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Kitabı oku: «So sey es », sayfa 7

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III

Erst draußen in der frischen. belebenden Frühlingsluft athmete ich wieder frei.

Es ereignete sich überdies ein Vorfall, der mich zu der gemeinen Wirklichkeit zurückführen sollte.

Der Briefträger erwartete Gratian vor der Kirche und übergab ihm einen Brief mit dem Poststempel »Havre.«

Der Brief enthielt folgende Worte:

»Ihr Onkel in Amerika ist gestorben. Er hat Ihnen ein kleines Haus, Kirchengasse Nr. 12. hinterlassen. Sein letzter Wunsch war, daß Sie Ihren Hochzeitschmaus in diesem Hause halten möchten.

»Der Testamentsvollstrecker.«

Gratian las den Brief zweimal-

»Es will Jemand einen Spaß mit mir machen, sagte er.

Er reichte seiner jungen Frau den Brief.

Zoe las ihn und reichte ihn der Gräfin.

Die Gräfin sah mich an. Ich merkte wohl. daß sie Alles errathen hatte.

»Was sagen Sie dazu, Frau Gräfin?« fragte Zoe.

»Ja was sagen Sie dazu?« setzte Gratian hinzu. »Ich finde, daß der Witz am Hochzeittage nicht passend ist; es kommt einem jungen Ehemann dabei das Wasser in den Mund.«

»Vielleicht ist es kein Scherz.« erwiederte die Gräfin.

»Was soll’s denn seyn?« fragte Gratian. Ich habe ja von jeher nur einen Onkel gehabt – da steht er – und er hat sich wohl gehütet, mir je etwas zu schenken. Nicht wahr, Onkel?«

»Nun, es liegt nichts daran,« sagte die Gräfin; »wir wollen vor das Haus Nr. 12 gehen —«

»Aber das Haus Nr. 12 gehört ja dem alten Dubois,« entgegnete Gratian.

»Er hat seine drei Söhne verkauft,« meinte die Gräfin, »er mag auch sein Haus wohl verkauft haben.«

Dann wandte sie sich zu mir:

»Meinen Sie das nicht auch« fragte sie mit zauberischem Lächeln, das jede Wolke aus meinen Gedanken vertreiben zu wollen schien.

»Wie könnte ich mich erkühnen. einer andern Meinung zu seyn, als Sie?« erwiederte ich. Gehen wir zu Nr. 12.«

»Aber ich weiß wirklich nicht —« sagte Gratian zögernd.

»Thue doch, was man Dir sagt, Du ungehobelter Mensch,« fiel ihm Zoe ins Wort. »Uns könnte und wollte man vielleicht foppen; aber wer würde es wagen, die Frau Gräfin zu foppen?«

Bei diesen letzten Worten sah mich die Neuvermälte an.

»Ich gewiß nicht,« erwiederte ich. »Wenn sich die Gräfin mir anvertrauen will, so will ich ihr den Weg zeigen.«

»Last Herrn Villiers durch,« sagte Zoe auf die Seite tretend.

Ich ging mit der Gräfin voran.

In fünf Minuten waren wir an der Thüre des Hauses Nr. 12.

Vordem Hause herrschte die größte Thätigkeit. Die Kellner aus dem Gasthofe hatten unter Anleitung des Wirthes im geräumigen Erdgeschosse den Tisch gedeckt. Die Wände der Werkstätte waren mit Handwerkszeug, mit Sägen, Hobeln, Meißeln, Hämmern u. s. w. behängt. In der Küche loderte ein großes Feuer, und die kleine Eßstube, die für heute in eine Tischgeräthkammer verwandelt worden war, enthielt eine Batterie amphitheatralisch aufgethürmter Flaschen und das Dessert, welches den Hochzeitschmaus beschließen sollte.

»Der tausend,« sagte Gratian, einen flüchtigen Blick auf alle diese Sachen werfend. »der Onkel aus Amerika hat"s wahrhaftig gut gemacht!«

»Also das Erdgeschoß gefällt Dir?« sagte die junge Frau vergnügt.

