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Kitabı oku: «La San Felice Band 8», sayfa 5

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Achtes Capitel.
Der Schutzpatron von Neapel

Wir haben schon von der Wirkung gesprochen, welche die von Championnet ausgegangene Verkündigung des Wunders des heiligen Januarius für den nächsten Tag in Neapel hervorgerufen hatte.

Championnet war entschlossen Alles auf einen Wurf zu setzen. Wenn das Wunder nicht geschah, so gab es eine Empörung zu unterdrücken, geschah es dagegen, so war damit die Ruhe und folglich das Fundament der parthenopeichen Republik gewonnen.

Um diesen unermeßlichen Einfluß des heiligen Januarius auf das neapolitanische Volk zu erklären, wollen wir mit einigen kurzen Worten sagen, auf welche Verdienste dieser Einfluß sich gründet:

Der heilige Januarius ist nicht wie die andern Heiligen des Kalenders ein gewöhnlicher Allerweltsheiliger, der, wie der heilige Petrus und der heilige Paulus, in allen christlichen Kirchen angerufen wird. Nein, der heilige Januarius ist ein localer, patriotischer, neapolitanischer Heiliger.

Der heilige Januarius gehört den ersten Jahrhunderten der Kirche an. Er predigte das Wort Christi zu Ende des dritten und zu Anfang des vierten Jahrhunderts und bekehrte Tausende von Heiden. Wie alle Bekehrer, zog er sich natürlich den Haß der Kaiser zu und starb im Jahre 305 den Märtyrertod.

Ueber diesen Märtyrertod müssen wir, um das Wunder der Flüssigwerdung des Blutes verständlich zu machen, hier einige nähere Einzelheiten erwähnen.

Der Vorrang, den der heilige Januarius vor allen andern Heiligen behauptet, ist nach der Meinung der Neapolitaner unbestreitbar. Allerdings haben die andern Heiligen bei ihren Lebzeiten und selbst nach ihrem Tode einige Wunder verrichtet, welche, nachdem sie von den Philosophen besprochen worden, in der Form einer sagenhaften halben Authenticität bis auf uns gekommen sind, während dagegen das Wunder des heiligen Januarius sich bis auf unsere Zeit fortgesetzt hat und sich zum größern Ruhme der Stadt Neapel und zur vollständigen Beschämung der Atheisten zweimal jährlich erneuert.

Vor Allem guter Bürger, liebt der heilige Januarius in der That und Wahrheit nur sein Vaterland und thut nur für dieses etwas. Wäre selbst die Welt von einer zweiten Sündflut bedroht, oder bräche sie um den unerschrockenen Mann des Horaz herum in Trümmer zusammen, so würde doch der heilige Januarius keinen Finger rühren, um sie zu retten.

Drohen dagegen die Regengüsse des Novembers die Ernten zu ersäufen, oder trocknet die Hitze der Augusttage die Cisternen seines geliebten Vaterlandes aus, so setzt der heilige Januarius Himmel und Erde in Bewegung, um im November Sonnenschein und im August Wasser zu erzwingen.

Hätte der heilige Januarius die Stadt Neapel nicht unter seinen ganz besondern Schutz genommen, so würde sie schon seit zehn Jahrhunderten nicht mehr existieren, oder wäre zu dem Range von Pozzuolo oder Baja herabgesunken.

Und in der That gibt es in der ganzen Welt keine Stadt, welche öfter von einer fremden Macht erobert und beherrscht worden ist. Dank der thätigen und ausdauernden Intervention ihres Schutzpatrons aber sind die Eroberer verschwunden und Neapel steht heute noch.

Die Normannen haben über Neapel regiert, der heilige Januarius aber hat sie verjagt.

Die Schwaben haben über Neapel regiert, aber der heilige Januarius hat sie verjagt.

Das Haus Anjou hat über Neapel regiert, aber der heilige Januarius hat es verjagt.

Die Aragonien haben ihrerseits den Thron von Neapel eingenommen, der heilige Januarius hat sie aber gezüchtigt.

Die Spanier haben Neapel tyrannisiert, aber der heilige Januarius hat sie geschlagen.

Die Franzosen haben Neapel eingenommen, der heilige Januarius aber hat sie wieder hinausgeführt.

