich schon wieder als Bittende an ihn zu wenden. Es wäre nicht recht gewesen: Sir Edward war in der Stimmung, alle Witwen der Welt zu versorgen und alle Waisen zu adoptiren.

Das Wetter war unfreundlich, ein Besuch der Miß Anna war also nicht zu erwarten; der Capitän beschloß daher selbst auszufahren und ließ anspannen.

Tom fragte, ob er ihn begleiten solle, aber Sir Edward lehnte es mit harten Worten ab; und als der Kutscher fragte, welchen Weg er fahren sollte, antwortete der Capitän:

»Wohin Du willst.«

Es war ihm jeder Weg gleichgültig; den Weg, welchen er gern gewählt hätte, mochte er nicht nennen.

Der Kutscher besann sich einen Augenblick; dann stieg er auf den Bock und fuhr im scharfen Trabe davon. Es regnete stark, es war dem Kutscher offenbar darum zu thun, bald irgendwo anzuhalten.

Nach einer Viertelstunde hielt er wirklich an. Der Capitän, der bis dahin in Gedanken vertieft gewesen war, steckte den Kopf zum Schlage hinaus. Der Wagen hielt vor der Thür des vormaligen Patienten, den der Doctor besucht hatte, und folglich dem Hause der Miß Mary gegenüber. Der Kutscher erinnerte sieh, daß sein Herr hier unlängst einen zweistündigen Besuch gemacht hatte, und er hoffte, daß der Capitän seinen Besuch wiederholen und besseres Wetter für die Rückfahrt abwarten werde. Sir Edward zog die Schnur; der Kutscher stieg vom Bock und öffnete die Wagenthür.

»Was machst Du denn?« fragte der Capitän.

»Ich halte an, Ew. Gnaden.«

»Warum hältst Du denn hier an?«

»Wollten Ew. Gnaden nicht hierher fahren?«

Der Mann hatte, ohne es zu ahnen, die geheimsten Gedanken seines Herrn errathen. Sir Edward wußte nichts zu erwiedern; er würde den Kutscher ausgezankt haben, wenn er ihn anderswo hingefahren hätte.

»Du hast Recht,« sagte er; »hilf mir aussteigen.

Sir Edward stieg aus und klopfte an die Thür des vormaligen Patienten, dessen Namen er nicht einmal wußte. Der Genesende erschien selbst. Der Capitän sprach von dem Antheil, den er an seiner Krankheit genommen, als er vor vier Tagen mit dem Doktor da gewesen sei, er wünsche sich jetzt persönlich nach seinem Befinden zu erkundigen. Der vormalige Patient, ein dicker Bierbrauer, der sich ans der Hochzeit seiner Tochter den Magen verdorben und deshalb ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hatte, fühlte sich sehr geschmeichelt durch den Besuch des Gutsherrn, führte ihn in sein schönstes Zimmer und setzte ihm alle seine Biersorten vor.

Der Capitän stellte seinen Stuhl so, daß er auf die Straße sehen konnte, und schenkte sich ein Glas Porter ein, um wenigstens so lange bis das Glas geleert sein würde, bleiben zu können.

Der Brauer machte dem theilnehmenden Gutsherrn eine sehr genaue Beschreibung der Verdauungsbeschwerden, an denen er gelitten, die aber, wie er versicherte, keineswegs die Folge von Unmäßigkeit, sondern durch zwei Gläschen Wein, die er auf der Hochzeit getrunken, entstanden waren. Er benutzte diese Gelegenheit, die Schädlichkeit des Weines zu beweisen und sich dem Capitän als Bierlieferant zu empfehlen.

Sir Edward bestellte zwei Fässer Bier, und da der Abschluß dieses Geschäfts eine gewisse vertrauliche Annäherung zur Folge hatte, fragte der Brauer, warum Seine Herrlichkeit so aufmerksam auf die Straße schaue.

»Ich sehe die gegenüber stehende Cottage mit den grünen Fensterläden an,« antwortete Sir Edward.

»Aha! Dort wohnt die Heilige,« sagte der Brauer.

Wir wissen bereits, daß Miß Mary allgemein so genannt wurde.

