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Kitabı oku: «La San Felice Band 8», sayfa 3

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Die Franzosen waren bis jetzt noch nicht in diese Region der Stadt eingedrungen, wo von Zeit zu Zeit einige von dem Volk wie zur Ermuthigung abgefeuerte Flintenschüsse knatterten und wo die Republikaner im Vorüberziehen nur drei Eindrücke lesen konnten: Schrecken, Haß und Bestürzung.

Zum Glück hatte Michele, von Salvato Palmieri gerettet und von Championnet begnadigt und sich im Geiste schon in seiner Oberstenuniform auf einem schönen Pferde einhergaloppieren sehend, sich mit dem ganzen Feuer seines leicht zu lenkenden Gemüths für die Franzosen erklärt und marschierte vor ihnen her, indem er mit der ganzen Kraft seiner Lunge schrie:

»Es leben die Franzosen! Es lebe der General Championnet! Es lebe der heilige Januarius!«

Salvato, welcher bemerkte, daß die Gesichter der Einwohner sich immer noch nicht aufheitern wollten, gab Michele eine Handvoll Carlini und der neuernannte Oberst warf dieselben unter das Volk, indem er diesem auseinandersetzte, welche Mission Salvato beauftragt wäre zu erfüllen.

Es dauerte auch nun nicht lange, so zeigten die Physiognomien der Zuhörer einen sanfteren und wohlwollenderen Ausdruck.

Ueberdies richtete Salvato, der aus den neapolitanischen Provinzen stammte und das Patois von Neapel sprach wie ein Mann von Porto Baffo, von Zeit zu Zeit selbst an seine Landsleute eine kurze Ansprache, welche, durch Micheles ausgeworfene Carlini bekräftigt, ebenfalls ihre Wirkung äußerte.

So gelangte man bis vor den erzbischöflichen Palast, wo die Grenadiere sich unter dem Porticus aufpflanzten.

Michele hielt hier eine lange Rede, um seinen Landsleuten den Zweck dieser Ehrenwache zu erklären.

Er setzte hinzu, daß der dieselbe commandierende Officier ihn in dem Augenblick, wo er erschossen werden sollte, das Leben gerettet habe, und verlangte im Namen der Freundschaft, die man ihm, Michele, immer bewiesen, daß man weder Salvato noch seinen Soldaten, welche die Beschützer des heiligen Januarius geworden seien, irgend eine Beleidigung zufüge.

Fünftes Capitel.
Der heilige Januarius und Virgil

Kaum hatte Championnet den begnadigten Michele, Salvato und die französische Compagnie an der Ecke der Strada del Orticello verschwinden sehen, so fiel ihm eine jener Ideen ein, welche man eine Erleuchtung nennen kann.

Er bedachte nämlich, das beste Mittel, die Reihen der Lazzaroni, welche immer noch hartnäckig weiter kämpfen wollten, aufzulösen und der Plünderung des Privateigenthums Einhalt zu thun, bestünde darin, den Palast des Königs einer allgemeinen Plünderung preiszugeben.

Er beeilte sich diese Idee einigen der gefangenen Lazzaroni mitzutheilen, welche man unter der Bedingung in Freiheit setzte, daß sie zu den Ihrigen zurückkehrten, und diese von dem Project als von ihnen ausgehend in Kenntniß setzten.

Es war dies ein Auskunftsmittel, um sie selbst für die ausgestandenen Beschwerden und das verlorene Blut zu entschädigen.

Die Mittheilung hatte ganz den Erfolg, welchen der Obergeneral davon erwartete. Die kampflustigsten Lazzaroni gaben, als sie die Stadt zu drei Viertheilen genommen sahen, die Hoffnung zu siegen auf und fanden es folglich vortheilhafter, zu plündern, als noch weiter zu kämpfen.

Kaum war daher diese Art Ermächtigung zum Plündern unter den Lazzaroni, welchen man zu verstehen gab, daß sie vom französischen General ausginge, bekannt, so stürzte die ganze Masse in wilder Verwirrung durch die Toledostraße und die Strada dei Tribunali nach dem königlichen Palast, riß Frauen und Kinder mit sich fort, warf die Schildwachen über den Haufen, schlug die Thore und Thüren ein und überschwemmte wie eine unaufhaltsame Flut die drei Etagen des Palastes.

In weniger als drei Stunden war er bis auf das Blei in den Fenstern vollständig ausgeplündert.