»Wohl, wohl,« antwortete Gratian, »es ist allerliebst.«

»Wir sollten auch in den ersten Stock hinaufgehen,« sagte ich, »um zu sehen. ob er Euch eben so gut gefällt wie das Erdgeschoß

»Ach ja,« sagte Zoe, den Arm ihres Mannes nehmend, »wir wollen den ersten Stock ansehen.«

»Kornmt Ihr mit hinauf?« sagte er zu den jungen Burschen und Mädchen.

Aber zu mir und der Gräfin sagte er:

»Ihnen will ich die Mühe nicht machen; ich glaube, daß Sie das Haus schon kennen.«

Die Gräfin wollte nein antworten, aber ich kam ihr zuvor.

»Erlauben Sie, Madame,« sagte ich zu ihr, »daß Ihnen an dem Wenigen. was ich thun konnte, ein Antheil zugeschrieben wird. Und wenn dieses Wenige eines Lohnes werth ist, so wird dieser Lohn dadurch verdoppelt und übersteigt weit das Verdienst der Handlung.«

»Ja, erwiederte sie »aber unter der Bedingung, daß Sie mir Alles erzählen.«

»O. ich kann mich sehr kurz fassen.« sagte ich, auf die offene Gartenthür zeigend, durch die man Obstbäume und Blumenbeete sah.

Sie ging in den Garten, oder vielmehr sie ließ sich von mir hineinführen. und bald befanden wir uns in einer dichten Weinlaube, durch welche kein Sonnenstrahl auf die Erde fiel.

»Lassen Sie hören,« sagte sie, das Gespräch auf das Geschenk führend, das ich dem jungen Paar gemacht hatte.

»Als ich das Glück hatte. Sie zum ersten Male zu sehen. Madame, begann ich, »hatte ich die Ehre. Ihnen zu sagen, daß ich nie spiele. aber doch eine ziemlich beträchtliche Summe im Spiel gewonnen hatte. Diese Summe belief sich auf siebentausenddreihundert Franks. Sie erzählten mir von Zoe und Gratian, und ich kam auf den Gedanken, diese Summe zur Ausstattung der jungen Leute zu verwenden. Ich glaubte. dieses Geld. das mir aus einer keineswegs reinen Quelle zukommen schien, nicht besser verwenden zu können. Wie Sie wissen, gab ich der Braut zweitausend Francs, um Gratian vom Militär loszukaufen. Dreitausend Francs habe ich zum Anlauf dieses Hauses verwendet; ich habe nur meinen Namen dazu hergegeben und werde es den beiden jungen Eheleuten zum gemeinsamen Besitz rechtsgültig abtreten. Für die noch übrigen zweitausendreihundert Francs habe ich Handwerkszeug und Hauseinrichtung gekauft. Sie sehen. daß ich die Freude, zwei Menschen glücklich zu machen, nicht theuer bezahle.«

»Am glücklichsten ist der, dem es vergönnt ist, Andere glücklich zu machen,« sagte die Gräfin. mit der Hand meinen Arm drückend.

Sie versank, obgleich immerfort gehend, in tiefes Nachdenken, das von der Wehmuth zur Betrübniß überging. Bald sah ich zwei Thränen an ihren langen Wimpern zittern, und dann, zwei Thautropfen gleich, auf das Gras fallen.

Ohne an meine Anwesenheit zu denken, drückte sie das Schnupftuch auf die Augen.

Eine kleine Weile überließ ich sie ihren Gedanken; dann sagte ich leise, um sie nicht jählings ihren Träumereien zu entreißen:

»Madame, ich möchte mir wohl erlauben, etwas zu lagen —«

Sie sah mich mit ihren großen, noch ganz thränenfeuchten blauen Augen an.

»Was meinen Sie?«

»Ich weiß, welche Erinnerung Ihnen Thränen entlockt.«

»Sie!« erwiederte sie und schüttelte wehmüthig lächelnd den Kopf. »Das ist unmöglich!«

»Sie denken an das Schloß Juvigny.«

»Ich?« sagte sie und sah mich fast erschrocken an.

»Sie denken an das kleine, mit weißem Muslin ausgeschlagene Stübchen – mit den blauseidenen Vorhängen.«

»Mein Gott!« sagte die Gräfin.

