Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 15
Hektisch drehte sich Sue nach dem Gebäude um. Die Betonruine stand nicht mehr. Blaues Feuer fiel neben der Straße in sich zusammen. Aber war das nicht ihr geringstes Problem? Der Kampfroboter hatte versagt. Nur die Anzüge und die fast verbrauchten Schirme schützten sie noch vor dem sicheren Ende.
»Was ist, wenn sie nicht verhandeln wollen?«, fragte Thora in die Runde. Ihre Stimme klang kalt und gefasst. Sue bewunderte Thora für ihre Ruhe. »Sie haben zielstrebig die Position unseres Auftauchens bombardiert, ohne auch nur zu versuchen, einen Kontakt aufzunehmen.«
»Keine Zeit zum Reden«, mischte sich Chaktor ein. »Sie sind im Anmarsch.«
Sue sah, wie der Kreis um sie enger wurde. Ein lauter Ruf scholl über die rauchenden Ruinen. Der Translator lieferte keine Übersetzung. Was auch immer da gebrüllt wurde, konnte kein Ferronisch sein, denn das war im Gerät gespeichert. Die Positronik brauchte Zeit, um Daten zu erheben. Wo waren sie nur gelandet? In der Hölle?
Sue griff nach der Waffe an ihrer Seite. Sie hätte nicht geglaubt, sie jemals zu brauchen. Ihre Hand krampfte sich um den arkonidischen Strahler. Sie wollte nicht kämpfen und schon gar nicht gegen Ferronen. Aber welche Wahl hatte sie?
Perry Rhodan
Rhodan erhob sich aus seiner Deckung. Er hielt die Hände über den Kopf. Wie um Thoras Worte zu bestätigen, hagelte es erste Schüsse. Der Schutzschirm fing sie ab. Mit Sorge sah Rhodan die ansteigende Belastungskurve. Er wünschte, Tschubai könnte sie allesamt aus der Gefahrenzone teleportieren. Aber wohin? Ganz davon abgesehen, dass sie zu viele waren, um auf einmal von dem Teleporter gerettet zu werden. Ihm blieb nur dieser Weg.
»Wir wollen verhandeln!«, rief Rhodan über die Außenlautsprecher des Anzugs.
Keine veränderte Reaktion. Weitere Schüsse hagelten in seinen Schirm. Die Ferronen schrien ihm unverständliche Befehle zu. Fluchend ließ er sich zurück in die Deckung fallen. Dabei glaubte Rhodan zu spüren, wie der Translator arbeitete. Unter seiner Haut neben der Halswirbelsäule wurde es beunruhigend warm.
»Mensch, Perry, wir müssen uns wehren!« Bull robbte zu ihm. »Die haben uns gleich überrannt.«
»Mein Anzug ist durch«, meldete Tschubai leise. »Noch ein Treffer, und der Schutzschirm bricht zusammen.«
Thora und Chaktor nahmen ihnen die Entscheidung ab. Beide erwiderten das Feuer.
Rhodan stellte seinen Strahler auf Betäuben und schoss seinerseits. Einzig Lossoshér und Sue blieben in ihren Deckungen.
Ich verstehe es einfach nicht. Rhodan ärgerte sich über seine Unwissenheit. Welcher Teil des Wega-Systems soll das sein? Wo wird derart heftig gekämpft?
Die Fremden griffen weiter an und brüllten etwas. Der Translator formte daraus nach und nach Worte, die Rhodan verstand. »Ergebt euch! Kommt alle gleichzeitig raus!«
Vor ihm schrie Ras auf. Er stürzte auf den aufgerissenen Asphalt und blieb zuckend liegen.
»Ras!«, rief Bull in das Durcheinander im Helmfunk.
»Ruhe!«, donnerte Rhodan. »Wir ergeben uns in der nächsten Feuerpause! Alle gleichzeitig die Hände hochnehmen und aufstehen. Danach sehen wir nach Ras.«
Wie erhofft kam ein Moment der Stille. Rhodan stand zuerst auf, die anderen folgten seinem Beispiel. Dieses Mal schoss keiner auf sie.
»Waffen fallen lassen!«, herrschte ein schmächtiger Ferrone ihn an, der ihnen am nächsten stand. Hinter dem Helmvisier erkannte Rhodan dunkelblaue Haut und ein grellgelbes Tuch, das der Soldat sich wie ein Ninja-Kämpfer um die Stirn gebunden hatte.
»Tut, was er sagt!« Rhodan blickte besorgt zu Tschubai hinüber. Am liebsten wäre er zu ihm gerannt. Der Freund schien am Bein getroffen zu sein. Er wälzte sich stöhnend auf dem Boden, die Hände gegen die Wunde gepresst.
Alle bis auf Thora reagierten und ließen die Strahler fallen.