Pagliuccella, den Michele auf dem Largo delle Pigne vergebens gesucht, um ihm sein Glück mitzutheilen, hatte sich unter den Ersten befunden, die nach dem Schlosse stürzten, und es mit einer Wißbegier, die nicht ohne Früchte blieb, vom Keller bis zum Dachboden und von der Façade, welche auf die Kirche San Ferdinando, bis zu der, welche auf die Darsena geht, untersuchten.

Frau Pacifico dagegen hatte, als er Alles verloren sah, die seinem gedemüthigten Muthe gebotene Entschädigung mit Verachtung abgelehnt und mit einer Uneigennützigkeit, welch seiner auf der Fregatte seines Admirals gelernten Disciplin zur Ehre gereichte, sich Schritt um Schritt und nach Art des Löwen, das heißt dem Feind fortwährend das Gesicht zukehrend, über die Infrascata und die Salita dei Capuccini in ein Kloster zurückgezogen.

Dann nachdem das Thor desselben sich hinter ihm geschlossen, hatte er seinen Esel in den Stall gebracht, seinen Stock in den Winkel gestellt und sich unter seine Collegen gemischt, welche in der Kirche das Dies irae, dies illa fangen.

Kein Mensch hätte jetzt in ihm einen der Anführer der Lazzaroni wieder erkannt, welche sich drei Tage lang geschlagen.

Nicolino Caracciolo hatte von der Höhe des Walles von San Elmo alle wechselnden Auftritte des Kampfes vom 21., 22. und 23. Januar verfolgt, und wir haben gesehen, daß er in dem Augenblick, wo er den Franzosen zu Hilfe kommen konnte, nicht verfehlt hatte, sein ihnen gegebenes Versprechen zu halten.

Sein Erstaunen war groß, als er die Lazzaroni, ohne daß es Jemanden einfiel, sie zu verfolgen, ihre Posten verlassen und ohne, wie bei einer Niederlage, die Waffen wegzuwerfen, sich nach dem königlichen Palast nicht zurückziehen, sondern im Gegentheil sich darauf stürzen sah.

Binnen wenigen Augenblicken war ihm jedoch Alles klar.

An der Art und Weise, auf welche sie die Schildwachen niederwarfen, die Thore sprengten, an den Fenstern aller Etagen zum Vorschein kamen und auf die Balcons heraustraten, sah er, daß die Kämpfer, während einer augenblicklichen Waffenruhe, um nicht die Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen, sich in Plünderer umgewandelt hatten.

Da er nicht wußte, daß sich diese Plünderung auf Anstiften des französischen Generals organisiert hatte, so ließ er unter das ganze Gesindel drei scharfe Kanonenschüsse feuern, welche siebzehn Personen, unter diesen einen Priester, tödteten, und dem marmornen Riesen einer alten Statue des Jupiter Stator, welche den Palaisplatz schmückte, ein Bein zerschlug.

Wünscht der Leser zu wissen, in welchem Grade die Lust zu plündern sich der Menge bemächtigt und bei ihr jedes andere Gefühl in den Hintergrund gedrängt hatte?

Wir wollen, um diesen Wunsch zu befriedigen, von tausend Thatsachen nur zwei erwähnen. Dieselben werden eine Idee von der Beweglichkeit des Geistes dieser Menschen geben, welche soeben erst Wunder der Tapferkeit verrichtet, um ihren König zu vertheidigen.

Mitten unter diese nur auf Plünderung erpichte Menge schickte der Adjutant Villeneuve, welcher fortfuhr das Castello Nuovo zu behaupten, einen Lieutenant an der Spitze einer Patrouille von ungefähr fünfzig Mann, mit dem Befehle, die Toledostraße so weit hinaufzumarschieren, bis er die französischen Vorposten anrufen könnte.

Der Lieutenant trug Sorge, einige patriotische Lazzaroni voran marschieren zu lassen, welche riefen: »Es leben die Franzosen! Es lebe die Freiheit!«

Bei diesem Rufe fing ein Fischer von Santa Lucia, ein wüthender Bourbonist – die Fischer von Santa Lucia sind noch bis auf heutigen Tag Bourbonisten – an, seinerseits zu schreien: »Es lebe der König!«

Da dieser Ruf leicht einen Wiederhall finden und das Signal zur Niedermetzelung der ganzen Patrouille werden konnte, so packte der Lieutenant den Fischer am Kragen, hielt ihn mit ausgestrecktem Arme fest und commandierte:

»Feuer!«

Der Fischer stürzte, von mehreren Kugeln durchbohrt, unter die Menge hinein, ohne daß es dieser, die sich jetzt mit andern Interessen beschäftigte, eingefallen wäre, ihn zu vertheidigen und zu rächen.

