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Kitabı oku: «La San Felice Band 8», sayfa 2

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Drittes Capitel.
Zweiter Tag

Schlag sechs Uhr am nächstfolgenden Morgen durchfurchte eine feurige Linie die Dämmerung über der schwarzen Masse des Castells San Elmo, ein Kanonenschuß dröhnte, das Signal war gegeben.

Die französischen Trommeln und Trompeten antworteten und sämtliche während der Nacht von dem General Eblé mit Geschützen versehene, die Straßen von Neapel beherrschende Höhen standen mit einem Male in Feuer.

Auf dieses Signal hin eröffneten die Franzosen den Angriff auf drei verschiedenen Punkten.

Kellermann, welcher die äußerste Rechte commandirte, vereinigte sich mit Dufresse und griff Neapel über Capodimonte und Capodichino an.

Dieser doppelte Angriff hatte das Januariusthor, Strada Foria, zum Ziele.

Der General Championnet sollte, wie er am Abend vorher gesagt, die Porta Capuana sprengen, vor welcher Thiébaut zum Brigadegeneral ernannt worden, und durch die Strada dei Tribunali und über San Giovanni in die Stadt eindringen.

Salvato, Matthieu, Maurice und Broussier sollten, wie ebenfalls schon früher bemerkt worden, die Magdalenenbrücke forcieren, sich des Castells del Carmine bemächtigen, über den Altmarkt in die Strada dei Tribunali und mittelst einer zweiten Colomne, welche dem Meeresstrand entlang marschieren sollte, bis zum Molo vordringen.

Die Lazzaroni, welche Neapel auf der Seite von Capodimonte und Capodichino vertheidigen sollten, waren von Fra Pacifico commandiert.

Die, welche die Porta Capuana vertheidigten, standen unter den Befehlen unseres Freundes Michele des Narren, und die endlich, welche die Magdalenenbrücke und die Porta del Carmine vertheidigten, wurden von einem Gevatter Pagliuccella befehligt.

Bei derartigen Kämpfen, welche nicht darin bestehen, daß man eine Stadt, sondern darin, daß man sämtliche Häuser der Stadt eins nach dem andern erstürmt, ist eine meuterische Bevölkerung weit schrecklicher als eine reguläre Truppe. Eine solche schlägt sich mechanisch mit Kaltblütigkeit, und, wie General Championnet sich ausdrückte, mit so wenig Kosten als möglich, während in einem Kampfe wie der, welchen wir zu schildern versuchen wollen, diese meuterische Bevölkerung den leicht vorauszusehenden und deshalb leicht abzuschlagenden strategischen Bewegungen die wüthemden Aufwallungen der Leidenschaften, die Hartnäckigkeit des Blutdurstes und die listigen Anschläge der persönlichen Erfindungsgabe entgegensetzt.

Es ist dann nicht mehr ein Kampf, sondern ein Gemetzel, ein Blutbad, bei welchem die Angreifer genöthigt sind, die Halsstarrigkeit des Muthes dem Wahnsinn der Verzweiflung entgegenzusetzen.

In dem vorliegenden Falle, wo zehntausend Franzosen einen Angriff auf die Bevölkerung von fünfhunderttausend Seelen machten und auf ihren Flanken und im Rücken von der dreifachen Insurrection der Abruzzen, der Capitanata und der Terra di Lavoro bedroht wurden, während sie zugleich fürchten mußten, eine Armee, deren Trümmer immer noch viermal mehr Mannschaften zählten, als die Franzosen, der Bevölkerung und dieser Insurrection auf dem Seewege zu Hilfe kommen zu sehen, in diesem Falle, sagen wir, handelte es sich ganz besonders einfach, darum, nicht mehr für die Ehre, sondern um der eigenen Erhaltung willen zu siegen.

Cäsar sagte: »In allen Schlachten, die ich geliefert, habe ich für den Sieg gekämpft, bei Munda aber kämpfte ich um das Leben.«

Championnet konnte in Neapel sagen wie Cäsar und mußte, um nicht zu sterben, siegen, wie Cäsar bei Munda gesiegt hatte.

Die Soldaten wußten es. Von der Einnahme von Neapel hing die Rettung der Armee ab. Die französische Fahne mußte daher über Neapel wehen, hätte dieses auch in einen Aschenhaufen verwandelt werden müssen.