Und als wir im Jahre 1836 diese Worte schrieben, setzten wir hinzu:

»Und wer weiß, was der heilige Januarius noch für sein Vaterland thun wird.«

Und in der That, von welcher Art auch die einheimische oder fremde, legitime oder angemaßte, liberale oder despotische Herrschaft sei, die auf diesem schönen Lande lastet, so lebt im innersten Herzen aller Neapolitaner der sie bis zum Stoicismus geduldig machende feste Glaube, daß alle Könige und alle Regierungen verschwinden und die Neapolitaner und der heilige Januarius das Einzige sein werden, was zuletzt in Neapel übrig bleibt.

Die Geschichte des heiligen Januarius beginnt mit der Geschichte von Neapel und wird wahrscheinlich auch nur mit ihr enden.

Die Familie des heiligen Januarius gehört natürlich dem höchsten Adel des Alterthums an. Das Volk, welches im Jahre 1647 seiner von einem Lazzarone befehligten Lazzaronirepublik den Titel einer aller durchlauchtigsten königlichen neapolitanischen Republik gab und im Jahr 1799 die Patrioten mit Steinwürfen verfolgte, weil sie gewagt hatten, das Prädicat »Excellenz« abzuschaffen, würde sich niemals dazu verstanden haben, sich einen Schutzheiligen von plebejischer Herkunft zu wählen. Der Lazzarone ist durch und durch aristokratisch, oder vielmehr er bedarf vor allen Dingen einer Aristokratie.

Die Familie des heiligen Januarius stammt in gerader Linie von der Familie der Januari in Rom, welche hinwiederum vom Janus abzustammen behaupteten.

Ihre ersten Jahre sind dunkel. Erst im Jahre 304, unter dem Pontificat des heiligen Marcelin, wird er zum Bischof des von dem Papst eben erst creirten Bisthums Benevento ernannt.

Welch' ein seltsames Geschick ruht auf diesem Bisthum Benevento, welches mit dem heiligen Januarius beginnt und mit Herrn von Talleyrand endet.

Die letzte Verfolgung, welche die Christen getroffen, hatte unter den Kaisern Diocletian und Maximian stattgefunden. Sie datierte von zwei Jahren, das heißt vom Jahre 302, und war eine der schrecklichsten gewesen. Siebzehntausend Märtyrer vergossen für die neue Religion ihr Blut.

Auf die Kaiser Diocletian und Maximian folgten die Kaiser Constantin und Galerius, unter welchen die Christen einen Augenblick aufathmeten.

Unter der Zahl der Gefangenen, welche unter den vorhergegangenen Regierungen in den Gefängnissen von Cumä zusammengepfercht wurden, befand sich Sofius, Diaconus von Misena, und Proculus, Diaconus von Pozzuolo.

Während der ganzen Zeit, welche die Verfolgung von 302 gedauert, hatte der heilige Januarius niemals verfehlt, ihnen mit Gefahr seines Lebens den Beistand und Trost seines Wortes zu bringen.

Vorläufig freigelassen, hielten die christlichen Gefangenen, welche nun alle Verfolgung überstanden zu haben glaubten, in der Kirche von Pozzuolo einen Dankgottesdienst, bei welchem der heilige Januarius, von Sofius und Proculus unterstützt, fungierte, als plötzlich eine Trompete schmetterte und ein geharnischter Herold in die Kirche hereingeritten kam, um laut ein altes Decret von Diocletian zu verlesen, welches die neuen Cäsaren wieder in Kraft setzten.

Dieses merkwürdige Decret, mag es nun echt oder apokryph sein, befindet sich noch jetzt in dem Archiv des Erzbisthums. Wir können es daher unsern Lesern eben so mittheilen, wie wir ihnen schon einige andere nicht ganz uninteressante historische Documente vorgelegt haben.

Es lautet:

»Diocletian, dreimal groß, immer gerecht, ewiger Kaiser, entbietet allen Proconsuln des römischen Reiches seinen Gruß.