»Thora!« Rhodan flehte innerlich, dass sie keine Dummheit machte. »Ras' Schirm ist ausgefallen, und Reg und Sue kann es bei jedem weiteren Treffer ähnlich ergehen! Wollen Sie die drei opfern?«
Thora zögerte, dann ließ sie die Waffe langsam sinken. Rhodan atmete auf.
Der fremde Ferrone trat näher. »Geht doch«, übersetzte der Translator nach einer kurzen Pause. Warum musste das Gerät überhaupt mit Pause übersetzen? Sprach der Fremde einen starken Akzent, oder hatte das Ding noch Kinderkrankheiten? Mit einem Frösteln berührte Rhodan den Anzug über seinem Nacken.
Der Soldat ließ seine Waffe ebenfalls sinken. »Verhandeln wir. Desaktivieren Sie Ihre Schutzfelder!«
Rhodan tauschte einen Blick mit Bull und gab nach. Die Übermacht war zu groß. Wenn sie nicht gehorchten, würden die Soldaten die Schirme unbrauchbar schießen.
»Ich möchte nach meinem Freund sehen«, verlangte Rhodan ruhig. Durch das Visier des Gegenübers erkannte er kupferfarbene Augen in ebendem Ton, den die Haare der meisten Ferronen besaßen.
Der Ferrone lachte hart auf. »Der Getroffene? Der ist schon Baumaterial für die Türme.« Er ging auf Tschubai zu und trat in dessen Anzug. Er krümmte sich.
Sue rannte in Tschubais Richtung. Rhodan wollte folgen, doch die Männer und Frauen hinter Gelbtuch warfen sich nun auf sie und drängten ihn und die anderen zu Boden. Rhodan wehrte sich, wurde aber von der Übermacht nach unten gedrückt.
»Zieht ihnen die Anzüge aus!«, forderte der Ferrone herrisch. »Vielleicht werden sie Nerlan besänftigen.« Gelbtuch beugte sich zu Tschubai, öffnete dessen Helm und riss ihn vom Kopf. Er senkte seine Waffe auf die Schläfe des vor Schmerz wimmernden Teleporters.
»Nicht!« Rhodan wollte aufstehen, doch seine Bewacher hielten ihn fest. Je mehr er sich wehrte, desto härter zwangen sie ihn hinab. Er schluckte Staub und hustete.
Der Ferrone lachte ihn aus! »Was soll der Aufstand? Der ist totes Fleisch. Schade um ihn. Ein ganz schöner Brocken, und so dunkle Haut gibt's selten.« Langsam zielte er, als wollte er einen bestimmten Punkt an Tschubais Körper treffen.
»Spar dir die Kugel, Mar-Ton«, mischte sich die Stimme einer Frau ein.
Eine Ferronin trat vor, musterte Rhodan und seine Begleiter kurz, ehe sie neben dem Soldaten mit dem gelben Tuch stehen blieb. Ihre graue Montur wies eine Verzierung am Stehkragen auf. Vermutlich eine Kommandantin. »Was sind das für Anzüge? Ich kenne die Fertigung nicht.«
»Vielleicht was von einem anderen Planeten«, mutmaßte jemand hinter ihnen.
»Töten wir sie alle, Sir-Lan Rukaar«, drängte Mar-Ton. »Sicher sind sie Gorchoos.«
Rhodan hielt den Atem an. Stadtratten, ging es ihm unvermittelt durch den Kopf. Gorchoos heißt so etwas wie Stadtratten, es handelt sich um Tiere. Er blinzelte, die eigenwillige Nachreichung des Translators lenkte ihn von seiner Furcht ab.
Die Kommandantin zögerte. »Es ist zu ungewöhnlich, Mar-Ton. Durhai Nerlan selbst soll entscheiden.«
Durhai Nerlan
Durhai Nerlan stand ganz starr im Zelt, wie es seine Art war. Seine Haut juckte an diesem Tag besonders unerträglich. Er konnte spüren, wie die eitrigen Pickel ausliefen und mit der untersten Schicht der Kleidung verklebten. An den Gestank, der ihn beim Ausziehen umgab, hatte er sich seit Jahren gewöhnt. Aber mit diesem verfluchten Jucken würde er sich niemals arrangieren. Seine eigene Haut war der größte Feind, den er hatte, und wie auf einen Feind hatte er alles auf sie abgeschossen, was er in dieser besonderen Schlacht aufbieten konnte. Salben, Tinkturen, Medikamente der inneren Reinigung. Sogar einen Wunderheiler hatte er an sich gelassen. Bislang ohne Erfolg. Die Tinkturen verschafften Linderung, gewährten einen Aufschub. Mehr aber auch nicht.