Jeder Compagnie waren zwei Mann zugetheilt, welche von der Artillerie zubereitete Brandfackeln trugen. Wo das Geschütz, das Beil und das Bajonnet nicht ausreichten, sollte, wie in den unentwirrbaren Urwäldern Amerikas, hier in diesem unentwirrbaren Labyrinth der Gäßchen und der Vicoli das Feuer einen Weg bahnen.

Beinahe zu gleicher Zeit, das heißt gegen sieben Uhr Morgens, drang Kellermann mit seinen Dragonern voran, in die Vorstadt Capodimonte, Dufresse an der Spitze seiner Grenadiere in die Vorstadt Capodichino ein.

Championnet sprengte die Porta Capuana und Salvato, welcher die dreifarbige Fahne der italienischen Republik, das heißt blau, gelb und schwarz, in der Hand trug, forcierte die Magdalenenbrücke und sah die Kanonen des Castells del Carmine die ersten Reihen seiner Leute um sich herum niederschmettern.

Es wäre unmöglich, diesen drei Angriffen in allen ihren Einzelheiten zu folgen. Diese Einzelheiten sind übrigens überall dieselben.

Auf welchem Punkte der Stadt die Franzosen sich auch einen Weg zu bahnen suchten, so fanden sie denselben hartnäckigen unerhörten, tödtlichen Widerstand. Es gab kein Fenster, keine Terrasse, kein Kellerloch, welches nicht seine Vertheidiger gehabt und Feuer und Tod gespien hätte.

Die Franzosen ihrerseits rückten vor, indem sie ihre Artillerie vor sich her schoben, einen Kartätschenhagel vorangehen ließen, die Thüren einschlugen, die Häuser durchlöcherten, aus einem in das andere drangen und die Flammen auf ihren Flanken und hinter sich zurückließen. Die Häuser, die man nicht nehmen konnte, wurden auf diese Weise niedergebrannt.

Mitten aus einem Flammenkrater, dessen Rauch der Wind wie einen Trauerdom über die Stadt hinwegwälzte, hallten die Verwünschungen und das Todesgeheul der Unglücklichen, welche lebendig darin verbrannten.

Die Straßen boten den Anblick eines Gewölbes von Feuer dar, unter welchem ein Blutstrom rann.

Im Besitz einer furchtbaren Artillerie, vertheidigten die Lazzaroni jeden Platz, jede Straße, jeden Durchgang mit einer Intelligenz und Energie, welche die Angreifer weit entfernt gewesen zu erwarten und bald zurückgeschlagen, bald zum Angriff zurückkehrend, flüchteten sie sich in die Nebengäßchen, ohne deswegen den Kampf aufzugeben, sondern denselben mit der Thatkraft der Verzweiflung und mit der Hartnäckigkeit des Fanatismus fortsetzend.

Die Franzosen verfolgten sie bis in die Flammen hinein, welche sie zu verzehren schienen, während sie doch, gleich Dämonen, die in ihrem natürlichen Element kämpfen, rauchend und geschwärzt aus den brennenden Häusern wieder hervorgestürzt kamen, um den Angriff mit größerer Wuth als vorher zu erneuen.

Man kämpft auf einem Trümmerhaufen, die zusammenstürzenden Häuser zerschmettern die Kämpfenden, das Bajonnet durchbricht die Massen, welche sich wieder schließen, und das seltsame Schauspiel eines Kampfes, Mann gegen Mann, zwischen dreißigtausend Kämpfern oder vielmehr von dreißigtausend Einzelkämpfen darbieten, in welchen die gewöhnlichen Waffen unbrauchbar werden.

Die Franzosen reißen das Bajonnet von ihren Musketen und bedienen sich desselben wie eines Dolches, während sie die Musketen selbst, die sie nicht mehr Zeit haben zu laden, in Keulen umwandeln. Die Hände suchen zu erdrosseln, die Zähne zu beißen, die Arme zu erwürgen.

Auf der Asche, auf den Steinen, auf den glühenden Kohlen, in dem fließenden Blute kriechen die Verwundeten, welche gleich mit Füßen getretenen Schlangen noch sterbend tödtlich verwunden.

Der Boden wird Fuß um Fuß streitig gemacht und bei jedem Schritt, den der Fuß thut, trifft er einen Todten oder einen Sterbenden.

Gegen Mittag erhielten die Lazzaroni durch Zufall eine neue Verstärkung. Zehntausend der Ihrigen waren, aufgereizt durch die Mönche und die Priester, zwei Tage vorher auf der Straße von Pontana abmarschiert, um Capua wiederzunehmen.