»Recht hübsch,« sagte der Capitän.

»Ja wohl, eine schöne junge Dame,« erwiederte der Brauer, welcher glaubte, der Capitän meine seine Nachbarin, »und sehr gut ist sie. Denken Sie sich, heute hat sie trotz dem Regenwetter einen Weg von fünf Miles gemacht, um eine arme Mutter zu pflegen, die schon sechs Kinder hatte und noch Zwillinge dazu bekommen hat. Sie wollte zu Fuß fort, denn sie läßt sich durch nichts abhalten, wenn ein gutes Werk zu thun ist; aber ich sagte zu ihr: Nehmen Sie meine Carriole, Miß Anna. Sie wollte nicht, aber ich ließ nicht nach, und sie nahm meine Carriole.«

»Hören Sie, lieber Freund,« sagte Sir Edward, »schicken Sie mir vier Fässer Bier.«

»Ueberlegen Sie sich’s recht,« erwiederte der Brauer; »Ew. Herrlichkeit sind einmal hier, vielleicht brauchen Sie mehr.«

»Nein, nein,« sagte der Capitän lächelnd. »Aber ich sprach nicht von Miß Anna: ich meinte die Cottage sei recht hübsch.

»O ja, nicht übel. Aber es ist Alles, was sie besitzt, nebst einer kleinen Rente, von der ihr die Bettler noch die Hälfte wegnehmen. Die arme Miß kann daher nicht einmal ein Glas Bier trinken – sie trinkt nur Wasser.«

»Sie wissen, daß es bei den Französinnen so Sitte ist,« erwiederte der Capitän, »und Miß Anna ist von Mademoiselle de Villevieille, einer Französin, erzogen worden.«

Der Brauer schüttelte den Kopf.

»Nein, Ew. Herrlichkeit,« sagte er, »es ist nicht natürlich Wasser zu trinken, wenn man Bier trinken kann. Ich weiß wohl, daß die Französinnen Wasser trinken und Heuschrecken essen; aber Miß Anna ist eine Engländerin, die Tochter des Baron Lampton, eines braven Herrn, den mein Vater zur Zeit des Prätendenten gekannt hat. Der Baron hat bei Preston-Ponns wie ein Teufel gekämpft, und die Folge davon war, daß er sein ganzes Vermögen verlor und lange nach Frankreich verbannt wurde. – Nein, Ew. Herrlichkeit, sie trinkt aus Noth und nicht ans freien Stücken Wasser – und doch hatte sie ihr Leben lang das beste Bier trinken können.«

»Wie so?«

»Weil mein ältester Sohn so närrisch war sich in sie zu verlieben und sie durchaus heiraten wollte.«

»Und Sie haben Ihre Einwilligung verweigert?«

»Mein Gott! ja , so lange als ich konnte. Ein Bursch, 40 der seine zehntausende Pfund Sterling hat, das Doppelte, Dreifache hätte finden können, sollte ein Mädchen heiraten, das nichts besitzt! Aber er wollte keine Vernunft annehmen, und endlich mußte ich meine Einwilligung geben.«

»Und dann?« sagte der Capitän mit bebender Stimme.

»Dann wollte sie nicht.« – Der Capitän athmete tief auf. – »Natürlich ans Stolz und weil sie von Adel ist. O, ich wollte, daß der Teufel alle Adeligen —«

»Halt,« sagte Sir Edward aufstehend; »ich gehöre auch dazu.«

»O, mit Ew. Herrlichkeit ist es etwas Anderes, erwiederte der Brauer, »ich meine nur die, welche Wasser oder Wein trinken – Sie haben ja vier Fässer Bier bestellt.«

»Sechs!« setzte der Capitän hinzu.

»Ja richtig, sechs!« sagte der Brauer, »ich habe mich geirrt. – Sonst brauchen Ew. Herrlichkeit nichts?« setzte er hinzu, indem er Sir Edward mit der Mühe in der Hand folgte.

»Nein, sonst nichts. Adieu, lieber Freund!«

»Ich empfehle mich Ew. Herrlichkeit.«

Sir Edward stieg wieder in den Wagen.