Das zweite Beispiel betraf einen Diener des Palastes, welcher die Unklugheit beging, sich in einer goldbetreßten Livrée zu zeigen. Das Volk riß ihm dieselbe sofort vom Leibe und in Stücke, um das Gold davon abzutrennen, obschon die Eigenthum des Königs war.

In demselben Augenblicke, wo man den Diener des Königs Ferdinand im Hemde stehen ließ, um die Tressen von seiner Livrée zu lösen, langte Kellermann, der mit einem Detachement von zwei- bis dreihundert Mann von Mergellina herabgekommen war, über Santa Lucia auf dem Platze vor dem Schlosse an.

Ehe er jedoch hier ankam, hatte er an der Kirche Santa Maria di Porto Salvo Halt gemacht und nach Don Michelangelo Ciccone gefragt.

Es war dies, wie man sich erinnern wird, derselbe patriotische Priester, welchen Cirillo hatte holen lassen, um die letzten Tröstungen der Religion dem von Salvato in der Nacht vom 22. zum 23. September verwundeten Sbirren zu spenden, der am 23. September Morgens in dem Hause an der Ecke des Löwenbrunnens, wohin er geschafft worden, den Geist aufgab.

Kellermann war Ueberbringer eines Billets von Cirillo welcher den Patriotismus des würdigen Priesters in Anspruch nahm und ihn aufforderte, sich den Franzosen anzuschließen.

Don Michelangelo Ciccone hatte keinen Augenblick gezögert, sondern war Kellermann gefolgt.

Gegen Mittag hatten die Lazzaroni die Waffen niedergelegt, und Championnet durchzog als Sieger die Stadt. Die Kaufleute, die Bürger, der ganze ruhige Theit der Bevölkerung, welche nicht an dem Kampfe Theil genommen, begann nun, da er nicht mehr schießen oder schreien hörte, schüchtern die Thüren und Fenster der Kaufläden und der Häuser zu öffnen.

Schon der erste Anblick des Generals war eine Bürgschaft der Sicherheit, denn er war von Männern umringt, die sich durch ihre Talente, ihre Gelehrsamkeit und ihren Muth die Achtung und Verehrung von Neapel erworben hatten.

Es waren dies die Baffi, die Poério, die Pagano, die Cuoco, die Logoteta, die Carlo Lambert, die Bassal, die Fasulo, die Maliterno, die Rocca Romana, die Ettore Caraffa, die Cirillo, die Manthonnet, die Schipani.

Der Tag des Lohnes war endlich gekommen für alle diese Männer, welche aus dem Stadium des Despotismus in das der Verfolgung gekommen, und nun aus dem Stadium der Verfolgung in das der Freiheit übertraten.

Der General ritt, sowie er eine Thür sich öffnen sah, an dieselbe heran und bemühte sich, die Bewohner, welche sich auf die Schwelle wagten, in ihrer eigenen Sprache zu beruhigen, indem er ihnen sagte, es sei Alles aus und er käme, um den Frieden, aber nicht den Krieg zu bringen und die Freiheit an die Stelle der Tyrannei zu setzen.

Die Neapolitaner sahen, indem sie die Augen auf den Weg warfen, welchen der General hinter sich hatte, daß wirklich da, wo noch wenige Augenblicke zuvor Franzosen und Lazzaroni sich erwürgt, die Ruhe herrschte.

Sie gewannen daher wieder Vertrauen und Muth, und diese ganze Bevölkerung dimezzo ceto, das heißt der Bürgerstand, welcher den Reichthum und die Kraft Neapels ausmacht, begann, die dreifarbige Cocarde aufsteckend und unter dem Rufe: »Es leben die Franzosen! Es lebe die Freiheit! Es lebe die Republik!« sich heiter in den Straßen zu bewegen, die Taschentücher zu schwenken und sich allmälig jener enthusiastischen Freude hinzugeben, welche sich derer bemächtigt, welche, schon in den schwarzen Abgrund des Todes hinabgeschleudert, sich plötzlich und wie durch ein Wunder dem Tage, dem Licht und dem Leben wiedergegeben sehen.