Von der Kanzel herab hatte man ihnen den Sieg versprochen. Sie zweifelten nicht, daß die Mauern von Capua vor ihnen ebenso fallen würden, wie die von Jericho vor dem Israeliten gefallen waren.

Diese Lazzaroni waren die vom kleinen Molo und von Santa Lucia.

Als jedoch Macdonald, der trotzdem, daß er seine Entlassung gegeben, doch Franzose geblieben war, von dieser Menge den Staub der Ebene aufwirbeln sah, welche das alte Capua von dem neuen trennt, stellte er sich als Freiwilliger an die Spitze der Garnison und während von der Höhe der Wälle zehn Geschütze auf die Masse der Lazzaroni einkartätschten, machte er durch die beiden entgegengesetzten Thore zwei Ausfälle, formierte einen ungeheuern Kreis, dessen Centrum Capua und seine Artillerie waren, während seine Infanterie und deren Musketenfeuer die beiden Flügel bildeten, so daß er unter dieser ganzen dichtgedrängten Masse ein furchtbares Blutbad anrichtete.

Zweitausend todte oder verwundete Lazzaroni blieben auf dem Schlachtfelde zwischen Caserta und Pontana. Alles, was noch unversehrt oder blos leicht verwundet war, ergriff die Flucht und sammelte sich erst bei Casa Nuovo.

Am nächstfolgenden Morgen ließ Kanonendonner sich in der Richtung von Neapel hören.

Noch ermattet von ihrer gestrigen Niederlage, warteten die Lazzaroni jedoch auf Nachrichten vom Kampfe.

Am Morgen erfuhren sie, daß der Tag den Franzosen geblieben, welche ihren Cameraden siebenundzwanzig Kanonen abgenommen, tausend Mann getödtet und sechshundert Gefangene gemacht hatten.

Nun sammelten sie sich, noch siebentausend Mann stark, und marschierten so schnell als möglich den Lazzaronis zu Hilfe, welche die Stadt vertheidigten, und ließen auf ihrem Wege gleichsam als Zeugen des Blutbades diejenigen von ihren Verwundeten zurück, welche, nachdem sie sich am Abend vorher und in der Nacht wieder gesammelt, gleichwohl nicht Kraft genug besaßen, ihnen zu folgen.

Auf dem Largo del Castello angelangt, theilten sie sich in drei Banden.

Die eine rückte durch die Toledostraße dem Largo delle Pigne, die zweite durch die Strada dei Tribunali dem Castello Capuana und die dritte durch die Marina dem Altmarkt zu Hilfe.

Bedeckt mit Staub und Blut, berauscht von dem Wein, der ihnen längs des ganzen Weges geboten worden, warfen sie sich als frische Kämpfer in die Reihen derer, welche seit dem vorigen Abend kämpften. Einmal besiegt, wollten sie, indem sie ihren besiegten Brüdern zu Hilfe eilten, es nicht zum zweiten Male sein.

Jeder Republikaner, der schon einer gegen sechs kämpfte, hatte nun einen oder zwei Feinde mehr niederzuwerfen, und um sie niederzuwerfen, durfte man sie nicht blos verwunden, sondern man mußte sie tödten, denn wir haben es schon gesagt, so lange noch ein Hauch Leben in den Verwundeten war, setzten sie den Kampf hartnäckig fort.

So dauerte der Kampf fast ohne Vortheil auf der einen oder andern Seite bis drei Uhr Nachmittags.

Salvato, Monnier und Matthieu Maurice hatten das Castello del Carmine und den Altmarkt genommen.

Championnet, Thiébaut und Duhesme hatten sich des Castello Capuana bemächtigt und ihre Vorposten bis zum Largo San Giuseppe und dem Drittel der Strada dei Tribunali vorgeschoben.

Kellermann war bis an das äußerste Ende der Strada dei Cristallini gelangt, während Dufresse nach einem erbitterten Kampfe sich des Albergo dei Poveri oder Armenhospitals bemächtigt hatte.

Es trat nun eine Art Waffenstillstand ein, der seinen Grund in der Ermattung hatte. Man war auf beiden Seiten des Würgens müde. Championnet hoffte, daß dieser furchtbare Tag, an welchem die Lazzaroni vier- oder fünftausend Mann verloren, für sie eine Lehre sein und daß sie um Pardon bitten würden.