»Da ein Gerücht, welches uns sehr mißfallen hat, nämlich, daß die Ketzerei Derer, die sich Christen nennen, eine Ketzerei, die zu den ruchlosesten gehört, wieder Macht und Ausbreitung gewinnt, daß die sogenannten Christen jenen von einer, ich weiß nicht was für einer Jüdin geborenen Jesus als Gott verehren und den großen Apollo, Merkur, Herkules, ja selbst Jupiter durch Schimpfreden und Verwünschungen beleidigen, während sie denselben Christus anbeten, den die Juden als Zauberer an ein Kreuz genagelt, zu unsern göttlichen Ohren gekommen ist:

»So befehlen wir hiermit, daß alle Christen, Männer und Frauen, in allen Städten und Gegenden, dafern sie sich weigern, unsern Göttern zu opfern und ihren Glauben abzuschwören, den grausamsten Martern unterworfen werden. Zeigen sie sich dagegen gehorsam, so wollen wir geruhen, ihnen Verzeihung zu gewähren. Im entgegengesetzten Falle fordern wir, daß sie mit der Schärfe des Schwertes und mit dem härtesten Tod (pessima morte) gestraft werden.

»Wisset endlich, daß, wenn Ihr unsere göttlichen Befehle verabsäumt, wir Euch selbst mit denselben Strafen belegen werden, womit wir die Schuldigen bedrohen.«

Im weiteren Verlauf unserer Geschichte werden wir, als Seitenstück hierzu, ein oder zwei Dekrete des Königs Ferdinand anzuführen haben. Man kann sie dann mit dem Diocletians vergleichen und man wird sehen, daß sie mit einander große Aehnlichkeit haben, nur sind die des römischen Kaisers in einem besseren Styl abgefaßt.

Wie man sich leicht denken kann, unterwarfen sich weder der heilige Januarius noch die beiden Diaconen diesem Decret.

Der heilige Januarius fuhr fort die Messe zu lesen und die beiden Diaconen, ihm zu assistieren, so daß sie eines schönen Morgens alle drei bei Ausübung ihres Amtes festgenommen wurden.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß Diejenigen, welche der Messe beiwohnten, ebenfalls festgenommen wurden, und noch weniger brauchen wir zu erwähnen, daß die Gefangenen sich durch die Drohungen des Proconsuls, welcher Timotheus hieß, nicht einschüchtern ließen, sondern standhaft bei ihrem Bekenntniß blieben.

In dem Augenblick, wo der heilige Januarius festgenommen ward, bat eine alte Frau, die ihn schon als einen Heiligen betrachtete, ihn, ihr einige Reliquien zu schenken. Der heilige Januarius gab ihr die beiden Phiolen, womit er soeben das Wunder des heiligen Sacraments vollzogen, und sagte zu ihr:

»Nimm diese beiden Phiolen, meine Schwester, und sammle darin mein Blut.«

»Aber ich bin gelähmt,« sagte die alte Frau, »und kann keinen Fuß vor den andern setzen.«

»Trinke den übriggebliebenen Wein und das Wasser aus diesen Fläschchen und Du wirst gehen können,« entgegnete der fromme Mann.

Er war es, auf den der Proconsul es ganz besonders abgesehen hatte, weil er es war, den der Herr ganz besonders in seinen Schutz nahm.

Man begann damit, daß man ihn in einen glühenden Ofen warf. Das Feuer erlosch aber und die glühenden Kohlen, welche den Fußboden bedeckten, verwandelten sich in einen Haufen duftender Blumen.

Nun verurtheilte man ihn, in den Circus geworfen und von Löwen zerrissen zu werden.

An dem hierzu festgesetzten Tage drängte sich eine ungeheure Menschenmenge in das Amphitheater. Man war aus allen Gegenden der Provinz herbeigeeilt, denn das Amphitheater von Pozzuolo war eben so wie das von Capua – aus welchem, wie man sich erinnert, Spartacus entsprang – eines der schönsten Campaniens.

Es war übrigens dasselbe, dessen Trümmer heute noch stehen und in welchem zweihundertunddreißig Jahre früher der göttliche Kaiser Nero dem Tiridates, erstem König von Armenien, ein Fest gegeben hatte. Letzterer war durch Corbulon, welcher für Tigranes kämpfte, aus seinem Reich vertrieben worden und kam nun, um den Sohn des Domitius und der Agrippina zu bitten, ihm wieder zu seiner Krone zu verhelfen.

Es war Alles vorbereitet, um den Barbaren in Erstaunen und Verwunderung zu setzen. Die gewaltigsten Thiere, die geschicktesten Gladiatoren hatten aber vor ihm gekämpft, ohne daß dies Eindruck auf ihn zu machen schien.