Und in der That, wer kann sagen, wie viel Häuser noch gestanden hätten, und wie viel Patrioten noch am Leben gewesen wären, wenn der Einzug der Franzosen sich um vierundzwanzig Stunden verzögert hätte? Um zwei Uhr Nachmittags erließen Rocca Romana und Maliterno, die in ihrem Amte als Oberhäupter des Volkes bestätigt worden, eine Bekanntmachung in Bezug auf die Wiedereröffnung der Kaufläden. Diese Bekanntmachung war vom Jahre 1 und vom zweiten Tage der parthenopeischen Republik datiert.

Championnet hatte mit Besorgniß gesehen, daß nur der Bürgerstand und der Adel sich ihm angeschlossen hatten, während das Volk sich abseits hielt. Er beschloß daher, den nächstfolgenden Tag einen großen Streich auszuführen.

Er war überzeugt, daß, wenn er den heiligen Januarius auf seine Seite bringen könnte, das Volk demselben überall hinfolgen würde, wohin er ginge.

Er sendete einen Boten an Salvato. Dieser, welcher die Kathedrale, das heißt den wichtigsten Punkt von Neapel, bewachte, war instruiert, seinen Posten nicht anders zu verlassen, als auf einen ihm direct von dem General zugehenden Befehl. Der an Salvato abgesendete Bote instruierte ihn, sich mit der Geistlichkeit der Kathedrale zu besprechen und sie aufzufordern, den nächstfolgenden Tag die heiligen Flaschen zur öffentlichen Verehrung auszustellen, in der Hoffnung, daß der heilige Januarius, für welchen die Franzosen die tiefste Devotion hegten, sich herablassen würde, zu ihren Gunsten ein Wunder zu verrichten.

Die Geistlichen sahen sich auf diese Weise zwischen zwei Feuern.

Wenn der heilige Januarius sein Wunder verrichtete, so waren sie dem Hofe gegenüber kompromittiert.

Verrichtete er es dagegen nicht, so sahen sie sich dem Zorne des französischen Generals preisgegeben.

Sie suchten deshalb die Sache zu umgehen und antworteten, es sei jetzt nicht die Zeit, wo der heilige Januarius sein Wunder zu verrichten pflege, und sie zweifelten sehr, daß er, selbst um der Franzosen willen, von seinen gewohnten Tage abgehen werde.

Salvato ließ durch Michele den Obergeneral von dieser Antwort der Priester in Kenntniß setzen.

Championnet gab hierauf die Rückantwort, es sei dies Sache des Heiligen und nicht der Priester. Diese hätten über die guten oder schlimmen Absichten des heiligen Januarius nicht im Voraus zu urtheilen, und er selbst kenne ein gewisses Gebet, gegen welches, wie er hoffe, der heilige Januarius nicht unempfindlich bleiben würde.

Die Priester antworteten, da Championnet es durchaus verlange, so würden sie die heiligen Gefäße ausstellen, könnten aber ihrerseits für nichts stehen.

Kaum hatte Championnet diese Gewißheit, so ließ er in der ganzen Stadt die Neuigkeit verkünden, daß die heiligen Gefäße den nächstfolgenden Tag ausgestellt werden würden, und daß das Flüssigwerden des kostbaren Blute genau um halb elf Uhr Morgens zu erwarten stünde.

Für die Neapolitaner war dies eine seltsame und ganz unglaubliche Mittheilung. Der heilige Januarius hatte nichts gethan, wodurch ein Verdacht der Parteilichkeit zu Gunsten der Franzosen motiviert worden wäre. Im Gegentheil hatte er sich seit einiger Zeit bis zur Manie lauenhaft und eigensinnig gezeigt.

So war zum Beispiel der König Ferdinand im Augenblick seines Aufbruchs zum römischen Feldzuge persönlich in der Kathedrale erschienen, um den heiligen Januarius um einen Beistand und Schutz zu bitten; der Heilige aber hatte, trotz der inständigen Bitten des Königs, ihm das Flüssigwerden seines Blutes hartnäckig verweigert und eine große Menge Personen hatten dies als die sichere Vorbedeutung einer großen Niederlage betrachtet.

Wenn nun aber der heilige Januarius für die Franzosen etwas that, was er dem König von Neapel verweigert hatte, so mußte er seine Meinung geändert haben und Jakobiner geworden sein.

Um vier Uhr Nachmittags, als Championnet die Ruhe wieder hergestellt sah, stieg er zu Pferde und ließ sich nach dem Grabmal eines andern Schutzpatrons von Neapel führen, für den er eine weit größere Verehrung hegte, als für den heiligen Januarius.