Und der Wunderheiler hatte es nicht geschafft, die Verletzungen zu überleben, die Nerlan ihm nach seinem Versagen zufügte. Sehr weit reichte seine Kunst also nicht.
»Bitte, Herr.« Die blauhäutige Frau lag auf den Knien vor ihm. Sie hielt die Hand ihres Zwillingsbruders gepackt, der neben ihr kauerte. »Bitte, Ihr seid groß und weise. Ihr wisst, warum wir den Ausfall wagen mussten. Wir wollten dem Ultimatum folgen, aber die anderen haben uns nicht gelassen. Unser Fluchtversuch war die letzte Hoffnung, ehe Ihr einmarschiert und die Stadt dem Erdboden gleichmacht.«
Nerlan sah auf sie hinab. In seiner rechten Achselhöhle juckte es ganz furchtbar. Klebrige Substanz schien sich in seine Poren zu brennen. Doch er würde sich keine Blöße geben, indem er sich kratzte. Weder vor den beiden Kriegsgefangenen noch vor den eigenen Leibwächtern, die in zwei Metern Abstand leblos wie Säulen aufragten. Er war Nerlan, der Große, nicht Nerlan, der Kratzende.
»Ich verschwende ungern Material«, räumte Nerlan ein. »Ressourcen sind kostbar. Deshalb stelle ich euch vor die Wahl. Dient mir oder sterbt.«
Die Zwillinge sahen einander an. Von oben beobachtete Nerlan die vollen blauen Haarschöpfe. Ihm gefiel dieses Haar. Es war selten.
Nerlan zog seine Projektilwaffe. »Was ist? Ihr wisst, dass ich nicht scherze, nicht wahr? Ich zähle bis drei. Eins.« Er machte eine kurze Pause. »Zwei.« Die Pause wurde länger.
»Herr, wir brauchen mehr Zeit …«, bettelte der Bruder.
»Drei.« Nerlan zog durch, es knallte hässlich. Die Kugel bohrte sich von oben in die Stirn des Blauhaarigen. Seine Schwester schrie. Viel Zeit blieb ihr dazu nicht. Der zweite Schuss saß so sicher wie der erste. Nicht einmal der Unfähigste seiner Dradesires hätte auf die Entfernung vorbeischießen können. Doch Nerlan rühmte sich, Meisterschüsse abzugeben. Er durchschlug nur Arterien. Manchmal sackten die Feinde im Kampf so schnell unter seinen Schüssen fort, dass es wirkte, als seien sie entkommen.
»Schade«, murmelte Nerlan und steckte die Waffe weg. Das Brennen unter der Achsel nahm weiter zu. Vielleicht hätte er die Blauhaarigen erst foltern sollen. Wenn er zusehen konnte, wie andere ausgepeitscht oder mit Far-Ruten geschlagen wurden, kribbelte seine Haut gleich weniger. Allerdings hätte er dazu gegen seine eigenen Regeln verstoßen müssen. Das konnte ihn den Respekt seiner Wachleute kosten. Wenn er einmal mit dem Zählen anfing, zog er die Tötung durch, das wusste jeder, der ihn kannte. Konsequenz geht über alles, dachte er mit Bedauern.
Langsam drehte er sich zu seinen Leibwächtern Tarbil und Soot am Zeltausgang. »Schafft sie weg. Und schneidet ihnen die Haare ab. Da lässt sich noch eine Perücke draus machen.«
»Wir Ihr wünscht, Durhai.«
Nerlan sah emotionslos zu, wie die Wächter die Leichen packten und fortzogen. Erst als sein T-Kommunikator einen schrillen Ton ausstieß, regte er sich wieder. In einer einzigen Bewegung zog er das Gerät an sein Ohr. Dabei erkannte er die Senderin. »Rukaar? Ich hoffe, du störst nicht ohne Grund.«
4.
In Nerlans Gewalt
Eine Stunde nach dem Transmitterdurchgang
Es hatte zu regnen aufgehört, trotzdem fühlte sich die Luft kalt und feucht an. Ohne Schutzanzug war Rhodan der rauen Witterung ausgeliefert. Im Gewahrsam der Soldaten vergingen mehrere Minuten zwischen den Ruinen, ehe die Männer und Frauen um ihn herum Haltung annahmen und die leisen Gespräche schlagartig verstummten.
Rhodan zwinkerte unwillkürlich. Auf ihn zu kam der fetteste Ferrone, den er jemals gesehen hatte. Der Blauhäutige trug eine blauweiße Kombination, deren Schnitt altmodisch aussah. Er war fast so groß wie Lossoshér und um die Leibesmitte gut viermal so breit wie Chaktor. Die Geschwindigkeit, mit der sein Gegenüber sich bewegte, wirkte in Anbetracht der Fülle grotesk. Das Gesicht und die Unterarme lagen frei. Seine Haut war dick und vernarbt, an zahlreichen Stellen wucherten Erhebungen, die eher Abszesse als Pickel bildeten. An einigen von ihnen klebte gelbgrüne Flüssigkeit, die teils eingetrocknet war.