»Sie beten im Stillen zu dem kleinen marmornen Muttergottesbilde – wo Sie Ihren Brautkranz und Ihren Strauß niedergelegt haben.«

»Und sie hat ihn treu bewahrt,« sagte die Gräfin noch wehmüthiger als zuvor.

»Ich hatte also Recht,« setzte ich hinzu; »ich wußte woran Sie dachten.«

»Ich weiß nicht,« erwiederte die Gräfin, »welche Himmelsgabe Sie in den Stand setzt, in den Herzen zu lesen; aber ich zweifle nicht, daß Sie diese Gabe zum Trost der Betrübten erhalten haben.«

»Aber wenn ich die Betrübten trösten soll. Madame, so müssen sie mir die Ursache ihrer Betrübniß sagen.«

»Sie kennen sie ja; wozu braucht man sie Ihnen zu sagen.«

»Fühlen Sie nicht« Madame, daß der erste Trost die Mittheilung des Schmerzes ist? Das aus einem Becher überfließende Getränk findet leicht in zweien Raum. Erzählen Sie mir von Juvigny, Madame von den glücklichen Tagen, die Sie dort verlebt haben. Lassen Sie Ihren Thränen freien Lauf und Sie werden sehen, daß Ihr Kummer das Herbe, Bittere verlieren wird.«

»Ja, ich gestehe es,« sagte die Gräfin, ohne daß ich nöthig hatte sie noch mehr zu bitten, und als ob sie selbst das Bedürfniß gefühlt hätte, ihren Thränen freien Lauf zu lassen. »Ja, es war ein großer Schmerz für mich. als ich erfuhr, daß Juvigny verkauft sey, und ich zürnte Herrn von Chambray, – nicht, daß er die Besitzung verkauft hat, es war mir nicht einmal leid um das Schloß – sondern daß er mir gar nichts davon gesagt hatte. Ich hätte aus dem kleinen Zimmer, das Sie, ich weiß nicht wie, kennen gelernt haben, alle mir in meiner Kindheit, in meinen Mädchenjahren lieb gewordenen Gegenstände zu mir genommen. Hätte ich nur noch einmal in das liebe trauliche Zimmer kommen und auf immer Abschied nehmen können von den mir so theuern Sachen; hätte ich vordem lieben theuern Madonnenbilde nur noch einmal beten können, ich hätte mich dann wohl nicht getröstet, aber mein Schmerz wäre nicht so groß gewesen. Gott hat mir diesen Trost nicht gewährt. – Jetzt lassen Sie uns von etwas Anderem reden.«

»Noch ein Wort, Madame. Können Sie das. was Ihnen Ihr Gemal versagt hat, nicht von dem Käufer der Besitzung erlangen? Er hat ja keinen Grund, auf die Ihnen so theuern Gegenstände einen besondern Werth zu legen. Er wird Ihnen gewiß erlauben, sie wieder zu sehen, ja sogar mitzunehmen. Nur ein Zusammentreffen eigenthümlicher, kaum denkbarer Umstände könnte den neuen Besitzer bewegen, Ihnen die Sache vorzuenthalten. Ein Wort von Ihnen – ein Brief —«

»Ich kenne ihn nicht, unterbrach die Gräfin. »Er wohnt in Paris, wie man sagt. Ich weiß nicht einmal seinen Namen.«

Ich wollte ihr noch dringender zureden, als ich eine Kindesstimme hörte, die näher kam und immerfort rief: »Mama! Mama!«

In demselben Augenblicke erschien am Ende der Weinlaube ein kleines Mädchen von fünf bis sechs Jahren, das der Gräfin in die Arme eilte.

Dieses Kind hatte die Gräfin Mama genannt.

Ich fühlte mich höchst unangenehm berührt. Ich mußte sehr blaß werden; ich wandte mich ab und lehnte mich an das Lattenwerk der Laube.

Die Gräfin bückte sich, um das Kind zu küssen, aber ohne die zärtliche Hast einer Mutter dabei zu zeigen.

Als sie sich wieder aufrichtete, wandte sie sich zu mir, und als sie mich so blaß und befangen sah, fragte sie theilnehmend:

»Was fehlt Ihnen denn? Ist Ihnen nicht wohl?«l

»Man hatte mir gesagt, Sie hätten keine Kinder, Madame,« erwiederte ich mit kaum verständlicher Stimme.