»Nach Hause?« fragte der Kutscher.

»Nein, zum Doctor,« antwortete Sir Edward.

Es regnete in Strömen. Der Kutscher setzte sich murrend auf den Bock und fuhr im Galopp davon.

In zehn Minuten hielt er an. – Der Doctor war nicht zu Hause.

»Wohin soll ich fahren?« fragte der Kutscher.

»Wohin Du willst,« antwortete der Capitän.

Dieses mal benutzte der Kutscher die Erlaubniß und fuhr nach Hause.

Der Capitän ging, ohne ein Wort zu sprechen, in sein Zimmer.

»Er ist verrückt, sagte der Kutscher leise zu Tom, der ihm in der Vorhalle begegnete.

»Ich fürchte es auch,« antwortete Tom.

Sir Edward war in einer großen Aufregung und dieser Zustand war nach der bisherigen Verstimmung und Abspannung so plötzlich, unerwartet eingetreten, daß den beiden treuen Dienern, welche die wahre Ursache nicht kannten, diese etwas gewagte Meinung nicht zu verargen war. Diese Meinung theilten sie Abends dem Doktor mit, als dieser zur gewohnten Stunde kam.

Der Doktor hörte mit der größten Aufmerksamkeit zu und unterbrach die Mittheilung von Zeit zu Zeit durch einige Worte der Befriedigung. Dann ging er sich die Hände reibend, in Sir Edward’s Zimmer. Tom und Patrice sahen ihm erstaunt nach und schüttelten den Kopf.

»Ach, ich bin sehr krank, lieber Freund!« rief der Capitän dem Doctor zu.

»Wirklich!« erwiederte dieser; »aber es ist recht gut, daß Sie es selbst fühlen.«

»Ich glaube,« setzte der Capitän hinzu, »daß ich seit acht Tagen den Spleen habe.«

»Und ich glaube,« entgegnete der Doctor, »daß Sie ihn seit acht Tagen nicht mehr haben.«

»Alles langweilt mich.«

»Fast Alles.«

»Ich langweile mich überall.«

»Fast überall.«

»Tom ist mir unausstehlich.«

»Ich finde das begreiflich.«

»Hr. Robinson ist mir zuwider.«

»Nun ja, sein Stand ist nicht unterhaltend.«

»Sauders verursacht mir Nervenzucken.«

»Das glaube ich wohl, er ist als ehrlicher Verwalter eine seltene Erscheinung.«

»Und Sie selbst, Doctor, es gibt Augenblicke —«

»Ja; aber es gibt auch andere.«

»Was meinen Sie?«

»Ich habe ein scharfes Auge.«

»Doctor, wir werden uns entzweien!«

»Ich werde Miß Anna bitten, uns wieder auszusöhnen.«

Sir Edward wurde roth wie ein beim Naschen ertapptes Kind.

»Lassen Sie uns aufrichtig reden, Commandant,« setzte der Doktor hinzu.

»Seht gern,« antwortete Sir Edward.

»Haben Sie sich gelangweilt,, als Sie bei Miß Mary zum Thee waren?«

»Nein, nicht eine Minute.«

»Haben Sie sich gelangweilt, als Mary bei Ihnen zum Thee war?«

»Nicht eine Secunde.«

»Würden Sie sich langweilen, wenn Sie jeden Morgen die Gewißheit hätten sie zu sehen?«

»O nein, nie!«

»Würde Ihnen dann Tom noch unausstehlich sein?«

»Tom! ich würde ihn herzlich lieb haben.«

»Würde Ihnen Hr. Robinson noch zuwider sein?«

»Ich glaube, daß ich ihn herzen und küssen würde.«

»Würde Ihnen Sanders noch Nervenzucken verursachen?«

»Es würde mir kein Mensch auf der Welt lieber sein als er.«

»Und würden Sie in Versuchung kommen, sich mir mir zu entzweien?«

»Ich würde Ihr bester Freund sein, so lange ich lebe.«

»Würden Sie sich nicht mehr krank fühlen?«

»Ich würde wieder zwanzig Jahre alt werden.«

»Würden Sie noch den Spleen haben?«

»Ich würde lustig sein wie ein Meerschweinchen.«

»Es ist ja sehr leicht. Anna Mary täglich zu sehen.«

»Wie habe ich das anzufangen? Sagen Sie, Doctor!«

»Sie müssen sie heiraten.«

»Heiraten!« wiederholte der Capitän fast erschrocken.