Als er sah, daß es damit nichts war, entwarf er mitten im Feuer auf einer Trommel eine an das Volk von Neapel gerichtete Proclamation und beauftragte seinen Adjutanten Villeneuve, der seine Function bei ihm wieder übernommen, sie dem Magistrat von Neapel zu überbringen.

Er gab ihm demzufolge als Parlamentär einen Trompeter mit einer weißen Fahne mit.

In der furchtbaren Unordnung aber, deren Beute jetzt Neapel war, hatte der Magistrat eine ganze Autorität verloren. Die Patrioten, welche wußten, daß man ihnen nach dem Leben trachtete, hielten sich versteckt, und Villeneuve ward, trotz seines Trompeters und seiner weißen Fahne, überall, wo er sich zeigte, mit Flintenschüssen empfangen. Eine Kugel zerschlug den Bogen eines Sattels und er mußte wieder umkehren, ohne daß es ihm möglich gewesen war, den Feind von der Proclamation des Generals in Kenntniß zu setzen.

Dieselbe war in italienischer Sprache geschrieben, welche Championnet eben so gut und geläufig redete wie die französische, und lautete wie folgt:

»Championnet, Obergeneral, an das neapolitanische Volk.

»Bürger!

»Ich habe der kriegerischen Rache, welche durch furchtbare Ausschreitungen und die Wuth einiger von euren Meuchelmördern bezahlten Individuen herausgefordert worden, auf einen Augenblick Einhalt gethan. Ich weiß, wie gut das neapolitanische Volk ist, und von ganzem Herzen beklage ich das Unheil, welches ich gezwungen bin, ihm zuzufügen. Deshalb benutze ich diesen Augenblick der Ruhe, um mich an Euch zu wenden, wie ein Vater an seine rebellischen, aber immer noch geliebten Kinder, und um Euch zu sagen: Gebt einen unnützen Widerstand auf, legt die Waffen nieder, und das Leben, das Eigenthum und die Religion sollen nicht angetastet werden. Jedes Haus dagegen, aus welchem ein Schuß fällt, wird niedergebrannt und die Bewohner werden erschossen. Dafern aber die Ruhe wiederhergestellt wird, so will ich die Vergangenheit vergessen und die Segnungen des Himmels werden sich aufs Neue auf dieses glückliche Land herabsenken.

»Neapel, am 3. Pluviose des Jahres VII der Republik (22. Januar 1799).«

Nach der Weise, wie Villeneuve empfangen worden, war wenigstens für diesen Tag keine Hoffnung mehr. Um vier Uhr wurden die Feindseligkeiten mit größerer Erbitterung als je wieder aufgenommen. Sogar die Nacht senkte sich herab, ohne die Kämpfenden zu trennen. Die einen fuhren fort in das Dunkel hineinzuschießen, und die andern warfen sich mitten unter den Leichen auf die glühende Asche und unter die flammenden Trümmer zum Schlafe nieder.

Die gänzlich erschöpfte französische Armee pflanzte, nachdem sie an Todten und Verwundeten tausend Mann verloren, auf dem Castell di Carmine, auf dem Castello Capuana und auf dem Albergo dei Poveri die dreifarbige Fahne auf.

Wie wir bereits gesagt, war ungefähr ein Drittheil der Stadt in ihrer Gewalt.

Es ward Befehl gegeben, die ganze Nacht unter den Waffen zu bleiben, die Positionen gut zu bewachen und den Kampf bei Tagesanbruch wieder aufzunehmen.

Viertes Capitel.
Dritter Tag

Wenn der Befehl, die ganze Nacht unter den Waffen zu bleiben, von dem Obergeneral auch nicht gegeben worden wäre, so hätte doch schon die Sorge für ihre eigene Erhaltung die Soldaten gezwungen, die keinen Augenblick wegzulegen.

Die ganze Nacht hindurch läutete die Sturmglocke auf allen Kirchen in den noch im Besitze der Neapolitaner gebliebenen Theilen der Stadt. Gegen alle Vorposten der Franzosen versuchten die Lazzaroni Angriffe; überall aber wurden sie mit bedeutenden Verlusten zurückgeschlagen.

Während der Nacht empfing Jeder seinen Schlachtbefehl für den nächstfolgenden Tag.