Dieses Grabmal war das des Publius Virgilius Maro, oder wenigstens das, in dessen Trümmern, wie die Archäologen sagen, die Asche des Verfassers der Aeneide geruht hat.

Alle Welt weiß, daß Virgil auf seiner Rückreise von Athen, von wo Augustus ihn zurückholen ließ, in Brundusium starb und daß seine Asche jenes Pausilippo wiedersah, welches er so sehr geliebt und von wo aus er alle jene Orte überschauen konnte, die er in dem sechsten Buch seiner Aeneide unsterblich gemacht.

Championnet stieg an dem von Sannazar errichteten Monument vom Pferde und ging den steilen Abhang hinauf, welcher nach der kleinen Rotunde führt, die man dem Reisenden als das Columbarium zeigt, in welches die Urne mit der Asche des Poeten niedergesetzt ward. In der Mitte des Monuments stand ein wilder Lorbeerbaum, den die Sage als unsterblich bezeichnete.

Championnet brach einen Zweig davon ab, den er in die Schnurschleife eines Hut steckt, erlaubte aber seinen Begleitern nicht mehr als jeder ein Blatt zu nehmen, da mit nicht etwa dem Baume Apollos ein Schaden zugefügt werde und die Verehrung durch ihre Folgen in Profanation ausarte.

Dann, nachdem er eine Weile auf diesen geheiligten Steinen seinen stillen Betrachtungen nachgehangen, verlangte er einen Bleistift, riß ein Blatt aus einem Taschenbuch und entwarf das folgende Decret, welches noch denselben Abend in die Druckerei geschickt und am nächsten Morgen veröffentlicht ward.

»Der Obergeneral Championnet.

»In Erwägung, daß die erste Pflicht einer Republik ist, das Andenken großer Männer zu ehren und dadurch die Bürger zur Nacheiferung anzuspornen, indem man ihnen den Ruhm, welcher den erhabenen Geistern aller Länder und aller Zeiten bis ins Grab folgt, vor Augen führt, »Haben wir beschlossen und verordnen, was folgt:

»1. Dem Dichter Virgil wird an der Stelle, wo ein Grab sich befindet, in der Nähe der Grotte von Pozzuolo, ein Grabmal von Marmor errichtet.

»2. Der Minister des Innern wird eine Preisbewerbung eröffnen, zu welcher alle Entwürfe von Monumenten, welche die Künstler einreichen wollen, zulässig sind. Die Dauer der Preisbewerbung beträgt zwanzig Tage.

»Nach Ablauf dieser Zeit wird eine durch den Minister des Innern ernannte, aus drei Mitgliedern bestehende Commission unter den eingereichten Entwürfen den wählen, welcher ihr der beste zu sein scheint, und die Curie wird das Monument errichten, mit dessen Herstellung der Künstler beauftragt werden wird, für dessen Entwurf man sich entschieden hat.

»Der Minister des Innern ist mit der Ausführung dieser Ordonnanz beauftragt.

»Championnet.«

Es ist merkwürdig, daß die beiden dem Virgil zuerkannten Monumente, das eine in Mantua, das andere in Neapel, von zwei französischen Generalen decretiert worden sind, das zu Mantua von Miollis, das zu Neapel durch Championnet.

Zu dem von Neapel ist aber bis jetzt, also nach fünfundsechzig Jahren, noch nicht der erste Stein gelegt.

Sechstes Capitel.
In welchem der Leser in das Palmbaumhaus zurückkehrt

Die Nothwendigkeit, in welche wir uns versetzt gesehen, den politischen und militärischen Ereignissen, durch welche Neapel in die Gewalt der Franzosen fiel, ununterbrochen zu folgen, hat uns gezwungen, uns von dem romantischen Theile unserer Erzählung zu entfernen, und die passiven Persönlichkeiten, welche diese Ereignisse über sich ergehen ließen, beiseite zu lassen, um uns dagegen mit den activen Personen zu beschäftigen, durch welche diese Ereignisse geleitet worden.

Man erlaube uns daher, nun, wo wir den episodischen Trägern dieser Geschichte die ganze Bedeutung gegeben haben, welche ihnen zukommt, auf die ersten Rollen zurückzukommen, in welchen sich das eigentliche Interesse unseres Drama's concentriert.