»Allerdings. Sie wissen wohl, daß sie als Gesellschaftsdame nicht zu Ihnen kommen würde.«

»Aber sie will nicht heiraten.«

»Das sagen alle Mädchen.«

»Sie hat sehr reiche Partien ausgeschlagen.«

»Einen Brauerssohn. Die Tochter des Baron Lampton als Bierwirthin, das wäre in der That hübsch!«

»Ich bin schon alt, Doctor.«

»Sie sind fünfundvierzig, Miß Anna ist beinahe dreißig«

»Und ich habe einen Stelzfuß.

»Miß Anna hat Sie immer so gesehen, sie muß schon daran gewöhnt sein.«

»Dazu kommt mein unausstehliches Temperament.«

»Sie sind der beste Mann von der Welt.«

»Glauben Sie?« erwiederte der Capitän mit liebenswürdiger Offenheit.

»Ich bin fest davon überzeugt.«

»Aber es ist noch ein Hinderniß: ich kann mich nicht entschließen ihr zu sagen, daß ich sie liebe.«

»Es ist ja gar nicht nöthig, daß Sie es sagen.«

»Wer soll’s ihr denn sagen?«

»Ich. Sie dürfen nur befehlen und ich gehorche.«

»Doctor, Sie retten mir das Leben!«

»Das ist ja mein Beruf.«

»Wann wollen Sie hingehen?«

»Morgen, wenn Sie wollen.«

»Warum nicht heute?«

»Heute ist sie nicht zu Hause.«

»Sie können ja warten, bis sie kommt.«

»Ich will meinen Ponny satteln lassen.«

»Nehmen Sie lieber meinen Wagen.«

»Dann lassen Sie anspannen.«

Der Capitän schellte so heftig, daß der Glockezug riß. Patrice eilte ganz erschrocken herbei.

»Anspannen!« rief ihm der Capitän zu.

Patrice entfernte sich in der festen Ueberzeugung, daß sein Herr den Verstand verloren habe. Bald nach Patrice kam Tom. Der Capitän fiel ihm um den Hals. Tom seufzte tief; es war nicht mehr zu bezweifeln, der Capitän war völlig wahnsinnig.

Eine Viertelstunde nachher fuhr der Doctor, mit den ausgedehntesten Vollmachten versehen, nach dem Dorfe.

Der Besuch hatte für Sir Edward und für mich das befriedigendste Resultat: für Sir Edward, weil er sich sechs Wochen nachher mit Anna Mary vermälte; für mich, weil ich zehrt Monate nach der Hochzeit glücklich zur Welt kam.

VI

Aus den ersten drei Jahren meines Lebens ist mir nur erinnerlich, daß meine Mutter sehr zärtlich mit mir war und mich ihr liebes Kind nannte.

So weit als ich zurückdenken kann, sehe ich mich auf einem großen Rasenplatz, der sich vor der Freitreppe des Schlosses ausdehnte und mit spanischem Flieder und Geisblatt bepflanzt war. Während ich mich ans dem weichen Rasen herumtummelte, saß meine Mutter auf einer grünen Bank und las oder stickte und warf mir von Zeit zu Zeit Kußhände zu. Gegen zehrt Uhr Morgens erschien mein Vater, nachdem er die Zeitungen gelesen hatte, aus der Freitreppe; meine Mutter eilte ihm entgegen ; ich trippelte ihr nach und kam gewöhnlich an die Treppe, während sie mit ihm herunterkam. Dann machten wir einen kleinen Spaziergang, dessen Ziel fast immer die »Grotte« war, und setzten uns auf die Bank, auf welcher Sir Edward gesessen, als er Anna Mary zum ersten Male gesehen hatte.