Als Salvato dem General meldete, daß er Meister des Castello del Carmine sei, erhielt er für den nächsten Tag Befehl, mit gefälltem Bajonnet und im Sturmschritt den Strand entlang mit den beiden Spitzen seines Corps gegen das Castello Nuovo vorzurücken und dasselbe um jeden Preis zu nehmen, um die Geschütze desselben sofort gegen die Lazzaroni zu kehren, während Monnier, Matthieu Maurice mit dem andern Drittel sich in ihrer Position halten und Kellermann, Dufresse und der Obergeneral sich in der Strada Foria vereinigen und über den Largo delle Pigne bis in die Toledostraße vordringen sollten.

Gegen zwei Uhr Morgens erschien ein Mann im Bivouac des Obergenerals zu San Giovanni in Carbonara. Trotz der Kleidung eines Bauers aus den Abruzzen erkannte der General doch auf den ersten Blick Hector Caraffa.

Dieser hatte eben das Castell San Elmo verlassen und kam, um Championnet zu melden, daß das Fort, welches blos noch fünf- bis sechshundert Kugeln abzufeuern habe, seine Munition nicht unnütz habe verwenden wollen. Den nächstfolgenden Tag aber werde sein Geschütz, um den Obergeneral zu unterstützen, im Rücken kämpfen, das heißt alle Lazzaroni, die von vorn angegriffen werden würden, überall, wo es möglich sei, von hinten niederschmettern.

Seiner Unthätigkeit müde, kam Hector Caraffa nicht blos, um dem General diese Meldung zu machen, sondern auch um an dem Kampfe des eben angebrochenen Tages theilzunehmen.

Um sieben Uhr schmetterten die Trompeten und wirbelten die Trommeln.

Salvato hatte während der Nacht Terrain gewonnen. Mit fünfzehnhundert Mann brach er auf das gegebene Signal hinter der Douane hervor und rückte im Sturmschritt gegen das Castello Nuovo.

In diesem Augenblick kam ihm ein von der Vorsehung gefügter Zufall zu Hilfe.

Nicolino, welcher sich sehnte, den Angriff seinerseits zu beginnen, spazierte auf den Wällen umher und ermahnte seine Artilleristen, die wenige Munition, welche sie hätten, nützlich zu verwenden.

Einer, der dreister war als die andern, rief ihn.

Nicolino ging auf ihn zu.

»Was willst Du von mir?« fragte er ihn.

»Sehen Sie die Fahne, welche auf dem Castello Nuovo weht?« hob der Artillerist wieder an.

»Allerdings sehe ich sie, entgegnete Nicolino, »und ich gestehe, daß sie mir im höchsten Grade zuwider ist.«

»Wollen Sie mir erlauben, sie zu beseitigen, Herr Commandant?«

»Womit willst Du das thun?«

»Mit einer Kugel.«

»Bist Du wirklich so geschickt?«

»Ich hoffe es, Herr Commandant.«

»Wie viel Schüsse verlangt Du?«

»Drei.«

»Ich bin es zufrieden, aber ich sage Dir im voraus, wenn Du sie mit drei Schüssen nicht herunter hat, so bekommst Du drei Tage Arrest.«

»Wenn ich sie nun aber treffe?«

»Dann bekommst Du zehn Ducaten.«

»Gut, dann sind wir einig.«

Der Artillerist richtete sein Geschütz, feuerte es ab und die Kugel ging mitten durch das Tuch der Fahne hindurch.

»Das war nicht schlecht, sagte Nicolino, »aber es ist nicht genug.«

»Ich weiß es wohl,« antwortete der Artillerist. »Auch werde ich sogleich versuchen, es noch besser zu machen.«

Die Kanone ward zum zweiten Mal mit noch größerer Sorgfalt gerichtet als das erste Mal. Der Artillerist sah erst, von welcher Seite der Wind kam, berechnete die, wenn auch unbedeutende Veränderung, welche dieser Hauch der Richtung der Kugel geben könnte, richtete sich empor, bückte sich abermals, veränderte den Zielpunkt seines Geschützes um den hundertsten Theil einer Linie und hielt dann die Lunte auf das Zündloch.

Ein lauter Knall, welcher den Tumult übertäubte, ließ sich hören und die unten am Fuße der Stange durchschossene Fahne stürzte herab.

Nicolino klatschte in die Hände und gab, ohne zu ahnen, welchen Einfluß dieser Vorfall haben würde, dem Artilleristen die zehn Ducati, die er ihm versprochen.

In diesem Augenblick erschien die Spitze von Salvato's Colonne an der Immacolatella.

Salvato marschierte, wie immer, voran. Er sah die Fahne fallen und obschon er wohl bemerkt hatte, daß ihr Verschwinden durch fremde Einwirkung herbeigeführt worden, rief er:

»Man senkt die Fahne! Das Fort ergibt sich! Vorwärts, meine Freunde, vorwärts!«

Und im Sturmschritt eilte er weiter.