Zur Zahl dieser Personen, die man uns vielleicht, obschon mit Unrecht, beschuldigt, vergessen zu haben, gehört die arme Louisa San Felice, die wir gleichwohl keine Secunde lang aus den Augen verloren haben.

Ohnmächtig auf dem Hafendamme in den Armen ihres Milchbruders Michele liegend, während ihr Gatte, seinen Pflichten gegen seinen Fürsten und seinen Versprechungen gegen seinen Freund treu, mit Gefahr eines Lebens sich zu dem Herzog von Calabrien begab und mit Gefahr seines Glückes Luisa in Neapel zurückließ, war diese, nachdem man sie in den Wagen getragen, zum großen Erstaunen Giovanninas wieder in das Palmbaumhaus zurückgebracht worden.

Michele, welcher die wirkliche Ursache des Erstaunens, dem die gerunzelte Stirn und das beinahe drohende Auge Giovanninas einen ganz besonderen Charakter verlieh, nicht kannte, erzählte die Dinge, wie dieselben geschehen waren.

Luisa legte sich, von einem hitzigen Fieber ergriffen, zu Bett. Michele blieb die Nacht im Hause und als an andern Morgen bei Tagesanbruch Luisas Zustand sich nicht gebessert hatte, eilte er, den Doctor Cirillo zu benachrichtigen.

Während dieser Zeit brachte der Briefträger einen an Luisa adressierten Brief.

Giovannina erkannte den Poststempel von Portici. Sie hatte bemerkt, daß jedesmal, wo ein solcher Brief wie der, den sie jetzt in den Händen hielt, eintraf, die Gemüthsbewegung ihrer Herrin beim Empfang desselben eine höchst auffällige war, so wie daß sie sich dann allemal in Salvato's Zimmer zurückzog und einschloß, aus welchem sie später nur mit rothgeweinten Augen wieder herauskam.

Sie errieth daher, daß es ein Brief von Salvato sei, und aufs Gerathewohl und ohne noch zu wissen, ob sie ihn lesen würde oder nicht, behielt sie ihn, indem sie sich zugleich vornahm, sich, wenn nach dem Briefe gefragt würde, dafür, daß sie ihn nicht abgegeben, mit dem Zustand zu entschuldigen, in welchem Luisa sich gegenwärtig befand.

Cirillo kam schleunigst herbei. Er hatte geglaubt, Luisa sei mit abgereist; aus der einfachen Erzählung Micheles aber errieth er Alles.

Man kennt die väterliche Zärtlichkeit, welche der gute Doctor für Luisa hegte. Er bemerkte an der Kranken alle Symptome des Gehirnfiebers und ohne eine Frage an die zu richten, welche die moralische Unruhe, in der sie sich befand, noch hätte steigern müssen, beschäftigte er sich blos mit Bekämpfung des materiellen Uebels.

Zu geschickt, um sich durch eine bekannte Krankheit besiegen zu lassen, sobald diese Krankheit kaum erst ordentlich begonnen, bekämpfte er sie energisch, und nach Verlauf von drei Tagen war Luisa, wenn auch nicht hergestellt, doch wenigstens außer Gefahr.

Am vierten Tage sah sie die Thür sich öffnen und stieß bei dem Anblick der Person, welche eintrat, einen Freudenschrei aus, indem sie ihr zugleich beide Arme entgegenbreitete.

Die Person war ihre Herzensfreundin, die Herzogin Fusco.

Ganz wie San Felice vorhergesagt, war, sobald die Königin abgereist war, die in Ungnade gefallene Herzogin nach Neapel zurückgekommen.

Binnen wenigen Augenblicken sah sie sich nun von dem gegenwärtigen Stand der Dinge in Kenntniß gesetzt.

Seit drei Monaten war Luisa gezwungen gewesen, Alles in ihr Herz zu verschließen. Seit vier Tagen war ihr Herz übervoll und trotz jenes Ausspruches eines großen Moralisten, daß die Männer die Geheimnisse Anderer, die Frauen aber die ihrigen am besten bewahren, hatte Luisa nach Verlauf einer Viertelstunde für ihre Freundin kein Geheimniß mehr.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß die Verbindungsthür mehr geöffnet ward als je, und daß die Herzogin zu jeder Stunde des Tages und der Nacht das geheiligte Zimmer zu ihrer Verfügung hatte.

An dem Tage, wo Luisa das Bett verließ, empfing sie abermals einen Brief von Portici.

Giovannina sah mit Unruhe sie diesen Brief in Empfang nehmen. Dann wartete sie, bis derselbe gelesen ward.