Dann kam Georges und sagte, daß angespannt sei. Wir machten eine zwei- bis dreistündige Spazierfahrt und einen Besuch bei dem alten Fräulein von Villevieille, welche das Häuschen und die kleine Rente meiner Mutter geerbt hatte, oder bei einer nothleidenden Familie, wo Anna Mary immer als tröstender Engel erschien. Endlich kehrten wir ins Schloß zurück und setzten uns mit ausgezeichnetem Appetit zu Tische. Nach dem Essen nahm mich Tom in Beschlag und das war meine größte Freude; er trug mich auf der Schulter, zeigte mir die Hunde und Pferde, kletterte auf die Bäume, um Vogelnester auszunehmen, während ich ihm von unten zurief: »Fall nicht, lieber Tom!«

Endlich ward ich so müde, daß ich die Augen kaum offen halten konnte, und Tom trug mich nach Hause Aber trotz meiner Müdigkeit machte ich ein saures Gesicht , wenn Mr. Robinson kam, weil seine Ankunft fast immer das Signal meines Rückzugs in die Schlafstube war. Wenn ich allzu großen Widerstand leistete, wurde Freund Tom geholt. Er erschien dann im Salon mit einer Miene, die mir großen Respect einflößte, ich folgte ihm willig. Er legte mich dann in eine Hängematte, die er in Bewegung setzte, und fing an gar wundersame Geschichten zu erzählen, die ich aber selten hörte, weil ich gewöhnlich schon bei den ersten Worten einschlief. Dann kam meine Mutter und trug mich aus der Hängematte in mein Bett.

Der Leser verzeihe mir diese mir so theuern Erinnerungen: jetzt sind meine Eltern und Tom todt, und ich befinde mich in dem Alter, wo mein Vater heimkehrte, allein in dem alten Schlosse, in bessert Nachbarschaft keine Anna Mary als tröstender Engel mehr waltet.

Ich erinnere mich des ersten Winters, welcher kam, weil er für mich die Quelle neuer Freuden ward; es lag hoher Schnee und Tom stellte Fallen, Sprenkel und Netze, um die von den Feldern herbeieilenden Vögel zu sangen.

Mein Vater hatte uns einen großen Schuppen überlassen, den Tom mit einem feinen Draht geflochten schloß. Dieser Schuppen war das Gefängniß für alle unsere Vögel, welche hier reichliches Futter und einige in Kasten gesetzte Tannenbäume fanden. Am Ende des Winters waren die eingefangenen Vögel kaum zu zählen. Ich konnte mich nicht satt an ihnen sehen, kaum hielt ich’s bei Tische aus. Meine Mutter war anfangs um meine Gesundheit besorgt, aber als ihr mein Vater meine vollen rothen Backen zeigte, beruhigte sie sich und ließ mich zu meinem Vogelhanse zurückkehren.

Im Frühjahr zeigte mir Tom an, daß wir alle unsere gefiederten Kostgänger in Freiheit setzen würden. Ich wollte es anfangs nicht zugeben ; aber meine Mutter bewies mir mit der ihr so natürlichen Logik des Herzens, daß ich nicht berechtigt sei, die armen überlisteten Vöglein mit Gewalt festzuhalten. Sie erklärte mir, daß es ungerecht sei, die Noth des Schwachen zur Unterjochung zu mißbrauchen ; sie zeigte mir, wie die armen kleinen Gefangenen durch das Drahtgitter zu schlüpfen suchten, um frei und fröhlich in der zu neuem Leben erwachten Natur umherzufliegen. Ein Vogel starb über Nacht: meine Mutter sagte mir, er habe sich zu Tode gegrämt, daß er nicht frei sei. Ich öffnete sogleich den Käfig und alle meine Gefangenen flogen zwitschernd in den Park.

Abends holte mich Tom ab und führte mich, ohne ein Wort zu sagen, an das Vogelhaus. Zu meiner großen Freude sah ich es fast eben so bevölkert wie am Morgens die meisten Vögel hatten bemerkt, daß die Bäume noch nicht dicht gering belaubt waren, um sie gegen die kalte Nachtluft zu schützen, und hatten sich wieder in die Tannen geflüchtet, wo sie ihre lieblichsten Lieder sangen, als hätten sie mir für das Obdach danken wollen. Ich erzählte es meiner Mutter ganz erfreut, und sie erklärte mir was Dankbarkeit sei.