Sie sah mich erstaunt an.

»Was befremdet Sie denn?« fragte sie.

»Dieses Kind nennt Sie Mutter —«

»Ohne daß es meine Tochter ist. Man hat mir das Kind anvertraut, um mir Gelegenheit zu geben, ein gutes Werk zu thun.«

Dieses Mal lächelte die Gräfin noch; aber in diesem Lächeln schien mir mehr Bitterkeit als Wehmuth zu liegen, zumal als sie die Worte betonte: »um mir Gelegenheit zu geben, ein gutes Werk zu thun.«

Aber es wurde mir aus dem ganzen Auftritte nur klar, daß die Gräfin kinderlos war.

Unbesonnener Weise faßte ich, ehe sie sich dessen erwehren konnte, ihre Hand und führte sie an meine Lippen.

Die Gräfin entriß mir ihre Hand, und sagte mit einigem Schrecken.

»Nathalie!«

Ich sah mich um und bemerkte eine weibliche Gestalt am Ende des Laubganges, wo das Kind erschienen war.

Ob sie gesehen hatte, daß ich die Hand der Gräfin ergriff und daß diese mir ihre Hand so hastig entzog? Daß die Gräfin über die Störung erschrak, war nicht zu verkennen.

»Wer ist Nathalie?« fragte ich.

»Eine Person, die den Auftrag hat, mein Thun und Lassen zu beobachten.«

»Ist sie die Mutter des Kindes?«

»Ja. – Kommen Sie hierher, Nathalie,« rief sie der Ankommenden zu. »Warum bleiben Sie denn drüben?«

»Ich wußte nicht, ob ich mich nähern durfte,« antwortete Nathalie mit trockenem, fast hämischem Tone. Man merkte an diesem Tone, daß sie zu jenen unedlen Naturen gehörte, die das ihnen erwiesene Gute nicht verzeihen können.

»Warum sollten Sie sich denn nicht nähern dürfen?« fragte die Gräfin.

Nathalie antwortete nicht.

»Wer hat Elisen erlaubt, hierher zu kommen?« fragte die Gräfin weiter.

»Der Herr Abbé Morin; er sagte, man müsse dem Kinde eine kleine Freude machen.«

»Elise würde mehr Freude gehabt haben, mit anderen Kindern zu spielen. als auf diese Hochzeit zu kommen.«

»Befehlen Sie, Madame, daß sie wieder fortgeschickt werde?«

»Nein, da sie einmal hier ist, mag sie bleiben.«

»Bedanke Dich. Elise,« sagte Nathalie, ihre dünnenblassen Lippen zusammenpressend.

»Ich danke« Mama-Gräfin,« sagte die Kleine.

Die Gräfin küßte das Kind.

»Elise soll bei mir bleiben,« sagte sie. »Gehen Sie.«

Nathalie entfernte sich.

Das Kind blieb bei uns.

In diesem Augenblicke hörte man Jauchzen und Singen. Die ganze Hochzeitgesellschaft kam in den Garten.

Ich dachte, Gratian und Zoe suchten uns. Frau von Chambray dachte es wahrscheinlich auch, denn wir Beide traten, wie auf gemeinsame Verabredung, aus dem Laubgange und zeigten uns.

Das junge Paar kam auf uns zu. Zoe hatte starkgeröthete Wangen.

»Einen solchen Onkel lobe ich mir,« sagte Gratian; »er hat nichts vergessen – er hat an Alles gedacht, sogar an die Wiege für seinen Großneffen, der noch gar nicht auf der Welt ist.«

»Der aber nicht ausbleiben wird,« setzte ein jovialer Bauer hinzu.

»Wenn es Gott und der jungen Frau Gratian gefällt,« sagte der neue Ehemann, indem er lustig seinen-Hut schwenkte. – »Wenn’s der Frau Gräfin gefällig ist,« setzte er hinzu, »so wird sich die Gesellschaft zu Tische setzen.«

Die Gräfin nahm, wie sich von selbst verstand, meinen Arm und wir begaben uns in das Haus.