»Ich erkenne an deinem Blick, dass wir uns zum ersten Mal begegnen«, sagte der Ferrone trocken. »Aber vielleicht hast du schon von mir gehört? Ich bin Nerlan, der Große. Einige nennen mich auch Nerlan, den Hässlichen. Klingelt da was?«
»Ich bedaure. Nein«, sagte Rhodan knapp. Er hatte zu viel Respekt davor, sich etwas auszudenken, was ihn in die Gefahr brachte, sofort exekutiert zu werden. Schließlich wusste er nicht einmal, auf welchem Planeten oder Mond er sich befand. Vorsichtig bewegte er seine Handgelenke, um die Kunststoff-Handschellen lagen. Auch den anderen hatten die Ferronen die Hände vor dem Körper gefesselt. Noch immer umzingelten sie zehn Soldaten in Tarnanzügen, angeführt von Rukaar und Mar-Ton.
Rukaar trat vor. »Das sind sie, Durhai. Sieh dir ihre Waffen an.« Sie hielt Nerlan Rhodans Arkoniden-Strahler hin.
Nerlan betrachtete ihn eingehend. »Lass die Waffen und Anzüge in mein Labor schaffen. Wir werden sehen, was wir damit anfangen können.« Der fettleibige Ferrone drehte sich zu Rhodan um. Der Blick seiner tief liegenden Augen war stechend. Obwohl sein Gesichtsausdruck freundlich wirkte, blieb Rhodan auf der Hut. Nerlan war niemand, mit dem sich spaßen ließ, das sagte ihm seine Menschenkenntnis. Er erkannte es nicht nur an der entschlossenen Art, mit der Nerlan sich bewegte, sondern auch an den umstehenden Ferronen, die sich unterwürfig verhielten und den direkten Blickkontakt mit ihrem Anführer vermieden. Es gab keinen Zweifel daran, dass Nerlan das Sagen hatte und diejenigen bestrafte, die ihm widersprachen.
»Wie heißt du, Milchhaut?«, fragte Nerlan nachlässig, als ständen sie beim Plaudern auf einer Barbecue-Party.
»Rhodan.« Die meisten Ferronen hatten nur einen Namen, Rhodan beließ es dabei.
»Rhodan«, sinnierte Nerlan. Sein Blick streifte Sue, Thora, Bull und den am Boden liegenden Tschubai.
Tschubai rührte sich nicht mehr, Rhodan befürchtete das Schlimmste. Trotzdem konnte er die Situation nur zum Positiven ändern, wenn er ruhig blieb und seinen Wunsch, zu Tschubai zu stürmen, unterdrückte. Er tauschte einen schnellen Blick mit Chaktor, der neben dem wie versteinert wirkenden Lossoshér stand. Chaktor würde die Nerven behalten. Wie es mit Lossoshér aussah, war eine andere Frage. Die Situation hatte den alten Ferronen überrollt. Um ihn und Thora machte sich Rhodan neben Tschubai die meisten Sorgen.
»Also gut, Rhodan«. Nerlan zeigte etwas, das ein Lächeln, aber auch ein Zähnefletschen sein konnte. »Du und deine Freunde, ihr habt mir eine interessante Ausrüstung beschert. Außerdem habt ihr ein paar meiner Leute verwundet, und Ressourcen sind knapp. Deshalb stelle ich dich vor die Wahl. Ihr könnt mir als Soldaten dienen und die gerissenen Lücken füllen oder sterben. Ich lasse dir drei Herzschläge lang Zeit, also entscheide schnell. Eins …«
»Wir dienen Ihnen«, sagte Rhodan, noch ehe Nerlan die Zahl ausgesprochen hatte. Er bemerkte Thoras wütenden Blick und ignorierte ihn. Sterben war keine Option.
Nerlan stieß etwas aus, was wie ein Bellen klang. Er schlug Rhodan hart auf die Schulter. »So schnell war noch niemand. Ich gratuliere, Rhodan. Vielleicht schaffst du es in meinem Heer sogar in eine Führungsposition.«
Neben ihnen hob Tschubai am Boden liegend einen Arm und röchelte.
»Ras!« Sue lief auf den Verletzten zu, warf sich hin und drückte ihre Hände auf sein Bein. Mehrere Projektilwaffen richteten sich auf sie. Auch Nerlan hob eine grau schimmernde Pistole mit kurzem Lauf. Er zielte auf Sues Hinterkopf. Sein Finger krümmte sich.