Am andern Morgen eilte ich an mein Vogelhaus: alle meine gefiederten Kostgänger mit Ausnahme einiger Sperlinge, waren ausgeflogen Tom zeigte mir, wie sie Stroh und Wolle im Schnabel herbeischleppten, um sich Nester zu bauen. Ich hüpfte vor Freude bei dem Gedanken, daß ich kleine Vögel haben und heranwachsen sehen konnte, ohne aus einen Baum klettern zu müssen, wie Tom gethan hatte.

Die schöne Jahreszeit kam; die Sperlinge legten Eier und brüteten. Ich beobachtete dir Entwickelung der Jungen mit einer Freude, an die ich mich noch erinnere, wenn ich vierzig Jahre nachher dieses ganz verfallene Vogelhaus sehe. Es liegt in den frühesten Erinnerungen ein so großer Reiz, daß es wohl gestattet ist, einige Augenblicke auf den grünen, blühenden Fluren zu verweilen, welche man fast immer im Anfange des Lebensweges findet, ehe man eine lange Wanderung durch glühende Vulcane, blutige Felder und Eiswüsten antritt.

Der Sommer kam und unsere Spaziergänge dehnten steh immer weiter aus. – Eines Tages setzte mich Tom, wie gewöhnlich, auf seine Schulter; meine Mutter küßte mich noch zärtlicher als sonst; mein Vater nahm seinen Stock und ging mit uns. Wir gingen durch den Park, an dem Flüschen hinauf, und kamen an den See.

Es war sehr warm. Tom zog Jacke und Hemd aus; dann trat er ans Ufer, hielt die Hände hoch empor, machte einen Sprung, wie die fliehenden Frösche, und verschwand im Wasser.

Ich schrie laut auf und wollte ans Ufer laufen, ich weiß nicht in welcher Absicht, vielleicht um mich ebenfalls in den See zu stürzen; aber mein Vater hielt mich zurück. Ich weinte und rief meinen lieben Tom. – Endlich tauchte er wieder auf und kam ans Ufer. Ich war beruhigt, als ich ihn wieder bei mir sah.

Mein Vater zeigte mir nun die Schwäne, welche leicht auf dem Wasserspiegel glitten, und die einige Fuß tief schwimmenden Fische; dabei erklärte er mir, daß der Mensch mittelst gewisser Bewegungen mehre Stunden in dem Element der Fische und Schwäne bleiben könne. Um mir diese Erklärung recht anschaulich zu machen, ging Tom langsam in den See, ohne unter dem Wasser zu verschwinden; er schwamm vor meinen Augen, streckte von Zeit zu Zeit die Arme nach mir aus und fragte mich, ob ich Lust hätte mit ihm ins Wasser zu gehen. Ich schwankte zwischen Furcht und Verlangen, als mein Vater, der meine Gedanken errieth, zu Tom sagte:

»Quäle ihn nicht länger ; er fürchtet sich.«

Dieses Wort war ein Talisman, der eine wahre Zauberkraft aus mich ausübte. Ich hatte immer gehört, daß Tom und mein Vater mit großer Verachtung von feigen und furchtsamen Menschen sprachen, und ich erröthete bis über die Ohren.

»Nein, ich fürchte mich nicht,« sagte ich entschlossen, »ich will mit Tom ins Wasser gehen.«

Tom stieg wieder ans Ufer. Mein Vater kleidete mich aus und hob mich auf Tom’s Rücken. Ich schlang meine Arme um den Hals des Schwimmers, der nun wieder ins Wasser ging. Er mußte an dem Druck meiner Arme fühlen, daß mein Muth nicht so groß war, wie ich mich gerühmt hatte.

Im ersten Augenblick ging mir in dem kalten Wasser der Athem ans; aber nach und nach gewöhnte ich mich daran. Den folgenden Tag band mich Tom auf ein Bündel Binsen, zeigte mir die Bewegungen und schwamm neben mir. Acht Tage nachher hielt ich mich allein auf dem Wasser; im Herbst konnte ich schwimmen.