IV

Es ist keineswegs meine Absicht, den Hochzeitschmaus Gratians mit allen Schüsseln und Späßen zu beschreiben. Die Mutter der Braut und die Gräfin saßen zu beiden Seiten des jungen Ehemannes; der Oheim Gratians und ich hatten Zoe zwischen uns.

Der Abbé Morin war nicht gekommen, da der Sonnabend ein Fasttag sey, er wünsche zu Hause zu speisen, denn an Fasttagen sey sein Küchenzettel äußerst einfach.

Ich saß der Gräfin gegenüber und konnte es nicht über mich gewinnen, sie aus den Augen zu lassen.

Zoe flüsterte mir zu:

»Sehen Sie die Gräfin nicht so an, Nathalie beobachtet Sie.«

Ich fing nun an Nathalie zu beobachten. Es wäre schwer den Neid zu schildern, der aus den Gesichtszügen dieser Person sprach. als sie ihr Kind am Tische sitzen sah, während sie die Hochzeitgäste bedienen mußte.

Die Gesellschaft blieb lange bei Tische. und ich merkte wohl, daß die Gräfin eben so ungeduldig war wie ich.

Endlich standen die Gäste auf.

»Halten Sie sich fern von der Frau Gräfin,« sagte Zoe leise zu mir. »Gehen Sie in den Garten, ich will Ihnen sagen, was für den Abend beschlossen ist.«

Ich entfernte mich mit möglichst gleichgültiger Miene. Es war mir ein angenehmes Gefühl, daß zwischen der Gräfin und mir eine Art Geheimniß obwaltete, in welchem Zoe die Vermittlerin war.

Ich setzte mich auf eine Bank am Ende der Weinlaube und sann über alle kleinen Ereignisse nach, die für einen Fremden kaum bemerkbar, für mich aber höchst wichtig waren.

Die deutlichste Gestalt, die in meinen Gedanken auftauchte, war der Abbé dessen Anblick einen so seltsamen Eindruck auf mich gemacht hatte.

Es war nicht zu verkennen. daß er auf die Gräfin den gleichen Eindruck gemacht hatte. Ich hatte gefühlt wie sie bebte, als ich sie hinweg führte und sie zu mir sagte: »Schweigen Sie!«

Dann dachte ich über die andern Vorgänge nach. Ich fragte mich, wie das Kind, welches der Gräfin den Namen Mama gab, gewissermaßen als Mitglied der Familie gezählt wurde.

»Man wollte mir Gelegenheit geben, ein gutes Werk zu thun,« hatte mir Edmée mit einem sonderbaren Ausdruck gesagt.

Wie wenig ich sie auch kannte, so glaubte ich doch, daß man nicht nöthig hatte, ihr Gelegenheit zu guten Werken zu geben-

Und auf meine Frage« wer Nathalie sey, hatte sie geantwortet: »Sie hat den Auftrag, mein Thun und Lassen zu beobachten.«

Wer hatte ihr diesen Auftrag gegeben? Wahrscheinlich der Graf von Chambray.

Aber der Graf schien eben nicht eifersüchtig zu seyn. Sollte der Abbé Morin die Gräfin beobachten lassen?

Während ich, den Kopf auf die Hand gestützt, nachsann, schien es mir, als ob ein dunkler Körper vor die untergehende Sonne träte.

Ich schaute auf, Zoe stand vor mir.

»Nun?« fragte ich.

»Es ist Folgendes verabredet worden,« sagte sie. »Die Gräfin, die sich doch mit uns Bauersleuten nicht unterhalten kann, hat sich wieder in’s Schloß begeben und wird erst zurückkommen, um den Ball zu eröffnen.«

»Es wird also getanzt?«

»Das versteht sich! Auf jeder ordentlichen Hochzeit muß ja getanzt werden.«

»Die Gräfin wird diesen Abend wiederkommen, den Ball zu eröffnen?«

»Ja, mit Gratian. Wir Beide machen ihr Vis-à-vis, wenn Sie mir die Ehre geben wollen, mich zum ersten Contratanz aufzufordern.«

»Natürlich, wir tanzen zusammen.«

»Nachher tanzen Sie mit der Frau Gräfin, und ich bin dann mit Gratian Ihr Vis-à-vis.«

»Bravo.«

»Habe ich’s so gut gemacht?«

»So gut, daß ich Dich küssen möchte.«

»Nur zu!«

»Was wird aber Gratian dazu sagen?«

»Gratian weiß wohl, daß ich ihn lieb habe; er wird nicht eifersüchtig und wenn Sie mich zwanzigmal küssen.«

Ich streckte wirklich den Arm aus, um Zoe an mich zu ziehen – da bemerkte ich die Gräfin an demselben Fenster, wo ich Abends vorher Licht gesehen hatte. Es war also ihr Zimmer.