»Nicht!«, bat Rhodan. Es war ihm egal, dass er flehend klang. Er würde es sich nicht verzeihen, wenn Sue ums Leben kam. Sie war seinetwegen auf dieser Mission. »Bitte, sie ist noch ein Kind. Erschießen Sie sie nicht!«
Nerlan senkte die Waffe. »Nein. Dazu ist sie zu interessant.« Er wandte sich an Rukaar und seine Leute. »Bringt die Frauen in den Kommandostand. Die Männer kommen zu den Soldaten. Und den Großen da …«, er zeigte auf Tschubai, »… den nehmen wir auch mit. Der ist etwas ganz Besonderes.«
Ohne weitere Worte zu machen, drehte Nerlan sich um und stapfte davon.
»Uns trennen?«, empörte sich Bull hinter ihm. »Das kommt nicht infrage. Können Sie uns nicht …«
Rhodan warf dem Freund einen warnenden Blick zu. »Das lässt sich erst mal nicht ändern«, sagte er leise. »Wir brauchen Zeit.«
Schwaches blaues Licht erregte seine Aufmerksamkeit. Die Wolkendecke zerriss im Spiel unsichtbarer Winde. Die Wega stand gut sichtbar am Himmel.
»Rofus«, flüsterte Chaktor neben ihm fassungslos. »Bei allen Sternnebeln und den verdammten Seelen Gols … Das ist Rofus. Wie kann das sein? Wir haben keinen Krieg auf …«
Rukaar schlug Chaktor mit der Faust hart in die Seite. Chaktor ächzte gequält.
»Na los«, ordnete die Kommandantin an. »Bewegt euch und jammert nicht herum. Wenn ihr Ärger macht, landet ihr doch noch bei den Türmen.«
Rhodan fragte sich, was es mit diesen Türmen auf sich hatte, die erst der Ferrone Mar-Ton erwähnt hatte und nun Rukaar. Handelte es sich um eine Beerdigungsstätte?
Langsam setzte er sich in Bewegung. Während er in Nerlans Nähe deutlich die Gefahr gespürt hatte, glaubte er nun, ein wenig Luft zu haben. Er musste den Weg durch die zerstörte Stadt nutzen, um an Informationen zu kommen. Nur so würde Rhodan die Gruppe so schnell wie möglich wieder vereinen und fliehen können. Er merkte sich gut, dass Nerlan seine Freunde zum Kommandostand beordert hatte. Dieser musste sich finden lassen. Hoffentlich würde Sue Tschubai helfen können. Vielleicht hatte ihr kurzer, beherzter Einsatz bereits eine Heilung angestoßen.
In der Ferne sah Rhodan Rauch aufsteigen. Er musste an Crest, Michalowna und Trker-Hon denken. Sie konnten in dieser feindlichen Welt nicht überlebt haben. Oder waren sie auch zu Soldaten Nerlans geworden? Trker-Hon sicher nicht. Ein Topsider musste den Ferronen zu fremd sein, um ihn in einem Krieg wie diesem am Leben zu lassen.
Er atmete tief ein und konzentrierte sich ganz auf die Gegenwart. Ohne Wissen kam er nicht weiter.
»Wir sind nun Soldaten Nerlans. Gegen wen kämpfen wir?«, begann Rhodan ein Gespräch.
Rukaar, Mar-Ton und drei weitere Ferronen in Kampfanzügen klatschten ihre Hände gegen die Schenkel.
»Ein Spaßvogel«, höhnte Mar-Ton. »Du musst das doch wissen. Schließlich kommst du aus der Stadt.« Mar-Ton wies auf eine Reihe zerstörter Häuser.
Mit etwas Phantasie erkannte Rhodan darin eine moderne Vorstadt mit ausgebauten öffentlichen Verkehrswegen, Stationen, Einkaufsmöglichkeiten und vielen Wohnhäusern. Alles lag in Trümmern. Von einigen Gebäuden ließen sich nur die Umrisse erahnen. Er überlegte, wie er das Gespräch sinnvoll fortsetzen konnte, und blickte Hilfe suchend zu Chaktor, Bull und Lossoshér. Von ihnen war keine Unterstützung zu erwarten. Chaktor starrte auf die ferne Wega, Bull stierte düster auf den Boden, seine Körperhaltung verriet unterdrückten Zorn. Lossoshér schien gar nichts mehr vor sich zu sehen. Sein Blick wirkte wie tot.
»Wir sind aus der Ferne vor dem Krieg geflohen«, startete Rhodan einen neuen Versuch. »Unterwegs haben wir uns verirrt. Wir kommen nicht von Rofus. Bei welcher Stadt sind wir?«
Er erntete ungläubige Blicke, eine Weile antwortete keiner.