Meine Mutter hatte sich meine übrige Erziehung vorbehalten; aber sie wußte ihren Unterricht so angenehm zu machen und so sanft zu befehlen, daß ich gleichsam spielend lernte und sehr gern meine Spiele mit den Lehrstunden vertauschte.

Es war Herbst geworden, das Wetter fing an kalt zu werdens es war mir verboten an den See zu geben, und dies war mir um so unangenehmer, da ich bald merkte, daß dort etwas Ungewöhnliches vorging.

Ich hatte nemlich unbekannte Gesichter in Williamhouse gesehen; mein Vater hatte sich lange mit diesen Fremden unterhalten; endlich schien die Sache abgethan zu sein. Tom begleitete sie bis an die nach der Wiese hinabführende Parkthür, und als er wieder zurückkam, sagte er zu meiner Mutter:

»Für das nächste Frühjahr wird Alles fertig sein.«

Meine Mutter lächelte dabei wie gewöhnlich, es war also nichts Beunruhigendes; aber das Geheimniß reizte doch meine Neugierde. Jeden Abend kamen die fremden Männer ins Schloß, um zu essen und zu übernachten, und täglich gegen Mittag ging mein Vater fort, um ihnen einen Besuch zu machen.

Der Winter kam und mit ihm der Schnee. Dieses Mal hatten wir nicht nöthig Fallen und Netze zu stellen, um s die Vögel einzufangen; wir brauchten nur die Thüren des Vogelhauses aufzumachen und alle unsere vorjährigen Kostgänger kamen wieder mit noch vielen anderen, denen sie vermuthlich in ihrer Sprache die behaglichen Winterquartiere gerühmt hatten. Sie waren insgesammt willkommen und fanden ihren Hanfsamen, ihre Hirse und ihre Tannenbäume wieder.

In diesem Winter lernte ich von meiner Mutter lesen und schreiben, von meinem Vater die Anfangsgründe der Geographie und der Nautik. Ich war ein großer Freund von Reisebeschreibungen. Die Abenteuer Gulliver’s konnte ich von Anfang bis zu Ende erzählen, und aus einer Erdkugel verfolgte ich die Entdeckungsreisen Cook’s und Lapeyrouse’s. Mein Vater hatte auf dem Camin seines Zimmers das Modell einer Fregatte, und bald wußte ich die Namen aller Bestandtheile eines Schiffes. Im folgenden Frühjahr war ich ein sehr geschickter Theoretiker, dem nur noch die Uebung fehlte, und Tom behauptete, ich würde wie Sir Edward einst Contreadmiral werden; aber so oft als er diese Meinung äußerte, warf meine Mutter einen wehmüthigen Blick auf den Stelzfuß ihres Gatten und wischte verstohlen eine Thräne ab, die an ihren Wimpern zitterte.

Der Geburtstag meiner Mutter war im Mai, und zu meiner großen Freude kehrte dieses Fest alljährlich mit den Blumen und dem grünen Laube wieder. An diesem Tage fand ich, statt meiner gewöhnlichen Kleider, eine vollständige Midshipmanuniform. Ich eilte jubelnd in den Salon; mein Vater war in Uniform. Wie gewöhnlich waren alle unsere Bekannten erschienen. – Ich sah mich nach Tom um; er allein fehlte.

Nach dem Frühstück wurde ein Spaziergang an den See vorgeschlagen; der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Wir brachen auf; aber statt den gewohnten kürzeren Weg über die Wiese zu nehmen, gingen wir den schönen Weg durch den Wald. Ich wunderte mich gar nicht über diese Veränderung unserer gewöhnlichen Marschroute.

Jener Tag ist mir noch so lebhaft im Gedächtniß, als ob es gestern gewesen wäre. – Wie alle Kinder, konnte ich mich auf den langsamen gemessenen Spazierschritt der Gesellschaft nicht beschränken; ich lief voraus und pflückte Maiblumen – da stand ich plötzlich am Saum des Waldes wie versteinert still und meine erstaunten Blicke waren auf den See gerichtet.

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
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