Zoe bemerkte, daß ich stutzte; sie sah sich um.

»Die Gräfin.« sagte ich.

Zoe lächelte ihr mit jener Freundlichkeit zu, die einem jugendlichen Gesicht so gut steht.

Die Gräfin winkte ihr mit der Hand und begrüßte mich mit einer Verbeugung.

Ich stand auf und schaute stumm und regungslos nach ihr hinüber.

Sie schloß das Fenster.

Ich setzte mich wieder auf die Bank.

Nach einigen Secunden hörte ich einen Seufzer. Ich sah Zoe an.

Sie schüttelte traurig den Kopf und sagte:

»Sie lieben die Gräfin, armer Herr!«

»O, zum Rasend werden!« antwortete ich, denn ich wußte wohl, daß ich ihr dieses Geständniß ohne Bedenken machen konnte.

»Dann bedauere ich Sie,« sagte Zoe.

»Warum bedauerst Du mich?«

»Weil Sie sich großes Herzeleid bereiten.«

»Was liegt daran!« erwiederte ich; »ich will für sie lieber Leiden ertragen, als mit einer Andern glücklich seyn.«

»Aber Sie werden vielleicht nicht allein Leiden zu ertragen haben.«

»Willst Du damit sagen« Zoe, daß sie mich lieben könnte?« fragte ich.

»Gott bewahre sie davor!« rief Zoe.

»Warum denn?«

»Weil ich es für ein Unglück halte, einen andern Mann zu lieben.«

»Aber wenn sie ihren Mann nicht liebt?«

»Wer sagt Ihnen denn, daß die Frau Gräfin den Herrn Grafen nicht liebt?«

»Niemand, Du hast Recht.«

Ich blieb eine kleine Weile stumm, dann faßte ich die beiden Hände der jungen Frau und sagte:

»Zoe, Du mußt mir Alles sagen.«

»Alles! was denn?« fragte sie.

»Du mußt mir Auskunft geben über den Abbé Morin über das Kind, von dem die Gräfin Mama genannt wird, über die Person, die den Auftrag hat, ihr Thun und Lassen zu beobachten.«

»Der Abbé Morin,« erwiederte Zoe etwas zögernd, »hat die Heirath der Frau Gräfin zu Stande gebracht.«

»Die erste oder zweite?«

»Die zweite. Sie wissen, daß die Gräfin schon einmal verheirathet war?«

»Ist es denn ein Geheimniß?«

»Nein.«

»Zoe, Du könntest sehr viel sagen, wenn Du wolltest.«

»Ich habe kein Recht die Geheimnisse der Gräfin auszuplaudern,« antwortete sie. den Kopf schüttelnd.

»Du hast Recht; ich würde mich selbst verachten, wenn ich Dich ausfragte. Aber wenn Du wüßtest, wie mich alle diese räthselhaften Dinge beunruhigen.«

»Was finden Sie denn räthselhaft?«

»Jene Kopfwunde. die sie in ihrer ersten Brautnacht bekommen.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?« fragte Zoe betroffen.

»Du siehst, daß ich’s weiß.«

»Sagen Sie der Gräfin nie etwas davon, ich bitte Sie!« sagte die junge Frau, die Hände faltend.

»Du siehst wohl, daß in ihrem Leben Vieles räthselhaft, geheimnißvoll ist. So auch das Kind, das man ihr aufgenöthigt hat.«

»Die kleine Elise?«

»Ja.«

»Es ist ganz einfach. Herr von Chambray hat keine Kinder und wünschte, daß seine Frau zu ihrer Zerstreuung ein kleines Mädchen adoptire.«

»Ja wohl, und damit sie von Nathalie beständig beobachtet werden könnte, nicht wahr.«

Zoe antwortete nicht.