Nero fragte ihn, was er von diesen Kämpfern denke, deren übermenschliche Anstrengungen den ganzen Circus zu lautem Beifall hingerissen, und Tiridates erhob, ohne ein Wort zu entgegnen, sich lächelnd, schleuderte seinen Wurfspieß in den Circus und durchbohrte zwei Stiere mit einem einzigen Wurf.

Seit dem Tage, wo Tiridates diesen Beweis seiner riesigen Körperkraft gegeben, hatte der Circus noch nie wieder eine so große Anzahl von Zuschauern gesehen.

Kaum hatte der Proconsul auf seinem Throne Platz genommen und kaum hatten die Lictoren sich um ihn herum gruppiert, so wurden die drei Heiligen der Thür gegenüber gestellt, zu welcher die Thiere hereingelassen werden sollten.

Auf einen Wink von Timotheus öffnete sich diese Thür und die wilden Bestien kamen in die Arena hereingeschnaubt.

Bei ihrem Anblicke klatschten dreißigtausend Zuschauer vor Freuden in die Hände.

Die ihrerseits verwunderten Thiere antworteten durch ein drohendes Gebrüll, welches alle Stimmen übertäubte und jeden Beifallslärm zum Schweigen brachte.

Gereizt durch das Geschrei der Menge, verzehrt durch den Hunger, zu welchem ihre Hüter sie seit drei Tagen verurtheilt, angelockt durch den Geruch des Menschenfleisches, womit man sie am Festtagen gefüttert, begannen die Löwen ihre Mähnen zu schütteln, die Tiger hin und her zu springen und die Hyänen sich den Rachen zu lecken.

Wie groß aber war das Erstaunen des Proconsuls, als er sah, wie die Hyänen, die Tiger und die Löwen sich plötzlich zum Zeichen der Ehrfurcht und des Gehorsams zu den Füßen der drei Märtyrer niederstreckten, während die Fesseln des heiligen Januarius von selbst abfielen und er mit seiner nun freigewordenen Hand lächelnd die Zuschauer segnete.

Timotheus, der Proconsul, konnte, wie man leicht begreift, nicht die mindeste Schonung gegen einen elenden Erzbischof zeigen und zwar um so weniger, als bei dem Anblick des letzten von diesem gethanen Wunders fünftausend Zuschauer sofort Christen geworden waren. Als er sah, daß das Feuer nichts über seinen Gefangenen vermochte, und daß die Löwen sich zu seinen Füßen niederstreckten, befahl er, daß der Bischof und die beiden Diaconen durch das Schwert hingerichtet würden.

Es war an einem schönen Herbstmorgen, am 19. September 305, als der heilige Januarius, von Proculus und Sofius begleitet, in die Ebene von Solfatara nach den Forum an einem halb erloschenen Krater geführt ward, um hier vom Leben zum Tode gebracht zu werden.

Kaum aber hatte er zwanzig Schritte in der Richtung des Forum gethan, als ein Bettler sich durch die Menge hindurchdrängte und sich ihm zu Füßen warf.

»Wo bist Du, heiliger Mann?«, fragte der Bettler. »Ich bin blind und sehe Dich nicht.«

»Hier bin ich, mein Sohn,« sagte der heilige Januarius, indem er stehen blieb, um den alten blinden Mann anzuhören.

»O mein Vater,« rief der Bettler, »dann ist es mir also, ehe ich sterbe, vergönnt, den Staub zu küssen, den deine Füße berührt haben.«

»Dieser Mensch ist von Sinnen, sagte der Henker, und wollte den Bettler zurückstoßen.

»Ich bitte Dich, laß ihn herankommen, sagte der heilige Januarius, »die Gnade des Herrn ist mit ihm.«

Der Henker trat achselzuckend auf die Seite.

»Was willst Du, mein Sohn?« fragte der Heilige.