»Ihr habt am interplanetaren Krieg teilgenommen«, mutmaßte Rukaar. »Deshalb die uns unbekannte Ausrüstung. Wer hat euch abgeknallt? Krefuur oder Desdemoona?«
»Wo sind wir?«, bestand Rhodan auf seiner Frage. Er spürte, dass er das Eis gebrochen hatte, und wollte nachsetzen.
Rukaar hob die Hand. »Das ist Remanor. Womit sonst sollte sich Nerlan, der Große, zufriedengeben als der Hauptstadt? Wenn er den inneren Ring und die Zitadelle erst erobert hat, wird er ein oder zwei der unterirdischen Produktionslager unter sich bringen und sich in den interplanetaren Krieg einklinken. Ihr könnt dankbar sein, bei ihm gelandet zu sein. Nerlan behandelt seine Soldaten gut, wenn sie ihm Siege bringen.«
»Die Hauptstadt Remanor?«, echote Chaktor verständnislos.
Rhodan begriff sofort, was Chaktor meinte. Eigentlich hieß die Hauptstadt von Rofus Tschugnor. Was bedeutete das alles? Befanden sie sich doch in einem anderen System mit blauer Sonne? Hatte der Transmitter sie eine unvorstellbare Weite durch das All emittiert?
Mar-Ton schubste Lossoshér so hart, dass der Alte zu stürzen drohte. »Was redest du so viel mit ihnen, Sir-Lan?«, zischte er. »Die sind doch bloß Kanonenfutter.«
Rhodan half Lossoshér, indem er ihn mit seinen gefesselten Händen stützte.
Rukaar hob eine Braue, sagte aber nichts. Der Blick ihrer azurblauen Augen erschien Rhodan verwundert.
»Kanonenfutter?«, regte sich nun Bull auf, der bis dahin ganz in sich versunken gewirkt hatte. »Was soll das heißen, Kanonenfutter? Steht etwa eine Schlacht an?«
Wieder lachten die Ferronen auf ihre Art, indem sie sonderbare Laute von sich gaben und mit den Händen auf ihre Beine schlugen.
»Nicht eine Schlacht.« Der Translator übersetzte es wie ein Glucksen. »Die Schlacht. Wenn wir die Zitadelle haben, haben wir gesiegt.«
Rhodan lauschte. In der Ferne hörte er Detonationen. Die Innenstadt lag unter Dauerbeschuss. Er sah Rauch zwischen weit entfernten Hochhäusern aufsteigen.
»Wenn diese Schlacht so wichtig ist«, setzte Rhodan an, »warum hat Durhai Nerlan dann die Frauen und Ras von uns getrennt? Sollten wir nicht alle kämpfen?«
»Hinterfrage nicht, was Durhai Nerlan tut«, sagte Rukaar düster. »Meine Männer und ich sollen euch in meinen Bezirk führen, also tun wir es. So einfach ist das. Mit den anderen wird Nerlan schon seine Pläne haben.«
Bull riss an den Handschellen und schüttelte seine beiden Bewacher mit harten Schulterstößen ab. »Seine Pläne«, spuckte er aus. »Ich hab doch den Blick von dieser fetten blauen Erdkröte gesehen! Da kann man sich schon vorstellen, was für Pläne das sind!«
Rhodan schauderte. Bisher hatte er nicht darüber nachgedacht, was Thora und Sue zustoßen könnte. Ich wollte nicht darüber nachdenken, korrigierte er sich in Gedanken. Ich muss handlungsfähig bleiben, wenn ich durchdrehe oder resigniere, ist keinem geholfen.
Rukaar stieß einen Laut aus, der wie ein Zischen klang. Drückte sie so ihren Gleichmut oder ihre Verachtung aus? »Was willst du, Borstenhaar? Die Weißhaarige ist Soldatin. Sie wird schon damit umzugehen wissen. Ist sicher nicht das erste Mal für sie.«
»Und Sue?«, fragte Bull bitter. »Was ist mit Sue? Sie ist ein Kind, verdammt noch mal!«
Rukaars Gesicht wirkte wie eine Maske. »Es geschieht, was Nerlan wünscht. Sein Wille ist Gesetz. Er nimmt, wen er nehmen möchte.«
Rhodan sah Bull vorspringen. »Nicht!«, ermahnte er den Freund, doch es war zu spät. Bull packte mit den gefesselten Händen Rukaars Kehle. Ihre Reaktion kam so prompt wie Bulls. Die Kommandantin hob das Knie und trieb es Bull hart zwischen die Beine.
Lossoshér wich zurück, Chaktor und Rhodan wurden noch fester gepackt. Sie konnten nur zusehen, wie Bull mit einem dumpfen Laut nach unten sackte.
»Ich sollte dich töten«, sagte Rukaar ungnädig.