Wenn darin der vorhergehende erwähnt ward und Luisa denselben verlangte, so wollte Giovannina ihn hervorsuchen. Man fand ihn dann unversehrt und Giovannina konnte sich, wie wir bereits bemerkt, mit dem Zustand von Unruhe und Zerstreutheit entschuldigen, in welchen sie durch die Krankheit ihrer Gebieterin versetzt worden.

Verlangte diese den Brief nicht, so wollte Giovannina ihn jedenfalls behalten und sich dessen zur Ausführung eines schwarzen Anschlages bedienen, welcher in ihr allerdings noch nicht zur Reife gediehen war, aber dessen Keim sich in ihr immer mehr entwickelte.

Die Ereignisse gingen ihren Gang. Man kennt diese Ereignisse, denn wir haben dieselben ausführlich erzählt.

Die der patriotischen Partei angehörende Herzogin Fusco öffnete ihre Salons wieder und empfing darin alle hervorragenden Männer und Frauen dieser Partei.

Zu der Zahl dieser Frauen gehörte Eleonore Fonseca Pimentel, welche wir bald mit der Seele eines Weibes und dem Muth eines Mannes sich in die politischen Ereignisse ihres Landes mischen sehen werden.

Diese politischen Ereignisse hatten für Luisa, welche bis jetzt sich niemals darum gekümmert, eine außerordentliche Bedeutung erlangt.

So gut die Vertrauten der Herzogin von Fusco auch unterrichtet waren, so gab es doch immer einen Punkt, über welchen Luisa noch besser unterrichtet war.

Es war dies der Marsch der Franzosen auf Neapel.

In der That wußte sie alle drei oder vier Tage ganz genau, wo die Replublikaner standen.

Auch von dem Chevalier hatte sie zwei Briefe erhalten.

In dem ersten, worin er ihr eine glückliche Ankunft in Palermo meldete, gab er ihr sein Bedauern zu erkennen, daß der stürmische Zustand des Meeres sie verhindert hatte, sich mit ihm einzuschiffen, aber er sagte nicht, daß sie ihm nachfolgen sollte.

Der Brief war zärtlich, ruhig und väterlich wie immer. Wahrscheinlich hatte der Chevalier den letzten von Luisa ausgestoßenen Schrei der Verzweiflung nicht gehört oder nicht hören wollen.

Der zweite Brief enthielt über die Situation des Hofes in Palermo Einzelheiten, die man in dem weitern Verlaufe unserer Erzählung finden wird.

Ebensowenig aber als in dem ersten war darin der Wunsch ausgesprochen, daß Luisa Neapel verlassen solle.

Im Gegentheil gab der Chevalier ihr allerhand Rathschläge über die Art und Weise, auf welche sie sich in den politischen Krisen, welche die Hauptstadt bewegen würden, verhalten solle, und unterrichtete sie zugleich, daß das Bankierhaus Baker von ihm beauftragt sei, ihr die Summen, deren sie bedürfen würde, zur Verfügung zu stellen.

Noch denselben Tag erschien der junge André Baker, welchen Luisa seit dem Tage seines Besuches in Caserta nicht wiedergesehen, mit dem Avisbriefe des Chevalier in der Hand in dem Palmbaumhause.

Luisa empfing ihn mit ihrer gewohnten ernsten Freundlichkeit, dankte ihm für seine Aufmerksamkeit, erklärte ihm aber auch zugleich, daß sie, da sie sehr eingezogen lebe, beschlossen habe, während der Abwesenheit ihres Gemahls keine Besuche anzunehmen. Wenn sie in den Fall käme, Geld zu bedürfen, so würde sie entweder selbst nach der Bank kommen, oder Michele mit einer Quittung schicken.

Dies war eine Verabschiedung in aller Form.

André verstand es und entfernte sich seufzend.

Luisa begleitete ihn bis auf den Perron und sagte zu Giovannina, welche die Thür hinter ihm zu schließen kam:

»Wenn Mr. André Backer jemals wiederkommen und mit mir zu sprechen wünschen sollte, so vergiß nicht, daß ich nicht zu Hause bin.«

Man kennt die Vertraulichkeiten der neapolitanischen Dienstleute mit ihrer Herrschaft.