Die Vertheidiger des Castells ihrerseits schrieen, als sie keine Fahne mehr sahen und in der Meinung, man habe sie wirklich freiwillig heruntergenommen, über Verrath. Die Folge hiervon war ein Tumult, während dessen die Vertheidigung erschlaffte.

Salvato benutzte diese Pause, um die Strada del Piliere im Sturmschritt zu passiren.

Er schleuderte seine Sapeurs gegen das Thor des Castells und ließ es durch eine Petarde aufsprengen.

Dann stürzte er in das Innere des Castells und rief:

»Folgt mir!«

Zehn Minuten später war das Fort genommen und das Geschütz desselben zwang, indem es den Largo del Castello und den Riesengang bestrich, die Lazzaroni, sich in die, in diese Straßen ausmündenden Seitengassen zu flüchten, in welchen sie durch die Position der Häuser vor den Kugeln geschützt waren.

Sofort ward die französische dreifarbige Fahne an der Stelle der weißen Fahne aufgepflanzt.

Eine auf dem höchsten Punkt des Castello Capuana stehende Schildwache übermittelte die Nachricht von der Einnahme des Castells an den General Championnet.

Die drei Castelle, in deren Triangel die Stadt eingeschlossen ist, waren somit in der Gewalt der Franzosen.

Als Championnet die Nachricht von der Einnahme des Castells Nuovo erhielt, bewirkte er seine Vereinigung mit Dufresse in der Stradadi Foria.

Er schickte Villeneuve über den freien Strand zu Salvato, um diesem Glück zu wünschen und ihm zu befehlen, die Bewachung des Castello Nuovo einem Officier zu übertragen und sich dann sofort bei ihm, Championnet, einzufinden.

Villeneuve traf den jungen Brigadechef auf dem Walle des Castells stehend und das Auge auf die Mergellina geheftet.

Von hier aus konnte er jenes theure Palmbaumhaus erspähen, welches er seit zwei Monaten nur noch in seinen Träumen gesehen. Sämtliche Fenster desselben waren geschlossen, dennoch aber war es ihm, als sähe er mit Hilfe seines Fernrohres die in den Garten führende Thür des Perrons geöffnet. Mitten in dieser Betrachtung überraschte ihn der Befehl des Generals.

Er übertrug das Commando sofort Villeneuve selbst, nahm sein Pferd und galoppierte davon.

In dem Augenblick, wo Championnet und Dufresse vereinigt die Lazzaroni nach der Toledostraße trieben und während ein furchtbares Feuer nicht blos von dem Largo delle Pigne, sondern auch aus allen Fenstern kam, bemerkte man plötzlich einen leichten Rauch, welcher die Wälle des Castells San Elmo krönte, dann hörte man das Krachen mehrerer schweren Geschütze und sah, daß unter den Lazzaroni eine große Verwirrung entstand.

Nicolino hielt Wort.

Gleichzeitig kam eine Abtheilung Dragoner wie ein reißender Strom durch die Strada della Stalla, während ein lebhaftes Musketenfeuer sich hinter dem Museo Burbonico hören ließ.

Es war Kellermann, welcher seinerseits seine Vereinigung mit den Corps Dufresses und Championnets bewirkte. Binnen wenigen Augenblicken war der Largo delle Pigne gesäubert und die drei Generale konnten sich hier die Hand reichen.

Die Lazzaroni zogen sich durch die Strada Santa Maria in Constantinopoli und die Salita dei Studi zurück.

Um aber über den Largo San Spirito und den Mercatello zu kommen, sahen sie sich genöthigt, unter dem Feuer des Castells San Elmo durchzupassieren, welches trotz der Schnelligkeit, womit diese Passage bewirkt ward, Zeit hatte, fünf oder sechs Todesboten in ihre Reihen zu senden.

Während so der Rückzug der Lazzaroni stattfand, brachte man einen ihrer Anführer, den man nach verzweifeltem Widerstande gefangen genommen, vor Championnet.

Mit Blut bedeckt, mit zerrissenen Kleidern, drohendem Gesicht und spöttischem Tone war er der echte Typus des sich im höchsten Stadium der Exaltation befindenden Neapolitaners.