»Ich kann das Geschöpf nicht leiden,« setzte ich hinzu; »es ist ein Urbild des Neides, der Arglist und Tücke. Während der Tafel war sie neidisch auf ihr Kind, das am Tische saß, während sie die Gäste bedienen mußte.«

»Ich will Nathalie nicht in Schutz nehmen,« sagte Zoe; »aber ist es wohl natürlich, daß die Mutter ihr Kind bedient; daß das Kind am Tische sitzt und die Mutter unter den Dienstleuten stehen muß.«

»Nimm Dich in Acht, Zoe,« warnte ich, »Du tadelst deine Gebieterin.«

»Wer hat Ihnen denn gesagt, daß die Frau Gräfin Alles so angeordnet?«

»Warum leidet sie es denn, wenn es gegen ihren Willen ist?«

»Mein Gott« glauben Sie denn, sie könne thun was sie will?«

»Wer ist denn diese Nathalie? fragte ich weiter; »wo ist sie früher gewesen?«

»Sie war bei dem Abbé Morin, ehe sie zu der Gräfin kam.

Ich stampfte mit dem Fuße.

»O! dieser Abbé Morin – muß er sich denn überall und bei jeder Gelegenheit wiederfinden?«

Zoe schwieg. So oft als ich gegen den Abbé Morin eiferte, sah sie sich scheu um, als hätte sie gefürchtet, ihn aus der Erde kommen zu sehen.

»Es ist gut, Zoe, sagte ich. »Vielleicht wird es mir einst gelingen, der Gräfin so viel Vertrauen einzuflößen, daß sie mir Alles mittheilen wird, was Du mir sagen kannst. Aber verlaß Dich darauf, mein Kind, daß ich jeden Augenblick bereit bin, mein Leben für sie zu opfern, wenn ich ihr dadurch nützlich seyn kann.«

Zoe reichte mir die Hand.

»Das läßt sich hören,« erwiederte sie. »Diese Worte kommen aus dem Herzen. Ich bin auch jederzeit bereit, mein Leben für sie hinzugeben. Sie weiß wohl, wem sie vertrauen kann und vor wem sie sich hüten muß – die liebe, arme Dame!«

In allen Worten der jungen Frau war große Zärtlichkeit für ihre Gebieterin, aber noch größeres Mitleid zu bemerken.

Es ist tief betrübend und deutet auf großes Unglück, so großes Mitleid unter den gemeiniglich neidischen unteren Ständen zu finden.

Ich nahm mir, nun vor, Andere nicht mehr zu befragen, sondern ihr Vertrauen in dem Grade zu erwerben, daß sie selbst mir Alles mittheilte.

Ich schloß die Augen. Ich versetzte mich im Geiste an ihre Seite. Ich fühlte ihren Kopf auf meiner Schulter. Ihre Haare streiften mein Gesicht. Ihr warmer, würziger Athem mischte sich mit der Luft, die ich einathmete. Mit leiser, zögernder, oft abgebrochener Stimme erzählte sie mir die Geschichte ihres Herzens, ihre Hoffnungen« ihre Freuden, ihre Täuschungen, ihren Gram, ihre Gleichgültigkeit gegen die wirkliche Welt, ihr Sehnen nach dem Unbekannten. Ihre Sprache war bald matt und langsam, bald lebhaft und rasch, je nachdem Inhalt ihrer Erzählung. Die Thränen, die ihr über die Wangen auch mir Thränen. Unsere Hände ruhten in einander. Ein unaussprechliches Wohlgfühl, keusch wie die Freundschaft, süß wie die Liebe, hob uns über das Erdenleben empor und ließ uns einen Blick thun in den Himmel der Engel.

»O!« rief ich aufstehend, »das wäre das Paradies auf Erden! Das wäre der Himmel in dieser Welt!«

Ich ging einige Schritte, ohne zu wissen wohin. Als ich mich endlich umsah und meine Umgebungen wieder beachtete, bemerkte ich in einiger Entfernung Zoe und Gratian, die leise mit einander sprachen und mich ansahen.

»Beklagt mich nicht,« sagte ich zu dem Jungen Paar: »Ihr seid nun glücklich – ich aber habe Hoffnungsengel im Herzen!«

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