»Ach, mein Himmel!« antwortete Giovannina. »Wie ist es möglich, daß ein so schöner junger Mann Ihnen mißfallen kann, Signora?«

»Er mißfällt mir nicht, entgegnete Luisa kalt, »aber in Abwesenheit meines Gemahls empfange ich einmal Niemanden.«

Giovannina, an deren Herzen die Eifersucht nagte, stand schon im Begriff zu antworten:

»Signor Salvato ausgenommen.«

Sie bezwang sich jedoch und ein zweifelndes Lächeln war die einzige Antwort, die sie gab.

Der letzte Brief, welchen Luisa von Salvato empfangen, war vom 19. Januar datiert und traf am 20. ein.

Der ganze Tag des 20. verging für Neapel in Angst und Unruhe und für Luisa war diese Angst größer als für jeden Andern. Von Michele hörte sie, welche furchtbaren Vertheidigungsanstalten getroffen wurden, und durch Salvato erfuhr sie, daß der Obergeneral geschworen hatte, die Stadt um jeden Preis zu nehmen.

Salvato bat Luisa inständig, wenn man Neapel bombardierte, sich um ihrer persönlichen Sicherheit willen in die tiefsten Keller ihres Hauses zu flüchten.

Diese Gefahr stand besonders zu befürchten, wenn das Castell San Elmo das gegebene Versprechen nicht hielt, sondern sich gegen die Franzosen und die Patrioten erklärte.

Am 21. Morgens gab sich in Neapel eine große Bewegung kund.

Das Castell San Elmo hatte, wie man sich erinnert, die dreifarbige Fahne aufgepflanzt. Es hielt demnach sein Versprechen und erklärte sich für die Patrioten und für die Franzosen.

Luisa freute sich darüber, obschon weder um der Patrioten noch um der Franzosen willen, denn eine politische Meinung hatte sie niemals gehabt. Es schien ihr aber, als ob diese den Franzosen und den Patrioten gewährte Unterstützung die Gefahr mindere, in welcher ihr Geliebter schwebte, weil derselbe von Herzen Patriot und aus freier Wahl Franzose war.

Denselben Tag erhielt sie einen Besuch von Michele. Als einer der Anführer des Volks und entschlossen, bis zum letzten Blutstropfen für eine Sache zu kämpfen, die er allerdings nicht recht verstand, welcher er aber durch die Umgebung angehörte, in deren Mitte er geboren war, kam er, um für den Fall, daß er fiele, von Luisa Abschied zu nehmen und ihr seine Mutter zu empfehlen.

Luisa weinte sehr, als sie von ihrem Milchbruder Abschied nahm; aber nicht alle ihre Thränen flossen um der Gefahr willen, welche Michele lief, denn eine gute Hälfte galt denen, welche Salvato drohten.

Michele versuchte, halb lachend, halb weinend und seinerseits nicht weitersehend, als Luisa's Worten gingen, diese über sein Schicksal zu beruhigen, indem er sie an die Prophezeiung Nannos erinnerte.

Der albanesischen Wahrsagerin gemäß sollte Michele als Oberst sterben und gehängt werden.

Nun aber war er jetzt erst Capitän und wenn er dem Tode ausgesetzt war, so war es der Tod durch das Eisen oder durch das Feuer, aber nicht durch den Strick.

Allerdings, wenn Namno's Prophezeiung in Bezug auf Michele in Erfüllung ging, so mußte sie auch in Bezug auf Luisa in Erfüllung gehen und wenn Michele gehängt ward, so mußte Luisa auf dem Schaffot sterben.

Die Alternative war keine tröstliche.

In dem Augenblick, wo Michele sich von Luisa entfernte, hielt diese ihn bei der Hand zurück und es entrangen sich ihr die Worte, welche schon lange auf ihren Lippen umherirrten:

»Wenn Du Salvato begegnest – «

»O, Schwesterchen!« rief Michele.

Beide hatten einander vollkommen verstanden.

Eine Stunde nach ihrer Trennung hörte man die ersten Kanonenschüsse.

Die Mehrzahl der Patrioten von Neapel, namentlich die, welche in Folge ihres vorgerückten Alters oder des friedlichen Standes, dem sie angehörten, nicht berufen waren, zu den Waffen zu greifen, hatten sich bei der Herzogin von Fusco versammelt.

Hier trafen von Stunde zu Stunde Nachrichten über den Stand des Kampfes ein.

Luisa aber nahm an diesem Kampfe zu viel Interesse, um diese Nachrichten in dem Salon und mitten unter der bei der Herzogin versammelten Gesellschaft zu erwarten.

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30 kasım 2019
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