»Ein einfaches Andenken von Dir, sei es, welches es wolle. Ich werde es bis an das Ende meiner Tage bewahren und es wird mir Glück bringen in dieser wie in jener Welt.«

»Aber, mischte der Henker sich ein, weißt Du nicht, daß die Verurtheilten kein Eigenthum mehr haben? Wie kannst Du so dumm sein, einen Menschen, welcher im Begriff steht zu sterben, um ein Almosen zu bitten.«

»Welcher im Begriff steht, zu sterben,« wiederholte der blinde Bettler, und schüttelte den Kopf. »Dies ist doch wohl nicht so ganz gewiß und es wäre nicht das erste Mal, daß er Euch entränne.«

»Sei unbesorgt,« antwortete der Henker. »Diesmal wird er es mit mir zu thun haben.«

»Mein Sohn,« sagte der heilige Januarius, »ich besitze nichts mehr als das Tuch, womit man mir, ehe man mich enthauptet, die Augen verbinden wird. Ich vermache es Dir nach meinem Tode.«

»Und wenn die Söldner mir nicht erlauben, mich Dir zu nähern?«

»Sei unbesorgt, ich werde es Dir selbst bringen.«

»Dank, mein Vater.«

»Lebe wohl, mein Sohn.«

Der Blinde entfernte sich und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Auf dem Forum angelangt, knieten die drei Märtyrer nieder und der heilige Januarius rief mit lauter Stimme:

»Mein Herr und Gott, ich bitte Dich, gewähre mir heute den Märtyrertod, den Du mir schon zweimal verweigert. Möge unser Blut deinen Zorn beschwichtigen und das letzte sein, welches durch die Verfolgungen der Tyrannen gegen unsere heilige Kirche vergossen wird.«

Dann erhob er sich, umarmte die beiden Genossen seines Märtyrerthums und winkte dem Henker, ein blutiges Werk zu beginnen.

Der Henker enthauptete zuerst Proculus und Sofius, welche, das Lob des Herrn singend, starben; als er sich aber dem heiligen Januarius, näherte, um ihm ebenfalls das Haupt abzuschlagen, ward er von so heftigem krampfhaftem Zittern ergriffen, daß das Schwert ihm aus den Händen fiel und er nicht einmal die Kraft hatte, sich zu bücken und es wieder aufzuheben.

Der heilige Januarius verband sich hierauf selbst die Augen, nahm die Stellung an, welche für die furchtbare Verrichtung die günstigste war, und fragte dann den Henker:

»Nun, worauf wartest Du noch, mein Bruder?«

»Ich werde dieses Schwert nicht eher aufheben können, als bis Du mir die Erlaubniß dazu gibst, und ebenso kann ich Dir auch das Haupt nicht abschlagen, wenn ich nicht aus deinem eigenen Munde Befehl dazu erhalte.«

»Ich erlaube und befehle es Dir nicht blos, mein Bruder, sondern ich bitte Dich darum.«

Sofort fühlte der Henker sich wieder stark und kräftig und führte den verhängnißvollen Streich mit solcher Gewalt, daß nicht blos der Kopf des Heiligen, sondern auch einer seiner Finger mit abgetrennt war.

Was das doppelte Gebet betraf, welches der heilige Januarius vor seinem Tode an Gott gerichtet, so ward es ohne Zweifel erhört, denn der Henker erklärte ihm, indem er ihm den Kopf abschlug, selbst für einen Märtyrer, und in demselben Jahre noch floh Constantin, welcher später Constantin der Große ward und den Triumph der christlichen Religion sicherte, aus Nicomedien, empfing in York den letzten Seufzer seines Vaters und ward von den Legionen Britanniens, Galliens und Spaniens zum Kaiser ausgerufen. Von dem Todesjahr des heiligen Januarius datiert folglich der Sieg der christlichen Kirche.

Am Abend der Hinrichtung gegen neun Uhr näherten sich zwei Personen, gleich zwei Schatten, schüchtern dem verlassenen Forum und suchten mit den Augen die drei Leichen der Hingerichteten, die man auf dem Platze liegen gelassen.

Der eben aufgehende Mond beleuchtete die gelbliche Ebene von Solfatara, so daß man jeden Gegenstand in allen seinen Einzelheiten unterscheiden konnte.

Die beiden Personen, welche allein diesen öden, schauerlichen Ort aufsuchten, waren ein alter Mann und eine alte Frau.

Beide beobachteten einander einen Augenblick lang mit Mißtrauen.

Dann entschlossen sie sich endlich, aufeinander zuzugehen.

Als sie sich einander bis auf drei Schritte genähert hatten, legten beide die Hand an die Stirn und machten das Zeichen des Kreuzes.