Rhodan erkannte einen Ausdruck in ihrem Gesicht, der ihn stutzig machte. »Aber Sie werden es nicht tun«, erkannte er erleichtert. »Warum nicht?«
Rukaar sah ihn an. In ihren blauen Augen lag Schmerz. »Wieso kümmert euch das Wohl der Weiber oder des Schwarzen? So, wie ihr ausseht und redet, seid ihr nicht mal Dimar. Ihr seid keine Familie. Ihr wisst doch, wie es läuft.«
Nein, Rhodan wusste gar nichts. Wie sollte er auch? Es ergab einfach nichts einen Sinn. Nachdenklich sah er zu, wie zwei der Soldaten Bull in die Höhe rissen. Sie schienen in einen Krieg geraten zu sein, der nicht erst seit gestern tobte. Sie konnten sich einfach nicht auf Rofus befinden, auch wenn die Wega deutlich sichtbar am Himmel stand.
Es sei denn … Er dachte an Kerlons verrückte Geschichte. Dieser tragische Arkonide, der in Jahrtausende währender Einsamkeit wahnsinnig geworden war, umgeben von Toten in Kryo-Tanks. Sie hatten ihn während der topsidischen Invasion der Wega auf dem Mond Lannol getroffen. Nein! Er schüttelte den Kopf. Das ist verrückt. Unmöglich.
Aber unbewusst begann er doch Ausschau zu halten, um seine Hypothese zu bestätigen, so verrückt sie auch war. Vielleicht tat er es nur, um sich von Sues und Thoras Schicksal abzulenken.
Sein Blick scannte die Gegend, suchte Beweise für das Unfassbare – und fand sie!
»Chaktor«, zischte er leise. »Betrachten Sie den Turm dort hinter den Hochhäusern. Den mit den emailleartigen Mosaiken. Er scheint zu einer größeren Anlage im Herzen der Stadt zu gehören. Kennen Sie ihn?«
Er sah, wie Chaktor erstarrte. Sein Mund klappte auf. Die kleine Gruppe stoppte.
Rukaar schnalzte ungeduldig, als müsste sie ein unwilliges Pferd antreiben. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Fordert meinen Großmut nicht heraus«, sagte sie drohend.
Lossoshér schien aus seiner Trance zu erwachen. Er sah sich um, ehe er seinen Blick wieder auf den Turm mit der dreifach gegabelten Spitze über dem goldenen Helm richtete. Einen Turm, dem eigentlich die Spitze fehlen sollte und der definitiv ins Wüstenfort von Rofus gehörte.
Rhodan erinnerte sich genau an ihn. Er hatte ihn erst vor wenigen Wochen während der Invasion der Topsider gesehen. Bei einem Angriff hatten sie fliehen müssen und waren durch den Transmitter im Palast auf Ferrol gegangen. Der Gegentransmitter befand sich auf Rofus in dem von Topsidern besetzten Wüstenfort. Einem Rofus, von dem sie zeitlich über zehntausend Jahre getrennt sein mussten.
»Wir sind im Dunklen Zeitalter«, stellte Rhodan fest.
Bull stieß einen überraschten Laut aus. »Perry, da oben ist die Festung, in der sie Thora gefangen gehalten haben!«
Rhodan bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, still zu sein. Er fing sich als Erster. Zum Reden ist Zeit, wenn wir allein sind.
Kopfschüttelnd ging Rukaar weiter. Offensichtlich hielt sie die Gruppe für komplett verrückt. Ihre Männer zerrten Rhodan und die anderen unbarmherzig mit.
Sie erreichten ein Viertel, das bewohnt wirkte. Stacheldrahtzaun grenzte es gegen die restliche Vorstadt ab. Rhodan sah Wäsche auf einer Leine hängen. Er hörte das Gebrüll eines Säuglings. Beides erschien ihm unpassend. »Ist das Ihr Bereich?«, fragte er Rukaar.
Sie nickte stolz. »Über zweihundert Soldaten und ihre Familien leben in meinem Abschnitt.« Sie wies auf ein Gebiet innerhalb des Zauns, das zusätzlich von schwarzem Stacheldraht umgeben war. Ein Rolltor war der einzige Zugang. »Dahin kommt ihr, bis ihr euch bewährt. Ihr seid Dradesires, Soldaten unterster Klasse. Erst wenn ihr euch behauptet habt, dürft ihr euch eine Ruine im freien Teil aussuchen. Bis dahin steht ihr unter Bewachung.«
Rukaar führte sie in das innere Lager und blieb vor einem grauen Zelt stehen.