Championnet zuckte die Achseln, kehrte ihm den Rücken und sagte:

»Es ist gut. Man erschieße diesen Burschen, um den Andern ein Beispiel zu geben.«

»Schön!« sagte der Lazzarone. »Wie es scheint, hat Nanno sich doch geirrt. Ich sollte erst noch Oberst und dann gehängt werden. Gleichwohl aber habe ich es blos bis zum Capitän gebracht und werde durch Pulver und Blei sterben. Es gereicht mir um meines Schwesterchens willen immer noch zum Troste.«

Championnet hörte diese Worte. Er stand im Begriff, den Verurtheilten näher zu befragen, da er aber in diesem Augenblick einen Reiter auf sich zugesprengt kommen sah, und in diesem Reiter Salvato erkannte, so richtete sich eine ganze Aufmerksamkeit auf diesen.

Man schleppte den Lazzarone fort, lehnte ihn an die Mauer des Museo Borbonico und wollte ihm die Augen verbinden.

Dagegen aber erhob er Einspruch.

»Der General,« rief er, »hat gesagt, man solle mich erschießen, aber nicht, daß man mir die Augen verbinden solle!«

Salvato stutzte, als er diese Stimme vernahm, drehte sich um und erkannte Michele, der seinerseits ihn ebenfalls sofort erkannte.

»Sanguedi Cristo!« rief der Lazzarone. »Sagen Sie selbst, Signor Salvato, daß man, um mich zu erschießen, mir nicht erst die Augen zu verbinden braucht.«

Und die ihn umringenden Soldaten zurückstoßend, kreuzte er die Arme und lehnte sich freiwillig an die Mauer.

»Michele!« rief Salvato. »General, dieser Mann hat mir das Leben gerettet; ich bitte Sie, mir das einige zu schenken.«

Und ohne die Antwort des Generals abzuwarten, denn er war überzeugt, daß dieser ihm seine Bitte nicht abschlagen würde, sprang Salvato vom Pferde, durchbrach den Halbkreis der Soldaten, welche schon ihre Musketen fertig machten, um Michele niederzuschießen, und warf sich in die Arme des Lazzarone, den er küßte und an sein Herz drückte.

Championnet erkannte sofort, welchen Nutzen er von diesem Vorfall ziehen konnte. Gerechtigkeit üben ist ein eindringliches Beispiel, aber Gnade üben, ist zuweilen eine gute Berechnung.

Er winkte sofort Salvato, der ihm Michele zuführte. Ein weiter Kreis bildete sich um die beiden jungen Männer und den General.

Dieser Kreis bestand aus siegreichen Franzosen, aus gefangenen Neapolitanern und aus Patrioten, welche herbeigeeilt waren, sei es um Championnet zu beglückwünschen, sei es, um sich unter seinen Schutz zu stellen.

Championnet, welcher diesen Kreis um die ganze Höhe seiner Büste überragt, erhob die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle, und Alles schwieg

»Neapolitaner,« sagte er auf italienisch, »ich wollte, wie Ihr gesehen habt, diesen Mann, welcher mit den Waffen in der Hand und gegen uns kämpfend gefangen genommen worden, erschießen lassen; mein ehemaliger Adjutant aber, der jetzige Brigadechef Salvato, begehrt von mir die Begnadigung dieses Mannes, welcher, wie er mir sagt, ihm das Leben gerettet hat. Ich begnadige ihn daher nicht blos, sondern wünsche auch dem Manne, der einem französischen Officier das Leben gerettet, eine Belohnung zu Theil werden zu lassen.«

Dann wendete er sich zu dem über diese Sprache nicht wenig verwunderten Michele und fragte ihn:

»Welchen Grad bekleidetest Du unter deinen Landsleuten?«

»Ich war Capitän, Excellenz,« antwortete der Gefangene.

Dann setzte er mit der den Lazzaroni eigenthümlichen Vertraulichkeit hinzu:

»Dabei aber sollte ich nicht stehen bleiben, denn eine alte Hexe hat mir prophezeit, ich würde zum Oberst ernannt und dann gehängt werden.«

»Ich kann und will mich blos mit der Verwirklichung des ersten Theils dieser Prophezeiung befassen,« entgegnete der General, »aber ich befasse mich damit. Ich ernenne Dich zum Oberst im Dienst der parthenopeichen Republik. Organisiere dein Regiment. Für deinen Sold und deine Uniform werde ich sorgen.«

Michele that einen Freudensprung.