Nachdem sie sich auf diese Weise als Christen zu erkennen gegeben, sagte die Frau:

»Guten Abend, mein Bruder.«

»Guten Abend, meine Schwester,« antwortete der Greis.

»Wer bist Du?«

»Ein Freund des heiligen Januarius. Und Du?«

»Eine seiner Verwandten.«

»Aus welcher Gegend bist Du?«

»Ich bin von Neapel. Und Du?«

»Ich bin von Pozzuolo. Was führt Dich zu dieser Stunde hierher?«

»Ich komme, um das Blut des Märtyrers zu sammeln. Und Du?«

»Ich komme, um seine Leiche zu begraben.«

»Hier sind die beiden Fläschchen, mit welchen er seine letzte Messe gelesen. Er gab sie mir, als er die Kirche verließ, und befahl mir, den noch darin befindlichen Rest von Wasser und Wein zu trinken. Ich war gelähmt und hat seit zehn Jahren weder Füße noch Hände rühren können. Kaum aber hatte ich auf den Befehl des nun glückselige heiligen Januarius die Fläschchen geleert, so stand ich an und wandelte.«

»Und ich, sagte der alte Mann, »ich war blind. Ich bat den Märtyrer, als er sich auf dem Wege zu seiner Hinrichtung befand, um ein Andenken an ihn. Er versprach m nach seinem Tode das Tuch zu geben, womit man ihm die Augen verbinden würde. In demselben Augenblick, wo der Henker ihm den Kopf abschlug, erschien er mir, gab mir das Tuch, befahl mir, es mir auf die Augen zu drücken und am Abend hierher zu kommen und seine Leiche zur Erde zu bestatten. Ich wußte nicht, wie ich den zweiten Theil seines Befehles ausführen sollte, denn ich war blind; kaum aber hatte ich die heilige Reliquie an meine Stirn gedrückt, fühlte ich, gleich dem heiligen Paulus auf dem Wege nach Damascus, wie mir die Schuppen von den Augen fielen, und ich bin nun hier, um dem Befehle des hochseligen Märtyrer zu gehorchen.«

»Sei gesegnet, mein Bruder, denn nun weiß ich, daß Du wirklich der Freund des heiligen Januarius bist, der mir zu derselben Zeit wie Dir erschien, um mir zum zweiten Male zu befehlen, sein Blut zu sammeln.«

»Sei gesegnet, meine Schwester, denn ich sehe meinerseits, daß Du wirklich seine Verwandte bist. Doch ich habe noch etwas vergessen –«

»Was denn?«

»Er befahl mir, einen Finger zu suchen, der ihm gleichzeitig mit dem Haupte abgeschlagen worden ist, und diesen Finger wieder mit seinen geheiligten Ueberresten zu vereinigen.«

»Mir sagte er auch noch, ich würde in seinem Blute einen Strohhalm finden, und er befahl mir, denselben sorgfältig in dem kleinsten der beiden Fläschchen zu verwahren.«

»Suchen wir, meine Schwester.«

»Ja, suchen wir, mein Bruder.«

»Zum Glück leuchtet uns der Mond.«

»Das ist abermals eine Wohlthat des Heiligen, denn seit einem ganzen Monate ward der Mond fortwährend durch Wolken verhüllt.«

»Hier ist der Finger, den ich suchte.«

»Und hier ist der Strohhalm, von welchem er sprach.«

Und während der Greis von Pozzuolo den Rumpf, den Kopf und den Finger des Märtyrers in einen Sarg legte, sammelte die alte Frau von Neapel, andächtig niederkniend, mittelst eines Schwammes das kostbare Blut bis auf den letzten Tropfen und füllte damit die beiden Fläschchen, welche der Heilige ihr gegeben.

Es ist dies dasselbe Blut, welches seit fünfzehn und einem halben Jahrhunderte allemal, wenn man es dem Haupte des Heiligen nähert, in Wallung geräth, und in diesem geheimnißvollen, unerklärlichen Flüssigwerden und Wallen, welches jährlich zweimal geschieht, besteht das berühmte Wunder des heiligen Januarius, welches in der Welt so viel Aufsehen macht und welches Championnet gutwillig oder mit Zwang von dem Heiligen zu erlangen gedachte.

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30 kasım 2019
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