Mar-Ton trat vor und gab jedem von ihnen eine gelbe Binde. »Knotet die um eure Arme. Nehmt sie nicht ab, das ist verboten. Wer die Binde löst, verliert den Arm.«
Mit gemischten Gefühlen griff Rhodan nach dem breiten gelben Band und knotete es über dem Bizeps um seinen Oberarm. »Was ist mit unseren Freunden? Können wir sie besuchen?«
Rukaars Gesicht verfinsterte sich, sie verdrehte die Augen. »Du raffst es nicht, Bleichhaut, oder? Du bist Kanonenfutter für die große Schlacht. In zwei Tagen bist du tot, und wir können deine Gebeine zum Knochenturm schaffen. Was kümmern dich noch deine Weiber?« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das innere Lager. Ihre Männer folgten ihr wie stumme Schatten.
Rhodan berührte die Binde an seinem Arm. Sie kratzte unangenehm an den Fingern. Er wartete, bis Rukaar außer Hörweite war, dann drehte er sich zu den anderen um. »Kann es wirklich sein? Sind wir durch den Transmitter nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit gegangen?«
»Es ist unmöglich.« Lossoshér drehte sich zu dem Turm um, der in weiter Ferne über den anderen Häusern aufragte. »Es muss ein Zufall sein, dass dieser Turm so aussieht wie der der Wüstenfestung auf Rofus.«
Rhodan schüttelte bedächtig den Kopf. »Unmöglich – dieses Wort sollten Sie aus Ihrem Sprachgebrauch streichen, Lossoshér. Auch wenn es bisher nicht geschehen ist, sprechen die Tatsachen für sich. Wir sind in der Vergangenheit gestrandet, und zwar gut zehntausend Jahre in der Vergangenheit. Dies ist das Dunkle Zeitalter der Ferronen. Und wir sind auf Rofus.«
»Aber die Festung in den Schlangenbergen liegt in einer Wüste! Das Klima …«, begann Chaktor.
»Hat sich verändert«, fiel Bull rau ein. »In zehntausend Jahren kommt das schon mal vor. Passiert dem besten Planeten.« Er seufzte tief. »Viel mehr als das Rätsel des zerstörten Transmitters interessiert mich, was aus Ras, Thora und Sue wird.«
Lossoshér ließ die Schultern sinken.
Chaktor sah verzweifelt neben ihm zu Boden. »Wir können niemandem helfen. Wir sind verloren. Der Transmitter ist zerstört, es gibt kein Zurück. Die Situation ist vollkommen aussichtslos.«
»Nein«, widersprach Rhodan. »Das ist sie nicht. Es gibt einen Ausweg.«
Thora da Zoltral
Crest, was habe ich nur getan? Thoras Blick ging über den zerbombten Straßenzug. Es stank nach verschmortem Kunststoff. Hin und wieder stieg Rauch auf. Das musste der Bereich sein, in dem PROTO Kampfhandlungen angemessen hatte. Sie blickte besorgt auf Sue und spürte das ungewohnte Gefühl von Schuld. Ihretwegen war das Menschenmädchen an diesen entsetzlichen Ort geraten.
Thora kannte solche Szenen aus den Simulationen. In den Fiktivspielen konnten alle Kriege erlebt werden, die das Imperium je geführt hatte. Dort wurde sie zurückgeholt, wenn es zu viel wurde, der Puls in den kritischen Bereich kam. Aus diesem düsteren Szenario würde sie keiner retten, selbst wenn ihr Herz versagte. Ihre Suche nach Crest hatte sie mitten ins Verderben geführt, der Transmitter lag unter Schutt und Asche in Trümmern. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden, wie die Menschen sagten.
Trotzdem musste sie stark sein. Sue brauchte sie. Sie berührte verstohlen Sues Schulter. »Wir geben nicht auf«, sagte sie leise und wusste, dass sie es nicht nur sagte, sondern auch daran glaubte.
»Ich sorge mich so um Ras«, flüsterte Sue zurück, den Blick auf die fahlgelbe Trage gerichtet, die zwei Soldaten Nerlans schleppten. Ras ruhte darauf wie ein Toter.
Unerwartet mischte sich Nerlan ein, der einige Schritte vor ihnen ging. Er drehte sich beim Sprechen nicht zu ihnen um. »Dem Dunklen geschieht nichts. Er wird die Infektion überleben. Ich sehe es.«
»Infektion?«, hauchte Sue und strauchelte. Thora packte ihren Oberarm, um sie zu stützen.
Nerlan gab ein undefinierbares Geräusch von sich. Ein Lachen? »Sicher. Was hast du denn gedacht, Kind? Infektionen töten viele Verwundete. Hast du geglaubt, dein Freund ist eine Ausnahme? Sicher siehst auch du den Sarvon in ihm, den großen Helden.«
Sue schwieg, Nerlan schien keine Antwort zu erwarten. Schweigend stapften sie über Trümmerstücke und durch knöchelhohe Pfützen.