»Es lebe der General Championnet!« rief er. »Es leben die Franzosen! Es lebe die parthenopeiche Republik!«

Wir haben bereits bemerkt, daß der General von einer gewissen Anzahl Patrioten umringt war. Michele's Ruf fand daher ein ausgedehnteres Echo, als man erwartet hätte.

»Man hat,« sagte der General, sich zu den ihn umgebenden Neapolitanern wendend, »man hat Euch gesagt, die Franzosen seien Bösewichter, die weder an Gott, noch an die Madonna, noch an die Heiligen glaubten. Man hat Euch aber belogen. Die Franzosen glauben fest an Gott, an die Madonna und ganz besonders an den heiligen Januarius. Der Beweis hierfür ist, daß ich mich in diesem Augenblicke angelegentlich damit beschäftige, der Kirche und den Reliquien des hochheiligen Bischofs von Neapel den ihnen gebührenden Respect dadurch zu verschaffen, daß ich ihnen eine Ehrengarde gebe, wenn Michele die Führung derselben übernehmen will.«

»Ich übernehme sie!« rief Michele, indem er seine rothe wollene Mütze schwenkte »ich übernehme sie und noch mehr, ich bürge für sie.«

»Ganz besonders,« sagte Championnet in gedämpftem Tone, »wenn ich Dir deinen Freund Salvato zum Chef gebe.«

»Ha, für ihn und mein Schwesterchen lasse ich das Leben, Herr General.«

»Du hörst, Salvato,« sagte Championnet zu dem jungen Officier. »Deine Mission ist eine sehr wichtige. Es gilt, den heiligen Januarius unter die Republikaner anzuwerben.«

»Und mir ertheilen Sie den Auftrag, ihm eine dreifarbige Cocarde anzustecken,« antwortete Salvato lachend. »Ich hätte nicht geglaubt, daß ich so viel Beruf zum Diplomaten hätte. Doch gleichviel, man wird thun, was man kann.«

»Feder, Tinte und Papier!« rief Championnet.

Man eilte, das Verlangte herbeizuholen, und binnen wenigen Augenblicken hatte Championnet die Wahl zwischen zehn Bogen Papier und eben so viel Federn.

Ohne vom Pferde zu steigen, schrieb der General auf dem Sattelbogen folgenden an den Cardinal-Erzbischof adressierten Brief:

»Eminenz!

»Ich habe der Wuth meiner Soldaten und der Rache für die von den Volke von Neapel begangenen Verbrechen einen Augenblick lang Einhalt gethan. Benutzen Sie diese Pause, um alle Kirchen öffnen zu lassen, stellen Sie das heilige Sacrament aus und predigen Sie Ruhe, Ordnung und Gehorsam gegen das Gesetz. Unter dieser Bedingung bin ich bereit, einen Schleier über die Vergangenheit zu werfen, und werde bedacht sein, der Religion, der persönlichen Sicherheit und dem Eigenthume Achtung zu verschaffen.

»Sagen Sie dem Volke, daß ich, wer auch meinen gerechten Zorn verdient haben möge, doch der Plünderung Einhalt thun werde und daß Ordnung und Ruhe in diese verrathene und betrogene unglückliche Stadt zurückkehren werden. Gleichzeitig erkläre ich aber auch, daß, so wie ein einziger Schuß aus einem Fenster fällt, ich das betreffende Haus niederbrennen und alle darin befindlichen Bewohner erschießen lassen werde.

»Erfüllen Sie daher die Pflichten Ihres hohen Amtes und Ihr religiöser Eifer wird hoffentlich für die öffentliche Ruhe nützlich sein.

»Ich schicke Ihnen zugleich eine Ehrengarde für die Kirche des heiligen Januarius.

»Neapel, am 4. Pluviose im Jahre VII der Republik (23. Jänner 1799).

»Championnet.«

Michele, der wie alle Andern diesen Brief vorlesen gehört, suchte mit den Augen unter der Menge seinen Freund Pagliuccella. Da er ihn aber nicht fand, so wählte er vier Lazzaroni, von welchen er wußte, daß er auf sie zählen könne wie auf sich selbst, und marschierte Salvato voran, dem eine Compagnie Grenadiere folgte.

Dieser kleine Zug begab sich von dem Largo delle Pigne durch die Strada dell' Orticello, den Vico di San Giacomo di Ruffi und die Strada de l'Arcivescovado, das heißt durch einige der engsten und volkreichsten Gassen des alten Neapel, nach dem nicht weit entfernten erzbischöflichen Palast.

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30 kasım 2019
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